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Die Leiden des jungen Werther

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Die Leiden des jungen Werther

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Durch den "Werther" wurde Goethe berühmt: Der Liebesroman mit dem tragischen Ende war eine literarische Sensation.


Literatur­klassiker

  • Briefroman
  • Empfindsamkeit

Worum es geht

Der erste moderne Liebesroman

In nur wenigen Wochen geschrieben, erschien im Frühjahr 1774 Goethes erster Roman, der gleich zum Sensationserfolg wurde. Die Leiden des jungen Werther war schon damals ein Buch, das man guten Gewissens als Bestseller bezeichnen kann. Goethe traf damit den Nerv der Zeit, sodass innerhalb kürzester Zeit mehrere Auflagen erschienen. Die Leser empfanden Mitgefühl für den unglücklich verliebten Werther, dessen Leidenschaft ihn zugleich liebens- und bedauernswert macht. Gleichzeitig konnte der Briefroman auch als Anklage an die Standesgesellschaft gelesen werden, die den individuellen Nöten und Bedürfnissen des Einzelnen keinen Raum gestattete. Die Urkraft der Worte, mit der Werther die Liebe zu einer unerreichbaren Frau schildert, hat bis heute nichts von ihrer beeindruckenden Stärke verloren. Werther entwickelte sich zur Initialzündung des Sturm und Drang, einer kraftvollen literarischen Gegenbewegung zur vernunftorientierten Aufklärung.

Take-aways

  • Goethes Werther kann als der erste moderne deutsche Roman bezeichnet werden.
  • Er ist in Form von Briefen verfasst, die Werther an seinen Freund Wilhelm schreibt.
  • Werther ist ein Unangepasster, der nur aus seinen Gefühlen heraus lebt und mit gesellschaftlichen Konventionen Schwierigkeiten hat.
  • Auf einem Ball verliebt er sich in Lotte, die bereits einem anderen Mann versprochen ist.
  • Solange ihr Verlobter fort ist, besucht Werther Lotte fast täglich.
  • Werthers Liebe wird zum Problem, als ihr zukünftiger Mann Albert zurückkehrt. In einem Streitgespräch mit ihm verteidigt Werther das Recht des Menschen auf Selbstmord.
  • Werther versteht die Unmöglichkeit seiner Liebe und verlässt Lotte, kehrt jedoch bald wieder zu ihr zurück.
  • Schließlich sieht er keinen Ausweg mehr und erschießt sich mit Alberts Pistole.
  • Die Handlung beruht auf Ereignissen, die Goethe selbst erlebt hat.
  • Das Buch vereinigt Motive zweier literarischer Strömungen: der Empfindsamkeit und des Sturm und Drang. Beide richteten sich gegen die Rationalität der Aufklärung.
  • Der Roman wurde als Rechtfertigung des nur aus seinen Gefühlen handelnden Menschen gelesen, aber auch als Anklage gegen die damalige rigide Standesgesellschaft. Der Erfolg war sensationell; einige Zeitgenossen wurden sogar zum Selbstmord im "Werther-Stil" angeregt.
  • Goethes steile Karriere als Dichter und späterer Geheimrat in Weimar nahm mit dem Werther ihren Anfang. Das Werk war auch literarisch einflussreich: Am bekanntesten ist die Neufassung Die neuen Leiden des jungen W. von Ulrich Plenzdorf (1968/69).

Zusammenfassung

Die Leiden des jungen Werther

Der junge, etwa 20-jährige Werther schreibt an seinen Vertrauten Wilhelm, um ihm von einer Reise in die Heimatstadt seiner Tante zu berichten. Dort kümmert sich Werther um eine Erbschaftsangelegenheit und versucht die Streitigkeiten zwischen seiner Mutter und der Tante zu schlichten. Die Luftveränderung kommt ihm ganz recht, denn überdies flüchtet er vor der Liebe eines Mädchens, dessen Gefühle er nicht erwidern kann. Die Gründe für seine Fahrt werden für Werther jedoch bald zur Nebensache: Während er die Stadt nicht sonderlich mag, begeistert er sich für die herrliche Natur in der Umgebung. Stundenlang wandert er durch die idyllische Landschaft, liest die Dichtungen des Homer, genießt die berauschend schönen Gärten und begeistert sich für jedes Pflänzchen und jede Blume, die er am Wegesrand findet. Obwohl Werther die besten Motive zum Zeichnen vorfindet, leidet seine künstlerische Produktion; so sehr ist er von der Ausdruckskraft der Natur hingerissen.

