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Berlin Alexanderplatz

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Berlin Alexanderplatz

Die Geschichte vom Franz Biberkopf

Fischer Tb,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Franz Biberkopf, der Antiheld: Alfred Döblin schildert sein Scheitern und seine Rettung vor der elektrisierenden Kulisse der Großstadt Berlin.


Literatur­klassiker

  • Roman
  • Expressionismus

Worum es geht

Der deutsche Großstadtroman

Berlin Alexanderplatz (1929) war Alfred Döblins größter literarischer Erfolg. Dabei ist es weniger die Geschichte vom Knastbruder Franz Biberkopf, der nach seiner Haftzeit in die pulsierende Großstadt Berlin entlassen wird und dem von seinen Mitmenschen so übel mitgespielt wird, dass er am Ende in die Nervenheilanstalt eingewiesen werden muss, die den Roman so fesselnd macht. Es ist vielmehr Döblins einmalige Montagetechnik, die aus jeder Leseminute ein außerordentlich dichtes Erlebnis macht - und zugleich eine Lektüre, die nicht ohne Schwierigkeiten ist: Reklamesprüche, Lieder, Radiodurchsagen und all die verwirrenden Klänge rund um den "Alex" (Alexanderplatz) vermischen sich mit dem inneren Monolog des Antihelden. Bis er am Ende erlöst wird, muss Franz Biberkopf einige schwere Schicksalsschläge erdulden und in die tiefsten Abgründe hinabsteigen, um schließlich als neuer Mensch wiedergeboren zu werden. Erst die allegorische Figur des Todes zeigt Biberkopf, dass sein Leiden und Scheitern in seinem Selbstbehauptungswillen begründet liegen: Wer immer gleich die Fäuste reckt und den starken Mann markiert, muss erst zu Boden gehen, bevor er gerettet werden kann.

Take-aways

  • Berlin Alexanderplatz (1929) ist bis heute der wichtigste deutsche Großstadtroman.
  • Das Buch war Döblins größter literarischer Erfolg: Schnell waren 50 000 Exemplare verkauft, und bereits 1931 wurde das Buch erstmals verfilmt.
  • Erzählt wird die Geschichte des Ex-Sträflings, Proletariers, Kleinkriminellen und Zuhälters Franz Biberkopf.
  • Biberkopf, der im Zorn seine Freundin erschlagen hat, wird aus dem Gefängnis entlassen und schwört sich, ein ehrliches Leben zu führen.
  • Doch sobald er Berlin betritt, ist sein Gelöbnis bereits zum Scheitern verurteilt: Die Großstadt gibt ihm keine Chance.
  • Franz erleidet drei harte Schicksalsschläge, die ihn zerbrechen: Ein Freund betrügt ihn, ein Bandenmitglied verleitet ihn zum Verbrechen und macht ihn zum Krüppel, und schließlich wird seine Freundin ermordet und ihm die Tat angelastet.
  • Biberkopf wird in eine Nervenheilanstalt eingewiesen: Hier tritt der personifizierte Tod zu ihm und zeigt ihm seine Fehler auf.
  • Franz büßt für seine Sünden und wird nach einer symbolischen Wiedergeburt als freier Mann mit einer neuen Chance entlassen.
  • Döblin erfindet eine eigene Montagetechnik: Er vermengt Reklamesprüche, Zeitungsfetzen, Rundfunkansprachen, Lexikoneinträge, politische Parolen, Kinderlieder, mythische und biblische Zitate mit dem inneren Monolog seines Helden.
  • Diese Technik suggeriert ein atmosphärisch dichtes Gefühl der Gleichzeitigkeit der Ereignisse in der brodelnden Großstadt Berlin.
  • Döblins Roman wird darum gern mit zwei anderen modernen Großstadtromanen verglichen: James Joyces Ulysses und John Dos Passos’ Manhattan Transfer.
  • Während der Nazizeit wurde das Buch verboten, Döblin lebte in ärmlichen Verhältnissen im amerikanischen Exil.

