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Anne Elliot

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Anne Elliot

oder die Kraft der Überredung

dtv,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Das herbstliche Liebeslied der notorischen Spottdrossel Jane Austen.

Literatur­klassiker

  • Liebesroman
  • Romantik

Worum es geht

Wer heiratet wen?

Worum es in Anne Elliot geht? NatĂŒrlich um Liebe, Heirat, MissverstĂ€ndnisse; um Ausfahrten mit dem ZweispĂ€nner, SpaziergĂ€nge durch malerische HĂŒgellandschaften, TanzvergnĂŒgen bei Kerzenschein; um HerrenhĂ€user, Cottages, Zweitwohnsitze in mondĂ€nen Kurorten. Um Standesfragen: Bauer, BĂŒrger oder Edelmann? Um Verwandtschaftsfragen: Wer mit wem und zu welchem Grad? Und schließlich um Fragen des Anstands: Was gehört sich, was nicht, und was nur unter welchen Bedingungen? Das hört sich alles kitschig an, ist es aber nicht. FĂŒr den Ausgleich sorgt Jane Austens ironischer Ton, der sich bei allzu grober Dummheit ihrer Figuren zu genussvoller Verachtung steigern kann, der aber auch reinste Tugend nicht unverspottet glĂŒcklich werden lĂ€sst. Austen zeigt sich in ihrem letzten und wohl gelungensten Roman als Meisterin eines zugleich nĂŒchternen und unterhaltsamen Moralismus in der Tradition des von ihr bewunderten Samuel Johnson. Ihr Interesse gilt den endlosen Spielarten der ComĂ©die humaine und dem, was daraus zu lernen ist. Die Szenerie ist stets eine beschrĂ€nkte – die Beletage des Lebens eben, kein Erdgeschoss, kein Keller –, aber Austen gelingt es, sie mit so viel Leben auszustaffieren, dass man nichts vermisst.

Take-aways

  • Anne Elliot ist Jane Austens letzter und fĂŒr manche ihr gelungenster Roman.
  • Inhalt: Anne Elliot ist 27 und immer noch nicht verheiratet. Mit 20 hat sie sich ĂŒberreden lassen, die Verlobung mit dem mittellosen Marineoffizier Frederick Wentworth aufzulösen. Jetzt kreuzen sich ihre Wege erneut, und Wentworth ist inzwischen reich. Nach manchen Verwicklungen und GefĂŒhlsverwirrungen finden die beiden wieder zueinander.
  • In Anne Elliot geht es um den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Innen und Außen, GefĂŒhl und Verstand, Liebe und Geld.
  • Die Titelfigur unterscheidet sich von Austens anderen Protagonistinnen dadurch, dass sie bereits zu Beginn mit einer Reife auftritt, die andere erst zum Romanende hin erreichen.
  • Anne Elliot ist wie alle Jane-Austen-Romane gefĂŒhlsbetont, aber frei von Kitsch.
  • Als Jane Austen den Roman 1815 schrieb, war sie schon durch eine Krankheit geschwĂ€cht.
  • Die Veröffentlichung erlebte Austen nicht mehr. Sie starb mit 41 Jahren, elf Monate nach Abschluss des letzten Kapitels.
  • Vieles deutet darauf hin, dass sie den Roman als unfertig betrachtete und das Manuskript spĂ€ter noch einmal ĂŒberarbeiten wollte.
  • Jane Austen, in deren Romanen es fast ausschließlich ums Heiraten geht, blieb selbst unverheiratet.
  • Zitat: „(
) Anne, die so fein und gescheit war, dass jeder vernunftbegabte Mensch von ihr angetan sein musste, galt bei Vater und Schwester gar nichts; ihr Wort hatte kein Gewicht, ihre Interessen mussten immer hintanstehen – sie war einfach nur Anne.“

