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Das Erdbeben in Chili
Buch

Das Erdbeben in Chili

Berlin, 1810
Diese Ausgabe: Fischer Tb, 2011 more...

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Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Romantik

Worum es geht

Die Erschütterung der Aufklärung

Kein anderes Ereignis erschütterte das optimistisch-aufklärerische Weltbild der europäischen Intellektuellen des 18. Jahrhunderts so sehr wie das Erdbeben von Lissabon im Jahr 1755. Noch Jahrzehnte später stritten die Philosophen – von Voltaire über Rousseau bis Kant – über das Problem der Theodizee, also die Rechtfertigung eines angeblich allgütigen Gottes angesichts des Unglücks und Leids in der Welt. In Kleists Novelle Das Erdbeben in Chili hallt diese Debatte nach. Für Kleist ist der Glaube an göttliches Wirken nichts anderes als der Versuch des Menschen, Ordnung in ein vom Zufall regiertes Universum zu bringen. Eine Wahrheit, ein tieferer Sinn lassen sich nicht erkennen. Auch die Rousseauʼsche Vorstellung, der Mensch sei von Natur aus gut, wird von Kleist in seiner Novelle ad absurdum geführt: In der Krise schlagen Mitgefühl und Hilfsbereitschaft plötzlich in Aggression und zügellosen Hass um. Eine ambivalente und zutiefst verstörende Erzählung über menschliche Unberechenbarkeit, die den Leser auch noch nach über zwei Jahrhunderten ratlos zurücklässt.

Zusammenfassung

Eine heimliche Affäre

St. Jago, Hauptstadt des Königreichs Chili, im Jahr 1647. Ein Spanier namens Jeronimo Rugera hat im Gefängnis beschlossen, sich das Leben zu nehmen. Bis vor einem Jahr noch war er im Haus von Don Henrico Asteron, einem der reichsten Adligen der Stadt, als Lehrer angestellt. Doch als herauskam, dass er eine heimliche Affäre mit dessen einziger Tochter Donna Josephe unterhielt, wurde er entlassen. Josephe wurde ins Kloster gesteckt.

Durch Zufall gelang es Jeronimo, wieder Kontakt zu der Geliebten aufzunehmen. Eines Nachts kamen die beiden endlich im Klostergarten zusammen. Während der folgenden Fronleichnamsprozession brach Josephe plötzlich mit Wehen auf den Stufen der Kathedrale zusammen. Ohne Rücksicht auf ihren Zustand steckte man sie ins Gefängnis, und nachdem sie ihr Kind zur Welt gebracht hatte, wurde ihr auf Befehl des Erzbischofs der Prozess gemacht.

Der Fall erregte großes Aufsehen. Die ganze Stadt empörte sich und schimpfte über die skandalösen Zustände im Kloster. Obwohl sich die Familie Asteron und auch eine Äbtissin, die Josephe...

Über den Autor

Heinrich von Kleist wird am 18. Oktober 1777 in Frankfurt an der Oder geboren, er stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie. Als junger Gefreiter-Korporal nimmt er im ersten Koalitionskrieg gegen Napoleon an der Belagerung von Mainz und am Rheinfeldzug (1793 bis 1795) teil. Bald fühlt er sich vom Offiziersberuf abgestoßen und wendet sich der Wissenschaft zu. Durch seine Kant-Lektüre verliert er jedoch den Glauben an einen objektiven Wahrheitsbegriff und erkennt, dass er nicht zum Gelehrten geschaffen ist. Ebenso wenig fühlt sich der enthusiastische Kleist zum Staatsdiener berufen. 1801 bricht er aus seiner bürgerlichen Existenz aus, reist nach Paris und später in die Schweiz, wo er als Bauer leben will. Doch auch daraus wird nichts. Schon während seiner Zeit in Paris beginnt Kleist, zu dichten. Seine Theaterstücke, die heute weltberühmt sind, bleiben zunächst erfolglos. Von 1801 bis 1811 entstehen unter anderem die Tragödien Die Familie Schroffenstein (1803), Robert Guiskard und Penthesilea (beide 1808), außerdem Das Käthchen von Heilbronn (1808), Die Hermannsschlacht (1821 postum erschienen), die Komödien Amphitryon (1807) und Der zerbrochne Krug (1808) sowie die Erzählungen Die Marquise von O... (1808), Das Bettelweib von Locarno (1810) und Die Verlobung in St. Domingo (1811). 1810 verweigert der preußische Staat Kleist, der nach Stationen in Königsberg und Dresden wieder in Berlin lebt, eine Pension. Auch aus dem Königshaus erhält er keine Anerkennung, obwohl er der Schwägerin des Königs das patriotische Stück Prinz Friedrich von Homburg widmet. Dennoch ist es wohl weniger äußere Bedrängnis als innere Seelennot, die Kleist schließlich in den Freitod treibt. Am 21. November 1811 erschießt er zunächst seine unheilbar kranke Freundin Henriette Vogel und danach sich selbst am Kleinen Wannsee in Berlin.


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