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Die Wolken

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Die Wolken

Reclam,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Nepper, Schwätzer, Bauernfänger – Aristophanes’ groteske Satire auf die Sophisten und ihre Opfer.

Literatur­klassiker

  • Komödie
  • Griechische Antike

Worum es geht

Ihr seid durchschaut, Schwätzer!

Die Wolken ist eine Verhöhnung der Bürger Athens, die zu Aristophanes’ Zeiten immer mehr ihre Traditionen vergaßen und sich den eigennützigen Rechthabereien der Demagogen und Sophisten zuwandten. Wer gelehrt tun und durch geschicktes Argumentieren alles infrage stellen bzw. in sein Gegenteil verkehren konnte, war im Athen des fünften vorchristlichen Jahrhunderts ein mächtiger und angesehener Mann – selbst wenn sein Gerede noch so wenig Substanz hatte. Die Götter verschmähen, die Jugend verderben und immer mehr die eigene Identität verleugnen: Das waren die Trends einer neuen Zeit, gegen die Aristophanes mit Spott und Häme ins Feld zog. Er tat das mit großer sprachlicher Bandbreite: von komplexen Versmaßen über innovative Sprachspiele bis zu den derbsten Zoten. Die Anspielungen auf bekannte Persönlichkeiten der Entstehungszeit und auf Mythen, die heute nicht mehr zum Allgemeinwissen gehören, macht dem heutigen Leser die Lektüre des Stücks etwas mühselig. Die drastische Beschimpfung des Publikums und das brachiale Vokabular wirken dagegen sehr modern. Und besonders die Figur des nur auf den eigenen Vorteil bedachten Strepsiades, der bereit ist, alle Sitten und Überzeugungen über Bord zu werfen, wenn es ihm nur nützt, wird vermutlich immer aktuell bleiben.

Take-aways

  • Die Wolken ist eine von elf erhaltenen Komödien des Aristophanes. Er selbst hielt sie für seine beste.
  • Inhalt: Der dumme Bauer Strepsiades versucht, sich um die Abzahlung von Schulden zu drücken, die sein missratener Sohn gemacht hat. Er sucht Hilfe bei Sokrates, dem Meister des Argumentierens. Bei ihm gibt er seinen Sohn in die Lehre, damit er die Kunst der Rechtsverdrehung studiere und den Vater vor dem Ruin rette. Doch der Plan schlägt fehl: Sein Sohn verprügelt Strepsiades, der daraufhin wütend Sokrates’ Haus in Brand steckt.
  • Die Komödie ist eine Satire auf die Beliebigkeit im Denken der Sophisten.
  • Zentrale Themen sind das Zerbrechen der Familien durch die sophistische Verführung der Jugend und der dadurch drohende Verlust der kulturellen Identität und Stärke Athens.
  • Der erfolgsverwöhnte Aristophanes errang bei einem Theaterwettbewerb mit den Wolken nur den dritten Platz. Daraufhin überarbeitete er das Stück komplett.
  • Dem Stück wurde wegen seiner Verleumdung des Sokrates lange Zeit eine Mitschuld an dessen Verurteilung zum Tod gegeben.
  • Was dagegenspricht ist unter anderem, dass Sokrates der Aufführung gelassen beigewohnt haben soll.
  • Mit der so egoistischen wie leichtgläubigen Figur des Strepsiades hält Aristophanes seinem Publikum den Spiegel vor.
  • Das Stück ist sprachlich äußerst komplex angelegt. Die Spannbreite reicht von derbster Unflätigkeit bis zu kunstvollster Metrik.
  • Zitat: „O weh mir, welch ein Wahnsinn! Wie verrückt ich doch war, als ich sogar die Götter verstoßen habe wegen Sokrates!“

Zusammenfassung

Böses Erwachen

Der Bauer Strepsiades erwacht eines Morgens in Athen mit großen Sorgen: Er ist hoch verschuldet, und der Tag der Rückzahlung steht bevor. Der Grund für die Schulden ist die Verschwendungssucht seines missratenen Sohnes Pheidippides. Dieser ist so vom Pferderennen besessen, dass er selbst im Schlaf noch Szenen von der Rennbahn fantasiert. Strepsiades, ein einfacher Bauer, der einst die Nichte eines Atheners zur Frau genommen hat und seitdem in der Stadt lebt, verflucht seine Heirat. Seine arrogante und verwöhnte Frau hat sich bei der Erziehung und Charakterbildung des gemeinsamen Sohnes durchgesetzt.

