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Kassandra
Buch

Kassandra

Darmstadt/Neuwied, 1983
Diese Ausgabe: Suhrkamp, 2008 more...

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Literatur­klassiker

  • Roman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Der Trojanische und der Kalte Krieg

Als Kassandra 1983 erschien, traf Christa Wolf den Nerv der Zeit. Angesichts der atomaren Bedrohung und des Wettrüstens zwischen den Großmächten machte sich in Deutschland eine geradezu apokalyptische Stimmung breit. Die Erzählung führt auf mythologisch verschlüsselte Weise die Absurdität eines jahrzehntelangen, kräftezehrenden und vor allem sinnlosen Krieges vor Augen. Die schöne Helena – im antiken Mythos der Auslöser für den Krieg zwischen Griechen und Trojanern – ist in dieser modernen Version der Geschichte nur ein Phantom. Die Protagonisten des Kampfes um Macht und Herrschaft sind vor allem Männer, die bei Christa Wolf abgesehen von wenigen Ausnahmen gar nicht gut wegkommen. Kein Wunder, dass das Buch in der Frauen- und Friedensbewegung der 80er Jahre mit Begeisterung aufgenommen wurde. Einzelne Kritiker bescheinigten ihm zwar ein übersteigertes moralisches Pathos und einen Hang zum „Gutmenschentum“, doch tat dies dem Erfolg keinen Abbruch: Bis heute ist Kassandra das meistgelesene Werk der ostdeutschen Autorin.

Zusammenfassung

Die Gabe und der Fluch des Sehens

Nach dem verlorenen Kampf um ihre Heimatstadt Troja sitzt Kassandra, die Tochter des Königs Priamos und seiner Frau Hekabe, auf dem Gefangenenwagen des siegreichen griechischen Königs Agamemnon vor dessen Burg Mykene. Wegen ihrer seherischen Fähigkeiten weiß sie, dass Agamemnons Gemahlin Klytaimnestra ihren Mann wie auch sie selbst ermorden wird, sobald sich die Burgtore öffnen. Im Angesicht des Todes erinnert sie sich an ihre Kindheit und Jugend, an den zärtlich geliebten Vater und die strenge Mutter, die Herrscherin des Landes.

Der Sonnengott Apollon verleiht der jungen Kassandra, einem unnahbaren Mädchen, das sich immer schon als Außenseiterin gefühlt hat, die Gabe des Sehens. Als sie sich jedoch weigert, mit ihm zu schlafen, bestraft er sie mit dem Fluch, dass niemand ihren Prophezeiungen je Glauben schenken werde. Wie alle jungen trojanischen Mädchen soll Kassandra entjungfert werden. Doch Aineias, der für diese rituelle Pflicht auserwählt ist, versagt – vermutlich aus Liebe. Seit dieser Begegnung hat sich sein...

Über den Autor

Christa Wolf wird am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe geboren. Nach der Vertreibung 1945 lässt sich ihre Familie in Mecklenburg-Vorpommern nieder. Wolf arbeitet zunächst als Schreibkraft und macht 1949 ihr Abitur. Im selben Jahr tritt sie der SED (Sozialistische Einheitspartei) bei. Während des Germanistikstudiums lernt sie ihren späteren Mann, den Schriftsteller Gerhard Wolf, kennen. Nach dem Studium arbeitet Christa Wolf zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Deutschen Schriftstellerverband, dann als Verlagslektorin und als Redakteurin einer Literaturzeitschrift. Ab 1962 ist sie freie Schriftstellerin. Ein Jahr darauf erscheint der Roman Der geteilte Himmel, eine Auseinandersetzung mit dem Mauerbau und mit unterschiedlichen Lebensentwürfen in beiden Teilen Deutschlands. Christa Wolf gilt als Vorzeigeintellektuelle der jungen DDR, doch schon bald gerät sie wegen ihres subjektiven Stils und der Behandlung kontroverser Themen in Konflikt mit dem Machtapparat. Ihr zweiter Roman Nachdenken über Christa T.(1968) erscheint zunächst nur in kleiner Auflage. 1976 unterstützt die Autorin den Protest gegen die Zwangsausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Bei aller Kritik bleibt sie der Idee des Sozialismus dennoch treu. Als sogenannte „loyale Dissidentin“ darf sie reisen, hält Vorträge im Ausland und wird zunehmend als gesamtdeutsche Schriftstellerin anerkannt. 1980 erhält sie den renommierten westdeutschen Georg-Büchner-Preis. 1983 erscheint ihre Erfolgserzählung Kassandra. Nach dem Fall der Mauer setzt Wolf sich für den „dritten Weg“ einer reformierten DDR und gegen die Wiedervereinigung ein. 1993 gibt sie zu, zwischen 1959 und 1962 als IM (inoffizielle Mitarbeiterin) für die Stasi gearbeitet zu haben, weist aber auch darauf hin, dass sie ab 1969 permanent von der Spitzelbehörde überwacht wurde. In den 90er-Jahren diffamieren westliche Kritiker die einst gefeierte Schriftstellerin als „Staatsdichterin der DDR“. Sie stirbt am 1. Dezember 2011 in Berlin.


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