Zusammenfassung

Die Strafe beginnt

Franz Biberkopf, ein großer, ungeschlachter Kerl, steht vor dem Tor des Gefängnisses in Berlin Tegel. Er kann es noch nicht recht fassen: Nach vier Jahren hinter Gittern betritt er die Großstadt Berlin wieder als freier Mann. Vor seiner Verhaftung war er als Zement- und Möbeltransportarbeiter tätig. Aus Eifersucht hatte er seiner damaligen Freundin Ida die Rippen zerschmettert. Kurz darauf erlag sie ihren Verletzungen. Der Richter befand: Totschlag. Jetzt, draußen in der quirligen Großstadt, findet sich Biberkopf nicht zurecht: Reklameplakate und Leuchtschilder verwirren ihn, Gesprächsfetzen und Straßenlärm vermischen sich mit seinen Gedanken: Wie gut hatte er es doch im Gefängnis, wo alles seine geregelte Ordnung hatte! Es scheint ihm, als würde die eigentliche Strafe erst jetzt beginnen: in der Freiheit. Franz geht ins Kino. Der freizügige Film bringt sein Blut in Wallung und er geht zu einer dicken Prostituierten. Doch nach vier Jahren scheint er eingerostet zu sein: Potenzprobleme. Unbefriedigt und unglücklich macht er sich davon und sucht den Ort seines damaligen Verbrechens auf.

Anständig bleiben

In der Wohnung von Ida trifft Franz deren Schwester Minna an. Der Geruch Idas klebt an ihr und Franz kann sich nicht beherrschen: Er vergewaltigt sie, es scheint aber nicht, als ob ihr das besonders viel ausmachen würde. Endlich kann er sein männliches Selbstwertgefühl wieder herstellen. Fröhlich kommt er mehrere Tage hintereinander zu Minna, sorgt sich um ihr blaues Auge (das er ihr verpasst hat) und bringt ihr neue Schürzen mit (weil er ihre zerrissen hat). Franz schwört feierlich: Keine krummen Sachen mehr! Voll eingetaucht in das Leben der Großstadt sucht sich Franz eine ehrliche Arbeit: Als Straßenhändler für Textilwaren versucht er sein Glück. Nachdem er kurz darüber nachdenkt, pornographische Zeitungen zu verkaufen, kommen stattdessen nationalistische und antisemitische Zeitungen in seinen Bauchladen. Seine alten Freunde aus kommunistischen Tagen nehmen ihm das beim Kneipenbesuch übel. Franz ist für „Ordnung“, hat aber nichts gegen die Juden. Er vergnügt sich mit der polnischen Lina beim Tanzen – für Franz Biberkopf wie das Paradies.

Gestern noch auf stolzen Rossen, heute in die Brust geschossen

Die Schlange kriecht in Franz Biberkopfs Paradies: in der Gestalt des Otto Lüders, der Linas Onkel ist. Zusammen mit ihm verlegt sich Franz auf den Straßenhandel mit Schnürsenkeln. Eines Tages macht er ein Bombengeschäft: Er erweist einer Witwe, der er Schnürsenkel verkaufen will, in ihrer Wohnung einen Liebesdienst. Die Dame zeigt sich erkenntlich und spendiert ihm 20 Mark. Überglücklich stürmt Franz, jetzt so recht von „ehrlicher Arbeit“ überzeugt, in die Kneipe und berichtet Otto von seinem Geschäft. Der jedoch nutzt diese Information, um der Dame selbst seine Aufwartung zu machen: Er verschafft sich Zutritt zur Wohnung und bestiehlt die wehrlose Witwe. Franz ist erschüttert: Wie kann so etwas nur möglich sein? Der Ehrliche ist der Dumme, denkt Biberkopf und taucht enttäuscht unter. Lina mobilisiert Biberkopfs Freund Meck: Gemeinsam nehmen Sie Lüders in die Mangel. Aber Franz bleibt verschollen.

Es geht dem Menschen wie dem Vieh

In seiner neuen Bleibe gibt sich Franz der Lethargie hin: Er säuft und gammelt den ganzen Tag in seiner Bude herum. Franz hat jede Selbstachtung verloren. Es geht ihm wie dem großen weißen Stier, der im Berliner Schlachthof seinen Todesschlag erhält. Das Tier wird in den Verschlag getrieben und senkt den Kopf, so als würde es das nun Folgende als Befreiung erleben. Dann kommt der Schlächter und versetzt dem edlen, kräftigen Tier einen donnernden Schlag auf den Hinterkopf. Der Stier sinkt zu Boden und der Mann mit dem Messer erscheint. Er sucht den Hals nach der Hauptschlagader ab. Vorsichtig setzt er zum Schnitt an und das dunkelrote, frische, dampfende Blut ergießt sich in die bereitgestellte Schale.

