William Shakespeare
König Heinrich IV., Teil 1
Reclam, 2013
What's inside?
Shakespeares Historiendrama verbindet kunstvoll Tragödie und Komödie.
- Tragikomödie
- Elisabethanische Ära
Worum es geht
Die Legitimität eines Herrschers
Shakespeares Historiendrama König Heinrich IV., Teil 1 handelt von einem Adelsaufstand Anfang des 15. Jahrhunderts gegen König Heinrich IV., der nicht in der Thronfolge vorgesehen war. Der kluge Heinrich hatte die Schwäche seines Vorgängers Richard II. ausgenutzt und sich mithilfe ebenjener Adligen, die sich nun gegen ihn wenden, zum König von England krönen lassen. Was aber macht die Legitimität eines Herrschers aus: persönliche Befähigung oder Geburtsrecht? Diese Frage steht im Zentrum von Shakespeares Drama. Sie war 1596, als das Stück entstand, angesichts der unsicheren Thronfolge der kinderlosen Elisabeth I. hochaktuell. Kunstvoll kontrastiert Shakespeare die historischen Szenen mit Wirtshausepisoden, in deren Mittelpunkt der ebenso fette und versoffene wie geistreiche Sir John Falstaff steht. Der Antiheld Falstaff, der zu Shakespeares beliebtesten Figuren zählt, führt die politische Vernunft, die Logik des Krieges und gesellschaftliche Konventionen ad absurdum – mit überbordender Lebenslust, trockenem Humor und der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen.
Take-aways
- König Heinrich IV., Teil 1 ist das berühmteste von Shakespeares Geschichtsdramen.
- Zusammen mit König Richard II., König Heinrich IV., Teil 2 und König Heinrich V. bildet es die sogenannte Lancaster-Tetralogie.
- Inhalt: König Heinrich IV., der seinen Vorgänger Richard II. vom Thron stieß, sieht sich von Rebellen bedroht, die die Rechtmäßigkeit seines Herrschaftsanspruchs anzweifeln. Zusammen mit seinem Sohn Prinz Hal, der das Lotterleben mit seinem Freund Sir John Falstaff aufgibt, um dem Vater beizustehen, erringt der König in der Schlacht von Shrewsbury einen ersten Teilsieg über seine Feinde.
- Shakespeares Darstellung der Auseinandersetzungen zwischen den Adelsclans zu Beginn des 15. Jahrhunderts entspricht nicht immer den historischen Fakten.
- Im Zentrum steht die Frage, was die Legitimität eines Herrschers ausmacht: persönliche Fähigkeiten oder Erbansprüche.
- Als Historiendrama verbindet König Heinrich IV. Elemente der Tragödie und der Komödie.
- Der Publikumsliebling Falstaff zählt zu Shakespeares meistkommentierten Figuren.
- Die Sprache wechselt zwischen Vers und Prosa und ist reich an rhetorischen Figuren, Metaphern und Wortspielen.
- Das Stück wurde von Giuseppe Verdi als Oper mit dem Titel Falstaff vertont.
- Zitat: „Es brennt das Land. Percy steht hoch wie nie, einer muss fallen, seien es wir oder sie.“
Zusammenfassung
Bürgerkrieg in England
Im Palast von Westminster spricht König Heinrich zu seinen Anhängern: Die kriegerische Selbstzerfleischung des Landes muss ein Ende haben. Stattdessen ist es an der Zeit, ein englisches Heer zusammenzustellen und endlich nach Jerusalem zu ziehen, um die Heiden von den heiligen christlichen Stätten zu vertreiben. Der Graf von Westmorland bestätigt, dass es sich um eine dringende Aufgabe handelt. Doch gerade als man am Tag zuvor über die Kosten des Unternehmens verhandelte, kam ein Bote aus Wales mit schlechten Nachrichten: Graf Mortimer, der hier gegen Rebellen kämpfte, ist gefangen genommen worden. Viele seiner Männer sind gefallen, ihre Leichen wurden von den Walisern geschändet. Und aus dem Norden kommt die Nachricht, dass der junge Henry Percy, genannt Hotspur, in einer Schlacht die Schotten besiegt hat. Allerdings ist er so frech, die Gefangenen, die er gemacht hat, für sich selbst zu behalten und seinem König nur einen einzigen zu überlassen. Der König könnte glatt neidisch werden auf Hotspurs Vater, den Grafen von Northumberland, denn sein eigener Sohn, Prinz Hal, hat nichts als Unsinn im Kopf. Die Fahrt nach Jerusalem soll warten, entscheidet der König, das hier hat Vorrang.
