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Molloy

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Molloy

Suhrkamp,

15 Minuten Lesezeit
10 Take-aways
Text verfügbar

Was ist drin?

Molloy – ein Roman ohne Sinn, doch mit viel Verstand.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Das Leben ist eine Sackgasse

Ja, worum geht es eigentlich in Molloy? Diese Frage wurmt den Leser bis zur letzten Zeile. Ein Handlungsgerüst ist so gut wie nicht vorhanden. Sicher, ein Mann namens Molloy erzählt von der Suche nach seiner Mutter, ein anderer namens Moran von der Suche nach Molloy; doch das alles ereignet sich offenbar nicht in der Realität, sondern erinnert eher an einen Traum, in dem der Träumende alle Rollen selbst spielt. Sind Molloy und Moran also auf einer Reise zu sich selbst? „Wie soll einer dahin reisen, von wo er sich doch gar nicht entfernen kann?“, fragt Beckett an einer Stelle. Wer aus Molloy nicht schlau wird, ist deshalb noch lange nicht dumm. Denn Sinnlosigkeit ist bei Beckett Prinzip. Molloys und Morans Erlebnisse, die in so verstörender Weise auf nichts hinauslaufen, widerspiegeln die Situation des Menschen: Erkenntnis als Enttäuschung, Handeln als Scheitern – mit Becketts Molloy fand der äußerste Skeptizismus Eingang in die Literatur. Insofern ist das Buch, obgleich darin alle Bedeutung verneint wird, ein bedeutender Roman, ein radikaler Versuch, mit ihren eigenen Mitteln der Kunst ihre ureigenste Aufgabe abspenstig zu machen: das Erschaffen von Sinn. Beckett steht als Autor nicht gottgleich über dem Leser, sondern kreatürlich neben ihm. Mit ihm gemeinsam wundert er sich: „Worum geht es hier eigentlich?“

Take-aways

  • Molloy, der erste Teil einer Romantrilogie des irischen Schriftstellers Samuel Beckett, ist ein wichtiges Werk der literarischen Moderne.
  • Inhalt: Die beiden Ich-Erzähler Molloy und Moran sind auf der Suche. Molloy sucht seine Mutter, und er wiederum wird von Moran gesucht. Sie finden beide weder die gesuchte Person noch irgendetwas anderes, und schließlich rinnt ihnen auch noch ihr kümmerliches Rest-Ich durch die Finger.
  • In Molloy zeigt Beckett die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens: Wir können nichts wissen, nichts besitzen, nirgendwo hingelangen.
  • Beckett selbst gab an, mit der Arbeit an Molloy begonnen zu haben, nachdem er bei einem Besuch seiner Mutter eine Art Erleuchtung gehabt hatte.
  • Er schrieb den Roman nicht in seiner Muttersprache Englisch, sondern auf Französisch, um dem Ideal eines kunstlosen Stils näherzukommen.
  • Der Text enthält etliche philosophische Betrachtungen, in denen sich Becketts Vorliebe für absurden Humor zeigt.
  • Der Roman ist in zwei Teile gegliedert. Der erste besteht quasi nur aus einem einzigen Absatz.
  • Um Konflikte mit seiner Mutter aufzuarbeiten, unterzog sich Beckett einer Psychoanalyse, was sich im Roman niederschlug.
  • 1969 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen.
  • Zitat: „Ich versuchte, mich zu fassen. Natürlich vergeblich. Mein Leben lief aus, doch ich wusste nicht, wo das Leck war.“

Zusammenfassung

Im Zimmer der Mutter

Ein Mann befindet sich im Zimmer seiner Mutter und versucht, sich daran zu erinnern, wie er dort hingelangt ist. Er ist unsicher, ob seine Erinnerungen und Wahrnehmungen der Wahrheit entsprechen und ob er für das, was er beschreiben möchte, die richtigen Worte findet. Handfeste Tatsachen kommen ihm so gut wie gar nicht in den Sinn. Klar ist nur: Er ist sehr alt und offenbar am Ende seines Lebens angelangt; Körper, Verstand und Sinne funktionieren nur noch notdürftig. Seine gegenwärtige Situation: Er sitzt im Zimmer und schreibt. Ein Unbekannter holt in regelmäßigen Abständen die Ergebnisse seiner Schreiberei ab. Dabei bringt er korrigierte Seiten zurück und gibt ihm ein wenig Geld. Die korrigierten Seiten schaut der Mann nicht an, er kann die Zeichen darauf gar nicht deuten. Wo die Mutter ist, ob sie noch lebt oder schon gestorben ist, ist unklar; der Mann weiß es selbst nicht so genau.