„Er stand vor dem Tor des Tegeler Gefängnisses und war frei.“ (S. 13)

Franz Biberkopf versumpft für zwei Monate. Schließlich geht er doch wieder auf die Straße. Er besucht Minna, die er jedoch nicht antrifft. Ihr Mann Karl wirft den Ex-Zuchthäusler vor die Tür, aber Franz beherrscht sich: Obwohl es in seinem Inneren brodelt, wird er nicht handgreiflich. Jetzt fühlt er sich wieder stark.

Frauentausch

Während auf dem Alexanderplatz die Dampframme Schächte für die Untergrundbahn in den Erdboden hämmert und es aus dem Reichstag nur Krisenmeldungen gibt, sitzt Franz Biberkopf kreuzfidel mit seinem alten Freund Meck in einer Kneipe in der Prenzlauer Straße. Hier lernt er den gelblich aussehenden, hageren Reinhold kennen. Dieser stottert in einem fort und bittet den verdutzten Franz, ihm seine Freundin Fränze „abzunehmen“. Er ist ihrer überdrüssig, aber sie kapiert es nicht. Franz geht darauf ein: Und prompt verknallt sich Reinholds Flamme in den starken Biberkopf. Alle sind glücklich? Denkste: Einen Monat später will Reinhold Franz auch seine neue Freundin Cilly unterjubeln. Jetzt wird dieser misstrauisch. Was soll er denn mit zwei Bräuten anfangen? Trotzdem lässt sich Franz auf das Spielchen ein. Einen Monat später geht es wieder von vorne los: Diesmal winkt Franz ab. Reinhold ist verstimmt.

Krumme Geschäfte mit Obsthändlern

Um die Osterzeit treffen sich Franz und Meck wieder in der Prenzlauer Kneipe. Hier lernt er Pums kennen, der angeblich mit Obst handelt und Franz anbietet, bei ihm und seinen Kumpels mitzumachen. Davon hält Franz zunächst wenig. Am darauf folgenden Sonntag bietet ihm Pums fünf Mark für die Mithilfe bei einer Obstaktion, bei der auch Reinhold anwesend ist. Dieser wirkt völlig verändert: Anstatt gelangweilt, traurig und stotternd herumzusitzen, übernimmt er mit großem Selbstbewusstsein das Kommando. Was Franz erst viel zu spät bemerkt: Die „Obstaktion“ ist ein Raubzug, bei dem er Schmiere stehen muss, während die anderen ein Stofflager ausräumen. Zitternd steht er im Hausflur und denkt sich: „Ich will das alles nicht. Ich will doch ehrlich bleiben.“ Als alle wieder im Wagen sind, geht eine wilde Verfolgungsjagd los. Franz lächelt. Das gefällt Reinhold überhaupt nicht: In einer Blitzaktion verpassen er und seine Leute Biberkopf einen Schlag und werfen ihn aus dem fahrenden Auto. Franz stürzt auf die Straße und der Verfolgerwagen donnert über ihn hinweg.

Das Ende der Ehrlichkeit

Biberkopfs ehemaliger Mithäftling Herbert Wischow kümmert sich um den Schwerverletzten: Er bringt ihn ins Magdeburger Krankenhaus, wo Franz der rechte Arm amputiert werden muss. In der Folgezeit kümmern sich Wischow und seine außerordentlich hübsche Frau Eva um Franz. Der verweigert jede Auskunft über den Unfallhergang. Schließlich bekommen die beiden doch heraus, dass er für die Pums-Bande gearbeitet hat. Reinhold hält Franz für keine Gefahr, obwohl er gegenüber seinen Freunden verlauten lässt, dass man ihn ebenso gut auch ganz totschlagen könnte. Doch dafür will sich keiner hergeben. Sie sammeln sogar für ihn. Schließlich geht es Franz wieder besser. Er ist entschlossen, nun für sich selbst zu sorgen. Die Großstadt Berlin lockt ihn wie die große Hure Babylon. Wohlfahrt und Fürsorge stellen Franz nicht zufrieden: Von Almosen will er nicht leben. Also ist es mit der Ehrlichkeit rasch vorbei: Seine dritte Eroberung Berlins lässt sich Franz von niemandem mehr verleiden. Als Hehler und Schieber bringt er es zu einigem Ansehen. Seine neue Flamme, die ihm von Eva zugeführt wird, heißt Mieze. Von ihren Eltern vor die Tür gesetzt, noch nicht volljährig, geht sie auf den Strich und sorgt so ebenfalls für Franz’ Lebensunterhalt. Unversehens ist er ein Zuhälter geworden.

