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Die Blechtrommel

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Die Blechtrommel

dtv,

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12 take-aways
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What's inside?

Oskar Matzerath trommelt gegen das Verdrängen millionenfacher Schuld im Nationalsozialismus und gegen die Nachkriegs-Spießbürgerlichkeit.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Oskar Matzerath trommelt

Günter Grass' Roman Die Blechtrommel leuchtet am Beispiel einer Danziger Kleinbürgerfamilie die Bedingungen für die Entstehung des Nationalsozialismus aus. Mit seiner Hauptfigur, dem zwergwüchsigen Oskar Matzerath, widerlegt Grass die in den 50er Jahren häufig - und sogar heute noch hin und wieder - vertretene These, den Einzelnen treffe kaum Schuld am Aufkommen totalitären Denkens. Im Gegenteil: Im fehlenden Vermögen des Individuums, sich für das Gemeinwesen verantwortlich zu zeigen, in seiner Verführbarkeit ist der Keim der Nazibarbarei angelegt. Oskar Matzerath enthüllt durch seine schon bei der Geburt vorhandene Einsicht schonungslos die Egoismen, Kleingeistigkeiten und Lebensängste seiner Mitmenschen, die sie letztlich verführbar machen. Doch Oskar findet auch selbst Gefallen an der Manipulation und erweist sich als mitunter bösartiger und egoistischer Zeitgenosse. Allerdings ist er auch ein Opfer, aus nazistischer Sicht "unwertes Leben", ein Zeit seines Lebens Getriebener. Einerseits trommelt er gegen das Vergessen - und darin liegt der moralische Anspruch des Romans -, andererseits stellt sich im Trommeln auf groteske Weise das Gefühl von Machtlosigkeit und Ausgeliefertsein dar. Die stupende Phantastik des Geschehens, die Grass auf rund 800 Seiten mit hoher Sprachkunst ausbreitet, macht aus der Blechtrommel einen Roman von Weltrang.

Take-aways

  • Durch seinen Debütroman Die Blechtrommel wurde der damals erst 32-jährige Günter Grass zum international bedeutendsten deutschen Nachkriegsautor.
  • In der Blechtrommel verbinden sich zwei literarische Traditionen: der Schelmenroman und die Familienchronik.
  • Der Roman erzählt die Geschichte der Danziger Familie Matzerath vom Beginn des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1954.
  • Die Hauptfigur, Oskar Matzerath, durchschaut von Geburt an die Erwachsenenwelt und beschließt im Alter von drei Jahren, mit dem Wachsen aufzuhören.
  • Er verleiht seiner Kritik am Zustand der Welt durch wildes Schlagen seiner Blechtrommel und das Zersingen von Glas Ausdruck.
  • Oskar ist schuldig am Tod seiner beiden Väter, seines vermutlichen Erzeugers Jan Bronski und des Mannes seiner Mutter, Alfred Matzerath.
  • Während des Zweiten Weltkrieges arbeitet Oskar als Schauspieler in einem Fronttheater in Frankreich und lernt die Liliputanerin Roswitha kennen. Auch für ihren Tod durch eine Granate trägt er indirekt die Verantwortung.
  • Mit Maria, der neuen Frau seiner Vaters, zeugt Oskar vermutlich seinen Sohn (und Halbbruder) Kurt und zieht mit beiden von Danzig nach Düsseldorf.
  • Im Rheinland arbeitet Oskar als Modell, studiert an der Kunstakademie und verliebt sich in die Krankenschwester Dorothea. Als Jazzschlagzeuger wird er ein reicher Mann.
  • Angeklagt, Dorothea ermordet zu haben, wird Oskar verhaftet und in eine Heilanstalt eingeliefert, wo er auch bleiben will, nachdem sich herausgestellt hat, dass er nicht der Mörder ist.
  • In der Anstalt schreibt Oskar die Geschichte seiner Familie und seines Lebens auf.
  • Der Roman wurde in rund 40 Sprachen übersetzt und gilt als der bekannteste deutsche Roman der Nachkriegszeit. Günter Grass erhielt 1999 den Nobelpreis für Literatur.