Der Entschluss

Der Mann erzählt von Ereignissen, die sich in einer unbestimmten Vergangenheit und in einer unbestimmten Gegend abgespielt haben. Wie ein Landstreicher hat er die Nacht unter freiem Himmel verbracht. Er erwacht mit dem Entschluss, seine Mutter zu besuchen. Obschon er wegen eines steifen Beines auf Krücken angewiesen ist, bewegt er sich hauptsächlich mit dem Fahrrad fort, wobei er die Krücken an dessen Rahmen befestigt.

Bei der Polizei

Nachdem er einige Meilen zurückgelegt hat, erreicht er endlich die Stadt. Dort wird er von der Polizei aufgegriffen, auf die Wache gebracht und zu seiner Person befragt. Der Mann kann jedoch nur angeben, dass er auf dem Weg zu seiner Mutter ist. Wo diese wohnt, kann er nicht sagen. Immerhin fällt ihm sein Name ein: Molloy. Eine Frau bringt ihm auf einem Tablett Tee und eine Scheibe Brot, doch Mildtätigkeit ist nicht nach seinem Geschmack und er schleudert das Tablett gegen die Wand. (Oder auf den Boden? So genau weiß er es nicht mehr.) Daraufhin wird er eindringlich ermahnt, zu gesittetem Benehmen angehalten und schließlich entlassen. Molloy sieht sein Fehlverhalten ein und wundert sich, dass er ohne jede Bestrafung davongekommen ist.

Der Hund

Nachdem er die Nacht außerhalb der Stadtmauern in einem Straßengraben verbracht hat, nimmt Molloy am nächsten Tag seinen Weg wieder auf. Doch in der Stadt angekommen findet er sich nicht mehr zurecht – ist das überhaupt die richtige Ortschaft? Molloy überlegt, ob er einen Passanten um Hilfe bitten soll. Doch wonach soll er fragen, wo ihm doch der Name der Stadt gar nicht mehr einfallen will? Da geschieht es, dass Molloy, ganz in Gedanken vertieft, mit seinem Fahrrad einen Hund totfährt und dabei stürzt. Er versucht zu fliehen, wird jedoch von einer aufgebrachten Menge festgehalten.

Aufenthalt bei einer Dame

Zum Glück rettet ihn die Hundebesitzerin aus den Händen des Mobs. Sie ist ganz und gar nicht wütend auf Molloy, sondern voller Verständnis. Nachdem sie den Umstehenden erklärt hat, dass sie ohnehin mit dem Hund auf dem Weg zum Tierarzt gewesen sei, um ihn einschläfern zu lassen, und dass Molloy ihr diesen schweren Gang nun erspart habe, nimmt sie diesen sogar mit zu sich nach Hause. Ihr Name ist Madame Loy oder Sophie oder Lousse (Molloy ist sich nicht sicher). Jedenfalls scheint sie ihm zugeneigt, gibt ihm Kleidung, Essen und Trinken und bietet ihm schließlich sogar an, dass er bleiben darf. Molloy zieht ihr Angebot eine Zeit lang in Erwägung. Doch schließlich wird er des goldenen Käfigs überdrüssig und macht sich wieder aus dem Staub. Sein Fahrrad lässt er zurück. Wie viel Zeit er bei Madame Loy oder Sophie oder Lousse zugebracht hat? Wochen? Monate? Ein Jahr? Molloy weiß es nicht.

