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Die Islandglocke

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Die Islandglocke

Steidl Verlag,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Saga-Seligkeit trifft Sozialrealismus.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Ein ehrlicher Schwerverbrecher

Als „Volk der Bücher“ werden die Isländer oft bezeichnet. In jeder isländischen Familie, heißt es, findet sich ein Schriftsteller. Wer von einem solchen Volk zum König der Dichter gewählt wird, muss also ein wahrhaft Großer sein. Einer wie Halldór Laxness. Dessen Meisterwerk, Die Islandglocke, ist seine Krönungsurkunde. Es ist die Geschichte des Jon Hreggvidsson, eines unverwüstlichen Galgenvogels, dessen durch und durch verderbter Charakter keinen Zweifel darüber lässt, welche Kräfte ihn geformt haben: Hunger, Armut, Rechtlosigkeit und Unterdrückung. Doch wie unter großem Druck nicht nur Kohle entsteht, sondern auch Diamant, blitzen aus Jons schwarzem Bart leuchtend weiße Zähne, aus seiner schwarzen Seele strömt beißender Spott: der ganz und gar unpoetische Heroismus des reinen Überlebenskampfes. Und der ist eine Tatsache des menschlichen Daseins, in Island wie im Rest der Welt.

Take-aways

  • Die Islandglocke ist das bekannteste Werk des isländischen Schriftstellers Halldór Laxness.
  • Inhalt: Im dänisch beherrschten Island des ausgehenden 17. Jahrhunderts gerät der Bauer Jon Hreggvidsson in die Mühlen der Justiz. Als einflussreiche Kreise auf seinen Fall aufmerksam werden, wird er zum Spielball der Parteien in einem Konflikt ganz anderer Größenordnung: Jons Fall nimmt immer neue Wendungen, je nachdem, wer in Island gerade an der Macht ist.
  • Die Glocke des Gerichtsgebäudes zu Thingvellir, im Roman von den Dänen zerstört, wird zum Symbol des isländischen Nationalstolzes.
  • Die Islandglocke beruht auf wahren Begebenheiten; die Geschichte des Jon Hreggvidsson und seiner Justiz-Odyssee ist historisch verbürgt.
  • Mit Die Islandglocke nahm sich der Modernist Laxness erstmals einen historischen Stoff vor.
  • Das Erscheinen des Romans fiel mit der Gründung der unabhängigen Republik Island zusammen. Das trug zu seinem Erfolg bei, da Nationalgefühl nun Hochkonjunktur hatte.
  • Selbst seine zahlreichen Kritiker aus dem konservativen Lager machten nun ihren Frieden mit dem erklärten Sozialisten.
  • Für Die Islandglocke vertiefte Laxness sich in die altisländische Sagaliteratur, deren Erzählstil er sich zum Vorbild nahm.
  • Laxness war vom Schreiben besessen und ordnete zeitlebens alles seinem literarischen Schaffen unter.
  • Zitat: „Es gab eine Zeit, heißt es in alten Büchern, da das isländische Volk nur ein gemeinsames Eigentum besaß, das einen gewissen Geldwert hatte. Das war eine Glocke.“

Zusammenfassung

Die Glocke

Der Bauer Jon Hreggvidsson hat eine Angelschnur geklaut. Angelschnüre sind rar im vom Hunger geplagten Island. Obschon Jon nicht überführt wird, wird er für schuldig befunden. Im Gefolge des königlich-dänischen Henkers Sigurdur Snorrason, der den Verurteilten für Hilfsarbeiten rekrutiert hat, kommt Hreggvidsson nach Thingvellir. Dort steht das altehrwürdige Gerichtsgebäude, in dessen Giebel seit Menschengedenken eine mythische Glocke hängt, die bei Gerichtsverhandlungen oder Hinrichtungen erklingt. Doch nun braucht der Dänenkönig das Metall, denn es sind kriegerische Zeiten: Auf Weisung des Henkers klettert Jon Hreggvidsson auf das Dach des Gebäudes und zerschlägt das Glockenseil mit einer Axt. Dabei singt er schlüpfrige Spottverse auf den Dänenkönig, was ihm eine weitere Anklage einbringt: 24 Peitschenhiebe werden ihm vom Henker Snorrason verpasst.

