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Kalevala

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Kalevala

Das finnische Epos

Reclam,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Finnlands Nationalepos entführt den Leser in eine Welt voller Magie und Poesie.

Literatur­klassiker

  • Epos
  • Moderne

Worum es geht

Ein ungewöhnliches Epos

Als Elias Lönnrot sich nach seinem Literaturstudium 1828 auf den Weg nach Karelien machte, um dort jahrhundertealtes finnisches Liedgut zu erforschen, konnte er die ungeheure Wirkung seiner Arbeit unmöglich absehen. Sein Epos – in akribischer Arbeit und mit ungeheurem Enthusiasmus zusammengestellt – ist in seinem Einfluss auf die finnische Kultur kaum zu überschätzen. Es ist eine fantastische Vorzeit, die uns das Kalevala zeigt, in der Worte Macht bedeuten, in der sich die raue Natur demjenigen beugen muss, der die richtigen Verse kennt. Die Helden des Kalevala sind deswegen keine physisch starken Helden, auch zeichnen sie sich nicht durch Schönheit aus – es ist ihr Wissen, dass sie unbesiegbar macht. Und sie verzichten, wenn möglich, auf Gewalt. Statt die Gegner zu ermorden, werden diese in den Schlaf gesungen. Die vielschichtigen Helden, die starken Frauenfiguren und die tiefe Verbindung von Natur, Mensch und Magie machen den besonderen Reiz des Kalevala aus. Die kraftvollen, in ihrem Rhythmus für westliche Ohren so fremdartigen Verse, lassen die mythische Welt der finnischen Lieder lebendig werden und bieten bis heute ein besonderes Lesevergnügen.

Take-aways

  • Das Kalevala ist das finnische Nationalepos.
  • Inhalt: Der alte Sänger Väinämöinen, der Schmied Ilmarinen und der Frauenheld Lemminkäinen bestehen im vorzeitlichen Kalevala und im angrenzenden Pohjola fantastische Abenteuer: Sie werben mit wechselndem Erfolg um Töchter der Nordlandherrin und stehlen ihr den magischen Sampo, der ihrem Land Wohlstand bringt.
  • Das Kalevala beruht auf Tausenden teilweise jahrhundertealten finnischen Liedern, die Elias Lönnrot zu einem Gesamtwerk zusammengestellt hat.
  • In der heutigen Fassung wurde das Werk 1849 veröffentlicht.
  • Lönnrot unternahm elf Reisen, auf denen er sich von angesehenen Sängern entlegener Gegenden vorsingen ließ.
  • Die Liedkultur ist typisch für Karelien und die umgebenden Landstriche.
  • Der Übergang vom Lied zum Epos, der anderswo schrittweise erfolgte, wurde von Lönnrot künstlich herbeigeführt.
  • Auch wenn er genau genommen nicht der Autor des Werkes ist, gilt Lönnrot als der legitime Urheber des Kalevala.
  • Das Epos hat unzählige Maler, Dichter und Musiker beeinflusst und eine Blütezeit der finnischen Kultur ausgelöst.
  • Zitat: „Väinämöinen alt und wahrhaft lebte nun sein langes Leben / Auf den Weiden von Väinölä, Kalevalas kargen Fluren, / Sang beständig seine Lieder, sang und übte seine Künste.“

