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Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral

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Eine Untersuchung über die Prinzipien der Moral

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What's inside?

David Humes subversive Erkenntnis: Es gibt keine ewigen moralischen Prinzipien. Gut ist jede Handlung oder Eigenschaft, die für die Gesellschaft nützlich ist.

Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Moral ist, was gefällt

David Hume (1711-1776) ist einer der drei großen englischen Aufklärer (neben Berkeley und Locke). Im leicht verständlichen Essaystil verfasste er im Jahr 1751 seine Untersuchung über die Prinzipien der Moral. Bei dieser Abhandlung verlässt sich der vielleicht kompromissloseste Vertreter des englischen Empirismus auf seine Erkenntnistheorie: "Ich kann nur über das berichten, was ich selbst erfahren habe." Von Spekulationen hält er wenig: Alles, auch moralische Entscheidungen über gut und böse, müssten mit den Methoden des naturwissenschaftlichen Experiments untersucht werden. Das Regelwerk der Moral und die Tugenden und Maximen, die sich durch alle Formen der Gesellschaft ziehen - von der Keimzelle der Familie bis zur bürgerlichen Gesellschaft und den Beziehungen zwischen Staaten -, führt Hume auf ein einziges, alles begründendes Prinzip zurück: die Nützlichkeit. Er lehnt die zu seiner Zeit gängige Idee ab, dass Moral von Gott bestimmt und dem Menschen sozusagen in die Wiege gelegt sei. Was gut und was böse ist, wird für Hume allein dadurch festgelegt, ob die Gesellschaft ein Verhalten schätzt oder missbilligt. Einen ganzen Katalog von Tugenden fördert er zutage und führt eindringlich vor Augen, dass Moral vor allem auf ethischen Empfindungen beruht, die auch dann funktionieren, wenn der Beobachter einer Handlung selbst gar nicht betroffen ist. Humes Überlegungen inspirierten nicht nur den Utilitarismus, sondern auch die Werke von Adam Smith und Immanuel Kant.

Take-aways

  • Die Untersuchung über die Prinzipien der Moral ist David Humes wichtigste Schrift zur Moralphilosophie.
  • Als Empirist misstraut Hume allen Hypothesen, die nicht auf Erfahrungen beruhen.
  • Auch moralische Schriften sollen sich deshalb an naturwissenschaftlichen Experimenten orientieren.
  • Der revolutionäre Schritt von Humes Ethik: Nicht mehr die Religion bestimmt, was gut oder schlecht ist, sondern die Gesellschaft.
  • Es gibt für Hume zwar universelle Prinzipien der Moral, die jedoch nicht zeitlos gültig sind.
  • Ihre Gültigkeit ist von der Zustimmung oder Ablehnung durch die Gesellschaft abhängig.
  • Moralisch richtig sind diejenigen Eigenschaften, die gesellschaftlichen Nutzen stiften, wie z. B. Gerechtigkeit und Wohlwollen.
  • Der Mensch ist fähig zur Einfühlung und beurteilt Handlungen auch dann mit moralischen Maßstäben, wenn sie ihn selbst gar nicht betreffen.
  • Regeln und Verträge halten die Gesellschaft zusammen.
  • Mit der These, dass der Nutzen im Zentrum moralischer Handlungen steht, nimmt Hume die Theorie des Utilitarismus vorweg.
  • Humes Moral- und Erkenntnistheorie beeinflusste Philosophen und Wissenschaftler wie Adam Smith, Immanuel Kant und Charles Darwin.
  • Hume schreibt im eleganten, leicht lesbaren Essaystil und reichert sein Werk mit mehreren Anhängen und einem Dialog an.