Am Meer

Auf Krücken schwingt Molloy sich davon und nimmt sein einsames Vagabundenleben wieder auf. Irgendwann erreicht er die Küste. In einer Höhle fristet er ein elendes Dasein und beschäftigt sich mit Grübeleien. So überlegt er z. B., wie er es anstellen kann, seinen Vorrat an Lutschsteinen möglichst zweckmäßig zu organisieren. Ihm ist nämlich daran gelegen, eine bestimmte Reihenfolge beim Lutschen der Steine einzuhalten und keinen Stein zum zweiten Mal zu lutschen, bevor er nicht alle anderen Steine gelutscht hat. Sein körperlicher Verfall schreitet unterdessen fort, sein bislang gesundes Bein wird nun ebenfalls steif. Molloy arrangiert sich mit seinen Gebrechen, ja er begrüßt sie fast. Inzwischen ist ihm ohnehin alle Gewissheit abhandengekommen. Namen, Orte, Zeiten und Personen verschwimmen ineinander. Außen- wie Innenwelt entziehen sich immer mehr dem Zugriff seiner Wahrnehmung und seines Denkens. Eines Tages jedoch erwacht die Erinnerung an seine Mutter und an sein Vorhaben, sie zu besuchen, und Molloy beschließt, in die Stadt zurückzukehren.

Im Wald

Auf seiner Wanderung gerät er in einen Wald. Hier trifft er nach langer Zeit wieder auf einen Menschen, einen Köhler, der ihn (aus Einsamkeit, wie Molloy vermutet) zum Bleiben bewegen möchte. Doch Molloy ist ja unterwegs zu seiner Mutter. Also fragt er den Köhler, wie er am besten aus dem Wald herauskommt. Der jedoch scheint ihn nicht zu verstehen und kann ihm die gewünschte Auskunft nicht geben. Molloy ist verärgert. Als er aufbrechen will, hält ihn der Köhler am Ärmel zurück. Daraufhin erschlägt Molloy ihn und zieht weiter.

Im Kriechgang

Da Molloy kaum noch aufrecht gehen kann, verlegt er sich darauf, auf dem Bauch zu kriechen oder sich auf dem Rücken liegend fortzubewegen. Mit den Krücken fischt er nach Baumwurzeln und dergleichen, um sich so Stück für Stück vorwärtszuziehen. Seine Reise gestaltet sich entsprechend mühselig. Fast erwägt er, im Wald zu bleiben. Doch wenngleich er nicht weiß, wie oder gar warum – er muss zu seiner Mutter. Um endlich aus dem Wald herauszukommen, überlegt er sich folgende Taktik: Wenn Wanderer im Wald versuchen, einer geraden Linie zu folgen, gehen sie bekanntlich allzu leicht im Kreis. Deshalb versucht Molloy nun, möglichst gegenteilig vorzugehen: Er kriecht in einer Kreisbahn und hofft, auf diesem Weg geradewegs ins Freie zu gelangen. Gesagt, getan – bald hat er den Waldrand erreicht. Erschöpft bleibt er in einem Graben liegen. Es ist Frühling. Molloys Reise scheint zu Ende.

Der Auftrag

An einem Sonntag im Sommer bekommt der Agent Jacques Moran den Auftrag, „sich um Molloy zu kümmern“. Moran hält sich für einen Mann, der weiß, was er tut, gewissenhaft und methodisch. Und überdies ist er jemand, der sich einen Augenblick der Muße unter dem Apfelbaum in seinem Garten durch nichts in der Welt verderben lässt. Den Auftrag von seinem Chef Youdi händigt ihm ein Mittelsmann aus, ein gewisser Gaber. Moran ist wenig begeistert. Sein Sohn, der ebenfalls Jacques heißt, soll ihn begleiten. Das stimmt ihn verdrießlich. Molloy, oder Mollose, wie er ihn auch nennt, ist ihm kein Unbekannter. Trotzdem weiß er so gut wie nichts Gewisses über ihn. Noch bevor er sich überhaupt auf die Suche nach Molloy begeben kann, geht es mit Moran geistig wie körperlich bergab. Auch sein Sohn erkrankt plötzlich, und Moran sieht sich genötigt, ihm einen Einlauf zu machen. Dabei verspürt er unvermittelt ein Reißen im Knie. Er reibt Jod darauf und schickt seinen Sohn ins Bett, damit der sich vor der Abreise ein wenig erholt.