Der tote Henker

Jon ist nicht nachtragend. Gemeinsam mit Snorrason und einigen Bauern kehrt er am Abend nach dem Thing, der Gerichtsversammlung, beim Großbauer Bendix ein. Es wird reichlich gebechert, man singt, streitet und schwadroniert. Dann soll es nach Hause gehen, im Dunkeln, durchs Moor. Dabei verirrt sich die stockbetrunkene Gesellschaft. Irgendwie findet Jon zurück und holt Hilfe. Als er mit Bendix an die Stätte des nächtlichen Irrens gelangt, stoßen sie auf eine Leiche: Sigurdur Snorrason ist in einer Pfütze ertrunken. Der Verdacht fällt auf Jon. Immerhin saß er auf dem Pferd des Henkers, als er im Morgengrauen bei Bendix auftauchte; auch hatte er Snorrasons Hut auf dem Kopf. Jon kann sich an nichts erinnern und erklärt sich für unschuldig.

Wertvolle Fetzen

Jon kehrt auf seinen Pachthof zurück. Am nächsten Morgen steht hoher Besuch in der Tür: der Bischof von Skalholt nebst seiner Frau und deren jüngerer, elfenhaft schöner Schwester Snaefridur, in Begleitung des königlichen Assessors Arnas Arnaeus. Er ist ein hochgelehrter Mann und ein Vertrauter des Königs, ein gebürtiger Isländer, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, alles zusammenzutragen und zu konservieren, was auf seiner Heimatinsel an schriftlichen Zeugnissen der alten Zeit erhalten ist. Tatsächlich wird der vornehme Antiquar bei Jon fündig: Aus einem Bettkasten zieht Arnaeus ein paar Pergamentfetzen hervor, auf denen Geschriebenes zu erkennen ist. Für Jon und seine Familie haben die Fetzen keinen Wert, nicht einmal als Hosenflicke hat man sie brauchen können, doch Arnaeus gibt ihm einen Silbertaler dafür. Dem Bischof indes flüstert er zu, die Fragmente seien Teil des legendären Buches Skalda und unendlich kostbar.

Todesurteil und Flucht

Jon wird des Mordes am Henker angeklagt. Die Indizien sprechen gegen ihn, wenn auch ein eigentlicher Beweis für seine Täterschaft fehlt. Und so fällt schließlich Richter Eydalin, der Vater von Snaefridur, das Urteil: Kopf ab. Am Vorabend der Hinrichtung trifft Snaefridur aus Skalholt in Thingvellir ein. Zu Hause war ihr langweilig, auch hat sie von Jons Fall gehört und ist neugierig geworden. Der Richter ist wenig begeistert vom Überraschungsbesuch seiner Tochter, nur widerwillig führt er sie über die Richtstätten, während das eigensinnige Mädchen ihn nach allerlei schaurigen Einzelheiten aus dem Hinrichtungswesen ausfragt. Snaefridurs Neugier ist kaum zu stillen; um jeden Preis will das Mädchen einen zum Tode Verurteilten sehen. Dabei hat sie natürlich Jon Hreggviddson im Sinn. Sie besticht dessen Wächter. Der nimmt Jon die Eisen ab und lässt sie mit ihm allein. Jon weiß kaum, wie ihm geschieht. Snaefridur befiehlt ihm zu fliehen: Er solle sich nach Kopenhagen einschiffen, zu Arnaeus gehen und ihn ihrer Treue versichern. Arnaeus werde Jons Sache in Ordnung bringen. Snaefridur gibt dem Bauern einen Goldring als Erkennungszeichen mit. Jon fackelt nicht lange und macht sich aus dem Staub. Tatsächlich gelingt es ihm, auf einem holländischen Schiff mitgenommen zu werden. Immerhin hat er angeblich den Henker des Dänenkönigs ermordet, das trägt ihm die Sympathien der Holländer ein. In Rotterdam geht er an Land.

