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Lieutenant Gustl
Buch

Lieutenant Gustl

Novelle

Berlin, 1901
Diese Ausgabe: dtv, 2004 Mehr

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Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Moderne

Worum es geht

Der lächerliche Ehrenkodex des Militärs

Österreich um 1900: Während in den Kaffeehäusern von Wien über den Untergang der Welt schwadroniert wird, stemmt sich vor allem das Militär den Auflösungserscheinungen des Fin de Siècle entgegen und hält seinen Ehrenkodex hoch. Ausgerechnet diesen Ehrenkodex der kaiserlichen und königlichen Armee wählt der Wiener Arzt und Literat Arthur Schnitzler als Thema für seine revolutionäre Novelle. Revolutionär ist sie vor allem aufgrund der Erzählperspektive: Erstmals ermöglicht ein deutschsprachiger Schriftsteller seinen Lesern den direkten Blick in die Gedanken seines Helden. Der Leutnant Gustl wird an der Garderobe eines Konzertsaals von einem Bäckermeister angepöbelt. Gustl stockt der Atem: Wie soll er auf eine solche Unverfrorenheit angemessen reagieren? Der Ehrenkodex des Militärs befiehlt: Duell oder Selbstmord. Ein Duell mit dem rangniederen Bäcker ist nicht möglich. Bleibt nur das andere ... Schnitzler treibt seinen Helden in einer nächtlichen Odyssee durch Wien, die schließlich zu einem überraschenden Ende führt. Was für die Helden von James Joyce’ Roman Ulysses Dublin ist, ist für Schnitzlers Gustl Wien: Kulisse für ein raffiniertes „Kopftheater“.

Zusammenfassung

Im Konzertsaal

Leutnant Gustl sitzt im Konzertsaal und findet nur ein Wort für das, was ihm da geboten wird: Langweilig! Er fühlt sich bei dieser kulturellen Darbietung – einem Oratorium – deplatziert. So was gehört doch eher in eine Kirche. Und dort hätte man zumindest die Möglichkeit wegzugehen, wenn es langweilig wird. Aber hier? Gustls Nachbar würde so ein Betragen wohl nicht gutheißen, so interessiert und fasziniert wie er dem Gesang lauscht. Die Konzertkarte hat Gustl von seinem Kameraden Kopetzky geschenkt bekommen. Dieser konnte selber nicht hingehen, obwohl seine Schwester dem Chor angehört. Gustl konnte unmöglich ablehnen, wenn er seinen Kameraden nicht beleidigen wollte. Brav klatscht er, wenn alle klatschen, aber die jungen Damen in den Logen interessieren ihn eigentlich viel mehr als das ganze Getöse. In die Oper sollte er mal wieder gehen: Das ist unterhaltsam und zerstreuend.

Eigentlich ist Gustls Freundin Steffi daran schuld, dass er nun auf der harten Konzertbank sitzt: Hätte sie ihn nicht versetzt, um mit einem anderen Herrn ein Nachtmahl einzunehmen, wäre der Abend sicher sehr lustig geworden. Man...

Über den Autor

Arthur Schnitzler wird am 15. Mai 1862 als Sohn des jüdischen Klinikdirektors Johann Schnitzler in Wien geboren. Schon früh packen ihn die Leselust und das Interesse an der Schriftstellerei. Obwohl der Vater die literarischen Ambitionen seines Sohnes fördert, studiert Arthur auf dessen Wunsch Medizin in Wien. 1882 folgt ein Jahr beim Militär als Sekundararzt. 1885, mit 23, promoviert er in Medizin. In den folgenden Jahren arbeitet er als Assistenzarzt in verschiedenen Wiener Kliniken. Nach dem Tod des Vaters eröffnet er eine Privatpraxis. 1893 erscheint sein Dramenzyklus Anatol. Eine tiefe Freundschaft mit Hugo von Hofmannsthal beginnt. Schnitzler arbeitet vor allem für die Bühne: Sein Reigen von 1897 erregt einen Skandal wegen des vermeintlich pornografischen Inhalts und bleibt lange verboten. Mit der Novelle Lieutenant Gustl tut sich Schnitzler als Prosaschriftsteller hervor, allerdings kostet ihn die angebliche Verunglimpfung des Militärs seinen Offiziersrang. 1903 heiratet er seine Lebensgefährtin Olga Gussmann, mit der er bereits einen Sohn hat. In den folgenden Jahren kommen mehrere seiner Schauspiele zur Uraufführung, u. a. Der einsame Weg, Der grüne Kakadu und Das weite Land. Immer wieder ecken seine Werke bei der Zensur an: Neben dem Reigen betrifft das vor allem den Einakter Haus Delorne, der 1904 noch am Abend vor der Uraufführung verboten wird, und die Komödie Professor Bernhardi, die 1912 zwar in Berlin, nicht aber in Wien aufgeführt werden darf. Bei Kriegsausbruch 1914 bekennt sich Schnitzler zum Pazifismus: Im Unterschied zu vielen seiner Schriftstellerkollegen bricht er nicht in Kriegseuphorie aus. Nach der Trennung von seiner Frau im Jahr 1921 erzieht Schnitzler seine Kinder allein. 1922 macht er die nähere Bekanntschaft Sigmund Freuds, der in der Psychoanalyse zu ähnlichen Erkenntnissen kommt wie Schnitzler mit den Mitteln der Literatur. 1924 verwendet er die Technik des inneren Monologs in der Novelle Fräulein Else. 1926 erscheint die Traumnovelle. Schnitzler stirbt am 21. Oktober 1931.


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