Politik ist nichts für Franz Biberkopf

Eigentlich ist Franz ganz zufrieden mit seinem neuen Leben: Er hat genug Geld, kann sich manches leisten und hat eine schicke Mieze im Bett. Aber auf einer politischen Veranstaltung von Anarchisten und Kommunisten gerät er mit einigen Teilnehmern aneinander: Auf die Frage nach seiner Arbeit gibt er offen zu, dass er ein Zuhälter sei und deswegen das kapitalistische System bekämpfe. Die Arbeiter erschrecken und beschimpfen ihn als Abschaum. Diese Verunglimpfung nimmt Franz arg mit. Politik, das sagt er sich, ist nichts für ihn. Er braucht etwas, um sein Selbstwertgefühl wieder aufzubauen. Trotz der schlechten Erfahrungen sucht er Reinhold wieder auf. Der Fiesling erschrickt zunächst, aber weil er schnell merkt, dass ihm von Franz keine Gefahr droht, macht er sich über ihn lustig und beschimpft ihn als Krüppel. Franz ist standhaft und beißt die Zähne zusammen. Da kommt Reinhold auf eine perfide Idee: Weil er Biberkopf vollends zerbrechen will, plant er ihm seine Freundin Mieze wegzunehmen, von der Franz in seiner Gegenwart schwärmt.

Ein Spanner rettet Mieze das Leben …

Wieder voll in die Pums-Bande integriert, nimmt Franz tatkräftig an einigen Einbrüchen teil. Herbert und Eva machen sich Sorgen um ihn und auch Mieze hat ein ungutes Gefühl bei der Sache. Sie ahnt, dass es Franz nicht um das erbeutete Geld geht, sondern um die Bestätigung, dass er kein Krüppel ist und noch zu etwas taugt. Reinhold will Biberkopfs Mieze endlich einmal sehen. Das kommt Franz gerade recht: Sichtlich stolz führt er Reinhold zu sich in die Wohnung und versteckt ihn hinter dem Bettvorhang. Von hier aus könne er sich selbst ein Bild davon machen, wie er mit seiner Freundin „umgeht“. Der Plan scheint aufzugehen: Mieze kommt zur Tür herein und Franz umgarnt sie. Doch da erklärt sie ihm ängstlich, dass sie sich in einen anderen verguckt hat. Biberkopf rastet aus: Er schlägt Mieze und stolpert zum Bett. Reinhold hat er schon fast wieder vergessen und lupft das Bettlaken. Als Mieze Reinhold zu Gesicht bekommt, fängt sie laut an zu kreischen. Franz wirft sich auf sie. Bevor er ihr jedoch etwas antun kann, tritt Reinhold dazwischen und verhindert das Schlimmste.

… und nimmt es ihr sogleich wieder

Natürlich verzeiht Mieze ihrem Franz. Sie möchte aber zu gerne herausbekommen, was er bei der Pums-Bande so treibt. Sie trifft sich mit Reinhold in Freienwalde. Beim Spazierengehen versucht er sie mit Gewalt zu verführen und spottet über Franz. Mieze wehrt sich. Um seine Dominanz voll auszuspielen, eröffnet Reinhold ihr, dass er den rechten Arm ihres Freundes auf dem Gewissen hat. Als Mieze ihn des versuchten Mordes bezichtigt und anfängt, um Hilfe zu rufen, erwürgt Reinhold sie. Eines seiner Bandenmitglieder stiftet er dazu an, ihm beim Vergraben der Leiche zu helfen. Doch wie das so bei Gangstern ist: Eben dieses Bandenmitglied fühlt sich wenig später schlecht behandelt und verpfeift Reinhold bei der Polizei. Reinhold wird zum Verhör gebracht und bezichtigt Franz Biberkopf der Tat. Der kann jedoch rechtzeitig fliehen und verschanzt sich in einem Gartenhäuschen in Wilmersdorf. Franz vermisst Mieze, denkt jedoch, dass sie ihn verlassen hat. Eva ist da schon skeptischer und vermutet ein Unglück. Noch dazu ist sie von Franz schwanger. Eva ist es auch, die Franz das Titelblatt der Zeitung zeigt, auf dem er als gesuchter Mörder von Mieze abgebildet ist. Franz kann es nicht fassen: Seine Freundin umgebracht! Und er soll der Mörder sein!

