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Wolfsblut

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Wolfsblut

Diogenes Verlag,

15 min read
10 take-aways
Text available

What's inside?

Packend und mitreißend: die Biografie eines Wolfes, der zum Hund wird.

Literatur­klassiker

  • Abenteuerroman
  • Moderne

Worum es geht

Ein Wolfsleben

Wolfsblut ist in mancher Hinsicht das Gegenstück zu Jack Londons früherem Roman Der Ruf der Wildnis. Während dort ein Hund in der Einöde Alaskas zum reißenden Wolf wird, ist es hier ein Halbwolf, der sich nach und nach zu einem angepassten „besten Freund“ seines Herrn entwickelt. Jack London war einer der Ersten, der die Bedeutung der Umwelt für die Entwicklung einer Persönlichkeit – und sei es die eines Tieres – in Romanform beschrieb. Trotz seiner psychologischen Finessen ist Wolfsblut über weite Strecken ein klassischer Abenteuerroman, der nicht zuletzt von den beeindruckenden Naturbeschreibungen der kanadischen Wildnis rund um den Yukon lebt. Hier herrscht das Gesetz des Stärkeren, und London schildert den brutalen Zyklus vom Fressen und Gefressenwerden unverhohlen und oft kommentarlos. Daraus destilliert er die „Überlebensregeln“ seines tierischen Protagonisten, der dem Leser trotz der blutigen Spur, die er hinterlässt, ans Herz wächst.

Take-aways

  • Wolfsblut ist neben Ruf der Wildnis und Der Seewolf der erfolgreichste Roman des amerikanischen Abenteuerschriftstellers Jack London.
  • Inhalt: Der Halbwolf Weißzahn überlebt als einziger Welpe seines Rudels eine schlimme Hungersnot und tritt seine Reise ins Leben an. Zunächst landet er bei einem Indianerstamm, wo er als Außenseiter behandelt wird. Er wird verkauft und muss sich in der Hundekampfarena gegen gefährliche Feinde zur Wehr setzen, bis er schließlich in dem jungen Weedon Scott einen freundlichen Herrn findet, dem er treu ergeben ist.
  • Jack London erzählt die Geschichte aus Weißzahns Perspektive und gewährt dem Leser Einblicke in dessen Gedankenwelt.
  • Der Roman basiert auf Londons Erlebnissen als Goldsucher am Klondike.
  • Wie viele Werke Londons fasziniert Wolfsblut mit detaillierten Naturbeschreibungen.
  • Großen Einfluss auf die Anlage des Romans hatte Charles Darwins Evolutionstheorie und deren Formel vom Überleben des Stärkeren.
  • Obwohl Jack London den natürlichen Überlebenskampf anerkannte, verurteilte er den Sozialdarwinismus der Gesellschaft scharf.
  • Weißzahns Wandlung zum domestizierten Wolf gelingt dank der Zuneigung und Liebe seines Herrn.
  • Wolfsblut verkaufte sich hervorragend und wurde mehrmals verfilmt.
  • Zitat: „Wäre Weißzahn nicht zu den Menschen gekommen, hätte die Wildnis einen echten Wolf aus ihm gemacht.“