Der unwürdige Prinz
In einer Londoner Schenke will der gerade aus dem Rausch erwachte Sir John Falstaff von seinem Freund Prinz Hal wissen, wie spät es ist. Warum er sich denn um die Uhrzeit kümmere, fragt dieser. Als Räuber seien sie ohnehin nachts unterwegs, und was sie bei Mondschein erbeuteten, würden sie am nächsten Tag verprassen. Falstaff klagt, der Prinz habe ihn erst zu dieser Lebensweise verführt, er werde damit aufhören. Doch als Hal überlegt, wo sie als Nächstes zuschlagen könnten, ist Falstaff sofort dabei. Das Räubern ist nun mal seine Berufung. Da kommt ihr Kumpan Poins mit seiner Idee, am nächsten Tag eine Gruppe von Pilgern zu überfallen, wie gerufen. Aber Poins hat eigene Pläne. Als er mit dem Prinzen allein ist, überredet er ihn zu einer Intrige: Die anderen Bandenmitglieder sollen die Pilger ausrauben. Danach werden sie beide, verkleidet und maskiert, die Räuber überfallen und ihnen die Beute wegnehmen – und sich anschließend an den vollkommen übertriebenen Geschichten weiden, die Falstaff ihnen präsentieren wird. Als der Prinz allein ist, nimmt er sich vor, noch eine Weile dieses liederliche Treiben mitmachen zu wollen, doch nur, um danach zur Tugend zurückzukehren und dann umso glänzender dazustehen.
Ein Komplott wird geschmiedet
Unterdessen fordert der König von seinen Vasallen den Respekt ein, den er aufgrund seiner weichen Wesensart verloren glaubt. Hotspur versichert dem König jedoch seiner Treue und Liebe. Die Gefangenen habe er nur deshalb nicht herausgegeben, weil ihn nach der überaus anstrengenden und blutigen Schlacht das Geschwätz jenes geschniegelten Lackaffen, der die Gefangenen im Namen des Königs einforderte, provoziert habe. Doch der König lässt sich nicht besänftigen: Hotspur knüpfe die Herausgabe der gefangenen Schotten ja an die Bedingung, sein Schwager Mortimer solle freigekauft werden, auf Kosten des Königs. Der König hält Mortimer für einen Verräter, der seine eigenen Leute sehenden Auges in den Tod geschickt hat, indem er sie gegen den mächtigen Owen Glendower kämpfen ließ, mit dessen Tochter er obendrein verheiratet ist. Hotspur sieht darin eine Verleumdung: Mortimer sei kein Verbündeter Glendowers, immerhin sei er ja selbst im Kampf mit diesem schwer verwundet worden. Doch der König will nichts mehr von Mortimer hören. Er fordert, dass ihm die Gefangenen sofort übergeben werden.