Zusammenfassung

Großmutter Annas Röcke

Zu Beginn der 1950er Jahre beschließt der kleinwüchsige Oskar Matzerath, der in einer Irrenanstalt lebt, die Geschichte seines Lebens niederzuschreiben. Da Oskar glaubt, dass seine Großeltern eine wichtige Rolle in seinem Leben gespielt haben, beginnt er seine Niederschrift damit, die Umstände zu schildern, unter denen seine Mutter gezeugt wurde: Oskars Großmutter Anna Bronski sitzt eines Tages allein auf ihrem Kartoffelacker bei Danzig. Plötzlich läuft der Brandstifter Joseph Koljaiczek auf sie zu. Er befindet sich auf der Flucht vor zwei Polizeibeamten. Anna versteckt Josef unter den vier langen Röcken, die sie das ganze Jahr über trägt. Joseph nutzt diese Situation aus und zeugt Oskars Mutter Agnes, während Anna die Polizisten abwimmelt. Wenig später heiraten Anna und Joseph. Um der Bestrafung für die Brandstiftung zu entgehen, nimmt Joseph den Namen Joseph Wrankas an, eines ertrunkenen Flößers, dessen Leichnam nie gefunden wurde. Der Betrug fliegt auf. Joseph macht sich erneut auf die Flucht und ertrinkt ebenfalls. Die Tochter Agnes wächst heran und wird später Krankenschwester. Auf eine zusätzliche Einnahmequelle angewiesen, vermietet Anna ein Zimmer an ihren Cousin Jan Bronski. Er will Verwaltungsbeamter auf der Post in Danzig werden. Jan Bronski hatte das Glück, ausgemustert zu werden und nicht in den Krieg ziehen zu müssen. Bronski und Agnes verlieben sich. Doch dann lernt Agnes bei ihrer Arbeit im Krankenhaus den kriegsverletzten Koch Alfred Matzerath kennen.

Oskars Väter

Im Jahr 1923 heiraten Agnes und Alfred. Jan Bronski hat mittlerweile mit Hedwig ein Verhältnis angefangen und heiratet sie im gleichen Jahr. Alfred und Agnes übernehmen einen Kolonialwarenladen, der allerdings nicht besonders gut läuft. Im Jahr 1924 kommt Oskar, der Sohn von Alfred und Agnes, zur Welt. Es ist aber zu vermuten, dass eigentlich Jan Oskars Erzeuger ist, denn Agnes hat ihre Beziehung zu diesem nie ganz aufgegeben. Es erweist sich schon bald, dass Oskar bei der Geburt seine geistige Entwicklung bereits abgeschlossen hat und außerdem über ein voll ausgebildetes Gehör verfügt. So hört er, dass seine Mutter verspricht, ihm an seinem dritten Geburtstag eine Blechtrommel zu schenken. Von diesem Zeitpunkt an fiebert Oskar seinem dritten Geburtstag entgegen. Als es dann so weit ist und Oskar endlich das begehrte Instrument bekommt, beschließt er, sich nicht mehr zu verändern. Er gibt den Plan auf, Politiker oder Kolonialwarenhändler zu werden und weigert sich zu wachsen - mit Erfolg. Um den Erwachsenen einen Grund zu liefern, dass er nicht mehr wächst, stürzt er sich absichtlich an seinem dritten Geburtstag die Kellertreppe hinunter. Oskar wird durch den Sturz bewusst, dass er über eine weitere Gabe verfügt: Er kann seine Stimme so schrill und spitz ausformen, dass davon Glas zerspringt. Aus Angst, die Lehrerin könne ihm die Trommel wegnehmen, beginnt Oskar auch am Tag seiner Einschulung zu singen, bis die Brillengläser der Lehrerin und die Fenster des Schulhauses zerklirren. Oskar beschließt an diesem Tag, nie wieder in die Schule zu gehen. Eine Nachbarin wird ihm das Lesen beibringen, insbesondere die Lektüre von Werken Rasputins und Goethes.