Der Tod und ein neues Leben

Franz ist schwer angeschlagen, aber der Rachedurst treibt ihn zu Reinholds Haus. Er findet seinen Erzfeind nicht und steckt das Haus an. In den kommenden Tagen geht er, obwohl er polizeilich gesucht wird, immer wieder in die Kneipen am Alexanderplatz. Eine Armprothese soll sein auffälligstes Erkennungsmerkmal vertuschen. Doch schließlich gerät Biberkopf in eine Großrazzia der Polizei. In seiner Panik schießt er einen Polizisten an und wird in Gewahrsam genommen. Der wahre Mörder von Mieze wird ebenfalls verhaftet: Reinhold wird wegen eines Raubüberfalls festgesetzt. Im Gefängnis kommt heraus, dass er der gesuchte Mörder ist.

„Dann heißt es: bist entlassen und wieder rin, mang in den Dreck, und das ist noch derselbe Dreck wie vorher.“ (S. 30)

Franz fällt in eine tiefe Depression und wird vom Gefängnisarzt für verrückt erklärt. In der Irrenanstalt muss er zwangsernährt werden, weil er jede Nahrung und Kommunikation ablehnt. Die Ärzte wissen nicht, was sie mit ihm machen sollen. Da erscheint der Tod persönlich und spricht zu Franz: Er habe ihn schon mehrmals bei jedem seiner drei großen Schicksalsschläge angesprochen, aber er, Franz, wollte immer nur stark sein, habe nichts dazugelernt, sei zum Spielball seiner Ichsucht geworden. Er habe auch den Tod von Mieze zu verantworten, weil er mit ihr vor Reinhold angeben wollte. Der Tod malträtiert Franz zwei Nächte lang und am Ende dieser Bußezeit kann Franz unter Tränen seine Schuld bekennen und als neuer Mensch wiedergeboren werden. Der Tod jagt die Hure Babylon davon und verschwindet dann selbst. Franz Biberkopf wird entlassen, vom Mord an Mieze freigesprochen und tritt eine Stelle als Hilfsportier in einer Fabrik an.

Zum Text

Aufbau und Stil

Alfred Döblin hat seinen Roman in neun Bücher unterteilt. Ungefähr nach jedem Drittel des Romans findet einer der drei Schicksalsschläge statt, die Franz Biberkopf ereilen. Im neunten Buch erfolgen dann Biberkopfs Buße, sein symbolischer Tod und die Rückkehr ins Leben. Döblins Stil ist einzigartig, eine Art Montage: Unterschiedliche Textmaterialien unterbrechen dauernd die eigentliche Handlung: Reklamesprüche, Zeitungsfetzen, Rundfunkansprachen, Gerede, Gemurmel, Einträge aus Medizinlexika, politische Parolen, Kinderlieder, mythische und biblische Zitate wechseln sich ab mit dem inneren Monolog des Helden. Nichts wird fein säuberlich getrennt, sondern alles miteinander zu einem Ganzen verschlungen, welches das Gefühl der Gleichzeitigkeit erzeugt. Franz, der Erzähler und andere Sprecher (z. B. der Tod) treten in einen munteren Dialog miteinander – oftmals grammatisch nicht korrekt, im Berliner Dialekt. Der allwissende Erzähler spricht den Leser häufig direkt an, kommentiert Franz’ moralische Entwicklung und leitet jedes Buch mit einer kurzen Ankündigung der Ereignisse ein.