Zusammenfassung

Von Wölfen verfolgt

Das nordwestkanadische Yukonterritorium, Ende des 19. Jahrhunderts: Zwei Abenteurer durchqueren mit ihrem Hundeschlitten die einsame und frostige Schneewüste. Es sind Bill und Henry, die mithilfe ihrer sechs Zughunde neben Ausrüstung und Lebensmitteln auch einen Sarg transportieren. In ihm liegt die Leiche eines englischen Lords, der während einer Kanadareise verstarb und nun nach Hause überführt werden soll. Zu diesem Zweck muss der Sarg zunächst ins Örtchen McGurry gebracht werden, eine mehrtägige Schlittenfahrt entfernt. Eine Meute hungriger Wölfe verfolgt die Männer und rückt jede Nacht näher ans Lagerfeuer heran. Als Henry die Hunde füttert, schnappt plötzlich ein siebtes Maul zu, das gleich wieder im Dunkel verschwindet. Am nächsten Morgen sind nur noch fünf Hunde am Lagerplatz – und es bleibt nicht bei diesem einen Verlust. Eine Wölfin lockt die Hunderüden nach und nach in die Falle des abseits lauernden Rudels. Sie zeigt auch kaum Scheu vor den Männern. Offenbar ist sie die Nähe von Menschen gewohnt. Einige Tage später eilt Bill seinem Lieblingshund zu Hilfe und rennt damit in sein Verderben. Nur Henry überlebt den gefährlichen Transport. Er wird gerade noch rechtzeitig gerettet, weil sich andere Männer auf die Suche nach dem verstorbenen Lord begeben haben und zufällig in der Nähe sind.

Die Regeln der Wildnis

Die Wölfin will sich paaren und spielt die drei für sie interessantesten Wolfsrüden gegeneinander aus. Der Sieger, ein einäugiger und erfahrener Wolf, wird zu ihrem Gefährten, nachdem sich das Rudel aufgelöst hat. Die Wölfin zieht sich in eine Höhle zurück, um ihre Jungen zur Welt zu bringen. Obwohl der Rüde seine Familie bestmöglich versorgt, überlebt nur der kräftigste der fünf Welpen. Als sein Vater im Kampf gegen eine Luchsin stirbt und die Mutter auf Nahrungssuche gehen muss, macht sich der neugierige Jungwolf selbstständig auf, um die Welt außerhalb der Höhle zu entdecken. Tiere, Bäume und Gräser, Felsen und Flüsse: Alles will erkundet werden. Zufällig entdeckt der Welpe ein Schneehuhnnest und findet mit den Küken seine erste Beute. Allerdings begegnet er auch dem erbosten Muttertier. Bevor er dieses ebenfalls fressen kann, entreißt ihm ein Habicht die Beute.

„Dunkle Tannenwälder säumten den Wasserweg zu beiden Seiten. Kürzlich hatte der Wind den Raureif von den Bäumen gefegt, jetzt schienen sie sich fröstelnd aneinanderzuschmiegen.“ (S. 7)

Als das graue Jungtier seinen Streifzug durch die Wildnis fortsetzt, stürzt es einen Abhang hinab und fällt in einen Fluss. Stromschnellen erfassen den Kleinen, der nach Anfangsschwierigkeiten instinktiv zu schwimmen beginnt. Weit von seiner Höhle entfernt wird er ans Ufer gespült. Dort begegnet er einem Wiesel, das zwar kleiner ist als das Wolfsjunge, dafür aber erfahren und aggressiv. Es beißt sich am Hals des Wolfes fest. Im letzten Moment taucht die Wölfin auf. Sie tötet das Wiesel und verzehrt es gemeinsam mit ihrem Sohn, bevor beide zur schützenden Höhle zurückkehren. Innerhalb kürzester Zeit hat der junge Wolf die Regeln der Wildnis kennen gelernt. Was zuerst Spiel war, ist nun tödlicher Ernst: Es heißt fressen oder gefressen werden.

Bei den Indianern

Eines Tages treffen die Wölfin und ihr Junges auf eine Gruppe Indianer. Die Menschen erkennen das Muttertier, das einst ihrem Stamm gehörte, wieder: Es ging aus der Verbindung eines Wolfes mit einer Hündin hervor. Während einer Hungersnot flüchtete die Halbwölfin in die Wildnis und schloss sich einem Rudel Wölfe an. Nun, nach einigen Jahren, kehrt sie zu den Indianern zurück, ihr Junges im Gefolge. Wegen seines auffälligen Gebisses bekommt der Jungwolf von seinem neuen Herrn, dem Indianer Grauer Biber, den Namen Weißzahn. Nach und nach wird Weißzahn immer vertrauter mit der neuen Umgebung und den Regeln der Menschen, die ihm wie allmächtige Götter erscheinen. Nur deren gewöhnliche Hunde zählen von Anfang an zu seinen Feinden. Besonders ein Rüde, der unumstrittene Anführer der Hunde im Indianerlager, macht Weißzahn das Leben schwer.