Zusammenfassung

Die Geburt des Urzeitsängers

Ilmatar, die Tochter der Lüfte, steigt herab ins Meer, um dort ihren Sohn zur Welt zu bringen. Während ihrer 700 Jahre währenden Schwangerschaft schafft sie Länder und Inseln. Schließlich erblickt Väinämöinen, der Urzeitsänger, das Licht der Welt. Das Land ist öde. Er macht es urbar, pflanzt hier Wälder und rodet dort andere, um Getreide anbauen zu können. Dafür ruft er den Gott Ukko an, den Herrn des Himmels, dass er Regen sende und die Pflanzen gedeihen lasse. Eines Tages fordert der junge Sänger Joukahainen Väinämöinen heraus, der ihm mit seiner Erfahrung und seinen alten Zaubersprüchen weit überlegen ist. Er straft den jungen Mann, indem er ihn halb in der Erde versinken lässt, sodass er sich nicht mehr befreien kann. Joukahainen bietet dem Älteren verschiedene Dinge an, doch erst das Versprechen, dass er Joukahainens Schwester Aino zur Frau haben solle, lässt Väinämöinen aufhorchen. Joukahainen kommt frei, doch muss er seiner Schwester nun die schlimme Nachricht überbringen. Die Mutter ist froh über die Verbindung, doch Aino würde lieber sterben, als die Frau von Väinämöinen zu werden. Wenig später ertrinkt sie beim Baden im Meer. Väinämöinen ist untröstlich. Er fährt hinaus aufs Meer und fängt einen Lachs. Als er diesen zerlegen will, stellt sich heraus, dass es Aino ist. Sie springt zurück in Wasser und ist verschwunden – er hat seine Chance, doch noch mit ihr zusammen zu sein, vertan.

Die Herstellung des Sampo

Väinämöinen macht sich auf die Suche nach einer neuen Braut und fährt ins Nordland. Joukahainen lauert ihm auf und erschießt sein Pferd, sodass Väinämöinen ins Wasser fällt. Er wird von einer Welle davongetragen und treibt eine Woche lang auf dem Meer, bis er von einem Adler gerettet und ins Nordland getragen wird. Dort findet ihn die Nordlandherrin Louhi und nimmt ihn bei sich auf. Sie bietet an, ihm den Weg nach Hause zu zeigen und ihm ihre Tochter zur Frau zu geben, wenn er einen Sampo, eine Zaubermühle, für sie schmiedet. Väinämöinen kann die Aufgabe nicht selbst erfüllen, will aber, sobald er in seine Heimat zurückgekehrt ist, den Schmied Ilmarinen ins Nordland schicken. Dieser soll auch die Tochter heiraten. Auf dem Weg nach Hause trifft Väinämöinen die Tochter, die von der Aussicht auf eine Ehe nicht viel hält. Ehefrauen seien nur bessere Sklavinnen, meint sie. Väinämöinens Einladung, mit ihm zu kommen, schlägt sie aus und stellt ihm stattdessen mehrere unerfüllbare Aufgaben. Er meistert die ersten, verletzt sich aber bei der letzten schwer mit einem Beil und kann sich selbst nicht heilen. Er findet einen alten Mann, der viele Zaubersprüche weiß, aber den Ursprung des Eisens nicht kennt. Väinämöinen berichtet, wie das Eisen entstand und wie der Schmied Ilmarinen geboren wurde. Mit diesem Wissen kann der Alte die Wunde schließen. Väinämöinen schickt Ilmarinen nach Norden, wo der Schmied herzlich empfangen wird. Er schmiedet den Sampo, doch Louhis Tochter will ihn nicht begleiten. So macht er sich ohne seine Braut auf den Weg zurück in die Heimat.