„Nicht länger soll der durstig geöffnete Mund unserer Erde mit dem Blut ihrer eigenen Kinder sich die Lippen schmieren, nicht länger soll der Gräben ziehende Krieg die Felder ihr durchfurchen, noch ihre zarten Blumen zerquetschen mit den Eisenhufen gegnerischer Schritte.“ (König Heinrich, S. 181)
Hotspurs Onkel, der Graf von Worcester, weiß schon, warum der König Mortimer nicht freikaufen möchte: Heinrichs Vorgänger, König Richard, hatte Mortimer und nicht Heinrich zu seinem Erben erklärt. Worcester ist zornig: Wie konnten sein Vater und sein Onkel nur zulassen, dass der gute Richard vernichtet wurde und Heinrich unrechtmäßig auf den Thron kam? Wieso haben sie sich übers Ohr hauen lassen? Noch ist es nicht zu spät, diese Schande wiedergutzumachen und sich an dem arroganten König zu rächen, der sie als seine Schuldner ohnehin aus dem Weg schaffen wolle. Northumberland und Worcester versuchen, den vor Wut kochenden Hotspur zu beruhigen. Der Aufstand muss mit kühlem Kopf geplant werden. Hotspur soll die schottischen Gefangenen erst einmal freilassen, ohne Lösegeld, und die Schotten so zu seinen Verbündeten machen. Northumberland wird derweil Mitstreiter für ihren Plan gewinnen. Zusammen mit dem Grafen von Douglas, Mortimer und Owen Glendower werden sie eine starke Armee bilden und vereint gegen den König ins Feld ziehen.
Falstaffs Lügen und Wahrheiten
Der Streich von Prinz Hal und Poins gegen Falstaff und dessen Freunde ist geglückt. Unerkannt haben sie die Räuber überfallen und ausgeraubt. Als Falstaff später im Wirtshaus zu ihnen stößt, beklagt er vor dem Prinzen und Poins, die seinen Lügenmärchen mit heimlicher Freude lauschen, all die Feigheit um ihn herum. Mindestens 50 Mann hätten ihn und seine drei Kumpel überfallen. Zwei Stunden lang hätten sie gekämpft, wie durch ein Wunder sei er noch am Leben, aber die Beute sei leider weg. Es gebe keine echten Männer mehr im Land, außer ihm, dem alten Falstaff, und seinen paar Getreuen. Hal und Poins machen sich einen Spaß daraus, Falstaff als Lügner zu entlarven und ihm die Wahrheit zu sagen: Sie beide waren es, die ihm die Beute abgenommen haben. Von wegen Kampf! Falstaff habe um Gnade gebettelt und sei weggelaufen, so schnell ihn seine Beine getragen hätten. Falstaff hat aber gleich eine neue Version der Geschichte parat: Natürlich habe er die beiden erkannt, und gegen einen Prinzen zu kämpfen und diesen womöglich gar zu töten, daran hindere ihn der Instinkt. Auch ein Löwe greife instinktiv keinen Prinzen an. Er nimmt ihnen den Streich aber nicht übel, sondern freut sich, dass das Geld wieder da ist.
„Erhäng dich doch mit deinen eigenen Thronfolger-Hosenbändern!“ (Falstaff zu Prinz Hal, S. 243)
Da trifft im Wirtshaus die Nachricht ein, dass Hotspur, Glendower, Mortimer, Northumberland und Douglas mit großer schottischer Gefolgschaft unterwegs seien, und auch Worcester habe den König im Stich gelassen. Der Prinz müsse sofort an den Hof seines Vaters kommen. Auf Falstaffs Frage, ob Hal nicht Angst habe vor der geballten Kraft dieser tapferen Männer, erwidert der schlagfertig: Nein, dazu mangle es ihm an Instinkt. Aus dem Stegreif mimt nun Falstaff den König, der seinen Sohn für sein Lotterleben rügt und ihm empfiehlt, sich an den ansehnlichen, edlen und tugendhaften Falstaff zu halten. Danach tauschen sie die Rollen: Der Prinz spielt den König und rät seinem Sohn, sich von dem alten, fetten, versoffenen Hurenbock Falstaff fernzuhalten. Worauf Falstaff – diesmal in der Rolle des jungen Prinzen – erwidert, dick, fidel und alt zu sein, sei keine Sünde, und wenn er den guten alten Falstaff aus seinem Leben verbanne, verbanne er die ganze Welt daraus. Mitten in das Spiel hinein platzen der Sheriff und seine Leute auf der Suche nach Falstaff, den die Beraubten in das Wirtshaus haben fliehen sehen. Der Prinz verrät Falstaff, der sich versteckt hat, nicht. Er weiß: Bald müssen sie ohnehin alle in den Krieg ziehen, und auch dem alten Fettsack will er ein Kommando geben.