„Er erwachte aus einem Dämmerzustand, der ein Albtraum gewesen war, und er erblickte die Wölfin mit dem rötlichen Schimmer im Fell. (...) Sie hatte nichts Drohendes an sich. Nur nachdenklich schaute sie, aber er wusste, dass es die Nachdenklichkeit eines großen Hungers war.“ (über Henry, S. 34)

Als Weißzahn und seine Mutter voneinander getrennt werden, muss der Jungwolf, der nur zu einem Viertel Hund ist, auf die harte Tour lernen, sich gegen die Hunde zu wehren. Dies macht ihn bei vielen Indianern unbeliebt. Die meisten von ihnen beschimpfen und verscheuchen den Wolfshund, sobald er in ihre Nähe kommt. Die einzige Ausnahme ist Grauer Biber, der Weißzahn etwas gerechter behandelt, ihn aber dennoch mit harter Hand führt. Von Mensch und Tier gleichermaßen gehasst, verkümmert Weißzahns sanfte Seite. Besonders verabscheut er es, wenn er ausgelacht wird: etwa als er zum ersten Mal auf Feuer trifft und sich die Nase verbrennt.

Außenseiter

Weißzahns Wunsch nach Freiheit ist so stark, dass er eines Tages in die nahen Wälder flüchtet. Doch der Wolfshund hat sich trotz allen Übels bereits zu sehr an die Nähe der Menschen gewöhnt und kehrt freiwillig zu den Indianern zurück. Der Empfang ist nicht gerade herzlich, aber die Rückkehr wird mit Extrafutter belohnt. Weißzahn wird nun auch als Schlittenhund eingesetzt, was sein Verhältnis zu den anderen Zugtieren weiter erschwert. Dafür empfindet er eine gewisse Verbundenheit und Treue gegenüber Grauer Biber und dessen Familie. Weißzahn läuft im Schlittengespann von Mitsah, dem Sohn von Grauer Biber. Als Mitsah einmal von anderen Kindern angegriffen wird, steht der Wolfshund ihm bei und verteidigt ihn. Auch dafür erhält er Lob und Extrafutter. Langsam, aber sicher findet Weißzahn seine Position in der Gemeinschaft.

„Der Jungwolf lernte schnell. Sein kleines Gehirn mit seinen verschwommenen Vorstellungen unterschied bereits zwischen belebt und unbelebt.“ (S. 70)

Als er drei Jahre alt ist, werden die Indianer von einer großen Hungersnot heimgesucht. Einige Hunde werden geschlachtet. Die klügeren Tiere, darunter Weißzahn, fliehen in die Wälder. Dort erbeutet er sogar schwächere Artgenossen, um zu überleben. Außerdem trifft er unerwartet auf seinen Erzfeind, den Rüden aus dem Indianerlager, der sich ebenfalls in die Wälder geflüchtet hat. Weißzahn – inzwischen ein mehr als ebenbürtiger Gegner – tötet ihn. Als der Nahrungsmangel ein Ende hat, kehrt der Wolfshund erneut freiwillig zu den Indianern zurück. Er ist inzwischen stärker und kräftiger als die meisten Hunde und beweist es ihnen auch regelmäßig. Den Respekt, den er als untergeordneter Schlittenhund einbüßt, holt er sich nachts in wilden Gerangeln zurück. Im Gegensatz zu den Hunden warnt Weißzahn seine zahlenmäßig überlegenen Gegner nicht, sondern greift sie direkt an und macht kurzen Prozess mit ihnen. Wegen der vielen Hunde, die ihm zum Opfer fallen, hat er bei den Indianern bald einen legendären Ruf, was ihn aber nicht beliebter macht.

