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Der Spaziergang
Buch

Der Spaziergang

Frauenfeld, 1917
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 1978 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Kurzprosa
  • Moderne

Worum es geht

Ein Tag im Leben eines Poeten

Der Spaziergang ist äußerlich ein kleines Werk, nicht einmal 100 Seiten lang, und handelt lediglich von der Schlenderei durch einen einzigen Tag. Und es ist zugleich ein großes Werk, denn es enthält gewissermaßen das Konzentrat von Robert Walsers zahllosen kleinen Prosastücken, die wiederum den Kern seiner Schriftstellerei ausmachen. Zudem bietet Der Spaziergang einen Panoramaschwenk über Walsers spätromantische Lebensauffassung und schafft in einer einzigartigen Mischung verschiedener Jargons und Stile ein schillerndes Sprachkunststück. Inhaltlich passiert nicht viel: Ein armer Poet spaziert einen Tag lang durch das Städtchen, in dem er lebt, und durch dessen Umgebung. Er beobachtet im Vorübergehen und fühlt aus tiefstem Herzen. Er erregt sich über die Unsitten der modernen Zeit und beschwört die Seligkeit der Natur. Er hält kleine, geschraubte Ansprachen und horcht melancholisch in sich hinein. Der heitere Grundton kontrastiert dabei mehrfach mit einem traurigen Befund: Der lustwandelnde Dichter führt offenbar ein bejammernswertes Leben. So war es jedenfalls bei Robert Walser selbst: Der Autor konnte die eigene poetische Heiterkeit immer weniger mit seiner kargen Existenz versöhnen. Die letzten Jahre seines Lebens verbrachte er in einer Heilanstalt, ohne zu schreiben. Von diesem traurigen Hintergrund abgesehen, ist Walsers Spaziergang ein wahrer Glücksfall für heutige Leser.

Zusammenfassung

Fort vom Schreibtisch, hinaus auf die Straße

Der Erzähler verlässt am Morgen seinen Schreibtisch und tritt auf die Straße hinaus, mit dem Plan, einen Spaziergang zu machen. Die Welt erscheint ihm sogleich schön und verlockend. Eben noch hat er übellaunig vor einem leeren Blatt Papier gesessen. Jetzt schlägt seine Stimmung um in romantische Entdeckerlust. Würdevoll schreitet er aus und begegnet bereits nach wenigen Metern Professor Meili, einer akademischen Autorität mit gebieterischem Auftreten, dessen milder Gesamteindruck dem Spaziergänger dennoch sympathisch ist. Anschließend beobachtet der Erzähler verschiedene Passanten, ermahnt sich aber dabei selbst, über niemanden billige Witze zu machen.

Als er sich einer Buchhandlung nähert, beschließt der Flaneur, dort nach dem jüngsten Erfolgstitel bei Kritik und Publikum zu fragen. In gewundenen Worten trägt er dem Verkäufer seine Frage vor, und dieser bringt gleich das entsprechende Buch herbei. Mehrfach lässt sich der Erzähler versichern, dass es sich tatsächlich um das bestverkaufte Werk der Saison handelt. Freilich hält der Verkäufer die Anschlussfrage, ob das Buch auch gut sei, für unstatthaft. Daraufhin verlässt ...

Über den Autor

Robert Walser wird am 15. April 1878 in Biel im Kanton Bern geboren. Hier absolviert er nach der Schulzeit eine Banklehre. In den Jahren 1896-1905 lebt er überwiegend in Zürich, arbeitet dort als Angestellter in Banken und Versicherungen, als Buchhändler und technischer Gehilfe eines Ingenieurs, aber auch - nach einer entsprechenden Ausbildung in Berlin - in Oberschlesien als Diener. Erste Gedichte verschaffen ihm Zugang zu literarischen Kreisen. Nach Erscheinen seines Debüts, Fritz Kochers Aufsätze (1904), folgt Walser 1906 seinem Bruder Karl nach Berlin, der dort als Maler und Bühnenbildner arbeitet und ihn in die Künstlerszene einführt. Walser verfasst in rascher Folge die Romane Geschwister Tanner (1907), Der Gehülfe (1908) und Jakob von Gunten (1909). Trotz Anerkennung durch Künstlerkollegen bleibt der Erfolg beim Publikum aus; Walser kehrt Berlin wieder den Rücken. Überzeugt davon, literarisch gescheitert zu sein, reist er 1913 in seine Heimatstadt Biel zurück. Im Hotel "Blaues Kreuz" mietet er eine Mansarde, wo er unter ärmlichsten Bedingungen lebt und schreibt. Hier entstehen eine Sammlung von Kurzprosatexten und die Erzählung Der Spaziergang (1917). Trotz der Präsenz in literarischen Zeitschriften kommt es nur noch zu einer Buchveröffentlichung: Die Rose (1925). Den so genannten Räuber-Roman von 1925 hinterlässt er nur als Entwurf, in mikroskopisch kleiner Schrift (Mikrogramm). Die Entzifferung soll mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Wegen psychischer Labilität lässt sich Walser 1929 in die psychiatrische Klinik Waldau bei Bern einweisen. Bis 1933 schreibt er weiter, danach muss er aufgeben und wird gegen seinen Willen in die Heilanstalt Herisau im Kanton Appenzell überstellt. Dort vegetiert er weitere 23 Jahre dahin, unerkannt und unbeachtet. Auf einem einsamen Spaziergang im Schnee verstirbt Walser am 25. Dezember 1956.


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