„Eine wunderbare Heiterkeit hat meine ganze Seele eingenommen, gleich den süßen Frühlingsmorgen, die ich mit ganzem Herzen genieße.“ (S. 9)

In den Dörfern der Umgebung ist er schnell bekannt und besonders bei den Kindern beliebt. Zwar sind die einfachen Leute zunächst etwas zurückhaltend - schließlich ist der Neuankömmling ein Bürgerlicher -, aber Werther sind übertriebene Standesdünkel ein Gräuel, sodass die Bauern bald bereitwillig mit ihm plaudern. Eine Stunde vor der Stadt findet er in dem kleinen Örtchen Walheim eine Landschaft, die ihm vortrefflich gefällt. In einem Gasthaus unter zwei Linden lässt er es sich bei einem Glas Wein gut gehen und zeichnet. Hier begegnet er einem Bauernknecht, der ihm von seiner großen Liebe berichtet. Das Pikante daran ist, dass er sich in seine Dienstherrin verliebt hat, die bereits Witwe ist und keine weitere Heirat wünscht. Werther ist von der ehrlichen Zuneigung des einfachen Mannes gerührt.

Lotte

Werthers sonst regelmäßiges Schreiben gerät ins Stocken. Der Grund hierfür ist ein Ereignis, das sein ganzes Leben umstürzen wird. Er berichtet von einem Ball auf dem Lande, zu dem einige seiner inzwischen zahlreichen Bekannten eingeladen haben. Werther begleitet ein Mädchen, das ihm zwar nichts bedeutet, aber dessen Tanzpartner für den Abend er sein möchte. Auf dem Weg zum Ball fahren sie an einem Jagdhaus vorbei, um ein weiteres Mädchen zu der Feier mitzunehmen. Ihr Name ist Charlotte. Sie ist die älteste Tochter eines gewissen Amtmannes S., dessen Frau kürzlich verstorben ist. Und so trifft Werther Lotte umringt von ihren sechs kleinen Geschwistern, denen sie auf höchst possierliche Weise ihr Abendbrot reicht. Werther, der kleine Kinder abgöttisch liebt, ist sofort begeistert. Seine Begleitung hat ihn schon in der Kutsche darauf hingewiesen, dass Lotte ein besonders hübsches Mädchen ist. Ihre Warnung, sich bloß nicht in sie zu verlieben, hat Hand und Fuß, denn sie gilt als so gut wie verlobt mit dem elf Jahre älteren, grundsoliden Albert. Dieser sei zurzeit jedoch verreist, um Familienangelegenheiten zu regeln.

„Du fragst, ob du mir meine Bücher schicken sollst? - Lieber, ich bitte dich um Gottes willen, lass mir sie vom Halse! Ich will nicht mehr geleitet, ermuntert, angefeuert sein, braust dieses Herz doch genug aus sich selbst; (...)“ (S. 10)

Werther ist diese Warnung zunächst gleichgültig. Jetzt aber, wo er Lotte vor sich sieht, ist er von ihr fasziniert. In der Kutsche sprechen sie über Literatur und stellen fest, dass sie die gleichen Interessen haben. Auf dem Ball ergibt es sich, dass Lotte fast nur mit Werther tanzt, der seine eigentliche Tanzpartnerin mit Wonne an den Partner Lottes abtritt. So verbringen sie den ganzen Abend gemeinsam. Plötzlich entlädt sich ein furchtbares Gewitter über der Ballgesellschaft, die sich nach und nach aufzulösen beginnt. Die Stimmung nach dem Sturm vergleicht Lotte mit einer Ode von Klopstock, dem Dichter der Empfindsamkeit. Werther ist von diesem Vergleich hingerissen. Es scheint ihm, dass er eine verwandte Seele gefunden hat, die so empfindet wie er selbst. Mit Tränen in den Augen küsst er Lottes Hand und begleitet sie nach Hause.