Ein neuer Herr

Weißzahn begleitet seinen Herrn Grauer Biber auf eine lange Reise nach Fort Yukon. Der Ort quellt über von Goldsuchern, die sich von hier aus auf den Weg nach Dawson und Klondike machen. Der Indianer macht ein glänzendes Geschäft mit Fellen und Pelzen, während Weißzahn zum Vergnügen die Hunde der Neuankömmlinge jagt. Der Wolfshund ist so raffiniert, die neuen Hunde lediglich zu jagen und zu stellen; ihre Tötung überlässt er dagegen den Hunden von Fort Yukon, die ihr Revier verteidigen wollen. Damit ereilt sie allerdings auch die Strafe der Hundebesitzer. Auf diese Art und Weise kann Weißzahn allen verhassten Hunden Schaden zufügen. Sein geschicktes Vorgehen bleibt nicht unentdeckt und erweckt das Interesse des zwielichtigen Kochs und Hilfsarbeiters Beauty Smith. Der will Weißzahn haben, da er eine sadistische Freude an dessen blutigen Fehden hat. Zunächst verweigert Grauer Biber den Verkauf seines einzigartigen Wolfshundes, aber dann macht Smith den Indianer mit Alkohol bekannt. Im Nu ist alles Geld ausgegeben und Grauer Biber tauscht Weißzahn gegen ein paar Flaschen Feuerwasser ein. Das Tier bezieht von beiden Seiten mehrfach Prügel, bevor es sich in sein Schicksal fügt.

In der Arena

Weißzahn wird nun mit Schlagstöcken, spöttischem Gelächter und Beschimpfungen abgerichtet und aggressiv gemacht, um in Hundekämpfen anzutreten, die Beauty Smith veranstaltet. Die Kämpfe genießt Weißzahn sogar, weil er sich dabei abreagieren kann und stets als Sieger aus ihnen hervorgeht. Sogar bei Auseinandersetzungen mit mehreren Gegnern gleichzeitig oder mit Wölfen und Luchsen behält er die Oberhand. Die Siegesserie hält an und bald schon scheint es keinen geeigneten Gegner mehr für Weißzahn zu geben, der inzwischen als „kämpfender Wolf“ bekannt geworden ist. Das Blatt wendet sich, als Weißzahn gegen einen Pitbull antreten muss. Dieser beißt sich am Ende eines brutalen Kampfes am Hals des Wolfshundes fest und bringt ihn dadurch in eine lebensbedrohliche Situation. Zufällig kommt ein Mann namens Weedon Scott an der Kampfarena vorbei. Er ist angewidert vom Geschehen, beschimpft die Zuschauer und beendet die Show auf handfeste Art: Nachdem er Beauty Smith niedergeschlagen hat, kauft er dem Tierquäler unter Androhung weiterer Gewalt Weißzahn ab.

Der geliebte Herr

Weedon Scotts erste Versuche, sich dem Wolfshund anzunähern, enden zwar mit blutigen Händen und Beinen, aber so schnell geben Scott und sein Schlittenhundtreiber Matt nicht auf. Die wichtigsten Schritte zum Erfolg sind Weißzahns Befreiung von der Kette, das Ausbleiben von Prügelstrafen und eine regelmäßige Fütterung. Mit viel Sensibilität und Geduld gewinnt Scott Weißzahns Vertrauen, und dieser empfindet zunehmend sogar Berührungen und Streicheleinheiten als angenehm. Im Gegenzug erweist er sich als zuverlässiger Wach- und Schlittenleithund. Es fällt dem Wolfshund jedoch schwer, seinen neuen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Weißzahn bellt nicht, wedelt nicht mit dem Schwanz und spielt auch nicht. All das hat er nie gelernt. Er dankt eher subtil: mit Zuverlässigkeit, Brummtönen und seiner schieren Präsenz. Was Weißzahn schwer verträgt, ist wenn sein neuer Herr aus beruflichen Gründen abwesend ist. In dieser Zeit verweigert der Wolfshund die Nahrung und wird krank. Nach der Rückkehr seines Herrn verbessert sich sein Zustand jeweils schnell.