Nach Dänemark

In Holland erlebt Jon allerhand Abenteuer. Er verdingt sich hier als Landarbeiter, da als Lastträger, lebt von der Hand in den Mund und macht einen kurzen Abstecher nach Deutschland, wo er um ein Haar aufgehängt wird. In Amsterdam findet er Anstellung auf einem dänischen Schiff, segelt über die Nordsee und schifft sich in Glücksstadt aus, wo er von Werbern der dänischen Armee zwangsrekrutiert wird. Auf diesem Weg gelangt er nach Kopenhagen. Dort trifft er einige Landsleute, unter ihnen den durchtriebenen Jon Marteinsson. Jon Hreggvidsson erfährt, dass Arnaeus sein ganzes Vermögen in seine Büchersammlung gesteckt hat; dem drohenden Ruin konnte er nur durch Heirat mit einer buckligen, aber vermögenden Xanthippe entgehen. Eines Tages steht Jon Hreggvidsson in Soldatenuniform bei Arnas Arnaeus vor der Tür. Der empfängt ihn zwar freundlich, zumal Jon ihm Snaefridurs Ring überbringt, er könne jedoch, sagt er, nicht viel für ihn tun. Da müsse er schon selbst zum König. Arnaeus gibt Jon den Goldring zurück, als Geschenk, beachtet ihn nicht mehr weiter und beginnt eine Unterhaltung mit seiner Frau. Der Bauer trifft später wieder Jon Marteinsson – und verzecht mit ihm Snaefridurs Ring und seine Soldatenstiefel.

Hoffnung

Nach einiger Zeit stößt Jon wieder zum Heer. Krieg mit Schweden droht, es wird mobilgemacht, Jon soll mit seiner Kompanie an die Front. Doch dazu kommt es nicht: Die Obrigkeit hat sein Inkognito aufgedeckt, er wird verhaftet und in den Kerker gesteckt. Nicht lange indes, und er wird auf Arnaeus’ Betreiben wieder entlassen. Seine Sache gelangt vor das Oberste Gericht. Hier ist man über die Leichtfertigkeit der isländischen Justiz verwundert. Die Gründe für Jons Verurteilung sind nicht recht ersichtlich, und so wird ihm beschieden, er solle nach Island zurückkehren. Man gibt ihm Dokumente, die er der isländischen Obrigkeit vorzulegen hat, um eine Revision seines Verfahrens zu bewirken. Danach soll er wieder in Kopenhagen vorstellig werden.

Braedratunga

Inzwischen hat Snaefridur sich alle jugendlichen Flausen aus dem Kopf geschlagen und den Junker Magnus geheiratet. Das Paar lebt auf dem Gutshof Braedratunga. Magnus, obwohl kein schlechter Mensch, hat schlechte Angewohnheiten, namentlich eine Neigung zu tagelangen, exzessiven Zechtouren. Dabei verwandelt er sich zunächst in ein skrupelloses Monster, dann in ein hilfloses Wrack, er schändet fremde Frauen, prügelt sich, wird verprügelt, verkauft Haus und Hof und einmal gar seine Frau für Schnaps. Snaefridur hält ihm dennoch die Treue und pflegt ihn klaglos, wenn er wieder einmal erschöpft, blutverkrustet und mit zerfetzter Kleidung nach Hause gebracht wird. Eines Tages aber übertreibt es Junker Magnus: Im Suff geht er mit der Axt auf seine Frau los. Da packt Snaefridur ihre Sachen und flüchtet nach Skalholt zu ihrer Schwester und deren Mann, dem Bischof. Hier wohnt sie nun mit Arnaeus unter einem Dach. Dieser ist mit umfangreichen Vollmachten nach Island zurückgekommen, um der allgemeinen Justizwillkür ein Ende zu setzen. Kein Wunder, dass er sich bei den Amtsleuten keine Freunde macht. Doch auch das einfache Volk betrachtet Arnaeus’ Gerechtigkeitsstreben als infamen Angriff auf die gottgegebene Ordnung. Jon Hreggvidsson möchte keine schlafenden Hunde wecken: Entgegen der Weisung des Kopenhagener Richters hat er es nämlich geflissentlich unterlassen, eine Revision seines Urteils zu betreiben, und sich mit Richter Eydalin auf eine Art Stillhalteabkommen geeinigt.