Zusammenfassung

Anne allein zu Haus

Im Herrenhaus Kellynch Hall lebt die 27-jĂ€hrige Anne Elliot, die mittlere von drei Töchtern des dĂŒnkelhaften Witwers Sir Walter Elliot. Ihre Ă€ltere Schwester Elizabeth ist kaltherzig und voller Hochmut. Mary, die JĂŒngste, die als Frau des biederen Charles Musgrove im nahen Uppercross lebt, ist wehleidig und eingebildet. Ganz anders Anne. Ihr Charakter vereint Vernunft, Anstand und Selbstlosigkeit – Tugenden, die aber weder ihr Vater noch die Schwestern zu schĂ€tzen wissen. In der Hackordnung der Familie steht Anne ganz unten. Einzig ihre mĂŒtterliche Freundin, die verwitwete Lady Russell, erkennt ihren Wert und steht ihr mit Rat und Tat zur Seite. Allerdings wird Lady Russells Urteil durch ihre ĂŒbermĂ€ĂŸige WertschĂ€tzung von Rang und Titeln etwas getrĂŒbt. Vor sieben Jahren hat Anne auf Lady Russells DrĂ€ngen ihre Verlobung mit dem mittellosen Marineoffizier Frederick Wentworth gelöst, worunter sie immer noch leidet.

Finanzkrise und UmzugsplÀne

Sir Walter lebt ĂŒber seine VerhĂ€ltnisse. Da er sich nicht einschrĂ€nken will, steuert er langsam, aber sicher dem Ruin entgegen. Sein Anwalt, Mr. Shepherd, weiß Rat: Sir Walter muss Kellynch Hall vermieten und anderswo ein bescheideneres Quartier beziehen. Der stolze Baronet ist zunĂ€chst skeptisch, freundet sich schließlich aber mit dem Gedanken an. Die neue Residenz der Elliots soll der vornehme Kurort Bath sein. Ein Mieter fĂŒr Kellynch Hall ist bald gefunden: der Kriegsveteran Admiral Croft, der sich auf der Suche nach einem Altersruhesitz befindet. Mr. Shepherd leitet die Sache in die Wege, und so nehmen die UmzugsplĂ€ne Gestalt an. Sir Walter und Elizabeth fahren zur Wohnungssuche nach Bath. Anne können sie dabei nicht gebrauchen. Mit dabei ist jedoch die verwitwete Mrs. Clay, Mr. Shepherds Tochter, eine geschickte RĂ€nkeschmiedin. Das schmeckt Lady Russell gar nicht, sie fĂŒrchtet, Mrs. Clay werde Sir Walter um den Finger wickeln.

Wiedersehen in Uppercross

Anne verbringt eine Woche bei Lady Russell, dann siedelt sie nach Uppercross ĂŒber, wo ihre Schwester Mary mit ihrem Ehemann Charles in unmittelbarer NĂ€he zu den Schwiegereltern, den Musgroves, ein beschauliches Leben fĂŒhrt. Mary krĂ€nkelt mal wieder. Anne findet sich bereitwillig in die Rolle der Krankenpflegerin. Mit Engelsgeduld ertrĂ€gt sie Marys Launen. Ganz nach ihrem Herzen sind dagegen Charles’ Schwestern Louisa und Henrietta, zwei hĂŒbsche, unverdorbene MĂ€dchen im heiratsfĂ€higen Alter. Anne lernt auch die Crofts nĂ€her kennen, die sich als herzliche Menschen erweisen. Es stellt sich heraus, dass die Frau des Admirals, Mrs. Croft, die Schwester jenes Frederick Wentworth ist. Als sie bei Gelegenheit erwĂ€hnt, dass dieser seinen Besuch angekĂŒndigt hat, löst sie damit bei Anne heftige GefĂŒhlswallungen aus. Frederick ist inzwischen Captain und leidlich wohlhabend. Obwohl eigentlich nur auf der Durchfahrt, setzt er sich in Uppercross fest. Kein Wunder, wird er doch gleich von beiden Musgrove-Töchtern begeistert umschwĂ€rmt. Anne ist seine Anwesenheit unangenehm; ihre Liebe, so viele Jahre erfolgreich verdrĂ€ngt, hat nichts an Kraft eingebĂŒĂŸt. Daher schmerzt sie die Förmlichkeit, mit der ihr der Captain nun begegnet. FĂŒr zusĂ€tzliche Verwirrung sorgt bald Fredericks VerhĂ€ltnis zu Louisa und Henrietta: Offenbar ist er auf FreiersfĂŒĂŸen, scheint sich jedoch zunĂ€chst nicht festlegen zu wollen. Erst allmĂ€hlich neigt sich die Waage zu Louisas Gunsten.