Aufbruch

Gegen Mitternacht verlässt Moran mit seinem Sohn die Stadt Shit und macht sich auf den Weg nach Bally, wo er Molloy vermutet. Während sie auf verschlungenen Wegen dahinwandern, denkt Moran über seinen Auftrag nach: Was soll geschehen, wenn er Molloy gefunden hat? Seine Instruktionen bleiben ihm nicht nur diese Antwort schuldig. In einem Unterstand in der Nähe der Stadt Hole verbringen Vater und Sohn die Nacht. Plötzlich wacht Moran auf, wieder schmerzt sein Bein. Als er es berührt, merkt er, dass sein Knie allmählich steif wird. Ist es das gleiche Knie wie neulich? Moran weiß es nicht.

Allein

Mit diesen Beschwerden kann Moran die Wanderung nicht fortsetzen. Am Morgen befiehlt er daher seinem Sohn, in die nächstgelegene Stadt zu wandern, um dort ein Fahrrad mit möglichst stabilem Gepäckträger zu kaufen. Da Jaques sich äußerst begriffsstutzig zeigt, dauert es eine ganze Weile, bis Moran ihn loswird. Nun ist er allein. Die Zeit vertreibt er sich mit Essen und Masturbieren. Zudem hat er eine seltsame Begegnung mit einem weißhaarigen, auf einen Stock gestützten Mann, der von ihm ein Stückchen Brot erbettelt. Dann wird es Nacht. Sein Sohn ist noch immer nicht zurück. Moran macht ein Feuer, um sich daran zu wärmen. Etwas später erwacht er neben der Glut. Sein Bein ist weiterhin steif und schmerzt. Auch geistig scheint Moran sich mehr und mehr zu verändern, aufzulösen, zu zerfallen. Weder seiner Sprache noch seinem Denken kann er vertrauen.

Ein vertrauter Unbekannter

Auch den nächsten Tag verbringt Moran allein. Fast allein, denn ein Fremder nähert sich ihm, während er am Lagerfeuer sitzt, und spricht ihn an. Moran ist von der Erscheinung des Mannes abgestoßen und versucht, ihn zu ignorieren. Was er nicht ignorieren kann, ist, dass die Züge des Fremden seinen eigenen gleichen. Es kommt zu einem unfreundlichen Wortwechsel, der Mann fragt Moran, ob er einen Alten mit Stock gesehen habe. Moran verneint. Darauf wird der Mann zudringlich, und schließlich erschlägt ihn Moran. Zwar ist er sich rückblickend nicht sicher, was genau passiert ist, er erinnert sich jedoch, den Mann mit eingeschlagenem Schädel vor sich liegen gesehen zu haben. Daraufhin bricht er das Lager ab und humpelt seines Weges. Doch schon auf dem nächsten Hügel lässt er sich nieder, um auf seinen Sohn zu warten. So verbringt er einen weiteren Tag und eine weitere Nacht mit Grübeleien über seine Situation.

Wieder unterwegs

Am nächsten Morgen ist der Sohn zurück – mit Fahrrad. Moran versucht, auf dem mit den Taschen beladenen Gepäckträger irgendwie das Gleichgewicht zu halten, während sein Sohn mit aller Kraft in die Pedale tritt. Irgendwie gelingt es ihnen schließlich und sie radeln los. Nach einer Weile treffen sie einen Schäfer mit seiner Herde. Von ihm erfahren sie, dass sie sich in Ballyba, der Gegend um Bally, befinden und somit fast am Ziel sind. Moran schlägt ein Nachtlager auf. Am nächsten Morgen ist sein Sohn verschwunden – mitsamt dem Fahrrad und einem Großteil des Geldes. Doch Moran zeigt Verständnis und ist sogar gerührt, als er feststellt, dass sein Sohn ihm ein paar Schillinge dagelassen hat. In seiner Einsamkeit gibt er sich nun ganz der Untätigkeit und dem Verfall hin. Er sieht sich am Ende angelangt.