Oskar lässt die Menschen tanzen

Das Liebesverhältnis zwischen Oskars Mutter Agnes und Jan Bronski dauert an. Während sich die beiden regelmäßig in einem gemieteten Zimmer treffen, muss Oskar bei dem Gemischtwarenhändler Sigismund Markus, seinem Trommellieferanten, auf die Mutter warten. Einmal folgt Oskar der Mutter unauffällig und beobachtet sie und ihren Liebhaber Jan. Maßlos enttäuscht lässt Oskar die Glastüren des Stadttheaters zerspringen. Als er neuneinhalb Jahre alt ist, es ist das Jahr 1932, begegnet er in einem Zirkus dem kleinwüchsigen Meister Bebra. Der gibt Oskar einen rätselhaften Rat: Oskar solle niemals vor, sondern immer auf einer Tribüne stehen. In Deutschland erreichen zu dieser Zeit die nationalsozialistischen und kommunistischen Aufmärsche ihren Höhepunkt. Immer häufiger sieht Oskar nun auch seinen Vater Alfred in der Uniform der Nationalsozialisten. Anlässlich einer Kundgebung zum 1. Mai hat Oskar zum ersten Mal die Möglichkeit, Bebras Rat zu befolgen. Er setzt sich unter die Tribüne und trommelt einen Walzer - und setzt damit den Marschrhythmus der Nazis außer Kraft. Plötzlich beginnt die Menge, nach Oskars Rhythmus zu tanzen, und die Ansammlung von anfangs aufgepeitschten, hasserfüllten Menschen löst sich in Heiterkeit auf.

Oskar wartet auf ein Wunder

Als Oskar etwa zehn Jahre alt ist, fängt er an, Glas nicht nur zum Zerbersten zu bringen, wenn er traurig oder wütend ist oder wenn er Menschen an ihre moralischen Pflichten erinnern will, sondern er zersingt Glas auch einfach nur, um sich die Zeit zu vertreiben. Oskar versteht immer besser, wie einfach es ist, die Menschen zu manipulieren. Es gelingt ihm schließlich sogar, Jan, den Liebhaber seiner Mutter, zum Diebstahl eines wertvollen Schmuckstücks zu verführen: Oskar hat genau an der Stelle ein Loch in das Schaufenster eines Goldschmieds gesungen, wo sich ein Rubincollier befindet. Jan fackelt nicht lange und greift zu. Der Mutter missfällt Oskars freies, ungebundenes Leben immer mehr. Sie hat das Gefühl, dass der Junge sich ihrer Aufsicht entzieht, und beschließt, ihn nun häufiger mit in die Kirche zu nehmen. Bei einem dieser Besuche stellt Oskar fest, dass eine Jesusfigur beinahe die gleiche Größe hat wie er selbst. Oskar schenkt diesem Jesus spontan seine Trommel, doch zu seiner großen Enttäuschung regt sich die Statue nicht, und es geschieht auch kein Wunder. An Jesus glaubt Oskar nun nicht mehr.

Pferdekopf und Niobe

Das Dreiecksverhältnis zwischen Alfred Matzerath, Agnes und Jan wird für alle Beteiligten immer schwieriger zu ertragen. Bei einem Spaziergang an der Ostsee, den die drei mit Oskar machen, schauen sie einem Fischer zu, der mit einem Pferdekopf als Köder Aale fängt. Beim Anblick dieses Schauspiels wird es Agnes übel. Völlig verstört tritt sie den Heimweg an. Was niemand weiß: Sie hat zuvor erfahren, dass sie erneut mit einem verkrüppelten Kind schwanger ist. In der folgenden Zeit isst Agnes so viel Fisch, bis sie an einer Fischvergiftung stirbt. Niemand ahnt, dass es Selbstmord war. Oskar jedoch gerät wegen seiner nicht enden wollenden Trommelei in den Verdacht, seine Mutter getötet zu haben. Nach dem Tod der Mutter sucht er so oft sie es gestattet Schutz unter den Röcken seiner Großmutter, wie es einst sein Großvater gemacht hat. Da lernt er den Kellner Herbert Truczinski kennen, dessen Rücken mit seinen unzähligen Narben aus Messerstechereien Oskar besonders beeindruckt. Aber auch Herbert bleibt ihm nicht lange erhalten. Als der Freund eine Stelle als Museumswärter annimmt, begleitet ihn Oskar ins Museum. Dort kommt es zu einem tragischen Unglück: Bei dem Versuch, die schöne hölzerne Galionsfigur der Niobe zu umarmen, verletzt sich Herbert an einer beidseitig geschliffenen Schiffsaxt und verblutet.