„Fleisch war der Sinn des Lebens. Das Leben selber war Fleisch, das von Fleisch gefressen wurde. Friss oder werde gefressen, lautete das Gesetz.“ (S. 82)

Als sich Weedon Scott entschließt, in seine Heimat Kalifornien zurückzukehren, will er Weißzahn zunächst in die Obhut seines Freundes Matt geben. Doch der Wolfshund springt durch ein geschlossenes Fenster und trifft kurz nach seinem Herrn auf dem Yukondampfer ein. Scott bringt es nicht fertig, Weißzahn zurückzulassen, und nimmt ihn mit. Als sie nach San Francisco kommen, ist Weißzahn zutiefst verängstigt vom Trubel und der Geräuschkulisse der großen Stadt. Er fühlt sich mehr denn je auf seinen Herrn angewiesen und knurrt zunächst jeden an, der sich ihm nähert.

Die neue Heimat

Doch nicht die Stadt ist Weißzahns neue Heimat im sonnigen Kalifornien, sondern der große Landsitz der Familie Scott. Dort trifft der Wolfshund erstmals auf Weedon Scotts Eltern, Kinder und Geschwister sowie das Dienstpersonal. Im Lauf der Zeit freundet er sich mit den neuen Verhältnissen an, überwindet manche Scheu und lernt viele neue Regeln. Er entwickelt Zuneigung zu den meisten Familienangehörigen und begreift, dass er andere Haustiere in Ruhe lassen muss. Bis dahin haben aber bereits viele Hühner ihr Leben im Maul des Wolfshundes verloren. Zu den erstaunlichsten Veränderungen Weißzahns gehört, dass er spielt, zumindest mit seinem Herrn, dem er bedingungslos ergeben ist. Er begleitet ihn auch bei langen Ausflügen in die Umgebung. Als Scott bei einem Ausritt stürzt und verletzt liegen bleibt, befiehlt er Weißzahn, nach Hause zu laufen und Hilfe zu holen, was auch gelingt. Die Anhänglichkeit des Tieres lässt nur einmal nach, als die paarungswillige Schäferhündin des Hauses, die Weißzahn sonst immer ablehnend behandelt hat, erstmals Interesse an ihm zeigt und den Rüden zu einem gemeinsamen Ausflug auffordert.

Ein zäher Bursche

Weedon Scotts Vater hatte einst in seinem Amt als Richter einen Mann namens Jim Hall zu einer langen Haftstrafe verurteilt, woraufhin dieser noch im Gerichtssaal Rache schwor. Als Hall nun tatsächlich die Flucht aus dem Gefängnis gelingt, begibt er sich zum Anwesen der Scotts und dringt nachts in das Haus ein. Bevor er Unheil anrichten kann, wird der Verbrecher von Weißzahn gestellt. Den folgenden kurzen Kampf überlebt Hall nicht, aber er fügt dem Wolfshund schwere Verletzungen zu: Schusswunden, Knochenbrüche und innere Blutungen. Der dankbare Richter Scott lässt Weißzahn die beste ärztliche Versorgung zukommen, sodass dieser aufgrund der guten Behandlung und Pflege sowie seiner zähen Natur überlebt. Als er wieder auf die Beine kommt, führen ihn seine ersten unsicheren Schritte an der Seite seines Herrn zu den Stallungen, wo er von sechs neugierigen Welpen begrüßt wird. Die Schäferhündin hat sie kurz zuvor geboren. Zufrieden mit sich und der Welt legt sich Weißzahn zum Dösen in die warme Sonne, während die Kleinen verspielt über ihn hinwegkrabbeln.