Lemminkäinens Abenteuer

Lemminkäinen ist ein bekannter Schürzenjäger. Nun hat er sich in den Kopf gesetzt, die hübsche Kyllikki zu heiraten, doch die lehnt alle Bewerber ab. Lemminkäinen entführt sie und bringt sie zu sich nach Hause. Sie stellt die Bedingung, dass er nicht mehr in den Krieg ziehen darf: Er nimmt ihr wiederum das Versprechen ab, dass sie nicht allein ins Dorf geht, um sich zu amüsieren. Als Kyllikki ihr Versprechen bricht, macht sich Lemminkäinen auf ins Nordland, um dort eine zweite Braut zu suchen. Im Nordland überwindet er mit seinen Zauberkünsten alle Krieger. Nur einen alten Mann verschont er. Dieser schwört Rache. Lemminkäinen fordert eine der Töchter der Herrin des Nordlandes. Die willigt ein, fordert ihn jedoch auf, zuvor mehrere Aufgaben zu erfüllen. Ihm gelingt es nach einigen Rückschlägen, einen Hirsch zu fangen und an den Hof zu bringen. Er zähmt auch einen wilden Wallach und macht sich dann auf, einen Schwan zu jagen. Dabei lauert ihm der alte Mann auf, den er zuvor verschont hatte, und erschießt ihn. Lemminkäinen fällt ins Wasser, wo er vom Sohn des Gottes Tuoni zerstückelt wird. Seine Mutter und seine Braut machen sich bald Sorgen um ihn. Die Mutter reist zu Louhi, um zu erfahren, was geschehen ist. Lemminkäinen sei auf seiner letzten Jagd verschollen, heißt es. Von der Sonne erfährt die Mutter schließlich vom Schicksal ihres Sohnes. Sie lässt sich vom Schmied Ilmarinen eine Harke anfertigen, mit der sie im Fluss nach den Überresten ihres Sohnes fischt. Als sie alle Teile beisammenhat, verbindet sie diese und mischt eine Salbe, die Lemminkäinen das Leben zurückgibt. Sie macht ihm schwere Vorwürfe, so leichtsinnig und überheblich gehandelt zu haben. Lemminkäinen will fortan dem Krieg abschwören.

Ein neues Boot

Väinämöinen baut sich ein neues Boot, doch um es fertigzustellen, fehlen ihm noch einige Zauberworte. Diese lassen sich nirgendwo anders finden als in der Totenwelt. Also macht er sich dorthin auf den Weg. Die Tochter Tuonis wirft ihm vor, dass er hergekommen sei, ohne krank oder schwach zu sein, und erklärt ihm, er dürfe das Land der Toten nicht wieder verlassen. Der Weg hinaus wird mit Netzen versperrt, aber Väinämöinen kann dennoch entkommen. Jetzt wünscht er, dass nie wieder jemand ohne Grund dorthin reise. Noch immer fehlen ihm Zauberworte. Väinämöinen hofft, dass der alte Vipunen ihm helfen kann, von dem die meisten annehmen, er sei längst tot. Väinämöinen findet ihn ganz von Sträuchern überwuchert und weckt ihn, um in seinen Mund und von da in seinen Körper zu kriechen. Vipunen will den Eindringling loswerden und bietet ihm darum die gesuchten Zauberworte an. Väinämöinen kriecht wieder aus Vipunens Körper hinaus, geht nach Hause und vollendet sein Boot.

Ilmarinens Hochzeit

Zurück in seiner Heimat beschließt Väinämöinen nach Norden zu fahren, um eine Braut heimzubringen. Als Ilmarinen davon erfährt, macht er sich ebenfalls auf den Weg – ihm wurde ja eine von Louhis Töchtern versprochen, und er will nicht, dass Väinämöinen ihm zuvorkommt. Der trifft im Nordland ein und baut dem umworbenen Mädchen ein Boot – die lässt sich aber nicht überzeugen und weist den alten Mann ab. Als Ilmarinen eintrifft, um die Tochter Louhis zu umwerben, werden ihm Aufgaben gestellt, die unlösbar scheinen. Louhis Tochter möchte aber gern die Frau des Schmiedes werden und gibt ihm darum Tipps. Väinämöinen gibt sich geschlagen und sieht ein, dass er sich früher um eine Braut hätte bemühen sollen. Die Hochzeit wird ein großes Fest mit einem Gelage, bei dem Väinämöinen für alle singt. Ein Ochse wird geschlachtet, Bier gebraut und das Volk eingeladen. Nur Lemminkäinen ist nicht erwünscht, weil er immer für Ärger sorgt.