Der trockene Junker

Magnus hat derweil dem Schnaps entsagt und will von vorn anfangen. Um Snaefridur zur Rückkehr zu bewegen, reist er ihr nach Skalholt hinterher, wird aber nicht vorgelassen. Da verlegt er sich auf eine andere Taktik. Er tut sich mit Snaefridurs Seelsorger und heimlichem Verehrer zusammen, dem Dompfarrer Sigurdur Sveinsson. Die beiden Männer eint der Hass auf Arnaeus. Und so bezichtigen sie Snaefridur und Arnaeus öffentlich des Ehebruchs. Der Pfarrer bezeugt, die beiden zu später Stunde in trauter Zweisamkeit gesehen zu haben. Als Arnaeus von diesen Beschuldigungen erfährt, reicht er stehenden Fußes eine Gegenklage ein. Dann widmet er sich endlich seinem eigentlichen Vorhaben, der Revision zweifelhafter oder zu strenger Gerichtsurteile. Unterdessen kehrt Snaefridur nach Braedratunga zurück. Es scheint tatsächlich, als habe Magnus sich nachhaltig geändert. Er ist voller Tatendrang, setzt den Gutshof instand, schmiedet Pläne für die Zukunft. Doch wieder kommt alles anders – Magnus wird rückfällig. Diesmal treibt er es besonders schlimm, und am Ende seiner Zechtour wird er halb tot auf einer Bahre zurückgeschafft. Snaefridur schließt sich für einige Tage in ihrem Zimmer ein. Wenig später reist sie zum Thing. Dort muss sie erleben, wie ihr Vater, Richter Eydalin, infolge der Revisionen seiner Ehre, seines Amtes und seines Vermögens für verlustig erklärt wird, was er sich so zu Herzen nimmt, dass er wenig später stirbt. Magnus wird der Verleumdung für schuldig befunden, auch er verliert sein Eigentum. Und Jon Hreggvidsson erhält, sehr zu seinem Verdruss, eine erneute Vorladung vom Obersten Gericht.

Große Politik

Ein neuer König regiert in Kopenhagen. Damit dreht sich der Wind für Arnaeus: Dunkle Gestalten betreiben seine Entmachtung. Mit dabei ist Jon Marteinsson. Nicht genug, dass der in schwedischem Auftrag jenes Urbuch der Isländer, die Skalda, aus Arnaeus’ Haus entwendet, worüber der Antiquar fast zerbricht; er ist auch der Drahtzieher einer weiteren Intrige: Mittels gefälschter Unterschriften erreicht er die Aufhebung des Urteils gegen Junker Magnus. Jetzt ist Arnaeus plötzlich der Verleumder und muss dem Junker eine Entschädigung zahlen. Dahinter stecken dänische Island-Kaufleute, die ihr Handelsmonopol skrupellos und zum Verderben der Bevölkerung ausspielen. Arnaeus hat sich seinerzeit beim König für die Interessen der Isländer eingesetzt und Sanktionen gegen die Kaufleute bewirkt, die nun die Gelegenheit nutzen, sich an ihm zu rächen. Vom neuen König hat Arnaeus keine Hilfe zu erwarten, denn der pflegt einen verschwenderischen Lebensstil und ist der unprofitablen Insel im Nordmeer überdrüssig. Heimlich hat er sie deshalb Hamburger Kaufleuten zum Kauf angeboten. Die wiederum kommen nun auf Arnaeus zu, mit dem Angebot, ihn zum Herzog von Island zu machen.