Vorbereitungen auf die Schlacht
Der König sagt seinem Sohn ins Gesicht, er empfinde ihn als Strafe Gottes. Er verzeihe ihm zwar seine Fehltritte, doch dass er so aus der Spur seiner Ahnen geraten sei, wundere ihn schon. Alle in ihn gesetzten Erwartungen habe der Thronfolger enttäuscht, dem Hof sei er entfremdet, man warte nur auf seinen Sturz. Hätte er, der König, sich je in solch schlechter Gesellschaft herumgetrieben und so wenig auf seinen Ruf geachtet, wäre er niemals auf den Thron gelangt. So selten ließ Heinrich sich in der Öffentlichkeit blicken, dass die Leute ihn in solchen Momenten anstaunten und bewunderten, während sie dem damaligen König Richard, der öffentliche Auftritte liebte und sich der Menge anbiederte, zwar anfangs zujubelten, aber seiner auch irgendwann überdrüssig wurden und ihm keine Beachtung mehr schenkten. Auch er, Prinz Hal, sei, wie damals Richard, zu sehr in der Öffentlichkeit präsent und habe zudem durch schlechten Umgang seinen fürstlichen Bonus verspielt. Der junge Hotspur habe zwar kein Recht auf den Thron, aber durch sein würdiges Auftreten und durch seinen Kriegsruhm mehr Anspruch darauf als Hal. Jetzt führe er eine Verschwörung der Feinde des Königs an, um ihn vom Thron zu stoßen. Des Königs größter Feind sei allerdings der eigene Sohn. Hal gelobt Besserung und verspricht, dem Vaters im Kampf gegen Hotspur beizustehen.
„’s ist gefährlich, sich zu erkälten, zu schlafen, zu trinken; doch ich sag Euch, mein Lord Narr, aus dieser Nessel der Gefahr pflücken wir die Blume Sicherheit.“ (Hotspur, S. 253)
Währenddessen feilscht Hotspur schon mit Glendower um die Aufteilung des Landes, das sie erbeuten werden, und spottet über dessen walisische Sprache, worauf Mortimer ihn warnt: Er soll sich nicht so respektlos gegenüber Mortimers Schwiegervater verhalten. Auch Worcester tadelt Hotspurs Eigensinn: Der weise zwar manchmal auf Mut und Größe hin, doch die Grenze zu mangelnder Selbstbeherrschung, schlechten Manieren und Hochmut sei fließend.
„Was denn, du lehmhirniger Wanst, du knotengedeckelter Dummkopf, du hundsföttischer, abscheulicher, schmieriger Bratenfettklumpen –“ (Prinz Hal zu Falstaff, S. 281)
Auch Falstaff muss sich langsam auf den Krieg einstellen. Während er noch im Wirtshaus sitzt und mit der Wirtin Frau Quickly um Geld streitet, kommt der Prinz zurück und erteilt ihm das Kommando über eine Fußtruppe. Das Land sei in Aufruhr, und wenn sie nicht kämpften, werde Hotspur die Herrschaft an sich reißen. Doch Falstaff schert das alles wenig, er will erst einmal frühstücken.