Neue Bekanntschaften

Immer wieder empfĂ€ngt auch Anne von Wentworth Signale – Gesten, Blicke, kleine Bevorzugungen –, die sie hoffen lassen. Bald naht jedoch ihr Abschied, Lady Russell erwartet sie in Kellynch Hall. Doch vorher steht noch ein Ausflug in den KĂŒstenort Lyme auf dem Programm. Captain Wentworth hat dort Bekannte, seinen Kameraden Captain Harville und dessen Frau. In Lyme angekommen, mieten sich Mary, Charles, Anne, Henrietta, Louisa und Wentworth in einem Gasthaus ein. Es ist Mitte November und kaum etwas los, genau richtig fĂŒr erholsame StrandspaziergĂ€nge. Wentworth stellt ihnen die Harvilles vor, offenherzige und anstĂ€ndige Leute. Unter ihrem Dach wohnt der introvertierte Captain Benwick, der mit der kĂŒrzlich verstorbenen Schwester von Mrs. Harville verlobt war. Sein freundliches, schwermĂŒtiges Wesen trĂ€gt ihm allgemeine Sympathien ein. Insbesondere Anne fĂŒhlt sich zu ihm hingezogen, was auf Gegenseitigkeit zu beruhen scheint.

„Sir Walter Elliot von Kellynch Hall in Somersetshire war ein Mann, der zu seiner Erbauung kein anderes Buch zur Hand nahm als das Baronetsregister (...)“ (S. 7)

Am nĂ€chsten Morgen, als die Gruppe von einem Spaziergang zurĂŒckkehrt, begegnet ihnen ein vornehmer Fremder, der Anne bewundernd ansieht. TatsĂ€chlich scheint die Seeluft etwas von Annes jugendlicher Frische zurĂŒckzubringen. Das bemerkt auch Wentworth. ZurĂŒck im Gasthaus begegnet Anne dem Fremden erneut. Er sieht gut aus und beweist vollendete Manieren. Nachforschungen ergeben, dass es sich um einen Verwandten handelt, einen entfernten Cousin, Mr. Elliot. Anne ist ihm nie zuvor begegnet. Seinerzeit war Mr. Elliot von Sir Walter per Testament als Erbe und kĂŒnftiger Ehemann fĂŒr Elizabeth bestimmt worden. Zur allgemeinen Überraschung hatte er jedoch eine Frau von niedriger Geburt, aber mit riesigem Vermögen geheiratet und den Kontakt zu Kellynch Hall abgebrochen.

„(...) Anne, die so fein und gescheit war, dass jeder vernunftbegabte Mensch von ihr angetan sein musste, galt bei Vater und Schwester gar nichts; ihr Wort hatte kein Gewicht, ihre Interessen mussten immer hintanstehen – sie war einfach nur Anne.“ (S. 10)

Der Aufenthalt in Lyme neigt sich dem Ende zu. Den Abschluss soll ein gemeinsamer Spaziergang bilden. Dabei kommt es zu einem Unfall: Louisa, die ausgelassen auf der Mole herumtollt, stĂŒrzt und bleibt wie tot liegen. Die Gruppe verfĂ€llt in Panik, nur Anne behĂ€lt die Nerven. Sie schickt Benwick los, einen Arzt zu holen. Louisa wird zu den Harvilles gebracht. Sie lebt, ist jedoch nicht bei Bewusstsein. Mrs. Harville besteht darauf, dass Louisa bei ihnen bleibt; sie selbst will sie pflegen. Jetzt gilt es, die Eltern zu verstĂ€ndigen. Zu diesem Zweck fahren Anne und Wentworth nach Uppercross. Nachdem die Nachricht ĂŒberbracht ist, fĂ€hrt der Captain sofort nach Lyme zurĂŒck. Anne bleibt noch und leistet den Musgroves Beistand.

Neue Heimat Bath

Sir Walter und Elizabeth haben derweil in Bath ein prachtvolles Haus am Camden Place gefunden. Anne versucht, sich ihrer neuen Lebenslage zuzuwenden, doch in Gedanken weilt sie ganz bei den Geschehnissen der letzten Wochen. Entsprechend widerwillig tritt sie schließlich die Reise nach Bath an, das fortan ihre Heimat sein soll.