„Mich verlangt in meinem Sinne, mich bewegen die Gedanken, / An das Singen mich zu machen, mich zum Sprechen anzuschicken, / Stammesweise anzustimmen, Sippensang nun anzuheben.“ (S. 5)

Nach der Hochzeit zögert die Braut – sie möchte ihre Heimat nicht verlassen. Eine alte Magd warnt sie, ihr schönes Leben werde vorbei sein, wenn sie erst bei den Schwiegereltern lebe, da diese sie wie eine Sklavin behandeln werden. Ein Kind widerspricht der alten Frau und verspricht der Braut, dass sie es bei ihrem Mann gut haben werde. Sie werde neue Sitten lernen müssen und sich nun selbst um einen Haushalt kümmern. Eine andere Frau, Osmotar, erzählt dem Mädchen von ihren eigenen Erfahrungen: Sie hat einen Mann geheiratet, der sie nicht liebte. Er schlug sie und nutzte sie aus. Osmotar floh schließlich zum Hof ihres Bruders, doch dort wies man sie ab, und nun lebt sie auf der Straße, ohne Familie. Nach dieser Geschichte wendet sich Osmotar an den Bräutigam und ermahnt ihn, nachsichtig und liebevoll mit seiner Frau umzugehen und ihr ein guter Ehemann zu sein. Daraufhin steigen die Frischvermählten in den Schlitten und fahren davon.

„Väinämöinen alt und wahrhaft lebte nun sein langes Leben / Auf den Weiden von Väinölä, Kalevalas kargen Fluren, / Sang beständig seine Lieder, sang und übte seine Künste.“ (S. 16)

Lemminkäinen hört den Lärm von Ilmarinens Hochzeitsfeier und ihm wird klar, dass man ihn nicht eingeladen hat. Er reist, gegen den Rat seiner Mutter, ins Nordland, um sich zu rächen. Unterwegs stößt er auf gefährliche Hindernisse, wie etwa einen mit Feuer gefüllten Graben, die er mit Zaubersprüchen überwindet. Er wird nur widerwillig empfangen. Gleich nach seiner Ankunft beginnt Lemminkäinen Streit mit dem Herrscher und dessen Sohn, den er anschließend im Kampf tötet. Die Anwesenden schwören Rache, und Lemminkäinen muss fliehen. Er folgt dem Rat seiner Mutter, sich auf einer entlegenen Insel zu verstecken. Dort bleibt er viele Jahre und beglückt die Inselbewohnerinnen – sehr zum Unmut der männlichen Bevölkerung. Als er in seine Heimat zurückkehrt, findet er sein Elternhaus zerstört. Lemminkäinen sinnt auf Rache. Die Nordlandherrin hält ihn auf, indem sie sein Boot einfriert. Lemminkäinen verbannt den Frost in den Norden, damit er dort Schaden anrichte. Schließlich sieht er die Sinnlosigkeit seines Tuns ein und kehrt nach Hause zurück.

Bruderzwist

Untamoinen und sein Bruder Kalervoinen geraten in Streit über Fischgründe. Untamoinen greift die Sippe des Bruders an und tötet alle bis auf dessen schwangere Frau. Die gebiert den kleinen Kullervo. Doch Untamoinen will das Kind loswerden. Kullervo überlebt indes jeden seiner Mordanschläge. Er bleibt als Knecht bei Untamoinen, erweist sich aber für die meisten Arbeiten als ungeeignet. Deswegen verkauft ihn sein Onkel an den Schmied Ilmarinen, für den er als Hirte arbeiten soll. Dessen Frau gibt ihm einmal schlechte Wegzehrung mit. Kullervo rächt sich, indem er Wölfe und Bären auf sie hetzt und sie vom Gott Ukko erschießen lässt. Kullervo flieht. Ilmarinen ist todunglücklich über den Tod seiner Frau. Auf seiner Flucht erfährt Kullervo, dass seine Eltern noch leben und dass er zwei Schwestern hat. Eine von diesen ist verschollen. Eines Tages trifft er auf einer Fahrt ein unbekanntes Mädchen und schläft mit ihr. Zu spät wird beiden klar, dass sie die vermisste Schwester ist. Das Mädchen springt vom Schlitten in den Tod. Auch Kullervo will nicht mehr leben, doch er schwört, vorher noch Untamoinen zur Rechenschaft zu ziehen. Er tötet seinen Onkel und dessen ganze Sippe und kehrt nach Hause zurück. Er sucht den Ort auf, wo er seine Schwester entehrt hat, und stürzt sich in sein Schwert.