Echte und falsche Helden
Northumberland ist schwer erkrankt und kann am Kampf nicht teilnehmen. Glendower hat sich angesichts ungünstiger Prophezeiungen mit einem Großteil der Truppen zurückgezogen. Das kann Hotspur und Douglas aber nicht erschüttern, ebenso wenig wie die Nachricht, dass der König und seine Verbündeten mit großen, schwer bewaffneten Heeren vorrücken. Sollen sie doch kommen mit ihren 30 000 Mann! Hotspur und Douglas wollen kämpfen und noch im Tod lachen. Alle Warnungen und alle guten Ratschläge schlagen sie in den Wind. Selbst das großzügige Friedensangebot des Königs lehnen sie ab: Heinrich sei damals ja nur durch Northumberlands Hilfe auf den Thron gelangt, indem er so getan habe, als wollte er nur Herzog von Lancaster werden. Als seine Macht groß genug gewesen sei und er sich in die Herzen der Untertanen geschlichen habe, habe er die Herrschaft ergriffen, König Richard, der in einen langen Irland-Feldzug verstrickt war, kurzerhand abgesetzt, dessen Günstlinge hingerichtet, neue Steuern erhoben, sich gegen seine einstigen Freunde gewandt und viel Unrecht begangen. Jetzt sei es endlich an der Zeit, die Rechtmäßigkeit seines Königstitels zu überprüfen.
„Die hoffnungsvolle Erwartung in deine Jugend ist zerstört, und die Seele aller Menschen denkt prophetisch deinen Sturz voraus.“ (König Heinrich zu Prinz Hal, S. 333)
Auf der gegnerischen Seite erkennt man Hotspurs Kampfesmut und Größe durchaus an. Er selbst, meint Prinz Hal, habe sich lange genug um das Rittertum gedrückt. Nun aber bietet er Hotspur an, die Sache in einem Zweikampf auszutragen, um Menschenleben auf beiden Seiten zu schonen. Das aber lehnt der König ab. Nochmals bietet er den Rebellen an, er werde im Fall ihrer Umkehr Gnade walten zu lassen. Falls sie sein Friedensangebot aber ablehnten, werde er sie mit aller Grausamkeit bestrafen und sie mit einem mächtigen Heer angreifen.
„Ich werde hinfort, mein dreifach gütiger König, mehr ich selbst sein.“ (Prinz Hal zu König Heinrich, S. 337)
Falstaff ist noch nicht bereit, zu sterben. Ehrenvoll sei es sicher, meint er, aber bei einem kaputten Bein oder bei schmerzenden Wunden helfe einem die Ehre auch nichts. Ehre ist für ihn nur ein Wort auf den Grabmälern der Toten, und darauf kann er gut verzichten. Seine Truppe besteht zudem nur aus Lumpenpack, armen Schluckern und ehemaligen Gefangenen – die Reichen waren zu feige und haben sich freigekauft. Aber was soll’s, meint Falstaff, seine ausgehungerten Soldaten bieten ebenso gutes Kanonenfutter wie andere, sterblich sind ohnehin alle.
Die Schlacht von Shrewsbury
Worcester weigert sich, Hotspur die Botschaft des Königs zu überbringen. Er glaubt, der König werde immer misstrauisch sein und er werde die Rebellen, falls sie sich unterwerfen, später bestrafen, sobald er Gelegenheit dazu finde. Und so zieht Hotspur mit seinen Leuten in die Schlacht, ohne das Friedensangebot zu kennen. Douglas tötet im Kampf beinahe den König, doch der Prinz eilt seinem Vater zu Hilfe und rettet ihm das Leben. Im Zweikampf tötet er Hotspur, für den der Ehrverlust schlimmer ist als der Tod selbst. Auch Falstaff liegt leblos am Boden, aber er hat sich nur aus Angst tot gestellt. Um sicherzugehen, dass Hotspur wirklich tot ist, sticht er, als er kurz allein ist, auf den Leichnam ein. Als der Prinz zurückkommt, behauptet Falstaff, Hotspur sei noch am Leben gewesen, er selbst habe ihn im Kampf getötet. Dafür verdiene er einen Grafen- oder Herzogtitel, und wenn er erst einmal ein Edelmann sei, werde er auch mit dem Saufen aufhören. Dem will der Prinz nicht im Weg stehen: Wenn es dem Freund nützt, will er dessen Lüge bestätigen. Inzwischen rüstet sich der siegreiche König Heinrich für den Kampf gegen die übrigen Rebellen.