Interpretationsansätze

  • Titel und Untertitel zeigen es: Dies ist der Roman einer Stadt bzw. eines Stadtteils (Berlin Alexanderplatz) und gleichzeitig die individuelle Geschichte eines Menschen(Die Geschichte vom Franz Biberkopf).
  • Der Alexanderplatz ist das Symbol für das moderne Leben: Baustellenlärm, Verkehrschaos, Menschengewimmel und Reizüberflutung stehen stellvertretend für die größeren Umwälzungen in Gesellschaft, Politik und Kultur während der Weimarer Republik.
  • Exkurse wie die detaillierte Beschreibung des Berliner Schlachthofes haben einen symbolischen Bezug zu Franz Biberkopf: Sie drücken seine geistige und körperliche Verfassung aus. Der Schlachthof skizziert die rohe, gewalttätige Welt, in der Biberkopf als weißer Stier den Schlag erhält.
  • Biblische Zitate sind über den gesamten Roman verteilt. Leitmotivisch taucht die Geschichte von Hiob auf, der vom Satan zugrunde gerichtet wird und den wegen seines Hochmuts keine Hilfe erreichen kann. In dieser Situation befindet sich auch Döblins Antiheld.
  • Zwei wichtige allegorische Figuren kommen im Roman vor: Die große Hure Babylon (eine biblische Figur) symbolisiert die dekadente Lebensfreude, die Sünde und das Laster. Döblin verknüpft sie mit der Großstadt Berlin und dem Sumpf aus Prostitution, Verbrechertum und Betrug, in dem sich Franz Biberkopf aalt: Der Moloch Großstadt verführt zum lasterhaften Leben. Daneben spielt der Tod eine wichtige Rolle: Im neunten Buch sucht er Biberkopf heim, schwingt seine Sense und führt ihm seine Fehler vor Augen. Der Tod ist es letztlich, der in Biberkopf die rettende Umkehr bewirkt.
  • Döblins Großstadtroman nimmt Anleihen bei James Joyces Ulysses (1922), dessen Stream-of-Consciousness-Technik in der etwas abgemilderten Form des inneren Monologs auch in Berlin Alexanderplatz vorkommt. Anders als Joyce konzentriert sich Döblin jedoch überwiegend auf seine Hauptfigur. Auch John Dos Passos’ Roman Manhattan Transfer (1925) zeigt Ähnlichkeiten zu Döblins Roman.

Historischer Hintergrund

Expressionismus und Naturalismus

Alfred Döblin und sein Werk werden dem Expressionismus (bzw. der Berliner Moderne) zugeordnet: Dabei handelt es sich um einen Sammelbegriff für innovative Literaturströmungen in der Zeit etwa zwischen 1910 und 1925. Anders als den Naturalisten ging es den Expressionisten nicht um die exakte Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern um eine radikal andere Darstellungsweise, die sich z. B. in Collage- und Montagetechniken niederschlug. Der Expressionismus war zumeist antinationalistisch und antibürgerlich, setzte in den Mittelpunkt der Dichtung das Individuum, das in eine existenzielle Krise gerät. Unbewusstes und Triebhaftes rückte in den Vordergrund. Hieraus konnte sich später der Surrealismus entwickeln.

Der Großstadtroman bot schon dem Naturalismus die Möglichkeit, die Vereinsamung des Menschen darzustellen, seine soziale Verelendung. Für die Expressionisten wurde die Stadt zum Moloch, zum Krebsgeschwür, zum Tummelplatz der Entmenschlichten.

Döblin arbeitete seit 1910 bei der revolutionären Kunstzeitschrift Der Sturm mit, die sich für die Avantgarde in Kunst und Literatur stark machte: Dadaismus, Kubismus, Expressionismus und Futurismus waren die Themen, die Döblin beschäftigten. Aus diesen Zutaten entwickelte er seine eigene Mischung, die er selbst als „Döblinismus“ bezeichnete. Dazu gehörte der Explosions- oder Kinostil, wie er sich in Berlin Alexanderplatz findet: schnelle Schnitte, grelle Bilder, rasantes Tempo. Obwohl Döblins Roman während der sozial und politisch instabilen Zeit der Weimarer Republik spielt, steht die Politik weit im Hintergrund: Biberkopf verkauft zwar Nazizeitungen und geht zu kommunistischen Kundgebungen, mit beidem kann er sich aber nicht so recht anfreunden.

Entstehung

Alfred Döblin begann vermutlich im Oktober 1927 damit, an Berlin Alexanderplatz zu schreiben. Eine Inspirationsquelle mag der am 23. September 1927 uraufgeführte Stummfilm Berlin – Sinfonie einer Großstadt gewesen sein, der sich, wie Döblins Roman, einer experimentellen Schnitttechnik bediente. Im April des folgenden Jahres kündigte Döblin seinen Roman erstmals an und veröffentlichte auch gleich einige Textauszüge. Im Frühjahr 1929 lag der Roman fertig vor und wurde ab dem 8. September in der Frankfurter Zeitung als 29-teiliger Vorabdruck veröffentlicht. Im Oktober kam das Buch mit einer Auflage von 10 000 Stück in den Handel. Der Untertitel Die Geschichte vom Franz Biberkopf geht auf eine Empfehlung von Döblins Verleger zurück.