Zum Text

Aufbau und Stil

Jack London wählt für Wolfsblut einen eher ungewöhnlichen Einstieg: Im ersten Teil werden Figuren eingeführt, die im weiteren Handlungsverlauf keine Rolle mehr spielen. Denn im Folgenden nimmt London nicht die Perspektive von Menschen, sondern von Tieren ein. Die Episode ganz zu Beginn erscheint wie eine einleitende Kurzgeschichte, die vor allem den Ort und die Zeit der Handlung festlegt und die Atmosphäre des Romans etabliert: In der rauen Wildnis des amerikanischen Nordens gilt das Gesetz vom Fressen und Gefressenwerden. In den weiteren Teilen des Romans entfernt sich die Handlung immer weiter von dieser unwirtlichen Gegend und endet schließlich im sonnigen Kalifornien. Dem äußeren Handlungsverlauf folgt die Entwicklung der Persönlichkeit Weißzahns, aus dessen Perspektive London schreibt. Der Kampf gegen die eigene Wolfswildheit ist im übertragenen Sinne der Konflikt zwischen Natur und Zivilisation. London kommt schnell zum Punkt: Seine Sätze sind kurz, er setzt auf aktive Verben und kurze Natur- und Stimmungsbeschreibungen. Vor allem will er unterhalten, er beschreibt mehr, als er erläutert und verzichtet weitgehend auf moralische Exkurse. Wenn London die Wolfsperspektive einnimmt, schildert er das Geschehen immer naturalistisch kühl und objektiv, ohne Sentimentalitäten und ohne den Versuch, das Tier allzu sehr zu vermenschlichen.

Interpretationsansätze

  • Die Persönlichkeit von Tier und Mensch wird von zwei Faktoren geprägt: genetisches Erbe und Einfluss der Umwelt. Diese Formel hat in Wolfsblut zu jeder Zeit Geltung. Menschen wie Tiere verhalten sich so, wie sie geprägt wurden. Auch unangenehme Zeitgenossen wie Beauty Smith oder Jim Hall zeigt London vor dem Hintergrund ihrer Lebensgeschichte, die sie zu dem gemacht hat, was sie sind.
  • Die Folie für den Roman bilden Charles Darwins Forschungen über die Entstehung der Arten und die populär-darwinistische Formel vom Überleben des Stärkeren. Weißzahn ist Jack Londons Exempel für einen Überlebenskünstler, der aufgrund seiner genetischen Prädetermination, seiner Stärke und seiner Klugheit alle Gefahren und Hindernisse überwindet und als Sieger aus dem Kampf ums Dasein hervorgeht.
  • Jack London kritisierte die Rücksichtslosigkeit der kapitalistischen Gesellschaft und lehnte den Sozialdarwinismus ab. In den Naturbeschreibungen von Wolfsblut stellt er zwar das Recht des Stärkeren als adäquaten Regelungsmechanismus der Wildnis dar. In der menschlichen Gesellschaft jedoch herrschen andere Maßstäbe: Den grausamen Kampf ums Überleben in der Natur schwächt London im letzten Drittel des Romans ab. Galt zuvor die Regel „Hass erzeugt Hass“, lautet hier die Botschaft: „Liebe erzeugt Liebe.“
  • Neben seiner Stärke ist Weißzahns Fähigkeit zur Anpassung an neue Gegebenheiten besonders erstaunlich: Er überlebt Hungersnöte, siegt im Kampf über mehrere Gegner, verwildert ganz und gar, wird zum Killer – und kann trotzdem die letzten Reste Liebenswürdigkeit und Zuneigung in sich mobilisieren, als es die Umstände verlangen. Am Ende des Romans ist er ein domestizierter Wolf.