„Doch am Ende folgte er meinen Worten ganz und gar nicht, sondern infizierte mein Geld mit der galoppierenden Pferdesucht.“ (Strepsiades über Pheidippides, S. 10)

Strepsiades hat allerdings eine Idee, wie er seine Geldsorgen beenden kann. Er weckt Pheidippides und offenbart ihm seinen Plan: Die weisen Männer in der „Denkerbude“ sollen in der Lage sein, allein durch Reden Prozesse zu gewinnen, unabhängig davon, ob ein Anliegen nun rechtens ist oder nicht. Er weist Pheidippides an, bei jenen Denkern, zu denen der berühmte Sokrates gehört, in die Lehre zu gehen und ihm dann im Prozess gegen seine Gläubiger beizustehen. Pheidippides jedoch weigert sich, denn er will nicht so bleich aussehen wie die Schüler der Denkerbude.

Selbst ist der Vater

Strepsiades, der sich nicht gegen seinen Sohn durchsetzen kann, geht nun selbst zu Sokrates, um sich in der Kunst des Redens und Argumentierens unterweisen zu lassen. Er klopft an die Tür der Denkerbude und wird Zeuge der dortigen Aktivitäten. So erfährt er von einem Schüler, dass Sokrates Wachsabgüsse von Flohfüßen hat machen lassen, um die Sprungweite des Flohs in dessen eigener Fußlänge zu messen. Dann lässt sich der unwissende Strepsiades eine Landkarte Griechenlands zeigen und regt an, diese Karte noch einmal zu überarbeiten und Lakedaimon weiter von Athen wegzurücken.

„Wenn du mir nun diesen ungerechten Logos erlernst, dann müsste ich von den Schulden, die ich deinetwegen gemacht habe, niemandem auch nur einen Obolos zurückzahlen.“ (Strepsiades zu Pheidippides, S. 11)

Sokrates schwebt in einem Korb hoch über ihren Köpfen – von dort oben könne er die überirdischen Dinge weit besser verstehen. Strepsiades klagt ihm sein Leid und bittet um Unterricht in der Kunst der argumentativen Rede, damit er die Forderungen seiner Gläubiger abweisen könne. Sokrates unterzieht Strepsiades einem Einführungsritual und ruft die Wolken herbei, die dem Menschen Verstand und Redekunst verleihen. Die Wolken erscheinen in Form eines Frauenchors. Sokrates erklärt Strepsiades nun, dass es nicht Zeus ist, der es regnen und donnern lässt, sondern eben die Wolken. Wäre Zeus der Schöpfer von Regen, Blitz und Donner, dann müsste er doch aus heiterem Himmel ein Unwetter erzeugen können. Doch weder Regen noch Donner seien je ohne Wolken möglich. Sokrates leugnet schlichtweg die Existenz des Göttervaters und erklärt die Wolken zu den einzigen Göttinnen. Neben ihnen seien nur die Leere und die Zunge als göttlich zu verehren. Strepsiades lässt sich von Sokrates überzeugen und schöpft Hoffnung, mit dessen Hilfe sein Problem lösen zu können.

Strepsiades erweist sich als zu dumm

Die Wolken befinden Strepsiades für motiviert und instruieren Sokrates, mit dem Unterricht zu beginnen. Sokrates bemerkt aber schon bei seinen ersten Fragen, dass Strepsiades ein Dummkopf ist. Dennoch nimmt er ihn mit zur Unterweisung in die Denkerbude.

„(…) sie sind die himmlischen Wolken, für müßige Männer große Göttinnen, die Urteilskraft und Diskutierfähigkeit und Verstand uns verleihen und Fantasie und Umschreibung und Schlagfertigkeit und die Kunst zu fesseln.“ (Sokrates zu Strepsiades, S. 21)

Die Führerin des Wolkenchors wendet sich nun direkt ans Publikum und beschwert sich, dass das Theaterstück, das es gerade verfolge, bisher nicht den verdienten Zuspruch gefunden habe. Sie zählt dessen Vorzüge auf: Nicht ordinär sei das Stück, sondern keusch, nicht nachgemacht, sondern originell und neu. Der Chor preist Zeus und die anderen Götter. Die Chorführerin aber klagt die Zuschauer an: Die großen Götter erfahren stets die Anbetung der Athener, wobei doch einzig die Wolken für das Volk sorgen und es beschützen. Sie helfen durch demonstrativen Donner, falsche Entscheidungen zu erkennen – und doch ernten sie nichts als Undank.