Tage des Glücks

In der folgenden Zeit ist Werther fast täglich bei Lotte. Hier tollt er auch mit ihren kleinen Geschwistern herum. Mit großer Freude übernimmt er Botengänge oder andere Besorgungen, um immer wieder in ihre Nähe zu gelangen. Er begleitet sie auf Spaziergängen und zu ihrer kranken Freundin. Wenn Werther einmal nicht zu Lotte gehen kann, weil ihn wichtige Geschäfte aufhalten, schickt er einen Bediensteten zu ihr, um sich im Nachhinein berichten zu lassen, was vorgefallen ist, und damit er einen Menschen um sich hat, der in ihrer Nähe gewesen ist. Er möchte Lotte zeichnen, aber er muss zugeben, dass seine Kunst nicht ausreicht, um ihrer Anmut und Schönheit gerecht zu werden. Kurzerhand zeichnet er nur ihren Schattenriss. Werther wird klar, dass er sich in Lotte verliebt hat, obwohl er weiß, dass sie Albert versprochen ist. Aber solange dieser sich nicht blicken lässt, kann er dessen Existenz weitestgehend verdrängen.

Alberts Rückkehr

Dies ändert sich Ende Juli, als Albert von seiner Reise zurückkehrt. Werther wird bewusst, dass seine Liebe niemals erwidert werden wird und er keinen Anspruch auf Lotte erheben kann. Die heitere, glückliche Beziehung zu ihr verfinstert sich zusehends, weil Werther keinen Ausweg aus seiner Zwickmühle findet, in die ihn seine Gefühle für Lotte hineinmanövriert haben: Beim Lesen seiner Tagebucheintragungen muss er sich eingestehen, dass er offenen Auges in sein Verderben gerannt ist. Zu allem Überfluss ist Albert ein ausgesprochen angenehmer Mensch, der Werther offenherzig begegnet und ihm die Freundschaft anbietet. Werther gibt zu, dass ihm Alberts gelassener und ausgeglichener Charakter sehr zusagt, zumal dieser das genaue Gegenteil von seinem eigenen ist. Dennoch spürt er, dass es nicht mehr das Gleiche ist, wenn er Lotte und ihren Verlobten gemeinsam antrifft. Das führt sogar so weit, dass er sich vor den beiden zum Narren macht, indem er Possen reißt. Dies wiederum irritiert Lotte, die ihn dringlich bittet, das zu lassen. Werther ist Albert dankbar dafür, dass er seine Verlobte niemals in seiner Gegenwart küsst, denn das würde ihm das Herz zerreißen.

„Kurz und gut, ich habe eine Bekanntschaft gemacht, die mein Herz näher angeht.“ (S. 19)

Zwei Wochen nach Alberts Rückkehr kommt das Gespräch zwischen ihm und Werther auf zwei Pistolen, die an der Wand angebracht sind. Werther erbittet eine davon für einen Ausritt in die Berge. Albert hat nichts dagegen, allerdings seien sie nicht geladen. Er berichtet von einem unschönen Erlebnis: Als er die Pistolen vor geraumer Zeit von einem Bediensteten putzen ließ, wollte dieser das Dienstmädchen damit erschrecken. Ein Schuss löste sich und das Mädchen verlor einen Daumen. Aus Spaß hält sich Werther eine der Pistolen an die Stirn. Albert reißt sie ihm sogleich aus den Händen und tadelt ihn dafür. Selbstmord erscheint ihm als eine törichte und lasterhafte Tat, die nur von Wahnsinnigen und einfältigen Gemütern begangen werden kann. Albert hält Selbstmord für eine Tat der Schwäche. Dem kann Werther nicht zustimmen, weil der Mensch nur ein bestimmtes Maß an Leid ertragen könne und der Freitod für eine arme, unglückliche Seele zumindest ein letztes Maß von Freiheit und Würde bedeute. Die beiden Männer trennen sich, ohne sich in ihren gegensätzlichen Meinungen einander angenähert zu haben: Ihre Wertvorstellungen in dieser Sache sind einfach zu verschieden.

Flucht und Dienst bei Hofe

Die herrliche Natur, die Werther bislang so bewundert hat, erlebt er plötzlich als großes Übel. Das paradiesische Wachsen und Blühen vor seiner Haustür empfindet er nun nur noch als Vorstufe der Vergänglichkeit, die Natur selbst als ewig wiederkäuendes Ungeheuer. Werther leidet an seiner unerfüllten Liebe. Er kann nicht arbeiten, aber auch nicht ruhen. Er fasst den Entschluss, fortzugehen, um sich abzulenken. Ein letztes Mal besucht er Lotte und Albert. Lotte spricht über den Tod ihrer Mutter und wird vom Andenken an sie stark mitgenommen. Ohne sich wirklich zu verabschieden, verlässt Werther den Ort und tritt in den Dienst eines Ministers ein. Zu diesem Schritt hat ihm sein Vertrauter Wilhelm schon seit längerer Zeit geraten.