Zusammenfassung

Wo die allgemeinen Prinzipien der Moral zu finden sind

Niemand, außer der Narr und der Unaufrichtige, wird bestreiten, dass es eine grundlegende Moral im Menschen gibt. Die große Frage ist jedoch, ob die Prinzipien dieser Moral eher auf den Verstand des Menschen oder eher auf sein Gefühl zurückzuführen sind. Schönheit liegt im Auge des Betrachters - gilt dies vielleicht auch für die Moral? Oder gibt es objektive Kriterien, an denen sich festmachen lässt, was gut und was schlecht ist? Um dies herauszufinden, ist es am besten, verschiedene Situationen zu untersuchen, bei denen ein Beobachter das Verhalten eines Menschen als sittlich gut bezeichnen oder als amoralisch zurückweisen würde. Wenn man herausfindet, was die negativen und die positiven Meinungen über eine Handlung gemeinsam haben, ist man am Ziel und hat die allgemeinen und universellen Prinzipien der Moral erkannt. Doch welche Methode ist geeignet, um an diese Wurzeln der Moral zu gelangen? Zweifellos sind die neuen naturphilosophischen Ansätze, beispielsweise Newtons Lehre von der Physik, die Mittel der Wahl: Nur das Experiment hilft dem Forschenden weiter. Wenn man genügend Beispiele gesammelt hat, kann man daraus eine Theorie ableiten (Induktion). Die umgekehrte Methode, also eine Theorie erst aufzustellen und sie dann anhand einzelner Beispiele zu überprüfen (Deduktion), bringt nicht viel, weil man sich damit nur Illusionen schafft. Allein denjenigen Wahrheiten kann man vertrauen, die man selbst erfahren hat - und das gilt sogar bei der Ethik.

Über das Wohlwollen

Egal welche Sprache man auch studiert: Wörter, die Wohlwollen oder Güte, Herzlichkeit, Dankbarkeit oder Freundlichkeit eines Menschen bezeichnen, sind in jeder Kultur positiv besetzt. Jeder verbindet mit solchen Attributen ein angenehmes Gefühl. Es gibt keine Eigenschaften, die das Lob anderer Menschen mehr auf sich ziehen, als Sanftmut und Wohltätigkeit. Jeder, der Menschen mit diesen Charakterzügen kennt, kann sich freuen. Der Grund hierfür ist die Nützlichkeit des Wohlwollenden: Seine Art dient der Gesellschaft, also empfindet ihn die Gesellschaft als nützlich. Das höchste Lob ist das Lob der Nützlichkeit.

Von der Gerechtigkeit

Es ist unstrittig, dass die Gerechtigkeit im Katalog der Tugenden an vorderster Stelle rangiert, weil sie für die Gesellschaft nützlich ist. Es ist sogar möglich zu beweisen, dass die Bedeutung der Gerechtigkeit ausschließlich auf ihre Nützlichkeit zurückzuführen ist. Man stelle sich nur zwei völlig unterschiedliche Situationen vor, bei denen die Gerechtigkeit keine Rolle spielt. In der von Dichtern viel gepriesenen Ära des "Goldenen Zeitalters" gibt es die Tugend der Gerechtigkeit überhaupt nicht, weil man ihrer nicht bedarf: Wo es für jeden Menschen mehr als genug gibt, um seine Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen, wird Gerechtigkeit nicht benötigt. Alles ist für jeden jederzeit zugänglich. Niemand besitzt Privateigentum, von dem er andere ausschließt. Das wäre auch furchtbar albern, wenn alle Bedürfnisse so zügellos befriedigt werden wie das Bedürfnis nach Luft zum Atmen. Alle Menschen würden in diesem Zustand wie in einer großen Familie leben, bei der jeder die Freude und das Leid des anderen teilt.

„Die Menschen sind jetzt von ihrer Leidenschaft für Hypothesen und Systeme in der Naturphilosophie kuriert und vertrauen nur Argumenten, die auf Erfahrung beruhen.“ (S. 9)

Wenn man nun die Vorzeichen ändert und sich eine Situation größter Knappheit und größten Mangels vorstellt, wird die Gerechtigkeit erneut aus den Angeln gehoben: An ihre Stelle tritt der nackte Selbsterhaltungstrieb der Menschen. Wie Schiffbrüchige werden sie sich alles nehmen und jede Regel brechen, sofern es ihr Überleben begünstigt. In beiden Situationen hat die Gerechtigkeit nichts zu melden. Warum? Weil sie nicht nützlich erscheint, denn nur die Nützlichkeit der Gerechtigkeit ist ihre Daseinsberechtigung. In unserer Gesellschaft hingegen erscheint die Gerechtigkeit als nützlich und wird daher als große Tugend angesehen.