Ein verlockendes Angebot

Viel Zeit ist vergangen, seit der Henker in der Pfütze ertrunken ist. Jon Hreggvidsson ist ein alter Mann. Eine Pockenseuche hat Island entvölkert, auch der Bischof und seine Frau wurden dahingerafft. Der Dompfarrer soll dessen Posten übernehmen. Noch einmal wird Jons Fall aufgerollt, diesmal auf Betreiben Snaefridurs, die die Ehre ihres Vaters wiederherstellen will. Jon wird die Unterschlagung jener königlichen Briefe zur Last gelegt, mittels derer er die Revision seiner Sache offiziell hätte beantragen sollen. Das Urteil: Gefängnis. Man bringt ihn nach Kopenhagen. Dort allerdings setzt sich Arnaeus für ihn ein, bewirkt seine Freilassung und lässt ihn bei sich wohnen. Auch Snaefridur reist in die Hauptstadt. Bei Gouverneur Gyldenlöve bittet sie um ein gerichtliches Vorgehen gegen Arnaeus, um so ihren Vater endgültig zu rehabilitieren. Gyldenlöve leistet ihrem Ansinnen Folge. Doch als Snaefridur Arnaeus plötzlich Auge in Auge gegenübersteht, erwacht die alte Liebe und sie erklärt sich bereit, die Anklage fallen zu lassen. Arnaeus erzählt ihr von seinen Aussichten, kaiserlich-deutscher Herzog von Island zu werden. Gemeinsam ergehen sie sich in Zukunftsfantasien. Magnus ist inzwischen tot; sie könnten heiraten und ein neues, besseres Zeitalter für das geschundene Island einläuten. Letztlich entscheidet sich Arnaeus aber gegen das Angebot der Hamburger. Es wäre ja doch wieder eine Fremdherrschaft, und lieber soll das isländische Volk seinen Freiheitshunger behalten, als nur halb gesättigt zu werden.

Kopenhagen brennt

Eine Feuersbrunst sucht die dänische Hauptstadt heim und erfasst auch Arnaeus’ Haus. Der Antiquar, inzwischen alt und eigentümlich resigniert, unternimmt keine Anstalten, seine einzigartige Sammlung zu retten. Sie fällt den Flammen nahezu vollständig zum Opfer. Arnaeus findet bald eine andere Berufung: Ein weiteres Mal wird in der Causa Hreggvidsson verhandelt, diesmal vor dem Obersten Gericht in Kopenhagen. Arnaeus übernimmt Jons Verteidigung. Längst geht es nur noch oberflächlich um die Frage, ob Jon den Henker ermordet hat; im Hintergrund steht ein Ringen zweier politischer Gruppen um Einfluss. Letztlich wird Jon zwar aus Mangel an Beweisen freigesprochen, damit ist die Angelegenheit jedoch keineswegs ausgestanden. In Island hat nämlich Snaefridur, mittlerweile mit dem Dompfarrer und zukünftigen Bischof Sigurdur Sveinsson verheiratet, das Urteil gegen ihren Vater angefochten. Mit Erfolg: Richter Eydalin wird posthum von allen Vorwürfen freigesprochen, was aber auch bedeutet, dass seine Urteile, die zwischenzeitlich durch Arnaeus aufgehoben wurden, bekräftigt werden. Jons Sache ist nun wieder offen. Er hat die Erlaubnis, erneut das Oberste Gericht in Kopenhagen anzurufen. Arnaeus wird wegen Gewaltmissbrauchs zu einer Geldstrafe verurteilt. Island freut sich – die altgewohnte Ungerechtigkeit ist wieder hergestellt.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Islandglocke ist ein minutiös durchkonstruierter Text, in seiner Vielschichtigkeit präzise ausbalanciert; die verschiedenen Handlungsstränge und Bedeutungsebenen sind geschickt miteinander verwoben. Laxness hat sein Meisterwerk in drei Teile gegliedert. Der erste, „Die Glocke Islands“, erzählt im Wesentlichen die Geschichte des Bauern Jon Hreggvidsson. Die beiden anderen Hauptfiguren des Romans tauchen zwar bereits auf, werden jedoch erst im zweiten und dritten Teil präsenter – so die stolze Snaefridur in „Die lichte Maid“ und der hochgelehrte Antiquar Arnas Arnaeus in „Feuer in Kopenhagen“. Jedem Charakter sind eine eigene Thematik und eine eigene Perspektive zugeordnet. Dabei weitet sich der Blickwinkel mit Fortschreiten der Handlung vom Persönlichen über das Soziale zum Politischen. Die Dreiteilung findet sich aber auch auf anderen Ebenen wieder, z. B. in Anrnaeus’ dreifachem Verrat an der geliebten Snaefridur: Einmal opfert er seine Liebe zu ihr der Erhaltung des isländischen Kulturerbes, dann der Suche nach der Gerechtigkeit und schließlich dem Ideal des Nationalstolzes. Typisch für Laxness: Die Nebenfiguren sind so treffend und lebendig charakterisiert, dass sie den Hauptfiguren hier und da fast die Schau stehlen. Der Stil des Romans ist knapp und unsentimental. Laxness nähert sich seinem Ideal einer nahezu objektiven Erzählweise an; das Innenleben seiner Figuren kommt nicht zur Sprache, es gibt keine Gedankenschilderungen, keine Gefühlsbeschreibungen, die Charaktere entwickeln sich in ihren Worten und Taten.