Historischer Hintergrund

Der Goldrausch in Klondike

Wolfsblut spielt vor dem Hintergrund des größten Goldrausches der Geschichte. Das Gebiet rund um den Yukon und seinen Nebenfluss, den Klondike, wurde in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts von Robert Campbell, einem Pelzhändler der Hudson Bay Company, erforscht. 1870 wurde das Gebiet Teil der kanadischen Nordwestterritorien. Zu diesem Zeitpunkt war das Gebiet eine trostlose Wildnis. Das änderte sich schlagartig mit den ersten Goldfunden. Am 16. August 1896 stießen der Amerikaner George Carmack und seine indianischen Verwandten auf Gold im Rabbit Creek. Die Nachricht zog sogleich mehrere Männer an, die in der Umgebung des Städtchens Forty Mile schürften.

Fast ein ganzes Jahr konnten die Eingeweihten in aller Ruhe Gold sammeln, ohne von der Außenwelt behelligt zu werden. Als jedoch einige der frischgebackenen Goldmillionäre mit dem Dampfschiff die Westküste der USA bereisten, löste der Bericht von den Goldfunden ein regelrechtes Erdbeben aus. Mehr als 100 000 Amerikaner machten sich auf den beschwerlichen Weg an den Yukon, und selbst aus Australien, Europa und Asien strömten Abenteurer herbei. Zunächst wurde das Gold per Hand geschürft, später baute man Minen. Nicht alle Zugereisten suchten Gold, viele wollten auch mittels ihrer Handwerkskünste und Gewerbe in den aufblühenden Goldgräberstädten Geld machen. Ausrüster, Proviantmeister, Wäschereien, Hotels, Saloons und Bordelle florierten. Geschürft wird auch heute noch am Klondike – allerdings mit Baggern, Planierraupen und Goldwaschanlagen.

Entstehung

Großen Einfluss auf Jack London hatte Charles Darwin. Dessen Theorien waren um 1900 bestens bekannt und bestimmten die Sicht vieler Menschen auf die Natur und das Leben. Jack London nutzte Darwins Popularität bereits 1903 in seinem Roman Ruf der Wildnis, in dem die Verwilderung eines Hundes beschrieben wird, der dank seiner hervorragenden Anpassungsfähigkeit in der rauen Natur überlebt. Der Erfolg des Buches weckte in London rasch die Lust, einen weiteren Roman mit ähnlichem Thema zu schreiben, der zwar keine Fortsetzung sein, wohl aber im Kontext des ersten Romans stehen sollte. Im Februar 1906 berichtete er seinem Verleger, dass er mit Wolfsblut das Gegenstück zu Ruf der Wildnis beabsichtige: „Ich werde den Prozess umkehren. Statt zu zeigen, wie sich ein domestizierter Hund in ein wildes Tier zurückverwandelt, zeige ich den Weg der Evolution, die Zivilisierung eines Hundes.“ Natürlich hoffte London, dass Wolfsblut ein Hit werden und an den Erfolg des früheren Buches anschließen würde.

Im Sommer 1906 begann er mit der Niederschrift des Romans. Wieder machte er das raue Leben im eisigen Norden der USA und den Goldrausch am Klondike zum Hintergrund seiner Handlung: Hier hatte er 1897 selbst nach Gold gesucht. London war darauf bedacht, die Entwicklung seines tierischen Hauptdarstellers peinlich genau und wissenschaftlich korrekt darzustellen. Mithilfe eines Lexikons skizzierte er: „Weißzahn wird im Februar gezeugt, am 3. April geboren, öffnet nach 21 Tagen erstmals die Augen, wird bis zum 5. Juni gesäugt, frisst Fleisch seit dem 3. Mai, verlässt seine Mutter im Dezember, ist nach drei Jahren ausgewachsen und lebt 15 Jahre.“ London kam mit dem Roman schnell voran. Anfang Oktober 1906 war er fertig und nur einen Monat später war das Buch auf dem Markt.

