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Kasimir und Karoline
Buch

Kasimir und Karoline

Leipzig, 1932
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2001 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Drama
  • Moderne

Worum es geht

Ernüchterndes Oktoberfest

Bierlaune und Weltwirtschaftskrise: Das Bild der deutschen Gesellschaft gegen Ende der Weimarer Republik, wie es Ödön von Horváth in Kasimir und Karoline zeichnet, ist äußerst facettenreich. Die einfachen Leute ächzen unter der explosionsartig steigenden Arbeitslosigkeit, die Kluft zwischen den Bevölkerungsschichten wird breiter und breiter. Das Theaterstück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers ist aber auch ein Beziehungsdrama, eine scharfe Analyse der selbstzerstörerischen Illusionen, denen sich die beiden Liebenden immer wieder hingeben. Kasimir und Karoline, beide eigentlich auf Vergnügen aus, lassen sich von Alkohol und Pöbeleien anheizen und verlieren sich allmählich aus den Augen – wörtlich und im übertragenen Sinn. Die Liebe ist ein höchst flüchtiges Gefühl inmitten fest gefügter gesellschaftlicher Verhältnisse und Regeln – diese ernüchternde Erkenntnis bewegt heute wie damals.

Zusammenfassung

Liebe und Streit beim „Hau den Lukas“

Auf dem Münchner Oktoberfest schauen viele Besucher gebannt einem vorbeifliegenden Zeppelin hinterher. Kasimir testet derweil seine Kraft beim „Hau den Lukas“ und unterhält sich mit seiner Verlobten Karoline. Er ist frustriert, weil er gerade seinen Arbeitsplatz als Fahrer verloren hat, und schimpft auf „die Millionäre“. Karoline versucht ihn zu beruhigen – ohne Erfolg. Im Gegenteil, die beiden geraten in Streit, und Kasimir macht sich wütend davon. Ein gewisser Schürzinger wendet sich an Karoline und kommt rasch mit ihr ins Gespräch. Karoline meint, dass der Mensch im Grunde schlecht sei, Schürzinger widerspricht ihr: Die Menschen seien weder gut noch böse; ihre jeweiligen Umstände würden ihr Handeln bestimmen. Kasimir beobachtet die beiden und stellt Karoline kurz darauf zur Rede, die aber will von seiner Eifersucht nichts wissen und behauptet, Schürzinger sei ein alter Bekannter von ihr. Das Paar streitet sich erneut, Kasimir wirft Karoline vor, dass sie sich von ihm trennen wolle, weil er seine Arbeit verloren habe. Karoline streitet dies ab, worauf Kasimir wieder das Weite sucht...

Über den Autor

Ödön von Horváth wird am 9. Dezember 1901 im ungarischen Fiume (dem heute kroatischen Rijeka) als unehelicher Sohn österreichisch-ungarischer Eltern geboren. Sein Vater ist Diplomat, sodass Ödön von klein auf immer wieder umzieht: zunächst nach Belgrad, dann nach Budapest, München, Pressburg und Wien, wo er 1919 sein Abitur macht. Anschließend besucht er an der Münchner Universität theater-, kunst- und literaturwissenschaftliche Seminare. Er verlässt die Universität ohne Abschluss und nimmt sich vor, Schriftsteller zu werden. Ab 1923 wohnt er abwechselnd bei seinen Eltern im oberbayerischen Murnau und in Berlin. 1927 wird sein erstes Theaterstück Revolte auf Côte 3018 uraufgeführt. Im selben Jahr lehnen die bayerischen Behörden seinen Antrag auf Einbürgerung ab. Horváth behält die ungarische Staatsbürgerschaft. Zwei Jahre darauf sichert ihm ein Vertrag mit dem Ullstein Verlag über sein gesamtes schriftstellerisches Werk ein Einkommen. 1931, auf dem Höhepunkt seines Schaffens, werden die erfolgreichsten Volksstücke Italienische Nacht und Geschichten aus dem Wiener Wald uraufgeführt. Horváth siedelt nach immer heftigeren Anfeindungen seitens der politischen Rechten 1933 nach Wien über. Seine Stücke dürfen nun in Deutschland nicht mehr gespielt werden. Er heiratet, lässt sich aber wenige Monate darauf wieder scheiden. 1934 wird er auf eigenen Antrag hin in den nationalsozialistischen Reichsverband deutscher Schriftsteller aufgenommen und führt ein recht unstetes Leben zwischen Wien und Berlin. Unter dem Pseudonym H. W. Becker arbeitet er an einigen trivialen Drehbüchern für die deutsche Filmindustrie mit. Als ihm das Deutsche Reich 1936 die Aufenthaltserlaubnis entzieht, bleibt er ganz in Wien. 1937 erscheint in einem Amsterdamer Exilverlag der Roman Jugend ohne Gott, eine Anklage gegen die Nazidiktatur. Nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich flieht Horváth über Budapest, Prag, Zürich und Amsterdam nach Paris. Er stirbt am 1. Juni 1938, als er während eines Gewitters auf den Champs-Élysées von einem herabfallenden Ast getroffen wird.


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