Interpretationsansätze

  • Auch wenn Laxness darauf bestand, dass Die Islandglocke kein historischer Roman sei, haben doch fast alle wichtigen Figuren darin historische Vorbilder. Einen Bauern namens Jon Hreggvidsson hat es wirklich gegeben, sein endloser Rechtsstreit ist aktenkundig. Arnas Arnaeus ist eine Nachbildung des großen Gelehrten Árni Magnússon, dessen Sammlung altnordischer Handschriften, die so genannte Arnamagnäanische Sammlung, noch heute existiert. Auch das Feuer in Kopenhagen hat 1728 tatsächlich gewütet. Ihm sind Teile der Sammlung zum Opfer gefallen.
  • Eines von Laxness’ Lieblingsmotiven taucht auch in der Islandglocke auf: der Vorrang der Ideale vor den Menschen. Einmal lässt Arnas Arnaeus seine geliebte Snaefridur zugunsten seiner Handschriftensammlung sitzen, dann um der Gerechtigkeit willen, als er ihren Vater, den Richter Eydalin, durch ein Gerichtsurteil um Ehre und Vermögen bringt, und schließlich opfert er seine Liebe der fernen Idee eines freien Islands. Hierzu passt, dass auch Laxness den Heilsversprechen einer Ideologie – nämlich der kommunistischen – lange Zeit bedingungslos glaubte.
  • Die drei Hauptfiguren repräsentieren, ganz marxistisch gedacht, die ungerechte Klassengesellschaft: Jon Hreggvidsson, der Mann aus dem Volk, getreten, gequält, entrechtet; Snaefridur, die Angehörige der herrschenden Klasse, sowie Arnaeus, der Intellektuelle, hin- und hergerissen zwischen dem Bestreben, das Los der einfachen Leute zu verbessern, und der egoistischen Verlockung eines sozialen Aufstiegs.
  • Die titelgebende Glocke im Giebel des Gerichtsgebäudes in Thingvellir, von den Dänen kurzerhand zu Kriegszwecken eingeschmolzen, ist als Symbol für die gedemütigte und freiheitshungrige Seele des isländischen Volks zu lesen.