Recht und Eigentum

Gerechtigkeit bedeutet auch das Recht auf Privateigentum, also auf Unterschiede zwischen den Menschen. Die vollkommene Gleichheit aller Menschen kann es nicht geben: Selbst wenn alle Güter gleichmäßig verteilt wären, würden sich Menschen aufgrund ihrer unterschiedlichen Talente, ihrer Geschicklichkeit, ihres Mutes oder ihrer Klugheit unterscheiden. Vollkommene Gleichheit wäre der menschlichen Gesellschaft überhaupt nicht förderlich: Nur wenn einige durch ihren Fleiß Erfindungen und Verbesserungen machen, also mehr leisten als andere, kann die gesamte Gesellschaft davon profitieren. Es ist die Aufgabe des Gesetzes, das Eigentum zu schützen. Denn nur wenn die eigene Leistung geschützt wird, kann der Eigentümer sie an andere weitergeben, sodass sie vielen anderen nützt. Wenn nicht, würde der Besitzer aus Angst, seinen Besitz oder seine Erfindung zu verlieren, niemals mit anderen Menschen darüber sprechen, geschweige denn sie mit ihnen teilen. Der Wunsch nach Gesetz und Gerechtigkeit ist also keineswegs ein natürlicher Instinkt des Menschen. Er ist nur deswegen so stark ausgeprägt, weil er für die Gesellschaft sehr nützliche Eigenschaften zutage fördert. Genau das Gleiche gilt auch für Tugenden wie Treue, Ehrlichkeit und Integrität, die allesamt durch ihre Nützlichkeit zu moralisch wertvollen Eigenschaften gemacht werden.

Von der bürgerlichen Gesellschaft

Wenn alle Menschen nicht nur auf ihren kurzfristigen Vorteil bedacht wären und sich gerecht und fair verhielten, wären Regierungen oder politische Ordnungen überflüssig. Doch leider ist es nicht so: Die Regierung wird also ausschließlich dadurch legitimiert, dass sie Nutzen für alle schafft. In der politischen oder bürgerlichen Gesellschaft ist die Regierung nützlich, weil sie den Kampf "jeder gegen jeden" unterbindet und für die Einhaltung von Recht und Gesetz sorgt. Verträge und Allianzen vermögen dies auch zwischen unabhängigen Staaten zu tun. Das Völkerrecht, die Achtung von Botschaftern und der Verzicht auf verbotene Waffen sind nur möglich, weil sich mehrere Staaten zu Verträgen bekennen, die für alle Beteiligten nützlich sind. Allerdings haben Verträge zwischen Staaten meist weniger Bestand als zwischen Individuen: Während die Gesellschaft schlichtweg zerfallen würde, wenn sich niemand mehr an das Gesetz hielte, ist dies bei Staaten nicht unbedingt der Fall. In Kriegen können Verträge und Versprechungen gebrochen werden, ohne dass hierdurch der Staat zerfällt. Die moralische Verpflichtung aus solchen Verträgen entspricht ziemlich genau ihrer Nützlichkeit für den Staat.

Regeln sind der Kitt der Gesellschaft

Tugenden und Regeln, Maximen und Gesetze sind für die Gesellschaft im Allgemeinen verbindlich. Warum? Weil sie Nutzen bringen. Ein Ehepaar, das zusammen Kinder großzieht, darf sich nicht untreu werden, weil der Nachwuchs darunter leiden würde. Ohne diesen konkreten Nutzen wäre die Treue sinnlos. Interessanterweise gilt die Regel der Treue ebenfalls für kinderlose Paare: Manche Regeln, die sich als nützlich herausgestellt haben, werden zu allgemeinen Regeln der Gesellschaft erhoben, die auch losgelöst vom ursprünglichen Zweck Bestand haben. Das Gesetz der Treue gilt auch für Freundschaften, weil hierdurch die Bindung verstärkt und das Vertrauen erweitert wird. Für jede Situation, in die man in der menschlichen Gesellschaft geraten kann, gibt es geschriebene oder ungeschriebene Gesetze: Bei Gesprächen ist man höflich; bei einem Trinkgenossen ist man nachsichtig, wenn der Alkohol ihm die Zunge lockert; bei Gesellschaftsspielen beachtet man die Regeln; auf der Straße gelten ganz bestimmte Statuten, nach denen Kutscher aneinander vorbeifahren; ja selbst innerhalb von Räuber- und Piratenbanden existieren eigene Gesetze, die hochgehalten werden, obwohl sich diese zwielichtigen Gestalten gegenüber anderen Menschen nach keinen Regeln richten. Diese Beispiele zeigen, dass eine Gesellschaft ohne Regeln keinen Bestand haben kann. Darum sind Regeln außerordentlich nützlich.