Der Diebstahl des Sampo

Ilmarinen vermisst seine Frau derweil so sehr, dass er sich eine Braut aus Gold schmiedet, doch die kann eine lebendige Gattin nicht ersetzen. Auch sein Plan, sich im Norden eine weitere von Louhis Töchtern als Braut zu nehmen, scheitert. Deswegen willigt er gern ein, als Väinämöinen ihm vorschlägt, sie sollten zusammen den Sampo stehlen. Sie nehmen auch Lemminkäinen mit auf ihre Fahrt nach Norden. Unterwegs fangen sie einen großen Hecht, aus dessen Kopf sich Väinämöinen ein Saiteninstrument baut. Im Nordland stehen Louhis Krieger bereit, die drei aufzuhalten, doch Väinämöinen singt sie, auf seinem Instrument spielend, in den Schlaf. Die drei stehlen den Sampo und bringen ihn auf ihr Schiff. Als Louhi erwacht, ruft sie die Götter um Hilfe an und schickt Unwetter, um die Diebe aufzuhalten. Der Wind erfasst Väinämöinens Instrument und es geht im Meer verloren. Louhi nimmt derweil die Verfolgung auf: Sie verwandelt sich in einen Adler und will den Sampo an sich reißen. Doch Väinämöinen schlägt ihr die Krallen ab. Der Sampo fällt ins Meer und ist zerstört. Die Trümmer werden ans Ufer gespült und sorgen dort für fruchtbare Böden. Mit dem Sampo hat Louhi ihre Macht verloren.

Die Entführung von Sonne und Mond

Väinämöinen macht sich ein neues Instrument aus Holz und den Haaren einer Jungfrau. Als Louhi hört, wie gut es ihren Feinden dank der Trümmer des Sampo geht, erschafft sie, mit der Hilfe der Götter, mehrere Krankheiten und schickt die ihren Gegnern. Väinämöinen kann die Krankheiten mit Zaubersprüchen, Salben und der heilenden Wirkung der Sauna bekämpfen und verbannen. Als Nächstes schickt Louhi einen Bären gegen Väinämöinens Volk, doch auch der wird besiegt. Daraufhin entführt Louhi das Feuer, den Mond und die Sonne. Der Gott Ukko lässt einen Feuerfunken zur Erde fallen. Väinämöinen und Ilmarinen gehen ihn suchen. Der Funke wird von einem Fisch verschlungen. Um diesen zu fangen, lassen Väinämöinen und Ilmarinen ein riesiges Netz anfertigen. Der Plan geht auf, doch einmal befreit setzt der Funke ganze Wälder in Brand. Schließlich wird er gebändigt und wärmt die Menschen nun in ihren Häusern. Ilmarinen soll eine neue Sonne und einen neuen Mond schmieden, doch es gelingt ihm nicht. So zieht Väinämöinen nach Norden, um Sonne und Mond zu befreien. Louhi verwandelt sich in einen Vogel, um herauszufinden, was Ilmarinen vorhat. Der droht, einen Halsring für sie zu schmieden. Daraufhin gibt sie Sonne und Mond wieder frei.

Ein neuer Herrscher

Die Jungfrau Marjatta wird schwanger, nachdem sie eine besondere Beere gegessen hat. Niemand glaubt ihr, und man schickt sie in eine kleine Hütte, wo sie ihr Kind gebären soll. Väinämöinen rät dazu, den Knaben umzubringen. Das Kind jedoch macht ihm schwere Verwürfe und klagt ihn mehrerer Vergehen an. Daraufhin erklärt man das Kind zum König von Karelien. Väinämöinen verlässt das Land. Er wird zurückkehren, wenn er wieder gebraucht wird, und hinterlässt dem Volk sein Instrument.

