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Psychologie Verhandeln mit Gefühl

Angst, Wut, Schadenfreude – in Verhandlungen untergraben Gefühle oft die wohlvorbereitete Strategie. Viele Manager versuchen, Emotionen zu ignorieren. Viel schlauer ist es jedoch, gezielt mit ihnen zu arbeiten.
aus Harvard Business manager Edition 1/2018
Foto: Nisian Hughes / Gallery Stock / plainpicture

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Es ist ohne Frage der Höhepunkt eines jeden Semesters: der Tag, an dem ich mit meinen MBA-Studenten eine Verhandlungsübung mit dem Titel "Verträge sind einzuhalten" mache. Ich teile die Studenten in Paare ein. Die beiden Partner lesen unterschiedliche Versionen einer (fiktiven) Geschichte über die angespannte Beziehung zwischen einem Lieferanten (ein Hersteller von Computerkomponenten) und einem Kunden (ein Suchmaschinen-Start-up). Beide Studenten erfahren, dass die Parteien acht Monate zuvor einen detaillierten Vertrag geschlossen haben, sich jetzt aber über die Konditionen streiten (Liefermenge, Preis, Produktzuverlässigkeit und Energieeffizienzdaten). Der eine Student spielt den Lieferanten, der andere den Kunden, beide erhalten vertrauliche Informationen über Finanzen und Politik ihres jeweiligen Unternehmens. Dann sollen die beiden den Vertrag nachverhandeln, und es gibt drei mögliche Ergebnisse: eine Vertragsänderung, eine Vertragskündigung oder einen teuren Rechtsstreit.

Das Interessante an dieser Übung sind nicht die Fakten des Falls, sondern die geheime Anweisung, die nur einer der Verhandlungspartner vor Beginn der Übung erhält: "Gehen Sie wütend in die Verhandlung. Sie müssen mindestens die ersten zehn Minuten lang zeigen, dass Sie richtig aufgebracht sind." Die Anweisung enthält sogar konkrete Tipps, wie sich diese Wut am besten darstellen lässt: Unterbrechen Sie Ihre Verhandlungspartnerin. Bezeichnen Sie sie als "unfair" oder "unverschämt". Machen Sie sie persönlich für den Streit verantwortlich. Werden Sie laut.

Damit die verschiedenen Paare sich nicht gegenseitig beobachten können, verteile ich sie im Gebäude. Wenn die Übung läuft, mache ich meine Runde und schaue mir die einzelnen Verhandlungen an. Manchen Studenten fällt es schwer, Wut vorzutäuschen, aber viele sind unheimlich gut darin. Sie wedeln ihrem Gegenüber mit dem Zeigefinger vor dem Gesicht herum, laufen echauffiert auf und ab. Handgreiflich ist bisher noch niemand geworden, aber manchmal fehlte nicht mehr viel. Einige der Studenten, die die gegnerische Partei vertreten, versuchen, die Situation zu entschärfen. Andere werden selbst wütend – und das ist nicht gespielt. Es ist erstaunlich, wie schnell emotionale Reaktionen eskalieren. Wenn ich nach 30 Minuten alle wieder in den Unterrichtsraum zurückhole, gibt es jedes Mal Studenten, die sich immer noch anschreien oder ungläubig den Kopf schütteln.

Bei der Besprechung der Übung analysieren wir, wie wütend die Verhandlungspartner wurden und wie sie mit dem Problem umgegangen sind. Oft zeigt sich: Je aufgebrachter die beiden Gesprächspartner sind, desto eher endet die Verhandlung in einem Rechtsstreit oder in einer Sackgasse, also ohne Einigung. Wenn ich dann alle darüber aufkläre, wie die Übung angelegt war, kommt jeder Kurs zu der gleichen zentralen Erkenntnis: Wütend in eine Verhandlung zu gehen ist, als würde man eine Bombe hineinwerfen – es hat gravierende Auswirkungen auf das Ergebnis.

Bis vor 20 Jahren hatten sich die wenigsten Wissenschaftler damit beschäftigt, welche Rolle Emotionen in Verhandlungen spielen: dass Gefühle sich darauf auswirken können, wie Menschen Konflikte überwinden, Einigungen erzielen und in Verhandlungen einen Mehrwert schaffen. Stattdessen hatten sich die meisten primär auf Strategie und Taktik konzentriert, vor allem darauf, wie es Verhandlungsteilnehmern gelingen kann, Alternativen zu erkennen und abzuwägen, Druck auszuüben und im Spiel von Angebot und Gegenangebot erfolgreich zu sein. Die Transaktion hatte im Vordergrund gestanden: Wie lässt sich bei dem Einigungsprozess das meiste Geld oder der größte Gewinn erzielen? Und in den wenigen Fällen, in denen tatsächlich die psychologischen Einflüsse untersucht worden waren, ging es um diffuse und unspezifische Stimmungen, etwa die Frage, ob die Verhandlungsteilnehmer ganz allgemein positive oder negative Gefühle haben und wie solche Stimmungen ihr Verhalten beeinflussen.

In den vergangenen zehn Jahren haben Wissenschaftler angefangen, spezifische Emotionen unter die Lupe zu nehmen. Sie prüfen, wie Wut, Traurigkeit, Enttäuschung, Angst, Neid, Begeisterung und Bedauern das Verhalten von Verhandlungsteilnehmern beeinflussen können. Sie haben untersucht, was passiert, wenn Menschen diese Emotionen spüren, und welche Folgen es hat, wenn sie diese Empfindungen ihrem Gegenüber in Worten oder Taten zeigen. Bei Verhandlungen, die eine langfristige Beziehung zwischen den Parteien betreffen, ist es noch wichtiger, die Rolle von Emotionen zu verstehen, als in transaktionsgetriebenen Verhandlungen, bei denen es nur um ein einzelnes Geschäft geht.

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Dieser neue Forschungszweig erweist sich als extrem nützlich. Wir alle können steuern, wie wir Emotionen erleben, und wir können Strategien lernen, darin immer besser zu werden. Bis zu einem gewissen Grad gelingt es uns zu kontrollieren, ob und wie wir unseren Emotionen Ausdruck verleihen. Und auch das können wir verbessern – mit Methoden, die uns helfen, Emotionen zu verstecken oder zu betonen, je nachdem was in der jeweiligen Situation vorteilhafter ist.

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