„Niemand war im Umkreis von Kellynch aufgetaucht, der an Frederick Wentworth herangereicht hĂ€tte, so wie sie ihn im GedĂ€chtnis trug. Keine zweite Liebe, in ihrem Alter das einzige wahrhaft natĂŒrliche, wirksame und ausreichende Heilmittel, war fĂŒr sie denkbar gewesen in ihrem engen gesellschaftlichen Rahmen, dafĂŒr war sie zu wĂ€hlerisch, zu anspruchsvoll in ihrem Geschmack.“ (ĂŒber Anne, S. 36)

Auch ihr Cousin, Mr. Elliot, ist in Bath. Er trĂ€gt Trauer, seine Frau ist kĂŒrzlich gestorben. Wie es scheint, richtet er sein ganzes Bestreben auf eine Versöhnung mit Sir Walter. Im Haus am Camden Place ist er beinahe tĂ€glich zu Gast, fĂŒhrt sich vortrefflich auf, und bald hat jedermann eine hohe Meinung von ihm. Nur Anne ist misstrauisch Und fragt sich, was er sich von der Bindung an die Elliots verspricht. Denn reich ist er ohnedies. Ob er es auf eine Ehe mit Elizabeth abgesehen hat? Lady Russell hingegen ist von Mr. Elliott durchaus angetan. Ihre Sorge gilt eher der umtriebigen Mrs. Clay, die weiter ihre FĂ€den spinnt. Sir Walter hat unterdessen eigene Probleme: Eine Cousine, Lady Dalrymple, hat ebenfalls ihre Zelte in Bath aufgeschlagen – eine prĂ€chtige Gelegenheit, aller Welt seine verwandtschaftlichen Beziehungen zum Hochadel vorzufĂŒhren! Leider jedoch ist man seit Langem entfremdet, und so sieht sich Sir Walter zu einiger Katzbuckelei genötigt, um die Gunst der Dame zu erlangen.

Die tapfere Mrs. Smith

Anne trifft eine alte Schulfreundin, Mrs. Smith, die inzwischen verwitwet ist. Sie leidet unter Rheuma, ist gĂ€nzlich verarmt und lebt einsam und zurĂŒckgezogen in Bath, unter der Obhut einer Pflegerin, der tĂŒchtigen Schwester Rooke, die ihr allerhand Klatsch und Tratsch zutrĂ€gt. Trotz ihres Schicksals ist Mrs. Smith guten Mutes und lĂ€sst sich das Leben nicht vermiesen. Der Sympathie, die sie und Anne fĂŒreinander hegen, haben die Jahre nichts anhaben können, bald herrscht wieder die alte Vertraulichkeit. Derweil macht es den Anschein, als habe Mr. Elliot ein neues Ziel: Anne. Lady Russell ist begeistert: Wie gern wĂŒrde sie, statt der ungeliebten Elizabeth, Anne als Herrin von Kellynch Hall sehen! Doch die findet immer weniger Gefallen an Mr. Elliot, er ist ihr zu undurchsichtig, zu gefĂ€llig.

Unerwartete Wendung

Anne erhĂ€lt einen Brief von Mary mit Neuigkeiten: Die Crofts kommen nach Bath. Louisa geht es besser, sie kann bald nach Hause. Und: Captain Benwick und Louisa sind ein Paar! Anne ist verblĂŒfft: Weder kommt es also zur Verlobung zwischen Louisa und Captain Wentworth, noch kann, wie es zwischendurch den Anschein hatte, Captain Benwick in Anne verliebt gewesen sein. Als die Crofts in Bath eintreffen, erfĂ€hrt Anne vom Admiral Einzelheiten. Besonders interessiert sie natĂŒrlich, wie Captain Wentworth zu der verblĂŒffenden Wendung steht. Vorsichtig fragt sie nach. Der Admiral versichert, Wentworth habe sich völlig unberĂŒhrt gezeigt. Anne mag das kaum glauben. Wenig spĂ€ter trifft sie den Captain, der ebenfalls nach Bath gereist ist, wieder. Wentworth scheint verĂ€ndert, im GesprĂ€ch wirkt er befangen. Nur allmĂ€hlich entspannt sich die Stimmung etwas – jedenfalls bis zu dem Augenblick, da Wentworth herausfindet, dass Mr. Elliots Avancen gegenĂŒber Anne immer konkreter werden. AnlĂ€sslich eines Konzertabends bei Lady Dalrymple treffen die drei aufeinander. ZunĂ€chst unterhalten sich Anne und Wentworth. Bald kommen sie auf Louisa zu sprechen. Wie entzĂŒckt ist Anne, als der Captain ihr indirekt zu verstehen gibt, dass das schlichte MĂ€dchen niemals seinen AnsprĂŒchen genĂŒgt habe. Nur aus PflichtgefĂŒhl sei er nach ihrem Sturz so lange bei ihr geblieben. Im weiteren Verlauf des Abends wird Anne dann von Mr. Elliot in Beschlag genommen und Wentworth zieht sich, offenbar eifersĂŒchtig, zurĂŒck.

