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Auslöschung
Buch

Auslöschung

Ein Zerfall

Frankfurt am Main, 1986
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2010 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Eine antipatriotische Tirade

Thomas Bernhards letzter Roman ist zugleich sein umfangreichster und wird nicht selten als sein „Opus magnum“ bezeichnet. Alles, aber wirklich alles, was den umstrittenen Autor im Kern ausmacht, findet sich auf den 650 dicht bedruckten, absatzlosen Seiten. Der Leser möchte eine bitterböse Abrechnung mit einem rundweg spießbürgerlichen Österreich? Soll er bekommen! Oder lieber nicht? Dann erst recht! Bernhard verunglimpft seine Landsleute allesamt als Nationalsozialisten und Kulturbanausen. Mit verschachtelten Bandwurmsätzen und absurden Endlos-Wiederholungen zeigt er sich auch formal auf der Höhe seiner eigenwilligen Kunst. Auslöschung ist ein hochmusikalisches und streng rhythmisiertes Sprachwerk, das mit Bachs Kunst der Fuge verglichen wurde, das aber – wie alle Bernhard-Werke – Geschmackssache ist. Für einige Zeitgenossen blieb Bernhard auch mit diesem Roman ein krankhafter Nörgler und billiger Provokateur. Die Literaturkritik einigte sich jedoch schon bald darauf, dass es sich bei Auslöschung um einen literarischen Glücksfall handelt. Für Bernhard-Fans ein Muss, für alle anderen ein Geheimtipp.

Zusammenfassung

Ein Telegramm und seine Folgen

Der Privatlehrer Franz-Josef Murau lebt in Rom, wo er seinen Schüler Gambetti in deutscher Literatur unterrichtet. Als er an einem Frühlingstag in seine Wohnung kommt, findet Murau ein Telegramm seiner beiden Schwestern Caecilia und Amalia vor: Die Eltern und sein Bruder Johannes sind bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Murau wird für die Beerdigung umgehend nach Österreich zurückkehren müssen, was ihn schon deshalb ärgert, weil er gerade erst wegen der Hochzeit Caecilias mit einem Weinflaschenstöpselfabrikanten dort war. Murau hasst den Sitz der Familie, das Schloss Wolfsegg. Und er hasst seine Familie, die ihm den Auszug aus Wolfsegg und seinen Freiheitsdrang immer zum Vorwurf gemacht hat.

Murau betrachtet ein Foto seiner Eltern und eines seines Bruders. Voller Abscheu erinnert er sich an die Gier seiner Familie, die ihren Besitz immer weiter vermehren wollte. Vater und Bruder waren begeisterte Bauern und Jäger; künstlerische und geistige Neigungen hatten seine Familienmitglieder dagegen nie. Die fünf Bibliotheken...

Über den Autor

Thomas Bernhard wird am 9. Februar 1931 in den Niederlanden als unehelicher Sohn österreichischer Eltern geboren. Den Vater lernt er nie kennen. Die Mutter, eine mittellose Haushaltshilfe, gibt den Sohn zunächst in Pflege. Das Verlassensein prägt Bernhard und sein späteres Werk tief. 1932 kehrt die Mutter nach Österreich zurück, sie lebt mit dem Kind bei ihren Eltern. Bernhards Großvater Johannes Freumbichler ist ein verarmter Heimatschriftsteller, der dem Enkel bald als Vaterersatz gilt. Die Schulzeit empfindet Bernhard als Qual. 1945 misslingt ein Selbstmordversuch. Armut und schlechte Noten veranlassen ihn 1947 zur Aufgabe der Schule und zum Beginn einer Lehre. 1949 kommt er aufgrund einer Rippenfellentzündung ins Krankenhaus und entgeht nur knapp dem Tod. Dann wird Tuberkulose diagnostiziert. Bernhard verbringt knapp zwei Jahre in Krankenhäusern und Sanatorien; dort beginnt er zu schreiben und lernt auch seinen „Lebensmenschen“, die 35 Jahre ältere Hedwig Stavianicek kennen. Im Anschluss arbeitet er als Journalist, später studiert er Schauspiel. 1957 veröffentlicht er seinen ersten Gedichtband Auf der Erde und in der Hölle. Doch erst der Roman Frost (1963) bringt den Durchbruch. Bernhard gilt bald als einer der wichtigsten Autoren deutscher Sprache. Auch sein zweiter Roman Verstörung (1967) wird gefeiert. 1970 inszeniert Claus Peymann Bernhards erstes langes Theaterstück Ein Fest für Boris. Damit beginnt eine fruchtbare Zusammenarbeit, denn Peymann wird etliche von Bernhards abendfüllenden Stücken auf die Bühne bringen. Bernhard setzt sich unter Schreibdruck, sei es wegen seiner Immobilienkäufe oder seiner sich verschlechternden Gesundheit. Er veröffentlicht oft mehrere Werke pro Jahr, bis ihn Mitte der 80er Jahre Atemnot und Herzschwäche langsam in die Knie zwingen. 1984 rüttelt der Roman Holzfällen die Wiener Künstlerszene auf, 1986 erscheint sein Prosa-Meisterwerk Auslöschung, und Ende 1988 erlebt Bernhard mit Heldenplatz eine letzte Skandalpremiere. Am 12. Februar 1989 stirbt Thomas Bernhard in Gmunden an Herzversagen.


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