„Ich ertrug’s nicht, neigte mich auf ihre Hand und küsste sie unter den wonnevollsten Tränen.“ (S. 27)

Tatsächlich gelingt es Werther, Lotte für einige Zeit zu vergessen. Im Februar erfährt er eher zufällig von ihrer Heirat mit Albert. Der Gesandte, mit dem Werther bei seiner neuen Tätigkeit zusammenarbeiten muss, ist ihm ein Dorn im Auge. Der Mann ist bürokratisch, umständlich, langweilig, stets unzufrieden und pedantisch. Auch die Adeligen bei Hofe erregen Werthers besonderen Missmut: In seinen Augen sind sie die Verkörperung des blanken Opportunismus, weil sie nach oben buckeln und nach unten mit den Füßen treten. Sein Bestreben, als Bürgerlicher von ihnen respektiert zu werden, endet in einer Demütigung: Obwohl Werther beim Grafen zu Tisch geladen ist, muss er weichen, als die adelige Abendgesellschaft den Saal betritt. Da der unerwünschte Bürgerliche jedoch zögert, wird ihm dieses in den Augen der Adeligen hochpeinliche Verhalten arg verübelt. Im Nachhinein muss Werther erfahren, dass die Geschichte bei Hofe sofort die Runde gemacht hat. Er ist verärgert und beklagt sich bei seinem Freund Wilhelm darüber, dass die Anstellung von Anfang an eine Schnapsidee gewesen sei. Werther verlangt eine Woche später seine Entlassung vom Hofe. Auf dem Weg zu den Gütern eines Fürsten, der ihn zu sich eingeladen hat, reist er durch die Landschaft seiner Kindheit, die er wie auf einer Wallfahrt durchwandert und Erinnerungen wachruft.

Zurück zu Lotte

Seinen kurzzeitigen Plan, in den Krieg zu ziehen, gibt Werther schnell wieder auf. So verbringt er bis in den Sommer seine Zeit beim Fürsten. Dann beginnt er sich zu langweilen und kehrt nach Walheim in die Nähe von Lotte zurück. Werther nimmt seine regelmäßigen Besuche wieder auf. Seine Liebe für Lotte entflammt erneut, aber auch seine Eifersucht gegenüber Albert, dem er das große Glück missgönnt.

„Sie ist mir heilig. Alle Begier schweigt in ihrer Gegenwart.“ (S. 39)

Werther ist der festen Überzeugung, dass er Lotte mehr liebt als ihr eigener Mann. Er reagiert bestürzt, als er den Knecht wieder trifft, dessen Liebe zu seiner Bäuerin ihn bei seinen ersten Besuchen in Walheim so gerührt hat. Der Knecht gesteht unter Tränen, dass er versucht hat, sich sein Liebesglück mit Gewalt zu verschaffen. Jedoch jagte ihn daraufhin der Bruder der Bäuerin vom Hof. Werther erkennt die Parallelen zu seiner eigenen unglücklichen Liebe. Später erfährt er, dass besagte Bäuerin einen neuen Knecht fand, dieser aber wurde von dem alten, liebestrunkenen aus Eifersucht erschlagen. Werther zeigt Verständnis für die Tat, ganz im Gegensatz zu Albert, der den Knecht aufs Schärfste verurteilt.

Werthers Ende

Werther steigert sich immer mehr in die verzweifelte Liebe zu Lotte hinein. Seine Briefe an Wilhelm werden immer ekstatischer, aber auch fragmentarischer. Dies führt dazu, dass der anonyme Herausgeber sich genötigt sieht, die wenigen Briefe mit ergänzenden Kommentaren zu versehen.

„Wilhelm, was ist unserem Herzen die Welt ohne Liebe!“ (S. 39)

Am Sonntag vor Weihnachten wird es Lotte zu bunt: Sie ermahnt Werther höflich, aber bestimmt, sich ein wenig mehr zurückzuhalten und sie bis Weihnachten nicht mehr aufzusuchen. Werther ist verstört, geht frühzeitig nach Hause und verfasst einen Abschiedsbrief: "Ich will sterben", schreibt er an Lotte. Er kommt zu der bitteren Einsicht, dass sich einer von ihnen opfern muss, damit die anderen beiden in Frieden weiterleben können.