Gespenster der Vergangenheit

Tags darauf besucht Anne Mrs. Smith. Ihr Bericht vom vorangehenden Abend bleibt jedoch recht lĂŒckenhaft. Mrs. Smith vermutet, dass irgendetwas oder irgendjemand Annes ganze Aufmerksamkeit verlangt haben mĂŒsse – etwa Mr. Elliot? Anne staunt: Woher kennt Mrs. Smith ihren Cousin? Es handelt sich, wie sich herausstellt, um eine alte Bekanntschaft, seit vielen Jahren eingeschlafen. Jetzt habe sie von Schwester Rooke gehört, dass Mr. Elliot in Bath sei, ein Auge auf Anne geworfen habe und die Verlobung kurz bevorstehe. Nachdem Anne ihre Verwirrung ĂŒberwunden hat, klĂ€rt sie Mrs. Smith auf: Keineswegs werde sie Mr. Elliot heiraten; es gebe da jemand anders. Mrs. Smith berichtet daraufhin von den UmstĂ€nden ihrer Bekanntschaft mit Mr. Elliot: Er war mit ihrem verstorbenen Mann befreundet, war mittellos, aber ehrgeizig, heiratete eine reiche Frau, trieb durch seinen schlechten Einfluss Mr. Smith in den Ruin und verweigerte sich schließlich den Hilfegesuchen der Witwe kaltherzig. In einem Brief, den Mrs. Smith zum Beweis hervorholt, zeigt sich Mr. Elliot tatsĂ€chlich unverhohlen als der Schuft, als den sie ihn eben beschrieben hat. Dass er so engen Kontakt zu Sir Walter suche, habe noch einen anderen Grund, meint Mrs. Smith: Er fĂŒrchte Mrs. Clays Intrigen. KĂ€me es zu einer Verbindung zwischen ihr und Sir Walter, wĂ€re sein Erbe in Gefahr.

Alles wird gut

Anne ist schockiert. Sie will sich mit Lady Russell darĂŒber beraten, was jetzt zu tun sei. Doch daraus wird nichts, denn weitere Neuankömmlinge nehmen sie in Beschlag: Mary, Charles, die Musgroves, Henrietta und Captain Harville. In deren Hotelsuite trifft Anne auch Wentworth wieder, der sie jedoch meidet. Stattdessen unterhĂ€lt sich Anne mit Captain Harville. Das Thema ist die Leichtigkeit, mit der Captain Benwick, so kurz nach dem Tod seiner geliebten Frau, sein Herz neu vergeben kann. Anne stellt die These auf, dass Frauen treuer lieben als MĂ€nner, und hĂ€lt ein flammendes PlĂ€doyer fĂŒr weibliche BestĂ€ndigkeit. WĂ€hrenddessen sitzt Wentworth in Hörweite. Kurz darauf stĂŒrmt er grußlos davon, kommt aber noch einmal zurĂŒck und ĂŒberreicht Anne einen Brief, der er offenbar eben geschrieben hat. Danach verschwindet er wieder. Der Brief enthĂ€lt eine verzweifelte LiebeserklĂ€rung Wentworths, der Captain will endlich wissen, woran er ist. Anne ist ĂŒberwĂ€ltigt. Sie will jetzt allein sein und lĂ€sst sich daher von Charles Musgrove nach Hause bringen. Unterwegs begegnen sie Wentworth; Charles verabschiedet sich sogleich und lĂ€sst die beiden allein.

„Er hatte Anne Elliot nicht vergeben. Sie hatte ihn schĂ€ndlich behandelt, sie hatte ihn fallen gelassen und enttĂ€uscht, und schlimmer noch, sie hatte dabei eine Charakterlosigkeit bewiesen, die seine eigene Entschiedenheit und Selbstgewissheit nicht hinnehmen konnten. Sie hatte ihn aufgegeben, um es anderen recht zu machen.“ (ĂŒber Wentworth, S. 72 f.)

