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Change-Management Lost in Transformation

Agiles Arbeiten gilt als heißes Thema im Management. Doch in manchen Unternehmen knallt es beim Wandel gewaltig. Weil die Mitarbeiter nicht gut genug vorbereitet waren. Und das Modell nicht zu jeder Organisation passt.
aus Harvard Business manager Edition 4/2017
Foto: [M] GETTY IMAGES, ILLUSTRATION: DARIUS JAN WAKILZADEH

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In den britischen Kohleminen ging es nach dem Zweiten Weltkrieg zu wie am Fließband. Ein Mann, ein immer gleicher Handgriff – alles streng überwacht vom Management. Diese Folgen der Industrialisierung waren verheerend. Wer konnte, suchte sich einen besseren Job in den neuen Fabriken über Tage. Bei denen, die blieben, pendelte sich der Absentismus bei 20 Prozent ein. Zwar entwickelte sich die Technik des Bergbaus immer weiter – allein die Produktivität stieg nicht wie erhofft. Anders in Haighmoor, einer neuen Lagerstätte in South Yorkshire. Dort organisierten autonome Gruppen Aufgaben und Schichten so, dass sie optimal zu den Bedingungen vor Ort passten. Ein Team aus Psychologen und Soziologen des britischen Tavistock-Instituts untersuchte das Phänomen. Die Wissenschaftler stellten fest, dass Kompetenz, Verantwortung und Aufgabenverteilung in der Hand der einzelnen Arbeiter lagen. Und sie notierten überrascht, dass dies die Kosten, Unfallzahlen und Fluktuation senkte, während es die Qualität und Motivation steigerte.

Noch überraschender als diese spontane Entwicklung zu autonomer Arbeitsorganisation, die es immer wieder in Europa und auch den USA gab, war jedoch deren ebenso plötzlicher Zusammenbruch, den die Forscher untersuchen konnten. Einflüsse von außen, etwa ein Disput wegen unterschiedlicher Gehälter, und Neid auf die vermeintlichen Privilegien der autonomen Gruppen – die sich bemerkenswerterweise auch noch auf gleiche Gehälter verständigt hatten – führten immer wieder zum Rückfall in das konventionelle System aus Befehl und Gehorsam. Der Philosoph Donald Alan Schön prägte für diesen Organisationseffekt den Begriff "dynamischer Konservatismus". Die Mitbestimmung der Belegschaft gehörte damals nicht zu den wichtigsten Aspekten von Führung.

Das ist heute, im 21. Jahrhundert, nicht viel anders. Studie um Studie belegt, dass sich die nachwachsende Generation einen neuen Führungsstil wünscht und dass sich das Management auf diesen einlassen will. Etwa ein Drittel der Führungskräfte in Deutschland empfiehlt solche Methoden, zu denen selbst organisierte Netzwerke ebenso gehören wie das schrittweise Vortasten zur Lösung eines Problems. Die klassische Linienhierarchie lehnen sie ab; Kooperationsfähigkeit ist ihnen wichtig, und Coaching sehen sie als unverzichtbares Werkzeug an.

Entsprechend wird bereits in vielen, vor allem kleineren Unternehmen mit allen möglichen Formen agilen Arbeitens experimentiert: Wo Menschen Computer programmieren, heißt die Methode Scrum; werden Geschäftsmodelle oder Produkte entwickelt, sind Lean Start-up und Design Thinking populär; und Unternehmer, die ihren ganzen Betrieb umkrempeln, finden gefallen an Modellen wie Holokratie oder der sogenannten Teal Organisation.