„Ich habe mir schon manchmal vorgenommen, sie nicht so oft zu sehn. Ja, wer das halten könnte!“ (S. 41)

Am nächsten Tag regelt Werther seine Hinterlassenschaften und kehrt, entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch, zu Lotte zurück. Albert ist abwesend und Werther liest ihr aus einigen Gesängen des Barden Ossian vor, die er zuvor übersetzt hat. Die düsteren Naturbeschreibungen und der melancholische Tonfall der gälischen Heldendichtung wühlt die beiden auf. Sie erkennen darin ihr eigenes grausames Schicksal. Lotte bricht unter Tränen zusammen, Werther drückt sie an sich und küsst sie. Fassungslos weist sie ihn von sich und droht, dass sie ihn nie wieder sehen will. Werther kauert eine Weile in ihrem Zimmer. Dann verlässt er das Haus ohne Abschied und beendet seinen Brief an Lotte.

„Umsonst strecke ich meine Arme nach ihr aus, morgens, wenn ich von schweren Träumen aufdämmere, vergebens suche ich sie nachts in meinem Bette, wenn mich ein glücklicher unschuldiger Traum getäuscht hat, als säß’ ich neben ihr auf der Wiese und hielt’ ihre Hand und deckte sie mit tausend Küssen.“ (S. 53)

Tags darauf schickt er einen Boten zu Albert und erbittet sich von ihm unter einem Vorwand die Pistolen. Am nächsten Morgen findet der Diener Werther in seiner Stube. Er hat sich um Mitternacht, in voller Montur mit blauem Frack und gelber Weste, eine Kugel durch den Kopf geschossen. Auf seinem Schreibtisch liegt Lessings bürgerliches Trauerspiel Emilia Galotti aufgeschlagen. Die herbeigerufenen Ärzte können für Werther nichts mehr tun. Albert ist bestürzt. Lotte sinkt in Ohnmacht. Auf Werthers Wunsch hin lässt ihn Lottes Vater zwischen den beiden Linden in Walheim begraben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Goethe gaukelt seinen Lesern im Werther Authentizität vor: Noch vor dem ersten Brief versichert der Herausgeber dem Leser, dass er alles, was er über Werthers Schicksal auffinden konnte, gesammelt und in dem Büchlein abgedruckt hat. Das Buch ist in zwei Teile gegliedert, die aus einer Sammlung von Briefen bestehen. Werthers Briefe sind in einer kraftvollen, ekstatischen Sprache verfasst: Ausrufe (Interjektionen), umgestellte (Inversionen) und verkürzte Sätze (Ellipsen) dominieren, wenn Goethes Held in Verzückung gerät oder den Kummer seiner vergeblichen Liebe beklagt: "Ich bitt dich - Siehst du, mit mir ist’s aus, ich trag’ es nicht länger! Heute saß ich bei ihr - saß, sie spielte auf ihrem Klavier, mannigfaltige Melodien, und all den Ausdruck! all! - all! - Was willst du?"

Interpretationsansätze

  • Werther kann als empfindsamer Mensch gesehen werden, der aufgrund seiner übersteigerten Liebe zu Lotte und deren Unmöglichkeit zugrunde geht - und darüber hinaus an den Konventionen der Standesgesellschaft scheitert.
  • Werther kann aber auch als überspanntes Genie verstanden werden, das sich nicht helfen lassen will und mit offenen Augen in sein Verderben rennt.
  • Werther ist im Grunde genommen ein Narzisst, der Lottes Liebe gar nicht um ihretwillen, sondern nur um seiner selbst Willen braucht. Diese Liebe ist darum auch nur so lange wertvoll für ihn, wie es eine unmögliche und unerfüllte Liebe ist.
  • Werthers Selbstmord ist Ausdruck seines Naturrechts auf Freiheit, das er sich - entgegen allen moralischen Konventionen - einfach nimmt.
  • Die Briefe bilden einen langen Monolog, der zeigt, dass Werther nur in der Beziehung zu Lotte glücklich sein kann. Seine Versuche, im Beruf und in der Gesellschaft Beziehungen aufzubauen, scheitern kläglich.
  • Die Naturbeschreibungen bilden die innere Verfassung des Romanhelden ab: Zu Beginn besingt Werther ekstatisch die Schönheit der Natur, später erscheint sie ihm nur noch wie ein Grab.
  • Auch die Literatur, die Werther liest, ist ein Spiegel seiner selbst: Homer versetzt ihn in erhabene Stimmung, die empfindsame Dichtung Klopstocks passt zu seiner Verliebtheit, Ossian ist Ausdruck von Düsternis und Melancholie, und Lessings bürgerliches Trauerspiel schließlich scheint zu Werthers Selbstmord beizutragen.