Wentworth, stellt sich heraus, hat Anne immer geliebt, die Sache mit Louisa war nur ein MissverstĂ€ndnis, doch dann kam die Eifersucht auf Mr. Elliot hinzu – ebenfalls ein MissverstĂ€ndnis, wie Anne erlĂ€utert. Der Bund der beiden wird erneuert, einer Heirat steht nichts mehr im Weg. Sir Walter gibt sein EinverstĂ€ndnis, und auch Lady Russell sieht ein, dass sie sich in Wentworth getĂ€uscht hat. Anne, weit davon entfernt, ihr etwas nachzutragen, ist sogar der Meinung, alles habe gar nicht anders kommen dĂŒrfen, ihre Liebe sei aus den langen Jahre des Leidens gestĂ€rkt hervorgegangen. Mr. Elliot ĂŒbrigens hat sich, wie man hört, mit Mrs. Clay nach London abgesetzt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Anne Elliot spielt der Reihe nach an vier SchauplĂ€tzen, woraus eine vieraktige Struktur entsteht: Kellynch Hall, Uppercross, Lyme und Bath. Die Geschichte wird von einer allwissenden ErzĂ€hlerin wiedergegeben, die, je nach Wichtigkeit der Charaktere, hier und da Einblicke in deren Gedanken- und GefĂŒhlswelt gewĂ€hrt. Jane Austen nutzt dabei die Technik der erlebten Rede, als deren Pionierin, wenn nicht Erfinderin, sie gilt. Die erlebte Rede ist im Prinzip die von der ErzĂ€hlerin redigierte Fassung der unausgesprochenen Gedanken, Meinungen oder gefĂŒhlsmĂ€ĂŸigen Tendenzen eines Charakters. Doch auch an direkter Rede, also an Dialogen, ist Anne Elliot ĂŒberaus reich. Dagegen sind Beschreibungen von Situationen, Landschaften usw. kurz gehalten und stehen immer im Dienst des Ganzen. Fast alle Charaktere sind sorgfĂ€ltig ausgearbeitet und miteinander in Balance gebracht; die feinen Unterschiede ihrer jeweiligen Ausdrucksweisen gehen allerdings in der Übersetzung verloren. Jane Austens Stil in Anne Elliot ist in Wirklichkeit eine Vielzahl von Stilen, virtuos verwoben, immer einem bestimmten Ă€sthetischen Zweck dienend.

InterpretationsansÀtze

  • In Anne Elliot verhandelt Jane Austen den Konflikt zwischen Individuum und Gesellschaft, zwischen Innen und Außen, GefĂŒhl und Verstand, Liebe und Geld. HĂ€tte die Heldin schon beim ersten Antrag Wentworths auf ihr Herz hören und sich mit der Entscheidung fĂŒr den mittellosen Mann gegen die AnsprĂŒche ihrer Familie stellen sollen? Diese Frage wird von vielen Seiten beleuchtet, bleibt aber letztlich offen.
  • In Annes Bevorzugung der tĂŒchtigen Offiziersfamilien vor ihrer eigenen, ebenso stolzen wie nichtsnutzigen Verwandtschaft bildet sich der historische Übergang von der Aristokratie zur Meritokratie ab; von einer Gesellschaft also, in der Status ausschließlich vererbt wird, zu einer, in der auch persönliches Verdienst etwas zĂ€hlt.
  • Unschwer ist in Anne Elliot das „Aschenputtel-Motiv“ zu erkennen: Ein tugendhaftes MĂ€dchen, von ihrer hartherzigen Familie verkannt und erniedrigt, liebt einen Prinzen, der sie schließlich aus ihrer AbhĂ€ngigkeit befreit und ihr Genugtuung verschafft.
  • Das Motiv der Überredung spielt, obwohl es den englischen Originaltitel Persuasion (der allerdings nicht von Jane Austen selbst stammt) ausmacht, eine eher oberflĂ€chliche Rolle. Zwar wird es in mehreren Varianten durchgespielt, entpuppt sich jedoch bei nĂ€herer Betrachtung weitgehend als Formalismus.
  • In einem gewissen Sinn kann man Anne Elliot als unvollendetes Werk bezeichnen: Der Roman ist kĂŒrzer als seine VorgĂ€nger, auch sind einige Charaktere nicht ganz durchgestaltet. Denkbar ist, dass Jane Austen eine spĂ€tere Überarbeitung plante.
  • Die Hauptfigur Anne Elliot unterscheidet sich von Austens anderen Romanheldinnen dadurch, dass sie ihre Jugend schon hinter sich hat und bereits zu Beginn des Romans mit einer Reife auftritt, die von den Hauptfiguren der anderen Romane erst am Ende erreicht wird.
  • In einer SchlĂŒsselszene betont Anne, dass, wenn es darum geht, ĂŒber die GefĂŒhlstiefe und Treue von MĂ€nnern und Frauen zu streiten, BĂŒcher als Beweismittel nicht zugelassen sind, da BĂŒcher traditionell von MĂ€nnern geschrieben wĂŒrden. Hier dient Anne wohl als direktes Sprachrohr von Jane Austen.