Zum Text
Aufbau und Stil
König Heinrich IV., Teil 1 ist ein Drama in fünf Akten und folgt der klassischen Dramaturgie von Exposition, Wendepunkt und Katastrophe. Der Spannungsbogen wird immer wieder durch komische Szenen im Wirtshaus unterbrochen, die, im Kontrast zu den Blankversen der übrigen Szenen, in Prosa verfasst sind. Shakespeares Sprache ist überaus prunkvoll, von überwältigender Ausdruckskraft und voll von rhetorischen Figuren, Anspielungen, Sprichwörtern, Wortspielen und Wortneuschöpfungen. Die Rede der handelnden Personen ist geprägt von Metaphern, Vergleichen und Analogien aus allen Bereichen des damaligen Wissens. Etliche Dialoge, vor allem zwischen dem Prinzen und dem wortgewandten Falstaff, sind virtuose Wortduelle, die schon zu Shakespeares Zeit den besonderen Reiz dieses Stücks ausmachten. Von höchster Sprachkunst zeugen auch Falstaffs Monologe, die philosophischen Tiefsinn, Eleganz und Vulgarität miteinander verbinden.
Interpretationsansätze
- Vordergründig geht es in König Heinrich IV. um die Auseinandersetzungen der Adelsfamilien York und Lancaster. Aus Letzterer entsprang später, Anfang des 15. Jahrhunderts, die Tudor-Dynastie. Zugleich aber handelt das Stück von Shakespeares Gegenwart, Ende des 16. Jahrhunderts: Mit Blick auf die ungewisse Thronfolge der kinderlosen Königin Elisabeth I. aus der Tudor-Dynastie thematisierte er in seinem Stück die Frage, was die Legitimität des Herrschers ausmacht: persönliche Fähigkeiten oder Geburt.
- Shakespeares Darstellung der Ereignisse rund um die Auseinandersetzung zwischen den Adelshäusern York und Lancaster ist nicht immer historisch korrekt; geschichtliche Fakten werden mitunter der Dramaturgie und der Didaktik geopfert. Gezielte Geschichtsfälschung im Dienst der Tudors betrieb Shakespeare dennoch nicht. Vielmehr folgte er nur der Tendenz seiner Zeit, aus der Geschichte nicht die historische Wahrheit, sondern eine moralische und politische Lehre herauszufiltern.
- Das Stück beginnt mit der Zerstörung der politischen Ordnung und endet mit deren Wiederherstellung. Das entspricht der paternalistischen, konservativen Haltung des Autors, der dem mittelalterlichen Weltbild noch sehr nah war. Im zweiten Teil des Stücks besteigt Prinz Hal nach dem Tod seines Vaters als Heinrich V. den Thron. Er hat sich von einem jugendlichen Saufbold und Tunichtgut zu einem verantwortungsvollen Mann gewandelt und wird nun zum idealen Herrscher.
- Als Historiendrama verbindet König Heinrich IV. Tragödie und Komödie oder – wie ein Zeitgenosse es treffend formulierte – Könige und Clowns. Die historischen Szenen folgen dem Muster der Tragödie; die Wirtshausszenen dagegen, mit ihren Saufgelagen, Betrügereien, wüsten Beschimpfungen und dem Theaterstück im Theaterstück, stehen in der Tradition der Komödie.
- Zu den komischen Elementen zählt vor allem der grotesk dicke Antiheld Falstaff. Mit seinem grenzenlosen Egoismus, seiner Feigheit und Korruptheit, seinem geistreichen Humor, seiner Spottlust und der Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, ist er ein schillernder, ambivalenter Charakter. Er repräsentiert das Gegenstück zur Welt der politischen Vernunft und der gesellschaftlichen Konventionen. Daher ist es nur folgerichtig, wenn sich der gereifte Prinz im zweiten Teil des Stücks von seinem ehemaligen Freund lossagen wird.
Historischer Hintergrund
Das Zeitalter Elisabeths I.