„Was für ein Zeus? Willst du wohl keinen Blödsinn reden? Es gibt keinen Zeus.“ (Sokrates zu Strepsiades, S. 24)

Sokrates und Strepsiades kommen wieder aus der Denkerbude heraus. Sokrates beklagt die Begriffsstutzigkeit seines Schülers. Sein Versuch, Strepsiades über Versmaße zu unterrichten, schlägt völlig fehl, da der bäurische Strepsiades nur Maße kennt, die zum Abwiegen von Getreide gebraucht werden. Ebenso wenig gelingt es Sokrates, Strepsiades den richtigen Gebrauch männlicher und weiblicher Wortendungen beizubringen. Schließlich geht es um Strepsiades’ eigentliches Problem: die Zinsen auf seine Schulden und die Frage, wie sich Strepsiades um deren Zahlung drücken kann. Die Vorschläge, die Strepsiades sich auf Sokrates’ Geheiß ausdenkt, sind absurd: Zum Beispiel will er eine Hexe engagieren, die den Mond vom Himmel holt und einsperrt. So, meint er, könne er um die monatlichen Zinszahlungen herumkommen. Als Sokrates ihn fragt, wie er die sichere Niederlage in einem Gerichtsprozess vermeiden würde, gibt er zur Antwort, er würde sich einfach vor dem Urteilsspruch aufhängen. Sokrates gibt seine Bemühungen auf und jagt ihn davon.

Der Sohn muss es richten

Die Chorführerin rät Strepsiades, seinen Sohn zu Sokrates zu schicken. Strepsiades unternimmt einen zweiten Versuch, Pheidippides für sein Vorhaben zu gewinnen. Er berichtet, was er eben von Sokrates gelernt hat, doch Pheidippides meint, das seien alles Spinnereien und Sokrates sei verrückt.

„Nicht wahr, du wirst also nun ganz sicher keinen für einen Gott halten außer denen, die wir dafür halten, die Leere hier, die Wolken und die Zunge, diese drei?“ (Sokrates zu Strepsiades, S. 27)

Schließlich gehorcht er seinem Vater doch, wenn auch äußerst widerwillig und nicht, ohne Strepsiades vor den möglichen Folgen seines Tuns zu warnen. Gemeinsam gehen sie zur Denkerbude. Dort angekommen, bittet Strepsiades um Unterricht für seinen Sohn. Sokrates will das nicht selbst tun, sondern überlässt es dem stärkeren und dem schwächeren Logos, Pheidippides zu unterweisen. Die beiden Logoi werben um Pheidippides als Schüler, indem sie sich gegenseitig beschimpfen und widerlegen. Auf Anweisung des Chors mäßigen sich die beiden Logoi und beginnen, ihre Argumente vorzutragen.

Alte Erziehung kontra neue Sitten

Der stärkere Logos beginnt das Streitgespräch. Er beschreibt die aus seiner Sicht gute alte Zeit, in der die Jungen den Alten Respekt zollten, in der Gesangsunterricht nicht durch Albernheiten gestört wurde, Sportunterricht züchtig vonstattenging und die Jungen nicht auf dem Marktplatz schwatzten, sondern sich stattdessen im Wettlauf übten. Diese traditionellen Werte seien nun gefährdet durch die Sittenlosigkeit des schwächeren Logos. Die neue Lebensweise, nach der die Jugend herumhure, sich in warmen Bädern herumtreibe und sich schamlos gehen lasse, verderbe den Menschen an Körper und Geist. Pheidippides solle den stärkeren Logos als Lehrer wählen, wenn er nicht „bleiche Haut, schmale Schultern, eine schmächtige Brust, eine große Zunge, einen kleinen Arsch, einen großen Pimmel“ bekommen wolle.