Angriff auf die Polnische Post

Am 10. November 1938 wird auch Oskar indirekt Opfer der Judenpogrome. Die SS zerstört das Geschäft von Sigismund Markus. Oskar gelingt es, drei Trommeln zu retten. Als die letzte Trommel nicht mehr bespielbar ist, bietet sich Jan Bronski an, sie in der Polnischen Post von Danzig, wo er mittlerweile leitender Sekretär geworden ist, zu reparieren. Als die beiden dort ankommen, sehen sie, dass das Gebäude von der SS-Heimwehr umstellt ist. Zwar gelingt es Jan und Oskar, die Post zu betreten, wenig später wird das Gebäude aber von den Soldaten mit Granaten angegriffen. Die Postangestellten verteidigen das Haus mit allen Mitteln, Jan wird verletzt. Oskar flüchtet in ein Hinterzimmer und findet zu seinem großen Erstaunen dort eine völlig intakte neue Trommel. Schließlich erkennen die Postler die Ausweglosigkeit ihrer Situation und ergeben sich der SS. Oskar rettet sein Leben, weil es ihm gelingt, sich gegenüber den Soldaten als Kind auszugeben. Zudem zögert er nicht, Jan Bronski, seinen mutmaßlichen leiblichen Vater, zu verunglimpfen, indem er ihn bezichtigt, ihn als lebendes Schutzschild in die Post gebracht zu haben. Die SS erschießt Jan und lässt Oskar laufen.

Oskars Liebschaften

Als Oskar 16 Jahre alt ist, entschließt sich Alfred Matzerath, im Laden eine Hilfskraft anzustellen. Es ist Maria Truczinski, die Schwester von Oskars verstorbenem Freund Herbert. Oskar verliebt sich in sie. Sie gehen oft gemeinsam schwimmen, und am Strand naschen sie Brausepulver. Schließlich wird Maria aber Alfreds Geliebte; Oskar kommt über den Schmerz kaum hinweg. Als Maria schwanger wird, heiratet Alfred sie, doch Oskar ist sicher, dass das Kind, sein Halbbruder, eigentlich von ihm ist. Einmal schubst Oskar Maria sogar die Treppe hinunter, um das Kind im Mutterleib zu töten, doch sein Plan geht nicht auf. 1941 wird es geboren und auf den Namen Kurt getauft. Zwei Jahre später schließt sich Oskar einer Fronttheatertruppe an, die in Frankreich auftritt. Dort verliebt er sich in seine kleinwüchsige Schauspielerkollegin Roswitha. Als sich Oskar eines Morgens in der Normandie weigert, Kaffee zu holen - es ist der Tag, an dem die Alliierten landen -, geht Roswitha an seiner Stelle und wird durch eine Schiffsgranate getötet. Im Jahr 1944 geschieht doch noch das von Oskar sehnlichst herbeigewünschte Wunder: Bei einem Kirchenbesuch gibt Oskar der Jesusfigur noch einmal seine Trommel, und dieses Mal fängt der Gottessohn nicht nur an zu trommeln, sondern sendet Oskar sogar als seinen Nachfolger aus und beauftragt ihn, Jünger zu suchen.