Historischer Hintergrund

Die Literatur des Sturm und Drang

Goethes Werther erschien 1774 in einer Literaturperiode, die als Sturm und Drang oder Geniezeit bekannt ist. Der Künstler, das Genie galt als Bild des höheren Menschen, der schöpferisch tätig ist. Um dieses Genie entwickelte sich ein regelrechter Kult. In den Jahren zuvor hatte die Aufklärung den Menschen "aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" (Kant) befreit. Doch für die Poesie bedeutete die fortschreitende Rationalität vor allem eines: starre Konventionen. Ein enges Regelwerk von Vorschriften drohte die Literatur zu erdrücken, denn diese sollte stets zweckgerichtet sein und den menschlichen Verstand bilden. Der Sprachwissenschaftler Johann Gottfried Herder widersetzte sich dieser Auffassung von Poesie: Dichtkunst sei nicht erlernbar, sie erfordere vielmehr ein "Originalgenie". Goethe, der mit Herder in Straßburg zusammentraf, übernahm dessen Thesen und verarbeitete sie u. a. in seinem Götz von Berlichingen, Prometheus und im Werther.

Der Sturm und Drang glich einem Frontalangriff auf die Aufklärung. Die "jungen Wilden" der Literatur, zu denen auch Friedrich Schiller, Gottfried August Bürger, Friedrich Maximilian Klinger, Anton Leisewitz, Friedrich Heinrich Jacobi und Heinrich Leopold Wagner gehörten, lehnten jedes Regelwerk ab und gehorchten nur ihrer eigenen poetischen Eingebung und Schaffenskraft. Für viele von ihnen wurde Friedrich Gottlieb Klopstock, selbst kein Stürmer und Dränger, sondern Dichter der Empfindsamkeit, zum Vorbild. Der neue Held in der Literatur fühlte schrankenlose Liebe, tiefe Sehnsucht und rasende Verzweiflung. Er durfte alles - nur nicht lauwarm sein.

Die Quellen für den Werther

Goethe wurde danach befragt, ob es den unglücklichen Werther tatsächlich gegeben habe; so gut vermittelt Goethe das Gefühl, dass sich die Ereignisse tatsächlich abgespielt haben. Verschiedene Begebenheiten bilden die Quellen des Buches: Im Jahr 1772 lernte Goethe auf einem Ball die 19-jährige Charlotte Buff und ihren Verlobten Johann Christian Kestner kennen. Ganz wie Werther verliebte sich Goethe in sie und besuchte sie in den folgenden Wochen häufig. Charlotte wies Goethes Werben jedoch ab, sodass er sie im September verließ, um einen Schlussstrich unter die Beziehung zu ziehen. Ein weiteres Element: In Ehrenbreitstein besuchte Goethe die Schriftstellerin Sophie von La Roche. Ihre 16-jährige Tochter gefiel Goethe. Er umwarb sie auch dann noch, als sie einen erheblich älteren Mann heiratete, was natürlich zu unschönen Auseinandersetzungen mit dem eifersüchtigen Ehemann führte. Schließlich ein drittes Ereignis: Karl Wilhelm Jerusalem, ein Bekannter Goethes, erschoss sich mit einer geliehenen Pistole, weil er in eine verheiratete Frau verliebt war.