Die 45-jährige Regierungszeit Elisabeths I. von 1558 bis 1603 wurde im Rückblick als Goldenes Zeitalter verklärt, in dem Kunst, Theater und Literatur eine Blütezeit erlebten. Tatsächlich aber war die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts in England von großer Unsicherheit geprägt. Während des ersten Regierungsjahrzehnts herrschte noch Ungewissheit über die Legitimität von Elisabeths Herrschaft: Als Tochter Heinrichs des VIII. war Elisabeth zunächst von der Thronfolge ausgeschlossen worden. Die Gefahr, dass ihre Gegner aus dem Hochadel sich mit Maria Stuart und den katholischen Kräften zu einer wirkungsvollen Macht verbinden könnten, war zwar nach Marias Hinrichtung 1587 gebannt, doch eine weitere Bedrohung, durch die spanische Flotte, hielt trotz des Sieges der Engländer über die spanische Armada im Jahr 1588, der als epochales Ereignis gefeiert wurde, weiter an. Durch die Zufuhr von Gold und Silber aus den spanischen Kolonien in Amerika herrschte eine schleichende Inflation. In den 1590er-Jahren lastete zudem die Frage, wer die Nachfolge der kinderlosen Elisabeth antreten sollte, schwer auf der Nation.
Angesichts dieser Ungewissheit war das Bedürfnis nach innerem Frieden und politischer Stabilität groß. Während in Italien bereits der Übergang von der Renaissance ins Barockzeitalter erfolgt war, blieb das Weltbild in England im späten 16. Jahrhundert noch lange dem mittelalterlichen Ordnungsdenken verhaftet. Danach war die Welt in hierarchische Stufen unterteilt: vom König als dem irdischen Stellvertreter Gottes über den Hochadel und den niederen Adel bis hinunter zum Volk. Doch anders als die mittelalterlichen Christen, die noch an die Dauerhaftigkeit dieses Systems glaubten, spürten die Menschen im Elisabethanischen Zeitalter die Zerbrechlichkeit dieser Ordnung. Zwar galt Widerstand gegen den König weiterhin als Blasphemie, doch die Frage, was mehr zählte – Herrschaftsanspruch qua Geburt oder die persönliche Eignung eines Herrschers –, rückte immer stärker ins allgemeine Bewusstsein. Ganz im Sinne von Niccolò Machiavelli, mit dessen Werk Der Fürst zu Beginn des 16. Jahrhunderts ein weltlicher, nüchtern-pragmatischer Geist in die Politik eingezogen war, konnte der Herrscher sich nun nicht mehr allein auf sein Gottesgnadentum verlassen, sondern musste aktiv Macht gewinnen – und sie auch aufrechterhalten.
Die in England verspätete Renaissance und die humanistische Bewegung mit ihrer Nachahmung antiker Vorbilder brachten ein allgemeines Interesse an Geschichte mit sich. Auch das unter den Tudors neu erwachte Nationalbewusstsein sorgte dafür, dass sich der Blick der Menschen vermehrt auf die eigenen Wurzeln richtete. Zusätzlich angefeuert wurde das historische Interesse durch die Welle von Patriotismus, die der Seekrieg mit Spanien ausgelöst hatte, wie auch durch die ungewisse Thronfolge. Man hoffte, aus den Erfahrungen der Vergangenheit etwas über nationale Größe und Glorie, über Aufstieg und Niedergang von Staaten und über den Umgang mit den Launen der Schicksalsgöttin Fortuna zu lernen. Ab den 1580er-Jahren eroberten Historiendramen, unter anderem aus der Feder von William Shakespeare, die englischen Bühnen.