Historischer Hintergrund

Islands langer Anlauf zum Sprung in die Moderne

Die karge nordatlantische Vulkaninsel Island wurde erst Mitte des neunten Jahrhunderts von norwegischen Seefahrern besiedelt und im Jahr 930 zum Freistaat ausgerufen – durch das Althing, die Versammlung aller freien Männer in Thingvellir. Ab dem Jahr 1000 hielt das Christentum auf der Insel Einzug. Rasch etablierte sich eine Feudalherrschaft des Klerus über die Restbevölkerung, die fast ausschließlich aus Bauern bestand. Die Zeit der Selbstbestimmung war indes nicht von Dauer; erbitterte Fehden zwischen den herrschenden Cliquen zerrütteten das Land. 1262 begab man sich freiwillig unter norwegische Fremdherrschaft. Als es 1380 zum Staatenbund zwischen Dänemark und Norwegen kam, wurde Island dänisch. 1602 errichteten die Dänen ein Handelsmonopol – mit schrecklichen Folgen für die isländische Bevölkerung. Unverzichtbare Güter, etwa Angelschnüre, wurden plötzlich unbezahlbar. Hunger und Krankheit bestimmten das Leben der Isländer. Eine Pockenepidemie im Jahr 1707 raffte ein Drittel der ca. 50 000 Einwohner dahin.

In diesem Zustand wirtschaftlicher und politischer Rückständigkeit verharrte Island die nächsten 300 Jahre, bis 1902 mit den ersten motorgetriebenen Fischerbooten so etwas wie eine industrielle Revolution einsetzte. Nun endlich machte sich das Land auf jenen Weg, den die meisten europäischen Staaten schon längst eingeschlagen hatten: Eine belastbare Infrastruktur wurde geschaffen, technische Neuerungen wurden eingeführt. Es folgte ein wirtschaftlicher Aufschwung sondergleichen, die Bevölkerungszahl verdoppelte sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, das Leben verlagerte sich vom Land in die rapide wachsenden Städte, gleichsam aus dem Stand entwickelte sich eine moderne Gesellschaft. 1918 entließ Dänemark die Kolonie in die vorläufige Unabhängigkeit. 1944 erklärte sich Island dann per Volksabstimmung zur Republik.

Entstehung

Die erste Anregung für Die Islandglocke erhielt Laxness 1924 von seinem Jugendfreund Jon Helgason, Literaturwissenschaftler und späterer Direktor der Arnamagnäanischen Sammlung, der ihn mit der Geschichte des Bauern Jon Hreggvidsson bekannt machte: In einem Brief aus dem Jahr 1708 an den großen isländischen Gelehrten und Sammler altnordischer Handschriften Árni Magnússon in Kopenhagen beschrieb Hreggvidsson das Elend in der Heimat. Wie sein literarisches Abbild in der Islandglocke war auch der echte Jon Hreggvidsson in endlose Rechtsstreitigkeiten verstrickt.

1936 erst nahm Laxness die eigentliche Arbeit am Roman auf. Ursprünglich war ein klassenkämpferisches Werk im Geiste Bertolt Brechts geplant, dessen revolutionären Furor Laxness damals bewunderte. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges jedoch fand in Island eine Rückbesinnung auf die nationale Identität statt, was u. a. daran lag, dass man sich die Stationierung amerikanischer Truppen gefallen lassen musste. Auch Laxness, der bisher stets mit der Volkstümelei seiner konservativeren Landsleute gehadert hatte, wandte sich nun dem Studium der mittelalterlichen Sagaliteratur zu. Infolgedessen nahm Die Islandglocke, deren ersten Teil Laxness im September 1942 fertigstellte, eine nationalistische Wendung. Mit Feuereifer vertiefte sich Laxness in die Materie, studierte alte Handschriften, besuchte die Schauplätze der Geschichte und feilte unermüdlich an einer Sprache, die dem klaren Stil der Sagas nahekommen sollte, ohne dabei antiquiert zu wirken.