Wirkungsgeschichte

Das Werk entwickelte sich zu einem echten Renner. Sozusagen über Nacht wurde Goethe ein gefeierter Schriftsteller. Wie bei heutigen Popstars pilgerten Menschen zu ihm, um dem Autor zu seinem Überraschungserfolg zu gratulieren. Innerhalb kürzester Zeit erschienen mehrere Ausgaben. Goethe selbst überarbeitete den Roman noch einmal im Jahr 1782 für eine Sammelausgabe seiner Schriften. Das Buch wurde in unterschiedliche europäische Sprachen übersetzt und brach sämtliche Verkaufserfolge. Es traf den Zeitgeist, weil es Empfindungen und Gefühle bewusst gegen die Ratio der Aufklärung setzte. In allen Schichten gehörte der Roman zur Pflichtlektüre. Vor allem jugendliche Leser fanden sich in dem Buch wieder: Die Generation der Stürmer und Dränger begeisterte sich für die kraftvolle Sprache und die unbändige Liebe, die Werther empfindet. So wurde Werther zum Sprachrohr einer ganzen Generation.

Die Kritiker, allen voran die Kirche, stießen sich nicht nur daran, dass in dem Roman ein Selbstmord beschrieben, sondern dass hierfür sogar Verständnis vom Leser gefordert wird. Diese ungeheure Provokation gegen die Moral wurde noch verschärft, als in der Folge vermehrt Suizidfälle bekannt wurden, die ganz offensichtlich durch den Roman inspiriert waren. Aus Chroniken lässt sich ersehen, dass die Opfer den Freitod in der Werther-Kluft und teilweise mit dem Büchlein in der Tasche verübten. Goethe distanzierte sich von diesen Ereignissen. Trotzdem blieben sie nicht folgenlos: Das Buch wurde als gefährlich eingestuft und in Leipzig, Bayern und Österreich aus dem Verkehr gezogen und auf den Index gesetzt. Der amerikanische Soziologe David Phillips benannte im 20. Jahrhundert den "Werther-Effekt" nach Goethes Buch. Dabei handelt es sich um einen Suizid, der nach Vorbildern in den Medien verübt wird. Künstlerisch inspirierte der Roman viele Nachahmer. Die bekannteste Variante bildet sicherlich das Bühnenstück Die neuen Leiden des jungen W. von Ulrich Plenzdorf, das in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts für Furore sorgte.

Über den Autor

Johann Wolfgang von Goethe wird am 28. August 1749 in Frankfurt am Main geboren und wächst in einer gesellschaftlich angesehenen und wohlhabenden Familie auf. Nach dem Privatunterricht im Elternhaus nimmt der inzwischen 16-Jährige auf Wunsch seines Vaters ein Jurastudium in Leipzig auf, das er 1770 in Straßburg mit dem Lizentiat beendet. Dort macht er die Bekanntschaft von Johann Gottfried Herder und verfasst erste Gedichte. In Frankfurt eröffnet Goethe eine Kanzlei, widmet sich aber vermehrt seiner Dichtung. 1774 veröffentlicht er Die Leiden des jungen Werther; einige Dramen folgen. 1775 bittet ihn der Herzog Karl August nach Weimar; Goethe macht dort eine schnelle Karriere als Staatsbeamter. Nach zehn Jahren Pflichterfüllung am Hof reist er 1786 nach Italien. Diese "italienische Reise" markiert einen Neuanfang für sein Werk. 1788 kehrt Goethe nach Weimar zurück und lernt Christiane Vulpius kennen, mit der er bis zur Heirat 1806 in "wilder Ehe" zusammenlebt. Nach anfänglichen Differenzen freundet sich Goethe 1794 mit Friedrich Schiller an, in dessen Zeitschrift Die Horen Goethe mehrere Gedichte veröffentlicht. Die beiden Dichter verbindet fortan eine enge Freundschaft, auf der die Weimarer Klassik und ihr an der griechischen Antike orientiertes Welt- und Menschenbild aufbaut. Als "Universalgenie" zeigt sich Goethe an vielen Wissenschaften interessiert: Er ist Maler, entwickelt eine Farbenlehre, stellt zoologische, mineralogische und botanische Forschungen an, wobei er die Theorie einer "Urpflanze" entwickelt. 1796 erscheint der Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre, 1808 das Drama Faust I und 1809 der Roman Die Wahlverwandtschaften. Ab 1811 arbeitet Goethe an seiner Autobiografie Dichtung und Wahrheit. Kurz vor seinem Tod vollendet er Faust II. Am 22. März 1832 stirbt Goethe im Alter von 83 Jahren in Weimar. Er gilt bis zum heutigen Tag als der wichtigste Dichter der deutschen Literatur. Seine lyrischen Werke, Dramen und Romane liegen als Übersetzungen in allen Weltsprachen vor.

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