Wirkungsgeschichte

Berlin Alexanderplatz markierte für Döblin den größten literarischen Erfolg. Nach der Erstveröffentlichung im Feuilleton verkaufte sich das Buch bis 1930 ganze 20 000 Mal. Es sollten noch weitere 30 000 Exemplare folgen, bis die Nationalsozialisten das Buch 1933 als „entartete Kunst“ brandmarkten und es auf den öffentlichen Bücherverbrennungen den Flammen übergaben. Bereits 1930 waren jedoch schon Übersetzungen erschienen, die Döblin auch im Ausland bekannt machten. Eine Hörspielfassung wurde zwar 1930 erstellt, konnte jedoch erst im September 1963 gesendet werden. Anders erging es der Filmfassung von Philipp Jutzi mit dem Publikumsliebling Heinrich George in der Hauptrolle: Der Film trug zum Erfolg des Romans erheblich bei. Die Fernsehverfilmung von Rainer Werner Fassbinder (1980), die dem Roman technisch wie inhaltlich besser gerecht wird, war ebenfalls erfolgreich.

Obwohl sich einige Kritiker negativ über den Montagestil ausließen, gab es unter den Literaten und Schriftstellern viele Fürsprecher des Romans. Zu den prominentesten Freunden zählte der Philosoph und Kritiker Walter Benjamin, der Döblins Experiment als „Ausweg aus der Krisis des Romans“ lobte. Thomas Mann ehrte den Roman überschwänglich mit den Worten: „Ich bekenne, dass ich in Bewunderung stehe vor diesem großartig gelungenen Versuch, die proletarische Wirklichkeit unserer Zeit in die Sphäre des Epischen zu erheben.“ Der Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki schrieb über Döblins Großstadtroman: „Wenn wir ein Werk finden wollen, das alle Richtungen der Weimarer Republik vereint, in dem sehr viel Neue Sachlichkeit drin ist und viel Expressionismus und noch Naturalismus, ein globales, universales Werk der Weimarer Republik, dann ist wohl ein einziges zu nennen: Döblins Roman Berlin Alexanderplatz.“

Über den Autor

Alfred Döblin wird am 10. August 1878 in Stettin geboren. Finanzielle Schwierigkeiten und der Ausbruch des Vaters aus Ehe und Familie prägen den Sohn eines jüdischen Kaufmanns. 1888 zieht die Familie nach Berlin, wo Alfred mit 22 Jahren ein Medizinstudium aufnimmt. 1905 beendet er seine Ausbildung als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie. Seine Einblicke in das menschliche Seelenleben sind Döblin bei seinen späteren Werken sehr nützlich. Er freundet sich mit den Literaten der Berliner Moderne an und beginnt seine schriftstellerische Arbeit parallel zu seiner Tätigkeit als Nervenarzt. Den Expressionismus-Kreis bereichert Döblin mit seiner Mitarbeit bei der kunstrevolutionären Literaturzeitschrift Der Sturm. Mit der Erzählsammlung Die Ermordung einer Butterblume (1913) schlägt sich Döblin endgültig auf die Seite des Expressionismus. Der Roman Die drei Sprünge des Wang-Lun (1915) widmet sich der Philosophie des Taoismus. Nach dem indischen Epos Manas (1927) gelingt ihm mit Berlin Alexanderplatz (1929) der große Durchbruch. Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme flüchtet Döblin 1933 nach Frankreich und 1940 in die USA. Dort gelingt es ihm nicht, sich aus seiner sozialen und monetären Isolation zu befreien. In diese Zeit fällt auch seine Konversion zum Katholizismus, die in jüdischen Kreisen auf Unverständnis stößt. Seine Zeit im Exil schildert Döblin in seinem Bericht Schicksalsreise (1949). 1945 kehrt er nach Deutschland zurück. Sein Werk findet jedoch beim sich regenerierenden deutschen Literaturbetrieb kaum Beachtung. So zieht sich Döblin 1953 enttäuscht nach Paris zurück. Erst der Roman Hamlet oder die lange Nacht nimmt ein Ende (1956) wird wieder ein beachtlicher Erfolg. Alfred Döblin stirbt am 26. Juni 1957.

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