Oskars Bande

Oskar schart eine gewalttätige Jugendbande um sich und lässt sich Jesus nennen. Die Jugendlichen plündern Kirchen und Büroräume der Hitlerjugend. Der Spuk dauert allerdings nicht lange. Die Bande wird verhaftet, und die meisten Jugendlichen werden zum Tod verurteilt - außer Oskar, dem es wieder einmal gelingt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Als die russische Armee Danzig besetzt, nimmt Oskar das Parteiabzeichen seines Vaters an sich. Hinterlistig gibt er es Alfred zurück, als dieser mit erhobenen Händen von den Russen aus dem Keller getrieben wird. In panischer Angst versucht Alfred, das Abzeichen zu verschlucken. Er droht daran zu ersticken, vergisst, die Hände oben zu halten und stirbt im Kugelhagel der Russen. Bei Alfreds Beerdigung wirft Oskar seine Trommel ins Grab. Oskar will nun wieder wachsen, doch das gelingt nicht in dem erhofften Maße. Die Familie flieht in den letzten Kriegstagen ins Rheinland, um sich dort eine neue Existenz aufzubauen. Allein auf der Zugfahrt wächst Oskar zehn Zentimeter. Allerdings wächst ihm auch ein Buckel.

Oskar wird reich

In Düsseldorf arbeitet Oskar zusammen mit der hocherotischen Ulla als Nacktmodell: sie als Madonna, er als Jesusknabe. Er macht auch eine Ausbildung als Steinmetz, während Maria und Kurt vom Schwarzhandel leben und Kunsthonig verkaufen. Oskar macht Maria einen Heiratsantrag, doch sie lehnt ab. Enttäuscht versucht er, Abstand von ihr zu gewinnen. Er beginnt ein Studium an der Kunstakademie und hat mehrere Verhältnisse mit Frauen, u. a. mit der Krankenschwester Dorothea, die ihn aber verlässt, als Oskar beim Geschlechtsakt versagt. Mit dem Jazzmusiker Klepp gründet Oskar eine Band. Oskar und seine Trommel schlagen das Publikum großer Konzertsäle in ihren Bann. Er trommelt seine Erinnerungen, und die Zuhörer fühlen sich in ihre Kindheit zurückversetzt. Der Chef der Konzertagentur "West", die Oskar unter Vertrag nimmt, ist Meister Bebra. In ihn hat Oskar großes Vertrauen. Angesichts seines Buckels, der immer größer wird, steigen in Oskar alte Schuldgefühle hoch. Deshalb bittet er Bebra, über alle Verfehlungen seines Lebens zu richten. Oskar ist entsetzt, als ihm die Schuld bewusst wird, die er auf sich geladen hat, und er fleht um Vergebung, die ihm Bebra auch gewährt. Oskar verdient durch seine Konzerte sehr viel Geld und kauft Maria einen eigenen Feinkostladen.