Warum Nützlichkeit gefällt

Skeptiker mögen einwenden, dass uns moralische Werturteile vor allem durch die Erziehung eingeimpft wurden, mitunter auch, um die Gängelung durch die Politik zu ermöglichen. Der Einfluss der Erziehung ist sicherlich groß, aber keinesfalls allumfassend. Soziale Tugenden sind vielmehr mit einer natürlichen Schönheit ausgestattet, weil sie eine Quelle des Nutzens darstellen. Es gibt immer noch Philosophen, die einzig und allein die Selbstliebe als Quelle jeder menschlichen Tat sehen: Der Mensch erkennt, dass er zum eigenen Überleben die Gesellschaft benötigt und unterwirft sich aus blanker Selbstliebe den Regeln und Normen der Gemeinschaft. Das ist Unsinn! Denn: Menschen beurteilen auch dann eine Tat mit moralischen Maßstäben, wenn sie davon überhaupt nicht direkt betroffen sind. Solche Beobachtungen, egal wie sie auch begründet sind, disqualifizieren die Eigenliebe als Triebfeder der Moral.

Die Fähigkeit zur Einfühlung

Wenn man jemandes Haus betritt und mit einem gedeckten Tisch und herzlichen Worten empfangen wird, so enthält man seinem Gegenüber die Freude und Zuneigung nicht vor. Erzählt nun der Gastgeber, dass sein Nachbar aus Neid und Eifersucht versucht, ihm seinen Besitz zu vergällen, wie empfindet da der Besucher? Obwohl er den unangenehmen Nachbarn nicht kennt, wird er dessen Verhalten tadeln. Moralisches Empfinden ist also auch ohne konkrete Auswirkungen auf die eigene Person aktiviert. Menschen sind zur Einfühlung fähig und können mit anderen Menschen mitleiden (wie beispielsweise im Theater), ohne dass sie davon unmittelbar betroffen sind. Der Mensch hat eine grundsätzliche Sympathie für seine Spezies: Er bewertet gute Handlungen höher als schlechte, weil die guten nützlich für die Gesellschaft sind.

Nützliche und ...

Es gibt eine ganze Reihe von Eigenschaften, die den Menschen als nützlich erscheinen. Dazu gehört zuallererst die Besonnenheit: Wer weise ist, der lässt neben Abenteuerlust größte Vorsicht walten. Auch der Fleiß und die Sparsamkeit sind sehr nützliche Charaktereigenschaften. Gerade bei der Sparsamkeit muss man sich jedoch vor Extremen hüten: Der Geiz zählt sicher nicht zu den Tugenden. Willensstärke gehört jedoch dazu, weil sie davon abhält, faul und selbstzufrieden den Verlockungen der Bequemlichkeit zu erliegen. Auch Mäßigung, Nüchternheit, Geduld, Beständigkeit, Ausdauer, Vorsorge, Rücksichtnahme, Verschwiegenheit, Ordnung, Liebenswürdigkeit, Verbindlichkeit, Geistesgegenwart, Verständnis und Ausdrucksgewandtheit gehören selbstverständlich in den Katalog der Tugenden. Schönheit erschließt sich dem Betrachter ebenfalls unmittelbar aus ihrer Nützlichkeit: Breite Schultern und körperliche Stärke eines Körpers wirken anziehend, weil sie nützlich für Kampf und Krieg sind.