„Beim Atemhauch, bei der Leere, bei der Luft, nie sah ich irgendwo einen so bäurischen, unbedarften, dummen und vergesslichen Mann!“ (Sokrates über Strepsiades, S. 38)

Der schwächere Logos geht daran, Widersprüche in der Beweisführung des Kontrahenten aufzudecken und ihn mit seinen eigenen Argumenten zu widerlegen. Wie könne denn der stärkere Logos zum Beispiel die warmen Bäder tadeln, wo doch Herakles, das Muster aller tugendhaften Helden, auch nicht kalt gebadet habe? Wie könne der stärkere Logos das Sprechen auf dem Marktplatz kritisieren, wo doch Homer seinen Held Nestor als Redner beschrieben habe? Sittsamkeit sei etwas, das den Menschen nicht weiterbringe. Vielmehr seien die Unsittlichen erfolgreich im Leben. Die vermeintlichen Gottesgeschenke an die Tugendhaften und Sittsamen seien entweder erbärmlich oder vergänglich. Wer sich aber auf seine Schlagfertigkeit besinne und sich auf sein eigenes Vergnügen und Fortkommen konzentriere, der ernte Erfolg. Die Botschaft des schwächeren Logos an Pheidippides ist, dass man ruhig seinen Lüsten folgen soll, da man sich hinterher mithilfe einer guten Argumentation herausreden könne. Zum Beispiel könne man sich auf Zeus als Vorbild berufen, der den Versuchungen der Liebe auch nie wiederstehe.

„O weh mir! Wie wird es mir Unglückseligem nun ergehen? Denn mit mir ist es zu Ende, wenn ich die Zungenfertigkeit nicht erlerne. Ach, ihr Wolken, gebt mir einen nützlichen Rat!“ (Strepsiades, S. 47)

Der stärkere Logos widerspricht und warnt, der vom schwächeren Logos geschilderte Weg werde Pheidippides „weitärschig“ machen. Der schwächere Logos zeigt nun dem stärkeren auf, dass alle erfolgreichen Männer der Athener Gesellschaft – von den Advokaten über die Politiker bis zur Mehrheit des Publikums – zu den Weitärschigen gehören. Das überzeugt den stärkeren Logos, er läuft ins andere Lager über. Strepsiades ist ebenfalls überzeugt: Der schwächere Logos ist der richtige Lehrer für seinen Sohn. Pheidippides geht mit dem neuen Lehrer in die Denkerbude, während der Chor Strepsiades warnt, er werde diese Entscheidung noch bereuen.

Der Erfolg ist nah

Die Chorführerin wendet sich ans Publikum und an die Richter des Komödienwettbewerbs. Im Namen der Wolken verheißt sie allen Unterstützern ihres Chores fruchtbaren Regen zur richtigen Zeit in der richtigen Menge und allseits reiche Ernten. Entehre ein Sterblicher aber die göttlichen Wolken, dann sollen Hagel und Sturm seine Ernte verwüsten.

„Deshalb, junger Bursche, wähle mit Zuversicht mich, den stärkeren Logos; und du wirst die Agora zu hassen und dich von den Bädern fernzuhalten wissen und dich dessen zu schämen, was unanständig ist (…)“ (stärkerer Logos zu Pheidippides, S. 56)

Strepsiades kommt zur Denkerbude, wo Sokrates ihm eine erfolgreiche Lehrzeit seines Sohnes vermelden kann. Pheidippides habe den schwächeren Logos erlernt und sei nun in der Lage, jeden erdenklichen Prozess zu gewinnen. Strepsiades stimmt in Erwartung seiner baldigen Schuldenfreiheit ein Loblied auf Pheidippides an. Dieser beginnt sofort, Unstimmigkeiten im Ablauf des Schuldenprozesses zu benennen. Strepsiades erkennt die Scharfsinnigkeit in den Äußerungen seines Sohnes und sieht sich schon als sicheren Gewinner im Prozess gegen seine Gläubiger.