Oskars Zuflucht in einer Anstalt

Bei einem Spaziergang apportiert ein Hund Oskar einen menschlichen Ringfinger mit Ring. Diesen Vorfall beobachtet Gottfried von Vittlar. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich eine Freundschaft. Eines Tages verlangt Vittlar von Oskar ein Rezept, wie man berühmt wird. Oskar schlägt ihm vor, mit dem Ringfinger zur Polizei zu gehen und ihn, Oskar, zu beschuldigen, ein Mörder zu sein. Oskar selbst flieht mit zwei Stunden Vorsprung nach Frankreich. Dort wird er allerdings geschnappt. Oskar kommt in eine Heilanstalt. Doch als man entdeckt, dass der Ringfinger Schwester Dorothea gehörte, die von einer Kollegin ermordet wurde, und dass Oskar also unschuldig ist, soll er schon bald wieder aus der Anstalt entlassen werden. Oskar aber will bleiben. Er ist noch einmal ein Stück gewachsen und möchte einfach nur auf dem weißen Bett in seinem Zimmer liegen und seine Erinnerungen trommeln.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die 46 Kapitel des Romans sind auf drei "Bücher" verteilt, welche die Vorkriegszeit, die Kriegszeit und die Nachkriegszeit umfassen. Oskar Matzerath erzählt sein Leben vorwiegend in der ersten Person, manchmal ironisch gebrochen, indem der Erzähler mitten im Satz die Perspektive wechselt und von sich in der dritten Person spricht. Grass unterscheidet zwei Zeitebenen, die an Oskars 30. Geburtstag zusammengeführt werden: Die Zeit der Niederschrift dauert etwa vom September 1952 bis September 1954. Die erzählte Zeit hingegen dauert von Agnes Bronskis Zeugung 1899 bis zu Oskars Verhaftung im Sommer 1954. Oskars Sicht auf die Welt trägt skurril-sarkastische Züge und ist von beeindruckender Schärfe. Was er tut, sagt oder auch nur denkt, kommt mit einer stupenden Unerwartetheit und Phantastik daher, die alle Normen des Erzählens außer Kraft zu setzen scheint. Obwohl der Darstellung etwas Unreflektiertes innewohnt, bleibt die innere Logik der Figur Oskars immer intakt: Sie ist darauf ausgerichtet, mit vermeintlich kindlicher Naivität die Verfehlungen der Erwachsenenwelt zu denunzieren. Grass zieht alle Register der Sprachführung und ihrer syntaktischen Bauarten: mal tänzelnd melodiös oder hämmernd, dann wieder pathetisch oder distanziert. Das Instrument der erlebten Rede erlaubt es dem Leser, gleichsam in Oskars Haut zu schlüpfen und das Bewusstsein, das er von sich selbst und den anderen Personen hat, schneller wahrzunehmen, als die Figuren des Romans selbst es können. Auf Grund dieses Informationsvorsprungs, den der Leser hat, erscheinen die Figuren des Romans noch heuchlerischer, brutaler, naiver, manchmal aber auch rechtschaffener, als sie es in der Wirklichkeit des Romans sind.

Interpretationsansätze

  • Die Trommel wird zum Symbol von Oskars Weigerung, sich in eine gesellschaftliche Ordnung zu fügen. Ohne die Trommelei kann sich Oskar auch nicht erinnern. Die Trommel ist zudem, da Oskar sie ja auch aus Protest gegen die Verführbarkeit und Verantwortungslosigkeit der Menschen einsetzt, ein Spiegel, der ihm zu bedenken gibt, dass er all das Übel, gegen das er antrommelt, auch selbst verkörpert.
  • Oskars Infantilität und seine Trommelei streichen den moralischen Anspruch des Romans heraus. Kinder sind aller Moral entbunden, in die Verhältnisse nicht involviert und deshalb zu einer unverfälschten, entlarvenden Sicht auf die Dinge fähig.
  • Die Blechtrommel ist ein Stück Warnliteratur, das im Gewand des Schelmenromans daher kommt. Die Intensität des Romans verdankt sich der Aneinanderreihung von Geschichten und Fragmenten, einem raschen Wechsel von unwahrscheinlichen und dennoch wahr anmutendem Situationen, aus denen sich schließlich Oskars Lebensgeschichte herausschält.
  • Der Humor sorgt für die messerscharfe Klarheit, mit der der Roman nicht nur die Verbrechen des Dritten Reiches entlarvt, sondern auch davor warnt, dass das individuelle Versagen in Fragen der Menschlichkeit und Moral eine potenzielle Gefahr für die Zukunft bedeutet.
  • Grass richtet nicht, sondern zeigt, wie die Bewältigung der kleinen und großen Alltagsprobleme des Lebens die Menschen in einem so hohen Maß fordert, dass zur Analyse der politisch-moralischen Verfassung der Gesellschaft kein Platz mehr bleibt.

Historischer Hintergrund

Zwischen Kaiserreich und Adenauerzeit

Grass wertete in der Blechtrommel das Bild des "hässlichen Deutschen" radikal um, indem er mit Oskar Matzerath, der beschloss, nicht mehr zu wachsen, eine Figur schuf, die im Dritten Reich als "unwertes Leben" in eine Anstalt gekommen oder umgebracht worden wäre. Der im Roman erzählte Zeitraum reicht vom Ersten Weltkrieg bis zum Beginn der Ära Adenauer Anfang der 50er Jahre. Es sind diejenigen 50 Jahre, die mit zwei angezettelten und verlorenen Kriegen den größten Bruch in der Geschichte der Deutschen darstellen. Die Ursachen für die ungeheure Schuld, welche die Deutschen als Volk auf sich geladen haben, leitet Grass aus der Untertanenmentalität des Einzelnen zur Zeit des Kaiserreichs ab.

