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Change-Management Mehr Energie für den Neustart

Umfangreiche Studien zeigen, dass Faktoren wie geringe Dynamik, destruktive Kräfte und Überforderung in einer Organisation Change-Projekte zum Scheitern bringen. Soll der Wandel gelingen, müssen Manager drei wichtige Voraussetzungen beachten.
aus Harvard Business manager Spezial 1/2016
Foto: Reuters

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Im Sommer 2013 kündigte ein multinationaler Soft- und Hardwarehersteller ein riesiges Change-Projekt an. Drei Standorte in Deutschland sollten geschlossen und alle Mitarbeiter ins Homeoffice  geschickt werden. Man wollte mit der Zeit gehen und flexibler arbeiten.

Doch das Projekt scheiterte. Zu groß war der Druck seitens der unzufriedenen Mitarbeiter. Sie hatten den Eindruck, die Geschäftsleitung wollte die Standorte schließen, um die Betriebsräte wegen eines Überstundenstreits loszuwerden. Auch die Kunden und Geschäftspartner interpretierten die angekündigte Schließung als einen Rückzug aus der Region und beteiligten sich am Widerstand der Mitarbeiter.

Statt des erhofften Wandels entstanden nicht nur enorme Schäden für das Image der Firma; aus dem massiven Vertrauensverlust erwuchs eine Misstrauenskultur , die künftige Change-Prozesse erheblich erschwert.

Dies ist ein Beispiel von zahlreichen. Der jährliche finanzielle Schaden für fehlgeschlagene Change-Prozesse allein im Bereich der Informationstechnologie beläuft sich in der EU auf 142 Milliarden Euro. Hinzu kommt ein schlecht bezifferbarer und schwer zu reparierender Schaden für die Unternehmenskultur und das Image. Insgesamt scheitern sogar 60 Prozent aller Change-Initiativen.

Gerade langfristige Change-Prozesse verlangen ein hohes Maß an Energie. Dieses Phänomen, das wir früher schon als "organisationale Energie" definiert haben, bezeichnet die Kraft, mit der Unternehmen arbeiten und zielgerichtet etwas bewegen. In Firmen oder auch einzelnen Bereichen herrschen in der Regel vier verschiedene Energiezustände vor: produktive, angenehme, resignative oder korrosive Energie (siehe auch Kasten "Die vier Energien").
Das Energiemodell basiert auf langjähriger Erfahrung und groß angelegten Datenerhebungen des Instituts für Führung und Personalmanagement an der Universität St. Gallen. Wir haben Energiemessungen mit mehr als 1100 Unternehmen und 610 000 Mitarbeitern und Führungskräften in verschiedenen Branchen und in 55 Ländern durchgeführt. Wir wissen aus unseren früheren Forschungsergebnissen, dass die Mehrheit der Unternehmen, die während langer Change-Prozesse nicht erfolgreich waren und ihre Produktivität nicht auf einem hohen Niveau halten konnten, in sogenannte Energiefallen geraten sind. Unsere Hauptthese: Unternehmen können einen Wandel nur dann erfolgreich bewältigen, wenn es ihnen gelingt, die Energie der Organisation zu mobilisieren und auf konkrete Projekte und Initiativen zu fokussieren.

Ein großes Change-Thema beschäftigt derzeit besonders viele Unternehmen: die Revolution der Arbeitswelt. Durch die mit enormem Tempo voranschreitende Digitalisierung von Wissensarbeit und Produktion und durch den steigenden Innovationsdruck versuchen viele Unternehmen eine Revitalisierung durch eine fundamentale Neuausrichtung der Arbeitsprozesse.

Angeregt durch Change-Initiativen, denen sich Unternehmen auf dem Weg zur Arbeitswelt 4.0 stellen müssen, haben wir eine Studie zum Thema "Energizing Change in the Revolution of Work and Leadership" durchgeführt. Mithilfe von Homeoffice, mobilem Arbeiten und flexiblen Arbeitszeiten können Unternehmen sich dynamischer ausrichten, ihre Leistung, Energie und Innovationskraft stärken sowie die Produktivität und Gesundheit der Mitarbeiter verbessern.

Das Potenzial, das in Unternehmen durch alte Strukturen, überkommene Arbeitsweisen und unflexible Zusammenarbeit brachliegt, ist so groß wie in kaum einem anderen Bereich. Durch eine Neuausrichtung der Arbeitsformen können Unternehmen diese Potenziale freisetzen und Kreativität, Produktivität, Innovation und Mitarbeiterengagement erheblich steigern. Wir gehen von einer Produktivitätssteigerung der Beschäftigten um 35 Prozent aus. Allerdings entfalten diese Arbeitsformen nur dann ihre positive Wirkung, wenn sie richtig eingeführt werden.

Die von uns unter 16 274 Führungskräften und Mitarbeitern aus 96 Unternehmen durchgeführte Studie verdeutlicht am Beispiel des Homeoffice, dass nur Organisationen, die die richtigen Voraussetzungen schaffen, tatsächlich einen positiven Energieschub durch neue Arbeitsformen bekommen. Bei den anderen hingegen kann sogar großer Schaden entstehen.