Wirkungsgeschichte

Die Islandglocke wurde ein Erfolg, und das in mehrerlei Hinsicht. Zum einen stellte der Roman ein Bekenntnis des Autors zu seiner Herkunft dar, eine Versöhnung mit seinen Landsleuten. Durch seine Streitlust und sein Eintreten für den Sowjetkommunismus hatte Laxness sich in der Heimat nämlich Feinde geschaffen. Daran wurde er alljährlich erinnert, wenn es im Parlament um die Höhe des Stipendiums ging, von dem er fast vollständig abhängig war. Mehrmals musste er Kürzungen oder gar die vollständige Streichung hinnehmen, was ihn zuverlässig auf die Barrikaden brachte. Schon früh hatte Laxness ein Selbstverständnis als kultureller Erzieher seiner hinterwäldlerischen Landsleute entwickelt und reagierte äußerst dünnhäutig, wenn er sich zum Almosenempfänger degradiert sah. Im Historismus der Islandglocke jedoch, im dichterischen Rückgriff auf das Goldene Zeitalter der Sagas, als Dichter wie Snorri Sturluson Werke von ungeheurer Sprachkunst schufen, erblickte die Nation ein Zugeständnis an ihr Selbstwertgefühl. Als erstes von Laxness’ Werken wurde Die Islandglocke von der Kritik einhellig gelobt, und ein Publikumserfolg war das Buch ohnehin. An Laxness’ Stipendium wurde jedenfalls fortan nicht mehr gerüttelt.

Auch im Ausland überzeugte das Werk. Hermann Hesse lobte Die Islandglocke als Beweis für die künstlerische Urkraft des isländischen Volkes, die FAZ verglich den Autor mit James Joyce und Thomas Mann. Nur die englischsprachige Welt fremdelte noch lange mit dem Sozialisten Laxness. Erst 2003 erschien eine Übersetzung der Islandglocke auf Englisch.

Über den Autor

Halldór Laxness wird am 23. April 1902 als Halldór Guðjónsson in Rejkjavík geboren. Sein Vater, ein Vorarbeiter im Straßenbau, spielt abends auf der Violine oder erzählt Geschichten. Schon früh zeigt sich die musische Anlage auch beim Sohn. Der schreibt und dichtet schon als Kind unermüdlich. Mit 13 hat er einen 600-seitigen Roman verfasst, und als er 14 ist, erscheint sein erstes Gedicht in einer Zeitung. Sein Ziel steht fest: Er wird Schriftsteller. Höhere Schulbildung oder gar ein Universitätsstudium ist da Zeitverschwendung, lieber bemüht er sich um Veröffentlichungen. Mit 17 zieht Halldór, der sich jetzt nach dem elterlichen Hof „Laxness“ nennt, in die Welt hinaus. Er lebt von mütterlichen Zuwendungen oder leiht sich Geld von Freunden und widmet sich ganz seiner Berufung, reist herum, schließt Bekanntschaften, füllt Notizbuch um Notizbuch mit seinen Eindrücken und Gedanken, schreibt wie besessen und ist zugleich sein eigener Literaturagent. Erst feiert er kleinere, bald größere Erfolge. Der Versuch, in Hollywood als Drehbuchschreiber anzukommen, scheitert jedoch. Mit Anfang 20 konvertiert Laxness zum katholischen Glauben und tritt gar in ein Kloster ein. Von Dauer ist das jedoch nicht; bald übernimmt der Sozialismus für ihn die Rolle des bestimmenden Ideals. In höchst unkritischer Weise lässt sich Laxness, inzwischen ein weltweit bekannter Autor, vor den Karren der sowjetischen Propagandamaschine spannen, was ihn zu einer umstrittenen Figur macht. Nach der Veröffentlichung von Werken wie Die Islandglocke (1943–1946) und Atomstation (1948) erhält er 1955 den Nobelpreis für Literatur. Endlich aller finanziellen Sorgen ledig, bereist er die Welt, produziert Romane, Essays und Theaterstücke, immer streitbar, sozial und politisch engagiert, immer aber auch um literarische Innovation bemüht. Seine späten Tage verlebt der Weltbürger Laxness als gefeierter Volksheld in der Heimat. Er stirbt am 8. Februar 1998 in Reykjalundur im Alter von 96 Jahren.

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