In der Adenauerzeit erkannte Grass keinen wirklichen Neuanfang: Auf vielen Posten des öffentlichen Lebens saßen immer noch - oder wieder - Nazis, ohne dass dies die am Wirtschaftswunder arbeitenden Menschen gestört oder beunruhigt hätte. Grass kritisierte offen seine Schriftstellerkolleginnen und -kollegen und die Künstlerinnen und Künstler der Nachkriegzeit wegen ihrer Tendenz, zwar den Nationalsozialismus aufarbeiten zu wollen, nicht jedoch der eigenen Gegenwart kritisch entgegenzutreten. Indem er Die Blechtrommel 1954 in der Abgeschlossenheit einer Heil- und Pflegeanstalt beginnen und auch enden lässt, suggeriert Grass historische Kontinuität und negiert jede Behauptung einer Zeitenwende.

Entstehung

Die Blechtrommel trägt autobiographische Züge. Oskars Lebensweg, seine geographische und soziale Herkunft, die Übersiedlung ins Rheinland, seine Ausbildung zum Steinmetz und der Besuch der Kunstakademie, das alles ist Grass' Lebenslauf durchaus ähnlich. Literarisches Modell ist der spanische Picaro- oder Schelmenroman aus dem 17. Jahrhundert mit seinen körperlich unvollkommenen, hässlichen Umhergetriebenen, die sich mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln, mit List, Durchtriebenheit und Schalk durchs Leben schlagen. Bereits Thomas Manns Roman Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (1954) entstand nach diesem Modell, wobei sein Held jedoch ein schöner Mann ist, der ein körperliches Gebrechen vortäuscht, um daraus Vorteile zu ziehen. Wie jedoch menschliche Verhaltensmuster, die zur politischen oder persönlichen Katastrophe führen, in einer skurril-grotesken Form darzustellen sind und wie man sich dabei zugleich des erhobenen Zeigefingers enthalten kann, das hat Grass bei Bertolt Brecht gelernt, den er in den 50er Jahren verehrte. 1958, ein Jahr vor Erscheinen des Romans, las Grass vor den Schriftstellerkolleginnen und -kollegen der Gruppe 47 aus dem Manuskript des Romans vor und erhielt deren Literaturpreis.

Wirkungsgeschichte

Der Blechtrommel war bei der Publikation sofort ein großer Erfolg beschieden, auch international. Bis 1963 wurde der Roman in 24 Sprachen übersetzt, heute liegt er in rund 40 Sprachen vor. Die weltweite Gesamtauflage wird heute auf über drei Millionen geschätzt. Im Sog der Blechtrommel begann Anfang der 60er Jahre eine allgemeine internationale Anerkennung der deutschen Nachkriegsliteratur. Allerdings wurde Grass' Meisterwerk auch nicht von Kritik verschont: So wurden ihm etwa fehlende Sittlichkeit sowie Blasphemie vorgeworfen. Das hatte Folgen: Der Bremer Senat verweigerte Grass 1959 den bereits zuerkannten Literaturpreis der Stadt. Als der rechtskonservative Publizist Konrad Ziesel, der gegen Grass schon seit Erscheinen der Novelle Katz und Maus (1961), die oft als Fortsetzung der Blechtrommel gelesen wird, einen juristischen Kleinkrieg führte, 1968 Grass öffentlich als "Verfasser übelster pornographischer Ferkeleien" bezeichnete, gab ein Gericht Ziesel schließlich Recht. Grass äußerte sich resigniert: "Ziesel, das ist nun mal so ein Stigma, das dieser Gesellschaft anhaftet und mit dem man älter werden muss." An der heftigen Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten lässt sich die Situation im Nachkriegsdeutschland exemplarisch nachvollziehen, in der Anwälte des Verdrängens und der Aufarbeitung aufeinander prallten.

