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Verhandeln Feilschen mit Gefühl

Klassische Verhandlungsratgeber verlangen, Emotionen auszuschalten. Das funktioniert nicht. Wenn viel auf dem Spiel steht, verlieren selbst Profis oft die Fassung. Nutzen Sie das aus - und trainieren Sie für den Ernstfall.
aus Harvard Business manager 5/2013

Illustration: Patrick Mariathasan für Harvard Business Manager

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Verhandlungen sind oft eine sehr emotionale Angelegenheit. Manchmal schäumen die Gefühle über. So drohte 2011 der Verkauf eines drei Millionen Dollar teuren Brownstone-Gebäudes im New Yorker Stadtviertel Greenwich Village an einer alten Waschmaschine zu scheitern. Die Verkäufer hatten das Gerät zwei Tage vor Vertragsabschluss aus dem Haus entfernt. Stephen Raphael, der Anwalt der Eigentümer, erzählte in einem Artikel der "New York Times", dass sich die Käufer schon zuvor geärgert hatten: "Sie mussten ihr Angebot nachbessern und viele Nachteile in Kauf nehmen. Die Waschmaschine brachte das Fass zum Überlaufen."

Bei dem Abschlusstermin weigerten sich die Verkäufer erneut, das Gerät zu ersetzen. Einer der Käufer zerriss darauf einen bereits ausgestellten Scheck über einen siebenstelligen Betrag, verbrannte die Schnipsel und stürmte aus dem Zimmer. Die Verkäufer lenkten schließlich ein und boten einen Preisnachlass von 300 Dollar an. Die Immobilienmakler fanden den wütenden Käufer in einer nahe gelegenen Bar, wo er sich einen Drink genehmigte. Sie konnten ihn zur Rückkehr überreden, und so kam das Geschäft doch noch zustande.

Manchmal geht es noch hitziger zu. Die New Yorker Immobilienmaklerin Fern Hammond erlebte vor ein paar Jahren, wie eine verärgerte Frau ihrem Mann mit voller Wucht die Hausschlüssel ins Gesicht schleuderte. "Mit einem Mal war alles voller Blut", sagte Hammond im selben "New York Times"-Artikel. "Alle versuchten, die Unterlagen in Sicherheit zu bringen." Die aufgebrachte Frau war der Meinung, ihr Mann habe die gemeinsame Immobilie unter Wert verkauft.

Das andere Extrem gibt es allerdings auch. Während manche bei Verhandlungen überkochen vor Wut, verkriechen sich andere. So zum Beispiel Chris Robbins, ein Arzt in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Boston. Tag und Nacht trifft er schwierige Entscheidungen. In solchen Situationen zählt jede Sekunde, nicht selten geht es um Leben und Tod. Würde man Sie auf einer Bahre in die Notaufnahme schieben, wäre Robbins genau der Typ Arzt, den Sie sich wünschen würden: ruhig, besonnen, stressresistent.

Wenn es allerdings um Verhandlungen geht, ist es mit seiner Fassung vorbei. Als Robbins an einem begehrten Schulungsprogramm teilnehmen wollte, traute er sich nicht, dafür zwei Monate Urlaub zu beantragen. Die Anfrage wäre ungewöhnlich gewesen, und das Krankenhaus hatte damals Personalprobleme. Robbins fürchtete deshalb, dem Notaufnahmeteam gegenüber als unkollegial dazustehen. Allein die Vorstellung einer Konfrontation ängstigte ihn dermaßen, dass er das Thema lieber gar nicht erst ansprach.

Menschen wie Robbins leiden unter einer Art Verhandlungsphobie. Sie setzen alles daran, nicht in Situationen zu geraten, in denen sie andere zu etwas drängen müssen oder selbst zu etwas gedrängt werden. Solche Leute sind weder angriffslustig noch kooperativ. Psychologisch betrachtet, handelt es sich um Vermeider. Sie wollen nur ihre Grundbedürfnisse erfüllt sehen. Danach gehen sie Konflikten aus dem Weg, indem sie allem bereitwillig zustimmen. So müssen sie sich nicht mit Menschen auseinandersetzen, die andere Ziele und Vorstellungen haben. Eine solche Phobie kann teuer werden.

Und dann gibt es Leute wie Donald Dell, einen bekannten amerikanischen Sportmanager und Sportleragenten. In seinem Buch "Never Make the First Offer" beschreibt er eine schwierige Verhandlung zu Beginn seiner Laufbahn. Damals traf er auf den neuen Eigentümer der Tennismarke Head. Das Unternehmen wollte einen bestehenden Werbevertrag ändern, der dem US-Open- und Wimbledon-Sieger Arthur Ashe 5 Prozent der Verkaufserlöse garantierte. Der neue Head-Eigentümer wollte die Regelung streichen, Ashe und sein Manager Dell wollten daran festhalten.

Dell war gerade dabei, einem Topmanager von Head seine Argumente darzulegen, als der Chairman des Konzerns ins Zimmer stürmte. "Verdammt noch mal", schrie er, "das ist doch die Höhe. Der Mann verdient das Zehnfache von meinem Gehalt, und ich bin immerhin Chairman dieses Unternehmens!"

Es wurde mucksmäuschenstill. Alle Augen richteten sich auf Dell. Wie würde er reagieren? Würde er nachgeben oder das Geschäft in den Sand setzen, indem er sich auf ein Schreiduell einließ? Nach einer kurzen Pause sagte Dell ruhig: "Aber Pierre, Arthur hat einen viel besseren Aufschlag als Sie." Die Spannung war gebrochen. Alle lachten, und die Parteien konnten die Verhandlung fortsetzen. Schließlich einigten sie sich darauf, die Zahlungen zu beschränken, und erzielten einen für beide Seiten einträglichen Kompromiss.

Die Art von Gelassenheit, die Dell gezeigt hatte, kann über Erfolg oder Misserfolg einer Verhandlung entscheiden. Sie beruht nicht darauf, immer einen Witz auf Lager zu haben. Vielmehr geht es um die Fähigkeit, einen kühlen Kopf zu bewahren, wenn alle anderen kurz davor stehen, dir Fassung zu verlieren. Aus Forschungssicht (unsere Methodik erläutern wir später) sind Verhandlungsteilnehmer wie Dell faszinierend. Allerdings interessieren wir uns ebenso sehr für Menschen wie Chris Robbins und die Frau, die ihrem Mann die Hausschlüssel ins Gesicht schleuderte - sie sind nicht in der Lage, mit dem emotionalen Stress umzugehen, der mit Verhandlungen häufig verbunden ist.

Fehlerhafte Theorie

In der Fachliteratur hieß es bis vor Kurzem, Emotionen - sowohl Wutausbrüche als auch Ausweichtaktiken - seien der Feind konstruktiver Einigungen. In "Das Harvard-Konzept", einem Klassiker in dem Bereich, empfehlen die Autoren Roger Fisher, William Ury und Bruce Patton ernsthaft, "die Menschen vom Problem zu trennen". Damit gehen sie davon aus, dass sich Verhandlungsteilnehmer nicht wie menschliche Wesen, sondern wie der kühl-analytische Commander Spock in "Raumschiff Enterprise" verhalten sollten.

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