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Die Handschrift von Saragossa
Buch

Die Handschrift von Saragossa

St. Petersburg, 1805
Diese Ausgabe: Kein & Aber, 2003 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Romantik

Worum es geht

Vexierspiel mit der Wirklichkeit

Lange hat Jan Graf Potocki angeblich an der Verzierung eines Samowars gefeilt, um eine Kugel daraus zu formen und sich damit den Todesschuss zu setzen. Noch länger aber feilte er an diesem Roman, und manchmal hat es den Anschein, als habe er sich selbst verirrt in diesem komplexen Werk. Wer den Erzählfäden folgt, mit denen Potocki seine Leser ködert, wer von all den Abenteuern des Alfons van Worden liest, die dieser im Laufe von 66 Tagen erlebt oder erzählt bekommt, der wird vergebens hoffen, eindeutige Antworten auf die pausenlos aufgeworfenen philosophischen und religiösen Fragen zu erhalten. Denn der Autor legt die Antworten verschiedenen Protagonisten in den Mund und variiert sie: etwa in Diskussionen darüber, ob die Philosophie über den Aberglauben und das Übernatürliche siegt oder was Moral und Tugend wirklich bedeuten. All jene Figuren, die - wie beispielsweise der Clan der Gomelez - sich für eine gemeinsame Sache einsetzen, um gewisse moralische Grundsätze zu verwirklichen, werden letzten Endes ihres Ziels beraubt; die Sinnhaftigkeit zielstrebigen Wirkens wird grundsätzlich in Frage gestellt. Potocki hat mit diesem weithin unbekannten Roman ein äußerst faszinierendes Werk geschaffen, das seiner Zeit weit voraus war und in der Weltliteratur seinesgleichen sucht.

Zusammenfassung

Die Geschichte des Alfons van Worden

Alfons van Worden, Spross einer ehrwürdigen flämischen Ritterfamilie, ist auf dem Weg nach Madrid und durchquert die gespenstische Sierra Morena. Nachdem seine beiden Diener plötzlich verschwunden sind, kommt er für eine Nacht in der Herberge Venta Quemada unter. Dort tauchen nach Mitternacht plötzlich zwei maurische Damen auf, die sich als seine Cousinen ausgeben: Emina und Zubeida. Sie stellen sich vor als Töchter von Djasir Gomelez, des Herrschers von Tunis. Alfons, so erklären die Schwestern, sei mütterlicherseits ebenfalls ein Nachfahre der Gomelez, sie seien also miteinander verwandt. Die beiden Damen verführen Alfons und versuchen ihn vom Christentum abzubringen. Er aber steht hartnäckig zu seinem Glauben. Als er am nächsten Morgen aufwacht, fährt ihm der Schreck in die Glieder: Statt zwischen den verführerischen orientalischen Schwestern liegt er - unter einem Galgen, zwischen den Leichnamen von zwei Räubern!

Alfons trifft einen Einsiedler, der ihn bei sich aufnimmt, und einen "vom Teufel Besessenen", dem in der gleichen Herberge Schreckliches widerfahren ist. Am dritten Tag nach seinem geheimnisvollen Erlebnis wird Alfons...

Über den Autor

Jan Graf Potocki wird am 8. März 1761 in Pików als Sohn einer adligen Familie geboren. Als junger Mann studiert er in Genf und Lausanne, interessiert sich für Mathematik und Naturwissenschaften und setzt sich schließlich intensiv mit der Archäologie und insbesondere der Ethnologie auseinander. Innerhalb kurzer Zeit lernt er acht Sprachen. Er lässt sich in Wien an der Militärakademie ausbilden und wird Mitglied des Malteserordens. Der Kosmopolit ergreift für die Anhänger der Französischen Revolution Partei und verkehrt mit den Enzyklopädisten um Diderot. 1785 heiratet er Julia Lubormiska, mit der er zwei Söhne hat. Fünf Jahre nach Julias Tod heiratet er 1799 die wohlhabende Costancja Potocka, die ihm drei weitere Kinder gebärt. 1788 kehrt Potocki nach Polen zurück, gründet eine Druckerei und einen Verlag und richtet wenig später einen literarischen Salon ein. Potocki ist der Erste, der über Polen mit einem Heißluftballon aufsteigt. Zwischen 1789 und 1810 veröffentlicht er etliche Schriften zur Geschichte der slawischen Völker. Er gilt damit als Begründer der Slawistik. Er macht sich vor allem als Forschungsreisender einen Namen, notiert Lebensformen und beobachtet die Geschichtenerzähler in den Basaren von Istanbul. 1805 nimmt Potocki an einer Expedition nach China teil, die aber nur bis ins mongolische Ulan Bator kommt. Nach seinem Tod wird sogar versucht, ein Archipel im Gelben Meer nach ihm zu benennen, um seine Forschungen zu würdigen. Diese Bezeichnung hat sich aber nicht durchgesetzt. Die letzten Jahre verbringt der Freigeist vereinsamt auf seinem Gut im ukrainischen Uladowka. Am 20. November 1815 (oder, je nach Quelle, am 2. oder 11. Dezember) nimmt er sich das Leben - mit einer Kugel, die er angeblich in monatelanger Kleinarbeit aus der Verzierung eines Samowars zurechtgefeilt hat. Wenngleich Potockis Leistung als Wissenschaftler heute weitgehend in Vergessenheit geraten ist, so hat er doch als Autor der Handschrift von Saragossa Eingang in die (Literatur-)Geschichte gefunden.


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