International erfolgreich wurde auch die Verfilmung des Romans durch Volker Schlöndorff aus dem Jahr 1979 mit Mario Adorf als Alfred und dem damals erst 11-jährigen kleinwüchsigen David Bennent als Oskar. Der Film erhielt den Bundesfilmpreis, die Goldene Palme von Cannes und den Oscar für den besten ausländischen Film. Die südafrikanische Schriftstellerin Nadine Gordimer bekannte Anfang der 90er Jahre, Grass komme das Verdienst zu, mit der Blechtrommel wesentlich zur Evolution des Romans beigetragen zu haben, obwohl diese literarische Form nach dem Zweiten Weltkrieg immer wieder totgesagt worden sei. Grass ergänzte Die Blechtrommel in den Jahren 1961 und 1963 mit den Romanen Katz und Maus und Hundejahre zur Danziger Trilogie. Für die Auszeichnung des Autors mit dem Georg-Büchner-Preis im Jahr 1965 und vielen weiteren nationalen und internationalen Preisen bildete zweifellos allein der Erfolg der Blechtrommel die Voraussetzung. Als Grass 1999 den Literaturnobelpreis erhielt, waren im bundesdeutschen Feuilleton wiederum kritische Stimmen zu vernehmen. Tatsächlich hat Grass' nach der Blechtrommel entstandenes Werk weder im deutschsprachigen noch im internationalen Feuilleton ein auch nur annähernd so großes Echo ausgelöst wie der Romanerstling. Doch der Verkaufserfolg steht für sich: Alle Grass'schen Werke zusammen haben eine Weltauflage von zwölf Millionen erreicht.

Über den Autor

Günter Grass wird am 16. Oktober 1927 als Sohn eines Lebensmittelhändlers in Danzig geboren. Er besucht das Gymnasium und wird Mitglied der Hitlerjugend. Ende des Zweiten Weltkriegs meldet sich der 15-Jährige freiwillig zur Wehrmacht, um der familiären Enge zu entkommen. Nach einer Verwundung gerät er in Bayern in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wird. Grass zieht ins Ruhrgebiet, arbeitet dort im Bergbau und später im Rheinland als Landarbeiter. Er macht eine Steinmetzlehre und studiert von 1948 bis 1956 Bildhauerei in Düsseldorf und Berlin. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Paris gibt Grass die bildhauerische Arbeit auf. Mit dem Erscheinen seines ersten Romans Die Blechtrommel 1959 wird er schlagartig berühmt. In den 60er Jahren engagiert er sich politisch für die SPD und unterstützt den Wahlkämpfer Willy Brandt. Immer wieder mischt er sich in politische Debatten ein. Aus Protest gegen die restriktive Asylpolitik der SPD tritt er Anfang der 90er Jahre aus der Partei aus. Nach dem Fall der Berliner Mauer kritisiert Grass vehement die deutsche Wiedervereinigung als verfrüht. Er begrüßt zwar die neue Freiheit der Ostdeutschen, für deren Schutz bedürfe es jedoch der politischen Einheit Deutschlands nicht. Die Novellen Katz und Maus (1961) und Hundejahre (1963) bilden zusammen mit der Blechtrommel die Danziger Trilogie. Weitere wichtige Werke sind Örtlich betäubt (1969), Aus dem Tagebuch einer Schnecke (1972), Das Treffen in Telgte (1978) und Im Krebsgang (2002). 1999 wird Grass der Literaturnobelpreis für sein Lebenswerk verliehen. Im Sommer 2006 bekennt er mit dem Erscheinen seines autobiografischen Werks Beim Häuten der Zwiebel, dass er als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS war. Diese späte Enthüllung löst eine heftige Debatte über Grass als moralische Instanz aus. Im Alter von 87 Jahren stirbt Günter Grass am 13. April 2015 in Lübeck.  

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