„Werde mein Schüler und dann gib der Natur ihr Recht, springe, lache, halte nichts für unanständig.“ (schwächerer Logos zu Pheidippides, S. 60)

Schon bald erscheint der erste Gläubiger vor dem Haus des Strepsiades. Er fordert sein Geld zurück, doch er wird nur verspottet. In der Gewissheit, jeden Prozess zu gewinnen, macht sich Strepsiades über den Gläubiger lustig und wähnt sich mit dem Halbwissen aus seinem eigenen Unterricht bei Sokrates überlegen. Er weigert sich, seine Schulden anzuerkennen. Der Gläubiger droht im Gehen mit einem Gerichtsverfahrens. Strepsiades bleibt unbeeindruckt. Der zweite Gläubiger erscheint. Verletzt von einem Sturz aus einem Pferdewagen, klagt er über sein Unglück und fordert sein Geld zurück. Strepsiades erklärt den Mann für verrückt, er habe sich wohl beim Sturz den Kopf verletzt. Schließlich jagt er den zweiten Gläubiger mit dem Stock davon.

Das prophezeite böse Ende

Der Chor tadelt Strepsiades für sein Verhalten und kündigt ein nahes Unheil an. Er werde schon bald bereuen, Pheidippides zu den Sophisten geschickt zu haben. Die Prophezeiung erfüllt sich umgehend: Fluchend und um Hilfe rufend stürzt Strepsiades aus seinem Haus, Pheidippides hinterher. Der Sohn verprügelt den Vater und behauptet, dabei das Recht auf seiner Seite zu haben.

„Hast du mich, als ich noch ein Kind war, verprügelt? – Ja, weil ich es gut mit dir meinte und für dich sorgte. – Dann sage mir, ist es nicht auch gerecht, dass ich es in derselben Weise gut mit dir meine und dich verprügle, da ja ,es gut mit jemandem meinen‘ ,verprügeln‘ bedeutet?“ (Pheidippides und Strepsiades, S. 76)

Der Chor fordert Strepsiades auf, die Entstehung des Streits zu schildern. Strepsiades erzählt, er habe beim Essen den Sohn aufgefordert, Verse von Aischylos aufzusagen. Pheidippides aber habe über den großen Dichter gelästert und stattdessen eine schweinische Rede von Euripides zitiert. Strepsiades beschimpfte ihn und schließlich wurde Pheidippides gewalttätig.

„O weh mir, welch ein Wahnsinn! Wie verrückt ich doch war, als ich sogar die Götter verstoßen habe wegen Sokrates!“ (Strepsiades, S. 80)

Pheidippides begründet sein Recht, den Vater zu züchtigen, mit allerlei Argumenten. So habe ja Strepsiades ihn als Kind ebenfalls geschlagen. Außerdem sei es sein gutes Recht, den Brauch einzuführen, dass Söhne ihre Väter verprügeln dürften. Sogar die Mutter dürfe er schlagen.

Strepsiades, nun selbst von der Rechtmäßigkeit seiner Prügel überzeugt, klagt die Wolken an, sie hätten ihn falsch beraten. Die Chorführerin weist den Vorwurf zurück und gibt die Schuld allein Strepsiades: Er habe übel gehandelt; die Prügel seien die gerechte Strafe und sollen ihm eine Mahnung sein. Strepsiades erkennt das Unrecht seiner Taten und besinnt sich auf die Götter, die er so sträflich vernachlässigt hat. In seiner Wut auf die gottlosen Sophisten lässt er sich von einem Sklaven eine Fackel bringen. Er setzt die Denkerbude in Brand und wirft den fliehenden Schülern und Sokrates vor, den Göttern Unrecht getan zu haben. Die Chorführerin beruft ihren Chor ab.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Wolken gehören zur Kategorie der alten attischen Komödie. Diese ist durch die satirische Auseinandersetzung mit real existierenden Personen der Zeitgeschichte gekennzeichnet. Wie auch die klassische attische Tragödie verwendet die alte Komödie den Chor als Stilmittel, um die Handlung zu strukturieren und zu kommentieren. So tritt auch in Die Wolken ein Chor auf, der verschiedene Rollen übernimmt – sogar die des Autors: In der sogenannten Parabase, dem Chor-Kommentar nach dem ersten Teil des Stücks, meldet sich Aristophanes zu Wort und beschwert sich über mangelnde Wertschätzung seiner Komödie. Das Stück ist sprachlich rhythmisiert und weist den unterschiedlichen Figuren verschiedene Versmaße zu, um ihren jeweiligen Bildungsgrad zu definieren. Aristophanes spielt mit Sprache und macht das Sprachspiel selbst zum Thema: Haarspaltereien, Absurditäten und Situationskomik bestimmen den Umgang der Figuren miteinander. Das Stück ist in einem außerordentlich derben Vokabular verfasst, wie es bei den Dionysien, dem Theaterwettstreit in Athen, üblich war. Außerdem wimmelt es von Verweisen auf Mythen, Tagespolitik sowie gesellschaftliche und kulturelle Entwicklungen. Eine Aufteilung in Akte fehlt, es sind aber fünf bis sechs Handlungsabschnitte erkennbar, die von Chorpassagen eingefasst werden.