Zum Text

Aufbau und Stil

In 50 Gesängen und fast 23 000 Versen schildert das finnische Nationalepos die Abenteuer von Väinämöinen, Lemminkäinen und Ilmarinen aus dem Land Kalevala, die in teils kriegerischer, teils freundschaftlicher Beziehung zum nördlichen Nachbarn Pohjola stehen. Elias Lönnrot hat die Lieder über die vorzeitlichen Helden gesammelt und in einheitliche Form gebracht. Die Verse sind allesamt in der Versform des vierhebigen Trochäus geschrieben. Häufig finden sich Wiederholungen und Variationen von bereits Gesagtem. Typisch für das Kalevala sind auch die zahlreichen Alliterationen und Parallelismen. Da Lönnrot Verse ganz unterschiedlicher Herkunft zusammenstellte, unterscheiden sich diese oft in Stil, Thema und auch Haltung – etwa gegenüber der Zaubermacht der Worte. Die zugrunde liegenden Lieder wurden meist von ein oder zwei Sängern bzw. von einem Chor zur Musik der Kantele vorgetragen, dem typisch finnischen Zupfinstrument, das auch im Kalevala eine zentrale Rolle spielt. Obwohl Lönnrot sein Werk zum Lesen verfasst hat, könnte es auch heute noch gesungen werden. Das ungewohnte Versmaß und die fremde Mythologie erfordern eine aufmerksame Lektüre, eröffnen dem deutschsprachigen Leser aber einen einzigartigen Zugang zur bunten finnischen Sagenwelt.

Interpretationsansätze

  • Das Kalevala ist das Gründungsepos der finnisch-karelischen Kultur. Es umfasst die kosmogonische Entstehungszeit und im Anschluss die archaische Vorzeit – mit den Abenteuern der Helden Väinämöinen, Lemminkäinen und Ilmarinen – bis zum Anbruch einer neuen Zeitrechnung. Überall in Europa entwickelte sich zu unterschiedlichen Zeitpunkten aus der älteren Form des Liedes die Gattung des Epos: in der griechischen Antike mit Homer, im Mittelalter zum Beispiel im deutschen Raum mit den Nibelungen. Elias Lönnrot holte diesen Schritt für Finnland künstlich nach, indem er die vorhandenen Lieder zu einem Epos verband.
  • Das Kalevala ist eine Mischung aus historischen Überlieferungen und mythischen Allegorien. So mögen die Auseinandersetzungen der Stämme auf tatsächliche Geschehnisse zurückgehen, vieles andere ist jedoch eher sinnbildlich zu lesen. Themen wie Inzest, Brudermord oder Reisen in die Unterwelt finden sich auch in den Mythen anderer Völker – von Ödipus bis zum ägyptischen Osiris-Mythos.
  • Die Parallelen zur Bibel sind unleugbar. So finden sich Ähnlichkeiten zwischen dem Gott Ukko und dem christlichen Gott. Eine klare Trennung zwischen christlichen und heidnischen Elementen ist kaum möglich.
  • Die magische Kraft des Wortes zieht sich als roter Faden durch das Kalevala. Die Akteure brauchen die richtigen Zaubersprüche, um sich in Tiere zu verwandeln, Gegenstände zu erschaffen oder die Götter anzurufen. Noch zu Lönnrots Zeit nutzten Sänger Zauberverse, um ihr Dorf vor böser Magie zu schützen. Hier lassen sich Parallelen zum Beispiel zu den Merseburger Zaubersprüchen aufzeigen.
  • Lönnrots Verdienst besteht in der einzigartigen Zusammenstellung und Verknüpfung des verstreuten Liedmaterials zu einem Gesamtwerk. Nahezu alle Verse des Epos wurden eins zu eins aus den überlieferten Liedern übernommen. Im Kalevala finden sich Hirten-, Jagd-, Hochzeitslieder, Klagen, magische Lieder usw. Nur 3 Prozent der Verse stammen aus Lönnrots eigener Feder.