Zurück

Plötzlich taucht Gaber auf und überbringt ihm den Befehl, er solle unverzüglich den Heimweg antreten. Moran fügt sich. Die anschließende, äußerst entbehrungsreiche Reise zieht sich derart in die Länge, dass er erst im nächsten Frühjahr seine Heimatstadt Shit erreicht. In der Zwischenzeit hat sich einiges verändert: Das Haus ist verlassen, sein Schlüssel passt nicht mehr, die Hühner sind tot, ebenso die Bienen, der Strom ist abgestellt, die Haushälterin ist nicht mehr da. Und auch Moran ist nun ein anderer. Dem Leben in vier Wänden entwöhnt, verlegt er seinen Wohnsitz in den Garten und lebt wie ein Vagabund. Doch er ist nicht vollkommen allein: Eines Tages stattet Gaber ihm einen Besuch ab, und auch sein Sohn kehrt irgendwann zurück. Eine innere Stimme, die ihm schon öfter Weisungen erteilt hat, befiehlt ihm, den Bericht zu schreiben, den seine Vorgesetzten Youdi und Gaber bisher vergeblich von ihm verlangt haben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Molloy ist zweiteilig aufgebaut. Im ersten Teil, der nur aus einer kurzen Einleitung und einem einzigen sehr langen Absatz besteht, berichtet der Vagabund Molloy von der Suche nach seiner Mutter, im zweiten beschreibt der Agent Jacques Moran die Suche nach Molloy. Beide Erzählstränge beginnen mit ihren Enden und sind Rückschauen auf die Kette jener Ereignisse, die zu dieser Endsituation führten. Die beiden Teile sind auf vielfältige Weise miteinander verschränkt: zum einen durch die Figur Molloy, die einmal als Suchender, dann als Gesuchter erscheint, zum anderen durch seltsame Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen in den Geschichten Molloys und Morans. Die Erzählungen beider Figuren sind in der Ich-Form verfasst und bilden weniger Tatsachenberichte als vielmehr direkte Spiegelungen der Gedankenwelt des jeweiligen Erzählers. Dementsprechend ist es kaum möglich, eine Handlung zu erkennen. Überhaupt verzichtet Beckett fast völlig auf das, was einen Roman eigentlich ausmacht; das Werk hat weder einen einheitlichen Zeitrahmen noch eine widerspruchsfreie Geografie; selbst eine klare Abgrenzung der einzelnen Charaktere lässt sich in Molloy nicht finden. Dialoge kommen nur spärlich vor, und wenn, dann scheitern sie. Es überwiegen in schlichtem Stil gehaltene, meist kleinteilige, oft philosophische Betrachtungen, in denen Becketts Vorliebe für absurden Humor zutage tritt.

Interpretationsansätze

  • In Molloy zeigt Beckett die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens: Wir können nichts wissen, nichts besitzen, nirgendwo hingelangen.
  • Beckett stellt das Konzept der Identität infrage: Ist Molloy identisch mit Moran? Ist er überhaupt identisch mit sich selbst? Ist Moran Molloys Vater? Sein Sohn? Sein innerstes Selbst? Der Leser soll sich daran erinnern, dass auch seine eigene Identität alles andere als gewiss ist.
  • Moran sucht Molloy, Molloy sucht seine Mutter, beide finden die gesuchte Person nicht. Becketts großes Thema ist die Isolation und die Einsamkeit des Menschen. Alle Versuche, diesen Zustand zu durchbrechen, scheitern.
  • Molloy kann auch als Parabel auf die Ohnmacht der Sprache gelesen werden: Nicht nur kämpfen Molloy und Moran beständig um die richtigen Worte, auch der Leser verzweifelt daran, aus ihren Berichten das Geschehene verlässlich abzuleiten.
  • Vieles deutet darauf hin, dass der erste Teil von Molloy seine Bilderwelt aus den Lehren C. G. Jungs bezieht, während der zweite Teil Freudʼsche Themen verarbeitet; dass also Beckett die beiden konkurrierenden Lehren der Psychoanalyse einander gegenüberstellt. Da sich Beckett aufgrund von Konflikten mit seiner Mutter und dem Tod seines Vaters einer psychoanalytischen Behandlung unterzogen hatte, verfügte er über fundierte Kenntnisse dieser neuen Wissenschaft.
  • Etliche Kritiker verweigern sich dem feinsinnigen Heruminterpretieren an Becketts Werk. Statt als Ergebnis schriftstellerischer Genialität betrachten sie Molloy und andere Werke des Autors als Ausdruck der inneren Leere und der depressiven Persönlichkeit des Autors.