Entstehung
Die wichtigsten Quellen für Shakespeares Stück König Heinrich IV., Teil 1, das 1596/97 als zweiter Teil einer Tetralogie (neben den Dramen König Richard II., König Heinrich IV., Teil 2 und König Heinrich V.) entstand, waren Raphael Holinsheds 1577 erschienenen Chronicles of England, ferner Samuel Daniels Versepos The Civil Wars of the Two Houses of Lancaster and York von 1595 und das anonym erschienene Historiendrama The Famous Victories of Henry the Fifth von 1594. Auch wenn Shakespeare einiges aus den Quellen übernahm, machte er aus dem historischen Stoff etwas ganz Neues, etwa indem er den Blick auf verschiedene Volksschichten und Regionen weitete, viele komische Elemente einflocht und das Handeln des Prinzen Hal psychologisch glaubhaft machte. Die Figur des Sir John Falstaff, der ursprünglich nach einem bekannten Ritter – Sir John Oldcastle – benannt worden war und wegen der Zensur nachträglich Falstaff getauft wurde, ist ebenfalls eine Erfindung Shakespeares. Das Stück wurde vielleicht bereits 1596 am Hof uraufgeführt; die erste belegbare Aufführung fand 1597 statt. Die erste gedruckte Fassung erschien 1598.
Wirkungsgeschichte
Von Beginn an war König Heinrich IV., Teil 1 vor allem wegen der Figur des Falstaff, die beim Publikum sehr beliebt war und gemeinsam mit Hamlet zu den meistkommentierten Figuren Shakespeares zählt, ein großer Erfolg. In Deutschland kam das Stück erstmals 1778 auf die Bühne. Obwohl es in neuerer Zeit eher selten gespielt wird, gab es immer wieder spektakuläre Aufführungen, zum Beispiel mit Heinrich George, Will Quadflieg oder Katharina Thalbach in der Rolle des Falstaff. Das Stück wurde oft vertont und verfilmt. Am bekanntesten sind Giuseppe Verdis Oper Falstaff von 1893 und Orson Welles’ Film Falstaff aus dem Jahr 1965.
Über den Autor
William Shakespeare kann ohne Übertreibung als der berühmteste und wichtigste Dramatiker der Weltliteratur bezeichnet werden. Er hat insgesamt 38 Theaterstücke und 154 Sonette verfasst. Shakespeare wird am 26. April 1564 in Stratford-upon-Avon getauft; sein genaues Geburtsdatum ist nicht bekannt. Er ist der Sohn des Handschuhmachers und Bürgermeisters John Shakespeare. Seine Mutter Mary Arden entstammt einer wohlhabenden Familie aus dem römisch-katholischen Landadel. 1582 heiratet er die acht Jahre ältere Anne Hathaway, Tochter eines Gutsbesitzers, mit der er drei Kinder zeugt: Susanna sowie die Zwillinge Hamnet und Judith. Um 1590 übersiedelt Shakespeare nach London, wo er sich innerhalb kurzer Zeit als Schauspieler und Bühnenautor einen Namen macht. Ab 1594 ist er Mitglied der Theatertruppe Lord Chamberlain’s Men, den späteren King’s Men, ab 1597 Teilhaber des Globe Theatre, dessen runde Form einem griechischen Amphitheater nachempfunden ist, sowie ab 1608 des Blackfriars Theatre. 1597 erwirbt er ein Anwesen in Stratford und zieht sich vermutlich ab 1613 vom Theaterleben zurück. Er stirbt am 23. April 1616. Über Shakespeares Leben gibt es nur wenige Dokumente, weshalb sich seine Biografie lediglich bruchstückhaft nachzeichnen lässt. Immer wieder sind Vermutungen in die Welt gesetzt worden, wonach sein Werk oder Teile davon in Wahrheit aus anderer Feder stammen. Als Urheber wurden zum Beispiel der Philosoph und Staatsmann Francis Bacon, der Dramatiker Christopher Marlowe oder sogar Königin Elisabeth I. genannt. Einen schlagenden Beweis für solche Hypothesen vermochte allerdings niemand je zu erbringen. Heutige Forscher gehen mehrheitlich davon aus, dass Shakespeare der authentische und einzige Urheber seines literarischen Werkes ist.
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