Wirkungsgeschichte

Wolfsblut war und ist genauso wie sein Vorgänger Ruf der Wildnis einer der beliebtesten Romane von Jack London. Als Autor, der sich bewusst das breite Publikum als Zielgruppe gewählt hatte und der von seinen Büchern leben wollte, war London außerordentlich erfolgreich. Übersetzungen in rund 30 Sprachen und in Millionenauflage sprechen für sich. Der Einfluss der Umwelt auf das Individuum und der Darwinismus wurden von London als einem der Ersten aufgegriffen und stimmungsvoll gestaltet. Der deutsche Schriftsteller Erich Maria Remarque urteilt über ihn: „Man muss Jack London kennen! Er hat eine unerhörte, vorurteilslose Art, die Dinge zu sehen und unerbittlich anzupacken, und so entsteht der wilde Atem des Lebens, der diese Bücher durchfegt und ihre Lektüre zu einem unvergesslichen Erlebnis macht.“ In Deutschland gilt Jack London heute vielfach als Jugendbuchautor. Seine Gesellschaftsromane, Satiren und Reiseberichte sind weniger bekannt als seine Abenteuergeschichten.

Wie es sich für einen guten Abenteuerroman gehört, wurde Wolfsblut mehrmals verfilmt. Nicht alle Adaptionen hielten sich jedoch an den ursprünglichen Plot. Die Verfilmung von 1991 beispielsweise mit Ethan Hawke und Klaus Maria Brandauer ging mit der Geschichte sehr frei um, war aber so erfolgreich, dass dem Film sogar eine Fortsetzung folgte.

Über den Autor

Jack London wird am 12. Januar 1876 in San Francisco als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter heiratet noch im gleichen Jahr den Tischler John London, der nicht Jacks Vater ist, ihm aber seinen Namen gibt. Jack wächst zunächst in recht ärmlichen Verhältnissen auf. Bereits im zarten Alter von elf Jahren verdient er sein erstes eigenes Geld als Zeitungsjunge, später arbeitet er in einer Konservenfabrik. 1893 heuert er als Matrose an Bord des Robbenfangschiffs „Sophia Sutherland“ an und segelt über Japan nach Sibirien, um nach seiner Rückkehr seine erste Kurzgeschichte über einen Taifun vor der japanischen Küste zu schreiben. Danach trampt er zusammen mit Obdachlosen und gescheiterten Existenzen durch die Vereinigten Staaten und kommt zum ersten Mal mit den Gedanken der modernen Philosophen Nietzsche, Marx und Darwin in Berührung. Jack London ist engagierter Sozialist und begeistert sich auch für die zu seiner Zeit noch recht neue Evolutionstheorie. Während seines vorübergehenden Studiums an der Berkeley Universität schreibt er die ersten soziologischen Aufsätze. 1900 heiratet er die Intellektuelle Bessie Maddern, die ihm zwei Töchter schenkt. Bereits vier Jahre später verlässt er seine Frau für Charmian Kittredge, die ihm charakterlich sehr ähnlich ist. Kurz vor Erscheinen von The Sea Wolf (Der Seewolf) im Jahr 1904 kämpft sich Jack London als einziger westlicher Reporter über Japan und Korea an die Front des Russisch-Japanischen Krieges vor, um Lebenserfahrung zu sammeln und darüber zu berichten. Jack London gilt als überdurchschnittlich gut aussehender und fröhlicher Mann, obwohl er sein Leben lang kränkelt. Ein Grund mehr für ihn, hart zu sich selbst zu sein, im Beruf wie im Privaten aus dem Vollen zu schöpfen und alles auf eine Karte zu setzen. Als Alkoholiker wird er nur 40 Jahre alt, er stirbt am 22. November 1916. Bis zum heutigen Tag ist umstritten, ob es sich bei seinem Tod um ein Nierenversagen oder um Selbstmord handelt. Zu Londons größten Erfolgen gehören die Romane The Call of the Wild (Ruf der Wildnis, 1903), White Fang (Wolfsblut, 1906) und Burning Daylight (Lockruf des Goldes, 1910).

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