Historischer Hintergrund

Finnlands Weg zur Unabhängigkeit

Finnland stand bis ins 18. Jahrhundert unter der Herrschaft fremder Mächte, zunächst Schwedens und später Russlands. 1808 griff das mit Frankreich alliierte Russland Schweden an, das mit Großbritannien verbündet war. Das Zarenreich gewann den Krieg und damit die Herrschaft über Finnland. Das neu gebildete Großfürstentum Finnland gehörte als relativ autonome Region zum Russischen Reich. Die unter schwedischer Herrschaft eingeführte Verfassung blieb erhalten. 1812 wurde die alte Hauptstadt Turku auf Geheiß des Zaren Alexander I. durch Helsinki abgelöst. In dieser Zeit begann sich, ausgehend von akademischen Kreisen, ein neues finnisches Nationalbewusstsein herauszubilden.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts führte Zar Alexander II. einige Reformen durch, was – im Zusammenspiel mit der beginnenden Industrialisierung – eine wirtschaftliche Blüte Finnlands zur Folge hatte. Diese Phase weitreichender Autonomie war jedoch nur von kurzer Dauer und wurde mit den Zentralisierungsbestrebungen Nikolaus II. gegen Ende des Jahrhunderts beendet. Der darauffolgende Konflikt fand seinen Höhepunkt 1904 im Mord am russischen Generalgouverneur und im Generalstreik von 1905. Nikolaus II. machte Zugeständnisse – unter anderem erhielten 1906 alle Finnen freies und gleiches Wahlrecht für das neue Parlament. Die vollständige Unabhängigkeit wurde Finnland jedoch erst 1917 im Zuge der russischen Februarrevolution zuteil. Die Ablösung von Russland führte zum Bürgerkrieg. 1919 beruhigte sich die Lage, und Finnland bekam eine eigene republikanische Verfassung.

Entstehung

Auf elf Reisen durch Karelien und andere Landstriche sammelte Elias Lönnrot altes Liedgut. Die Bewohner der stark bewaldeten, abgelegenen Gebiete waren oft Analphabeten und hatten sich ihre uralte Liedkultur mündlich bewahrt. Die ältesten solcher Lieder lassen sich auf das erste Jahrhundert n. Chr. datieren, jedoch sind auch Verse darunter, die erst einige Hundert Jahre vor Lönnrot entstanden. Die Namen der meisten Sänger und Sängerinnen sind heute nicht mehr bekannt. Sie waren angesehene Figuren im Dorfgefüge und galten bis in spätere Zeit als Menschen mit magischen Kenntnissen. Das Wissen um die Lieder wurde von Generation zu Generation weitergegeben, wobei nicht Wort für Wort auswendig gelernt wurde, sondern nur die Fabel und sich wiederholende, flexibel einsetzbare Verse übernommen wurden. Die Grenze zwischen Sänger und Dichter existierte nicht. Den wohl größten Einfluss auf das spätere Epos hatte der alte Sänger Arhippa Perttunen, dem Lönnrot 1834 begegnete.

Aus dem schier unermesslichen Liederfundus wählte Lönnrot aus, fügte zusammen, vereinheitlichte und variierte – immer mit dem Ziel, ein zusammenhängendes Epos zu schaffen. Im Vordergrund stand also nicht das Bestreben, möglichst originalgetreu zu arbeiten oder die literarisch besten Verse zu wählen. Den Liedern, die er verarbeitete, fehlte meist ein klares Zeitbewusstsein – Lönnrot schuf daher eigens für die Geschichten einen raumzeitlichen Rahmen, unter anderem indem er als Schauplätze Kalevala und Pohjola festlegte. Ähnlich ging er mit den Figuren vor, die oft aus mehreren anderen Figuren zusammengesetzt sind.