Sie alle werden jedoch zuweilen mit Widerstand konfrontiert, wie es die Forscher des Tavistock-Instituts beschrieben. So musste Hermann Arnold 2015 auf der Arbeitgeberbewertungsplattform Kununu lesen, in seinem Unternehmen Haufe-Umantis herrsche "Management by Fear". Ausgerechnet bei ihm, der nach allen Regeln der Kunst die Selbstorganisation fördert, bei dem die Mitarbeiter den Chef wählen dürfen, eigenverantwortlich arbeiten und sich eigentlich wie Könige fühlen müssten. Ähnliches wiederfuhr dem Chef des amerikanischen Onlineschuhversenders Zappos, Tony Hsieh. Um den Übergang zur Holokratie zu forcieren, einem auf autonomen Gruppen basierenden Organisationsmodell, stellte er seine Mitarbeiter vor die Wahl: Holokratie oder ein Kündigungsbonus von ein paar Monatsgehältern. 14 Prozent der Mitarbeiter verließen das Unternehmen. Das Medien-Start-up Medium.com verabschiedete sich im März 2016 sogar vom Konzept Holokratie und entwickelt seine Organisation weiter.

Offenbar ist nicht jeder Mensch bereit für die neue Freiheit im Job. Zwar begreifen viele die Notwendigkeit für Veränderungen. Doch agiles Arbeiten auch gut zu praktizieren erfordert mehr als nur Verständnis. So zu arbeiten verlangt persönliche Reife. Das betrifft sowohl die Führungskräfte als auch die Mitarbeiter. Warum fällt es so vielen schwer, eigenverantwortlich zu arbeiten? Warum kommt es immer wieder zu Missverständnissen, zu Streit und schlechten Ergebnissen? Die Gründe liegen oft in Faktoren, die aus Untersuchungen zur Unternehmenskultur und zum Change-Management bekannt sind. Sie machen sich beim Übergang zu agilem Arbeiten nur besonders deutlich bemerkbar.

Die Umstellung vom Angestellten mit Chef zu einer Existenz als Gleicher unter Gleichen ist geprägt von Emotionen. Diese Widersprüchlichkeit ist typisch für die neue Welt. Sie gibt die Freiheit, nach eigenen Vorstellungen zu arbeiten. Gleichzeitig fordert sie jeden Einzelnen, und verlangt von jedem in hohem Maß Engagement, Verantwortlichkeit, Kritikfähigkeit und Reflexionsvermögen. Dass das nicht jedem Mitarbeiter liegt, der in einer bürokratischen Kultur groß geworden ist, liegt auf der Hand.

So wünschen sich auf dem Papier viele Mitarbeiter diese Freiheit. In der Praxis verfallen sie jedoch schnell wieder in das hierarchische Muster – das ist die Schizophrenie des Wandels.

Ursachen der Verweigerung

Die große Herausforderung für Arbeitnehmer, vor allem in wissensbasierten Berufen, ist, zu denken und zu handeln wie ein Unternehmer. Das hat fundamentale Konsequenzen in zwei Richtungen: Manager geben Macht und Verantwortung ab; Mitarbeiter müssen lernen, Verantwortung zu übernehmen.

Rational ist dieser Trend ein Selbstläufer. Emotional eher eine Bergetappe. Eine Untersuchung des Roman-Herzog-Instituts kommt zu dem Ergebnis, dass zwar die Führungsliteratur, die Gesellschaft und explizit die Mitarbeiter selbst ein kontinuierliches Anpassen der Führung an sich wandelnde externe Rahmenbedingungen fordern. Doch weniger als die Hälfte der europäischen Beschäftigten gaben 2010 an, dass in ihrem Unternehmen innerhalb der vergangenen drei Jahre tatsächlich ein Wandel stattgefunden habe. "Obwohl die Mitarbeiter viele Erwartungen aussprechen, sind sie es oftmals selbst, die bei der Umsetzung Widerstand leisten", schreiben die Autoren. Sie gehen davon aus, dass mehr als die Hälfte der Wandelinitiativen am Widerstand der Mitarbeiter scheitert. Neuere Untersuchungen bestätigen dieses Muster.

Die Gründe sind gut erforscht:

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