Historischer Hintergrund

Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg

Samuel Beckett schrieb Molloy im Paris des Jahres 1947, inmitten von Armut und moralischer Ernüchterung. Die europäische Zivilisation war eben zum zweiten Mal von der Geschwindigkeit ihres Fortschritts aus der Kurve getragen worden. Zwei gewaltige Kriege mit insgesamt über 60 Millionen Toten, dazu die Schrecken des Holocaust, hatten der aufsteigenden Moderne einen gewaltigen Dämpfer versetzt. Dabei hatte man so große Hoffnungen in den wissenschaftlichen und technologischen Fortschritt gesteckt. Die erste Dekade des neuen Jahrhunderts, mit ihren revolutionären Entdeckungen und Erfindungen, schien der Menschheit eine goldene Zukunft zu verheißen: die Eroberung der Lüfte durch die Gebrüder Wright, der Triumph über Krankheiten (Tuberkuloseimpfung, Röntgenstrahlen, Psychoanalyse), die schier grenzenlose Mobilität dank Auto, U-Bahn und Ozeandampfer sowie das Verständnis der innersten Zusammenhänge der physikalischen Welt (Relativitätstheorie, Quantenphysik). Doch das neue Wissen barg auch Gefahren: Waffensysteme von wahrhaft höllischer Effizienz konnten nun entwickelt werden.

Paris, noch bis in die 1930er Jahre von magischer Anziehungskraft auf Künstler, Musiker und Literaten aus aller Welt und Ausgangspunkt fast aller großen avantgardistischen Bewegungen der Zeit, lag nach dem Kriegsende am Boden. Racheakte der leidgeprüften Bevölkerung an vermeintlichen oder tatsächlichen Kollaborateuren des eben gestürzten Vichy-Regimes waren an der Tagesordnung. Und während in Potsdam und Jalta die Siegermächte über die geopolitischen Konsequenzen des Krieges verhandelten, versuchte in Frankreich eine provisorische Regierung unter General Charles de Gaulle die Einigkeit und das Selbstbewusstsein einer erniedrigten Nation wiederherzustellen.

Entstehung

„Ich bin im Zimmer meiner Mutter.“ Dieser Satz, mit dem Molloy seine Erzählung beginnt, ist in gewissem Sinn der Schlüssel zur Entstehungsgeschichte des Romans. Als Beckett nach Kriegsende seine an Parkinson leidende Mutter in Dublin besuchte und ihr von der Krankheit gezeichnetes Gesicht betrachtete, hatte er eine Art Vision. Plötzlich wusste er, wohin sein literarischer Weg führte: weg von der verspielten Üppigkeit eines James Joyce, hin zur radikalen Schrumpfung von Sprache und Form. Kein himmelstürmendes Übereinanderschichten von Wortspielerei und Versatzstücken europäischer Geistesgeschichte mehr, stattdessen Verzicht, Weglassen, äußerster poetischer Skeptizismus. Beckett verlor keine Zeit und begann noch am selben Tag mit der Arbeit an Molloy. Er schrieb auf Französisch, weil er glaubte, in dieser Sprache am ehesten gegen alle Versuchung gefeit zu sein, sich in Manierismen und geistreichen Wendungen zu verlieren. In einer verfallenen Strandvilla in der Nähe von Nizza, wohin er sich aus dem Pariser Nachkriegselend und aufgrund gesundheitlicher Probleme zurückgezogen hatte, setzte er seine Arbeit an Molloy fort. In einem wahren Schreibrausch stellte er bis Januar 1950 nicht nur diesen Roman, sondern auch die beiden anderen Teile der Trilogie, Malone stirbt und Der Namenlose, fertig.