Interpretationsansätze

  • Die Wolken sind eine Stellungnahme gegen die Sophisten. Mit den titelgebenden Wolken symbolisiert Aristophanes die nicht greifbare, nebulöse Redeweise der Sophisten. So, wie die Standpunkte der Wortverdreher stets wandelbar sind, wandelt sich auch die Gestalt der Wolken.
  • Auch die Philosophen werden durch den Dreck gezogen: Im fünften Jahrhundert v. Chr. war „Philosoph“ noch kein ehrenvoller Titel. Die begriffliche Trennung von „Sophist“ und „Philosoph“ nahm später erst Platon vor. Mit der Verulkung durch den Begriff der „Denkerbude“ diskreditiert Aristophanes den Berufsstand des Philosophen.
  • Der Sokrates der Wolken ist nicht der historische Sokrates, sondern lediglich ein Gefäß für zahlreiche, teils sogar widersprüchliche Strömungen der Zeit. Aristophanes stellt ihn als eine Art verrückten Professor dar und somit als Klischee, nicht als reale Person.
  • Das Stück warnt vor der Gefahr der Sophisten für die Demokratie: Wer sich, wie die Sophisten, keiner tieferen Wahrheit verpflichtet sieht und zudem die Götter und die alte Ordnung leugnet, der missbraucht die Redefreiheit der attischen Demokratie und schwächt so die politische Ordnung – eine Warnung an das im Krieg befindliche Athen.
  • Aristophanes thematisiert in Die Wolken den Generationenkonflikt: Wenn der Kern einer jeden Gesellschaft, die Familie, auseinanderbricht, wenn Söhne ihre Eltern prügeln, dann ist das letzte Tabu gebrochen. Der Kampf um die Zukunft der Gesellschaft entscheidet sich in jedem Privathaus.
  • Das Stück zeigt auch, dass der Individualismus den Gemeinsinn zerstört: Durch Egoismus und Eigennutz leidet der gesellschaftliche Zusammenhalt. Die attische Gemeinschaft, die im Mythos und im Kult gründet, bricht auseinander, wenn statt des vereinenden Mythos der trennende Logos regiert.
  • Nicht nur die Sophisten sind Ziel des Spotts, sondern auch der unreflektierte und daher ungefestigte Traditionalismus des Strepsiades, durch den dieser verführbar wird. Die Ideallösung liegt in der Mitte: ein argumentativ begründeter Konservativismus.

Historischer Hintergrund

Dionysien: die Geburt des Schauspiels

Der Kult des Dionysos, des jüngsten olympischen Gottes, des Herrschers über Wein, Rausch, Festlichkeit und Ekstase, war in der Antike vor allem in den ländlichen Gebieten Griechenlands sehr verbreitet. Auch in Athen selbst gab es zahlreiche Volksfeste zu Ehren des Dionysos, doch die wichtigsten Feiern fanden bis ins sechste Jahrhundert v. Chr. vor allem zu Ehren der Athene statt, der Schutzgöttin der Stadt.

Während der Alleinherrschaft des Peisistratos (etwa ab 561 v. Chr.), der aufgrund seiner Herkunft aus dem bergigen Umland von Athen ein großer Förderer des Dionysos-Kultes war, wurden die Festlichkeiten zu Ehren des Weingottes institutionalisiert: Die städtischen Dionysien, zu diesem Zeitpunkt vor allem eine Reihe von Singspielen, wurden unter Peisistratos massiv ausgebaut.

Der Dichter, Schauspieler und Regisseur Thespis, Beauftragter für die Ausrichtung der neuen, großen Dionysien, sorgte um 534 v. Chr. für eine richtungweisende Neuerung auf der Bühne: Bis dahin hatten die Chöre ihre Hymnen auf Dionysos gemeinsam vorgetragen. Durch Thespis hielt jedoch der Dithyrambos Einzug, ein Wechselgesang zwischen Chor und Vorsänger. Diese Einführung gilt als die Geburtsstunde des dialogischen Schauspiels. Von hier nahm die Entwicklung der Tragödie ihren Anfang, später kam die Komödie hinzu.