Historischer Hintergrund

Im Windschatten der Geschichte

Der Beginn des 19. Jahrhunderts war eine Zeit historischer UmbrĂŒche in Europa. Doch so gewaltig auf dem Kontinent die Weltgeschichte tobte, so gemĂ€chlich zog im lĂ€ndlichen SĂŒden Englands das Leben in geregelten Bahnen dahin. Mochten die Armeen Napoleons das alte politische GefĂŒge – das Imperium der Habsburger, das preußische Staats-Uhrwerk, das russische Riesenreich, die britische Seemacht – in seinen Grundfesten erschĂŒttern; mochten die sechs Koalitionskriege, an deren Ende Napoleon endlich niedergerungen war, wohl Millionen Menschen das Leben gekostet haben; mochten auf dem Wiener Kongress 1814/15 die SiegermĂ€chte die alte Ordnung zu erzwingen suchen; mochte der revolutionĂ€re Funken dennoch weiterschwelen und neues Unheil verheißen – die große Streitfrage in Hampshire, Essex oder Kent lautete: Tee oder Milch zuerst?

Das britische Königreich erlebte eine Periode dauerhaften inneren Friedens, zumal auf dem Land, wo die Uhren ohnehin langsamer gingen. Besonders Gutsbesitzer und niederer Adel, die sich nicht um ihren Unterhalt sorgen mussten, fĂŒhrten ein ruhiges, an Ă€ußeren Ereignissen oft armes Leben. Umso wichtiger war die SphĂ€re des Sozialen. Hier herrschte ein nuanciertes moralisches Regelwerk, dessen Grundwerte RationalitĂ€t, Toleranz und Wirklichkeitssinn tief im 18. Jahrhundert wurzelten und von allen Gesellschaftsschichten anerkannt wurden. Die Epoche der Industrialisierung, mit Klassenkampf und Massenelend, lag noch in weiter Ferne. Zu Jane Austens Zeit galt die bestehende Ordnung als eine Art prĂ€stabilierte Harmonie, in der jedermann seinen gottgegebenen Platz innehatte.

Entstehung

Jane Austen schrieb Anne Elliot in Chawton, wo ihr Bruder Edward sie 1809, nach dem Tod des Vaters, mitsamt ihrer Mutter und ihrer Schwester Cassandra in einem Backsteinbau auf seinem GrundstĂŒck untergebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt war Jane Austen bereits eine produktive Schriftstellerin. Doch erst in Chawton begann sie, die Rolle mit vollem Ernst auszufĂŒllen. Damit verbunden war der Abschied von ihrer Jugend und allen Hoffnungen auf Ehe und eigene Kinder, die sie gehegt haben mochte. Jane Austen scheint diesen Abschied jedoch durchaus als Befreiung empfunden zu haben. Der Alltag in Chawton bestand aus Schreiben, Lesen, Plaudern mit Cassandra, die viel unterwegs war und so ihre Schwester mit Anekdoten und Neuigkeiten aus dem Dorfleben versorgen konnte; abends saß man beisammen im Salon und beschĂ€ftigte sich mit Handarbeiten. Oft waren auch die anderen BrĂŒder mit ihren Familien zu Besuch, was Jane Austen Gelegenheit gab, in der Rolle als Lieblingstante der zahlreichen Neffen und Nichten zu glĂ€nzen. In den folgenden Jahren schrieb sie Mansfield Park und Emma.

1815 erkrankte Jane Austen an, wie man heute annimmt, Nebenniereninsuffizienz und verlor von Tag zu Tag an Lebenskraft. Dennoch schrieb sie noch den Roman Anne Elliot, den sie im Juli 1816 fertigstellte. Ein paar Wochen spĂ€ter nahm sie das Manuskript noch einmal hervor, um das Ende zu ĂŒberarbeiten, mit dessen ursprĂŒnglicher Fassung sie nicht zufrieden war. Knapp ein Jahr darauf starb sie. Ihr Bruder Henry besorgte die Veröffentlichung ihres letzten Romans.