... angenehme Eigenschaften für uns selbst und andere

Heiterkeit ist eine angenehme Eigenschaft, weil sie sofort ansteckt und selbst den düstersten Melancholiker aus seinem Trübsinn reißt. Sie wirkt so unmittelbar belebend in jeder geselligen Runde, dass sie nicht hoch genug gelobt werden kann. Mut und Würde bewundert man bei anderen Menschen, genauso wie man diejenigen bedauert, die keinen Stolz und kein Selbstwertgefühl haben. Die Römer haben den Mut sogar so sehr emporgehoben, dass sie für ihn das Wort "virtus" gebrauchten, was eigentlich "Tugend" bedeutet. Auf diese Weise wurde die Tapferkeit zur Kardinaltugend der Römer gemacht. Aber auch die stoische Ruhe der Philosophen ist bewundernswert: Die Art, wie sie trotz beißender Armut eine erhabene Weisheit und Ruhe vermitteln, überstrahlt manchen Menschen, der sich um Geld und Ruhm bemüht. Güte und Mildtätigkeit kommen nicht nur dem Nutznießer des Großmutes, sondern auch jedem Zuschauer zugute, weil er davon gerührt wird. Zu den besonderen Eigenschaften, die vor allem für andere angenehm sind, gehört die Höflichkeit. Witz und Einfallsreichtum erfreuen jeden, Geschwätzigkeit wird hingegen von dem meisten Menschen getadelt. Weil sich der Mensch normalerweise eher über- als unterschätzt, wird Bescheidenheit gelobt, Prahlerei aber verdammt.

„Wenn wir selbst ein Tier oder eine Pflanze nützlich oder gut nennen, geben wir Applaus und heißen sie ihrer Natur entsprechend gut.“ (S. 13)

Fazit Die hier aufgeführten Eigenschaften, die angenehm und nützlich sind, können getrost als wahre Tugenden bezeichnet werden. Sie sind viel mehr wert als irgendwelche erdachten Tugenden, die der Aberglaube in die Welt gesetzt hat. Welchen Nutzen bringen beispielsweise die mönchischen Tugenden des Zölibates und des Fastens dem Rest der Gesellschaft? Keine! Daher kann man sie genauso gut als Laster bezeichnen. Doch zurück zur Ausgangsfrage: Um wahre Tugenden zu erkennen, benötigt man beides: Verstand und Gefühl. Der Verstand hilft dabei herauszufinden, ob etwas nützlich oder schädlich ist, das Gefühl und die Neigung zum Guten lassen den Menschen jedoch die moralisch richtige Entscheidung treffen. Moralisch richtig ist jede Handlung oder Eigenschaft, die für die Gesellschaft nützlich ist.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Untersuchung über die Prinzipien der Moral besteht aus zwei größeren Abschnitten: dem eigentlichen Essay sowie insgesamt vier Anhängen und einem Dialog. Die Anhänge enthalten Material, das Hume sukzessive aus dem Haupttext ausgegliedert hat, um die Argumentation flüssiger zu gestalten. Prinzipiell handelt es sich bei dem Essay um die gründliche Überarbeitung des dritten Buches von Humes erster Veröffentlichung: dem Traktat über die menschliche Natur. Hume hat sehr viel Mühe darauf verwendet, sein sperriges Erstlingswerk zu verfeinern und lesefreundlich zu gestalten. Dennoch: Der sprunghafte und unsystematische Stil von Humes Essay gerät mitunter zur Geduldsprobe für heutige Leser, weil der Autor seine Eingangsthese oft verlässt, um unterschiedlichen, teilweise weit entfernten Randbereichen des Themas nachzugehen. David Hume verwendet häufig rhetorische Fragen, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu fesseln und mit den Antworten die Wirkung seiner Theorien zu verstärken. Verglichen mit ähnlichen Werken der Zeit (beispielsweise von John Locke) liest sich Humes intuitiv-assoziativer Essaystil aber erheblich angenehmer, weil er weitgehend ohne die schwerfällige scholastische Beweisführung auskommt.