Wirkungsgeschichte

Mit Molloy hatte Beckett seine große Aufgabe gefunden, nämlich auszudrücken, „dass es nichts gibt, das auszudrücken wäre, nichts, womit sich etwas ausdrücken ließe, nichts, von wo aus sich etwas ausdrücken ließe, dass aber zugleich die Verpflichtung zum Ausdruck besteht“ – so der Autor in einem späteren Text. So präzise wie Beckett hatte noch niemand das Dilemma des modernen Künstlers benannt, dessen Thema die Auflösung war, der Zerfall überkommener Sinnkonstrukte, das Nichts am Ende allen menschlichen Wissenwollens, und der doch immer einen Sinn, eine Begründung für sein Schaffen benötigte.

Mit der Veröffentlichung von Molloy und kurz darauf von Malone stirbt und Der Namenlose etablierte sich Beckett als anerkannter Schriftsteller, zunächst in Frankreich und mit der englischen Übersetzung endlich auch international. Zwar wurde die Wirkung der Romantrilogie bald von der Strahlkraft des berühmtesten Werks Becketts, des Theaterstücks Warten auf Godot, überschattet; dennoch bleibt Molloy ein Schlüsselwerk der Moderne, das zahlreiche Denker, Künstler und Musiker inspiriert hat, unter ihnen Jacques Derrida, Thomas Bernhard, Harold Pinter, Václav Havel, Imre Kertész, Philip Glass oder Bruce Nauman. Zudem lässt die vieldeutige Konstruktion des Romans den auslegenden Wissenschaften, etwa der Psychologie oder der Literaturwissenschaft, keine Ruhe; bis heute sucht man nach dem Sinn hinter der Sinnlosigkeit von Molloy.

Über den Autor

Samuel Beckett wird am 13. April 1906 in Foxrock nahe Dublin geboren. Er wächst in einer gut situierten und protestantischen Familie auf. Von 1923 bis 1927 studiert er Sprachen und Literatur in Dublin. Ein Jahr später geht er als Englischlektor nach Paris. Dort lernt er den Schriftsteller James Joyce kennen, mit dem er sich anfreundet. In Frankreich entstehen erste Erzählungen und Gedichte. 1930 kehrt Beckett als Lektor für Französisch ans Trinity College nach Dublin zurück und promoviert. Doch schon 1932 kündigt er seinen Vertrag mit der irischen Universität. Er kann sich nicht mit der Routinearbeit anfreunden, leidet unter Geldmangel und Depressionen. Als 1933 sein Vater stirbt und Beckett eine kleine Erbschaft antritt, reist der junge Schriftsteller jahrelang durch Frankreich, Italien und Deutschland. Seine ersten Romane Dream of Fair to Middling Women (Traum von mehr bis minder schönen Frauen, 1932) und Murphy (1938) entstehen. 1937 lässt er sich in Paris nieder. Hier lernt er seine Lebensgefährtin und spätere Frau, eine Pianistin, kennen. Beide schließen sich der Résistance an. 1942 müssen sie vor der Gestapo fliehen und sich im unbesetzten Südfrankreich verstecken. Beckett ist als Landarbeiter tätig und schreibt während dieser Zeit den Roman Watt, der 1953 veröffentlicht wird. In den Nachkriegsjahren ist der Autor äußerst produktiv. Er beginnt in französischer Sprache zu schreiben und wendet sich neben den Prosawerken dem Theater zu. Zwischen 1946 und 1950 entstehen u. a. der Roman Mercier et Camier (Mercier und Camier), sein erstes Stück Eleuthéria, die Romane Molloy, Malone meurt (Malone stirbt), L’Innommable (Der Namenlose) und das Drama En attendant Godot (Warten auf Godot). Die Uraufführung dieses Stücks bringt Beckett 1953 neben dem literarischen Durchbruch auch den ersten finanziellen Erfolg. Seine Dramen – 1957 erscheint Fin de partie (Endspiel), 1961 Happy Days (Glückliche Tage) – sind äußerst erfolgreich. 1969 erhält er den Nobelpreis für Literatur. Mehrfach inszeniert er seine eigenen Dramen in Berlin, außerdem konzipiert er Fernseh- und Hörspielproduktionen. Am 22. Dezember 1989 stirbt Samuel Beckett in Paris.

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