Wirkungsgeschichte

Anne Elliot erschien im Doppelpack mit Die Abtei von Northanger, einem bis dahin unveröffentlichten FrĂŒhwerk, nur wenige Monate nach Jane Austens Tod. Der Originaltitel Persuasion geht wohl auf Henry zurĂŒck, vermutlich hatte die Autorin das Manuskript unter dem Arbeitstitel The Elliots verfasst. Der Roman wurde von Publikum und Kritik gleichermaßen wohlwollend aufgenommen. Doch Austen war keine Bestsellerautorin, und so blieb Anne Elliot, wie auch Jane Austens ĂŒbriges Werk, einem kleinen, aber feinen Leserkreis vorbehalten. Das Ă€nderte sich, als gegen Ende des 19. Jahrhunderts diverse Biografien der Autorin sowie Werkausgaben zu erschwinglichen Preisen erschienen. Kritiker begannen nun, sich umfassend und differenziert mit ihren Werken auseinanderzusetzen, und entdeckten hinter der unterhaltsamen, harmlos moralisierenden Fassade ihrer Liebesgeschichten große Literatur.

Parallel dazu kam die Lawine der populĂ€ren Austen-Begeisterung ins Rollen, die mit Anbruch des Internetzeitalters noch einmal Fahrt aufnahm. Dutzende Male wurden Austens Romane verfilmt, mindestens viermal allein Anne Elliot. Austen-Fans, die so genannten „Janeites“, pilgern nach Chawton und zu den SchauplĂ€tzen von Austens Romanen, kleiden sich im Regency-Stil, kaufen Jane-Austen-Merchandise, vom Kaffeebecher bis zum Stickkissen, verfassen Jane-Austen-Fortsetzungen, schimpfen auf Jane-Austen-Parodien und diskutieren im Internet ĂŒber die wahre Auslegung der „heiligen Schriften“ ihres Idols.

Über die Autorin

Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 als siebtes Kind des Pfarrers George Austen und seiner Frau Cassandra in Steventon, Hampshire, geboren. Sie und ihre Ă€ltere Schwester Cassandra, der sie sehr nahesteht, erhalten nur eine grundlegende Schulbildung von etwa fĂŒnf Jahren. Anschließend bilden sie sich zu Hause in Malerei, Klavierspielen und vor allem in der umfangreichen Bibliothek ihres Vaters weiter. Jane fĂ€ngt bereits mit zwölf Jahren an zu schreiben. In dieser Zeit entstehen zahlreiche Jugendwerke, die sie spĂ€ter ĂŒberarbeitet. Zwischen 1795 und 1799 schreibt sie an frĂŒhen Fassungen ihrer erst spĂ€ter veröffentlichten Romane. Zeitgenossen beschreiben die junge Jane als begeisterte TĂ€nzerin und Theaterbesucherin. Sie hat einige Verehrer, scheint jedoch nicht besonders am Heiraten interessiert zu sein. Wie ihre Schwester Cassandra bleibt sie ledig. Als ihr Vater 1805 stirbt, sind die Schwestern und die Mutter finanziell von Janes BrĂŒdern abhĂ€ngig. HĂ€ufige Wohnortwechsel zwischen Bath, London, Clifton, Warwickshire und Southampton sowie kĂŒrzere Aufenthalte bei mehreren Verwandten prĂ€gen diese Zeit. 1809 lassen sich die drei Frauen schließlich in dem Dorf Chawton, Hampshire, nieder. Die wiedergefundene StabilitĂ€t weckt in Jane neue kreative KrĂ€fte. Sie bereitet Verstand und GefĂŒhl (Sense and Sensibility, 1811) sowie Stolz und Vorurteil (Pride and Prejudice, 1813) zur Veröffentlichung vor. 1814 erscheint Mansfield Park und 1816 Emma. Jane Austen ist zu diesem Zeitpunkt bereits eine viel gelesene, wenn auch anonyme Autorin. Sie stirbt im Alter von 41 Jahren am 18. Juli 1817, wahrscheinlich an der Addison-Krankheit, deren Ursache damals unbekannt und die nicht behandelbar ist. Die Romane Anne Elliot (Persuasion) und Die Abtei von Northanger (Northanger Abbey) erscheinen postum im Jahr 1818. Erst zu diesem Zeitpunkt gibt Janes Bruder Henry die Urheberschaft aller sechs Werke bekannt.

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