Wirkungsgeschichte

Lönnrot veröffentlichte die erste Version des Kalevala, die heute gemeinhin Ur-Kalevala genannt wird, nicht, da er mit dem Ergebnis noch nicht zufrieden war. 1835/36 erschien eine überarbeitete Ausgabe dieses Werkes, das Alte Kalevala, das er anschließend erneut erweiterte. Dieses neue Kalevala erschien 1849. Bis heute wurde das Werk in finnischer Sprache unzählige Male neu aufgelegt und in über 50 Sprachen übersetzt.

Das Kalevala traf die Finnen bei seinem Erscheinen voll ins Herz. Ein Volk, das gerade darum kämpfte, seine eigene Sprache zu behalten und eine Identifikationsmöglichkeit suchte, nahm das Angebot eines Nationalepos dankend an. Das Werk markiert den Beginn der Entwicklung des Finnischen als Literatursprache und beeinflusste maßgeblich nationale Bestrebungen, die in der Unabhängigkeit des Landes 1917 resultierten. Es steht am Anfang der Epoche der Nationalromantik und beeinflusste alle Gebiete der Kunst, auch über die Grenzen des Landes hinaus. Der britische Autor J. R. R. Tolkien etwa wurde durch das Kalevala inspiriert, ebenso der finnische Komponist Jean Sibelius. Bekannt sind auch die Illustrationen des Malers Akseli Gallen-Kallela und die freien Neuinterpretationen des Lyrikers Eino Leino. Zwischen 1890 und 1910 führte die Beschäftigung mit dem Kalevala zu einer kulturellen Blütezeit, die nach dem Ursprungsort der Kalevala-Lieder „Karelianismus“ genannt wird. Noch heute ist der Einfluss des Epos überall im finnischen Alltag spürbar – von Redewendungen über Markennamen bis hin zum Kalevala-Tag, der am 28. Februar gefeiert wird.

Über den Autor

Elias Lönnrot wird am 9. April 1802 als Sohn eines Schneiders in Sammatti im südlichen Finnland geboren. Obwohl die Familie sehr arm ist, ermöglicht sie Elias eine Schulbildung. Er schließt sein Literaturstudium 1827 ab und geht 1828, beschwingt von der romantisch-volkstümlichen Geistesströmung seiner Zeit, auf Reisen, um altes Liedmaterial zu sammeln. Seine Reisen sind mitunter sehr entbehrungsreich – Lönnrot legt zu Fuß, im Boot oder auf Skiern insgesamt 20 000 Kilometer zurück. Allein von der ersten seiner elf Reisen bringt er rund 6000 Verse mit. Daneben studiert er Medizin und praktiziert ab 1832 als Arzt in Helsinki. 1833 bringt ihn eine Stelle nach Nordfinnland – und damit näher an die Orte, wo er nach Liedgut suchen möchte. Nach Treffen mit berühmten Sängern entwickelt er die Idee, ein Epos zusammenzustellen. Im Herbst 1833 stellt er das sogenannte Ur-Kalevala fertig, das er in erweiterter Form 1835/36 und in erneuter Überarbeitung 1849 als Kalevala veröffentlicht. 1836/37 führt ihn eine einjährige Reise bis nach Lappland und Norwegen. In den 1830er-Jahren gibt Lönnrot die erste finnischsprachige Zeitschrift heraus, die aber ein finanzieller Misserfolg wird. 1840 erscheint seine Liedsammlung Kanteletar. Thematische Sammlungen zu Rätseln, Sprichwörtern und magischen Liedern folgen. Lönnrots Werke machen ihn schnell berühmt und er wird mehrfach ausgezeichnet. Er heiratet eine 20 Jahre jüngere Frau, mit der er fünf Kinder hat. Doch nur eins davon, eine Tochter, überlebt das Kindesalter. 1854 übernimmt er nach seiner Habilitation den Lehrstuhl für finnische Literatur in Helsinki. Auch im Ruhestand arbeitet Lönnrot unermüdlich weiter: 1880 erscheint sein Finnisch-schwedisches Wörterbuch. Elias Lönnrot stirbt am 19. März 1884 in seinem Heimatort Sammatti.

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