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Die Studie zeigt, dass heute 70 Prozent aller Unternehmen in Deutschland ihren Mitarbeitern die Möglichkeit anbieten, im Homeoffice zu arbeiten. Allerdings ist der Umfang der Nutzung meist sehr gering. Bei nur 17 Prozent dieser Unternehmen arbeiten die Beschäftigten im Schnitt mehr als einen halben Tag pro Woche zu Hause. Von den Firmen, die Homeoffice in großem Stil nutzen, verfügt die Hälfte der Unternehmen über eine hohe produktive Energie (45 Prozent), während fast ein Drittel zusätzlich hohe angenehme Energie aufweist (28 Prozent). Bei Firmen, die ihren Mitarbeiter diese Arbeitsmöglichkeit nicht bieten, sind die Werte für hohe produktive Energie (20 Prozent) und hohe angenehme Energie (13 Prozent) deutlich niedriger.

Der Großteil der Unternehmen hat jedoch Schwierigkeiten mit dieser Arbeitsform. Mehr als die Hälfte von ihnen (56 Prozent), die Homeoffice intensiv nutzen, weist eine reduzierte produktive Energie aus, und fast drei Viertel der Unternehmen (72 Prozent) kämpft mit einer geringen angenehmen Energie. Unsere Studie zeigt, dass das Homeoffice-Angebot Unternehmen in sogenannte Energiefallen führt, wenn die notwendigen Voraussetzungen dafür nicht geschaffen werden.

Die drei typischen Energiefallen

In Change-Prozessen sind drei Phasen ausschlaggebend, in denen die Energie einer Organisation eine entscheidende Rolle spielt. In jeder dieser Phasen lauern Fallen, die es zu vermeiden gilt.

Phase 1: Trägheits- und Resignationsfalle

In der ersten Phase eines Change-Prozesses bereiten sich Unternehmen auf die geplante Veränderung vor und mobilisieren dafür Energie. Bereits hier kann das Projekt scheitern. Zum einen kann die Mobilisierung misslingen, weil Unternehmen die Mitarbeiter nicht von der Notwendigkeit der Veränderungen überzeugen. Das Warum für den Change muss vermittelt werden, sonst kann der Arbeitgeber keine Bereitschaft zum Wandel erwirken. Wird das versäumt, kommt es zu Symptomen von Energiemangel wie Change-Müdigkeit oder angenehme Trägheit – die sogenannte Trägheitsfalle entsteht. Ein Beispiel dafür ist der finnische Konzern Nokia, der sich zu lange im Glanz vergangener Erfolge gesonnt hat, und es versäumte, den Schritt in das neue Zeitalter der Smartphones zu wagen.

Zum anderen schaffen es Unternehmen häufig nicht, den Change als greifbar und machbar zu präsentieren. Wenn Mitarbeiter den Wandel als unrealistisch einschätzen, leisten sie Widerstand, sei es aktiv oder passiv. Dann scheitern auch Aktivierungs- und Mobilisierungsversuche. Glauben die Beschäftigten nicht an den Erfolg der Maßnahmen, geraten Unternehmen in die Resignationsfalle.

Phase 2: Korrosionsfalle

In der zweiten Phase werden idealerweise die eigentlichen Veränderungen vorgenommen, der Change umgesetzt und neue Verhaltensweisen eingeführt. Mit zunehmender Dynamik und Intensität steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit, dass Aktivitäten nicht gebündelt und auf dieselben Ziele fokussiert sind. Wenn es Partikularinteressen gibt, Vertrauen fehlt und Konkurrenz eine Rolle spielt, entstehen schnell destruktives Engagement, Spannungen und Silodenken. Gelingt es nicht, die Energie in dieselbe Richtung zu kanalisieren, kann die Firma in die Korrosionsfalle geraten. Es kommt zum Verlust von Teamgeist, Identifikation und Einsatzbereitschaft für die gemeinsame Sache, und egoistisch korrosives Engagement dominiert den Change.

Eine europäische Großbank scheiterte mit ihrem Change-Vorhaben hin zur flexiblen Organisation an solchen korrosiven Kräften. Die Bank führte am neuen Firmenhauptsitz Desksharing im Großraumbüro ein. Individuelle Schreibtische fehlten, jeder sollte von überall aus arbeiten – auch von zu Hause. Auf jeweils zehn Mitarbeiter kamen noch acht Schreibtische. Zusätzlich gab es Rückzugsboxen für ungestörtes Arbeiten, Konferenzräume, aber auch Sofas und Lounges gehörten zum neuen Konzept. Das Ziel der Geschäftsführung war, dass die Angestellten sich wohlfühlen, fluider arbeiten und effizienter sind. Doch die Mitarbeiter protestierten, sie wollten keine unpersönlichen Arbeitsplätze oder sich ständig einen neuen Schreibtisch suchen. Einige Zeit nach Einführung der neuen Arbeitsweise wuchs zudem das Misstrauen im Unternehmen. Denn gerade freitags stieg die Nutzung des Homeoffice stark an, und die Mitarbeiter waren an diesem Tag schlechter erreichbar. Entgegen aller Flexibilitätsvorhaben erließen die Führungskräfte schließlich strenge Regeln für das Arbeiten zu Hause. Die erhoffte Flexibilität blieb aus.

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