Ab 468 v. Chr. ist der Wettstreit der Komödiendichter bei den jährlichen Dionysien aktenkundig. Der Ablauf der Festlichkeiten war dabei stets gleich: Zwei Tage vor dem eigentlichen Start stellten alle Dichter ihre Tragödien und Komödien beim sogenannten Proagon vor. Der erste Tag der Dionysien verging unter anderem mit einem Wettstreit der Dithyrambenchöre. Am zweiten Tag stritten die Komödien um die Gunst des Publikums und der Richter. Es folgten die Tragödien. Im Umfeld der Schauspiele wurden zudem Würdenträger und Gefallene geehrt. Politiker übernahmen oft Produktion und Finanzierung, um sich damit die Sympathien des Wahlvolks zu sichern. Die Spiele waren also nicht nur ein künstlerischer Event, sondern auch ein politisches Ereignis.

Entstehung

Über die Entstehung von Die Wolken wie auch über die der anderen zehn erhaltenen Komödien von Aristophanes ist wenig bekannt. Dem Stück selbst ist zu entnehmen, dass der Autor es für seine bis dahin gelungenste Dichtung hielt.

Anders als in den vorherigen Komödien stellte Aristophanes in Die Wolken keinen Politiker ins Zentrum, sondern eine ganze Berufsgattung: die Sophisten. Diese gelehrten Wortverdreher, die alles vermeintlich sichere Wissen relativierten und bewährte Traditionen untergruben, waren für Aristophanes eine Bedrohung der Wertordnung. Wie viele seiner Zeitgenossen warf Aristophanes sämtliche Erneuerer in einen Topf. So wählte er sich mit Sokrates eine Hauptfigur, die tatsächlich nur wenig mit den Sophisten gemein hatte, sich aber als Klischee für die theatralische Umsetzung gut eignete. Ob Aristophanes seine unstatthafte Verallgemeinerung bewusst war, ist nicht überliefert.

Wirkungsgeschichte

Als Die Wolken 423 v. Chr. im Rahmen der jährlichen Dionysien zum ersten Mal aufgeführt wurde, fiel das Stück beim Publikum durch. Von den fünf zum Wettstreit angetretenen Stücken errang es nur den dritten Platz. Der erfolgsverwöhnte Aristophanes nahm diese Schmach zum Anlass, den Text noch einmal zu überarbeiten. Das heute erhaltene Stück ist die überarbeitete Version, die vermutlich in der Antike nie aufgeführt wurde. Dass Die Wolken dennoch bis heute eine der bekanntesten Komödien der Antike ist, liegt am Prozess gegen den historischen Sokrates, der im Jahr 399 v. Chr. mit dessen Todesurteil endete. Lange Zeit hat man in Aristophanes’ Komödie eine frühe Anklage gegen den vermeintlichen Gottesleugner und Jugendverderber Sokrates gesehen. Die überlieferten Reaktionen des Sokrates, der der Uraufführung gelassen beigewohnt haben soll, und seines Schülers Platon, der in seinem Symposion ein harmonisches Verhältnis zwischen Sokrates und Aristophanes zeichnet, widerlegen diese Theorie allerdings.

Zahlreiche Übersetzungen, beispielsweise von Christoph Martin Wieland und Johann Heinrich Voß ins Deutsche, hielten das sprachgewaltige, beißend sarkastische und überaus derbe Stück über die Jahrhunderte hinweg lebendig. Als Kritik an Wielands Aristophanes-Interpretation dichtete Jakob Michael Reinhold Lenz 1775 eine nicht erhaltene Komödie mit dem Titel Die Wolken. Der Dichter Moritz Rapp verfasste 1836 eine Komödie in „aristophanischer Form“ mit dem Titel Wolkenzug. Auch im 21. Jahrhundert ist Aristophanes’ Stück noch auf der Bühne präsent. Der kanadische Autor Andrew David Irvine adaptierte für sein Drama Socrates on Trial im Jahr 2007 Teile der Aristophanes-Komödie. Irvines Stück fand 2012 wiederum Eingang in die Oper The Trial of Socrates des Komponisten Andrew Hopper.

7. Über den Autor

Aristophanes wird um 450 v. Chr. geboren – ob in Athen oder auf der vorgelagerten Insel Ägina, auf der seine Familie über Grundbesitz verfügte, ist umstritten. Als freier Bürger des Athener Bezirks Kydathenai schreibt Aristophanes angeblich mehr als 40 Komödien. Die meisten dieser Stücke sind, wie seine erste Komödie Die Schmausbrüder (Thetalis, 427 v. Chr.), nur als Fragment oder aber gar nicht überliefert. Thema der erhaltenen elf Texte ist vor allem der geistige und moralische Umbruch der Gesellschaft in Athen während der Zeit des Peloponnesischen Krieges. Als Zeitgenosse von Sokrates und der Sophisten richtet Aristophanes seinen literarischen Spott vor allem auf Schwätzer, Gottesleugner und die unfähigen Politiker, die nach dem Tod des Perikles Athen regieren. Besonders Kleon, einer der ersten einflussreichen Politiker, die nicht aus einer angesehenen Familie stammen, wird Zielscheibe von Aristophanes’ Satiren. Bei den Dionysien, dem alljährlichen Komödien- und Tragödienwettbewerb in Athen, sorgt Aristophanes 426 v. Chr. mit seinem Siegerstück Die Babylonier (Babylonioi), in dem er Kleon und andere Politiker verhöhnt, für einen Skandal. In Die Ritter (Hippeis, 424 v. Chr.) spielt Aristophanes selbst den Kleon und handelt sich eine Klage ein, die aber ohne Folgen bleibt. Aufgrund seiner herausragenden sprachlichen und poetischen Fähigkeiten ist Aristophanes bereits zu Lebzeiten einer der berühmtesten und erfolgreichsten Komödiendichter Athens. Er verarbeitet und verspottet Werke seiner Kollegen und prägt Redensarten wie etwa „Wolkenkuckucksheim“ oder „Eulen nach Athen tragen“. Aristophanes stirbt, nachdem er rund 20 Jahre lang auch politischer Vertreter seines Stadtbezirks war, um 380 v. Chr. in Athen.

Über den Autor

Aristophanes wird um 450 v. Chr. geboren – ob in Athen oder auf der vorgelagerten Insel Ägina, auf der seine Familie über Grundbesitz verfügte, ist umstritten. Als freier Bürger des Athener Bezirks Kydathenai schreibt Aristophanes angeblich mehr als 40 Komödien. Die meisten dieser Stücke sind, wie seine erste Komödie Die Schmausbrüder (Thetalis, 427 v. Chr.), nur als Fragment oder aber gar nicht überliefert. Thema der erhaltenen elf Texte ist vor allem der geistige und moralische Umbruch der Gesellschaft in Athen während der Zeit des Peloponnesischen Krieges. Als Zeitgenosse von Sokrates und den Sophisten richtet Aristophanes seinen literarischen Spott vor allem auf Schwätzer, Gottesleugner und die unfähigen Politiker, die nach dem Tod des Perikles Athen regieren. Besonders Kleon, einer der ersten einflussreichen Politiker, die nicht aus einer angesehenen Familie stammen, wird Zielscheibe von Aristophanes’ Satiren. Bei den Dionysien, dem alljährlichen Komödien- und Tragödienwettbewerb in Athen, sorgt Aristophanes 426 v. Chr. mit seinem Siegerstück Die Babylonier (Babylonioi), in dem er Kleon und andere Politiker verhöhnt, für einen Skandal. In Die Ritter (Hippeis, 424 v. Chr.) spielt Aristophanes selbst den Kleon und handelt sich eine Klage ein, die aber ohne Folgen bleibt. Aufgrund seiner herausragenden sprachlichen und poetischen Fähigkeiten ist Aristophanes bereits zu Lebzeiten einer der berühmtesten und erfolgreichsten Komödiendichter Athens. Er verarbeitet und verspottet Werke seiner Kollegen und begleitet als Dichter kritisch die sozialen und politischen Umbrüche in seiner Zeit. Aristophanes stirbt, nachdem er rund 20 Jahre lang auch politischer Vertreter seines Stadtbezirks war, um 380 v. Chr. in Athen.

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