Interpretationsansätze

  • Humes Moralphilosophie ist seiner empirischen Erkenntnistheorie (für die er eigentlich berühmt ist) sehr verwandt: Auch Moral gründet sich für Hume vor allem auf der konkreten Erfahrung, nicht auf der abstrakten Vernunft.
  • Hume holt damit die Ethik vom "hohen Ross" herunter. Nicht mehr die Religion bestimmt, was gut oder schlecht ist, auch nicht die reine Vernunft. Ethik entsteht allein im gesellschaftlichen Gefüge: Was der Gesellschaft nützt, ist gut.
  • Humes Aussagen sind Gift für die Kirche: An der Religion ist nur das gut, was der Gesellschaft nützt.
  • Hume erhebt nicht den Anspruch, dass seine moralischen Prinzipien ewige Gültigkeit hätten. Zentrales Element seiner empirischen Erkenntnistheorie ist gerade, dass jede Theorie durch neue Erfahrungen revidiert werden kann. Zeitlos und universell gültige Theorien sind daher von vornherein ausgeschlossen.
  • Mit dieser Auffassung stellt er sich gegen die rationalistische Ethik seiner Zeit (z. B. Descartes vor ihm, Kant nach ihm), die annimmt, dass moralische Urteile ebenso unverrückbar sind wie beispielsweise die Regeln der Mathematik.
  • Wie die meisten anderen englischen Aufklärer bezieht sich Hume im Essay auf den von Thomas Hobbes (1588-1679) geprägten Begriff des Naturzustands. Allerdings bestreitet Hume, dass es eine solche Situation des Kampfes "jeder gegen jeden" jemals gegeben haben kann, weil Menschen keine Einzelgänger seien und immer eine Form des sozialen Zusammenlebens suchten.
  • David Hume diskutiert die Möglichkeit der Gleichheit aller Menschen und kommt zu dem Schluss, dass dies ein unmöglicher und auch wenig wünschenswerter Zustand wäre: Statt sich zu verringern, würde sich die Armut ausbreiten und die "Aufseher" der Gleichheit würden sich in Tyrannen verwandeln (der real existierende Sozialismus hat Hume in dieser Einschätzung Recht gegeben).

Historischer Hintergrund

Ethik und Erkenntnistheorie des Empirismus

David Humes Äußerungen über Moral und Ethik können nicht losgelöst von seiner Erkenntnistheorie betrachtet werden, die er vor allem in seinem Traktat über die menschliche Natur (1739/40) und dessen späteren Editionen niedergeschrieben hat. Hume war Empirist. Der Empirismus, der sich im frühen 17. Jahrhundert als philosophische Strömung in England entwickelte, geht davon aus, dass jede Erkenntnis auf Erfahrung beruht. Im Gegensatz zum Rationalismus bestreitet der Empirismus, dass es Wissen a priori, also unabhängig von der Erfahrung, überhaupt geben kann. Das Besondere an Humes Schriften ist, dass er die experimentelle Erkenntnistheorie der Naturwissenschaften (er bezieht sich hauptsächlich auf Isaac Newton) auch auf moralischem Gebiet anwendet. Er nimmt die menschliche und gesellschaftliche Natur ernst. Jeder bisherige moralphilosophische Entwurf, schreibt Hume, "nahm nur seine eigenen Fantasien im Errichten von Lehrgebäuden über Tugend und Glück ernst, ohne die menschliche Natur zu beachten, von der jede moralische Schlussfolgerung abhängen muss." Hier will er einen neuen Weg gehen, nämlich den der Empirie, der Erfahrung.

Entstehung

Nicht alles, was Hume schrieb, war radikal neu. Der Graf von Shaftesbury (1671-1713) behauptete rund 50 Jahre zuvor, die Wurzel der Moral liege nicht in der Religion, sondern in der Natur des Menschen. Das menschliche Empfinden solle als Maßstab dafür dienen, ob etwas gut oder schlecht sei. Humes Untersuchung über die Prinzipien der Moral erschien erstmals im Jahr 1751. War Hume von seiner Erstschrift Ein Traktat über die menschliche Natur zwölf Jahre zuvor nicht besonders begeistert, so betrachtete er die Untersuchung selbst als die "unvergleichlich beste" seiner Schriften. Das lag in erster Linie am essayistischen Stil, den er als "seine" Textform entdeckte. 1749 hatte Hume mit der Arbeit begonnen und diese ein Jahr später beendet. Zwar erschien das Buch als Monografie, doch betrachtete der Autor den Band eher als eine Ansammlung einzelner Essays. Die in modernen Ausgaben im Anhang abgedruckten Teile befanden sich anfangs noch im laufenden Text der einzelnen Essays. 1753 bereitete Hume eine zweite Auflage vor, die er, wie bei allen seinen Werken, sorgsam anpasste und überarbeitete. Gemeinsam mit anderen Essays erschien das Werk unter dem Titel Essays and Treatises on Several Subjects. Die Anpassungen und Neuauflagen dieses Bandes trieb Hume geradezu inflationär voran: Zwischen 1760 und 1777 erscheinen sieben verschiedene Fassungen, bei denen immer mehr Elemente, die Hume als zu sperrig für seinen flüssigen Essaystil empfand, in den Anhang des Textes wanderten. Erst 1772 zeigte er sich mit dem Text zufrieden - und erarbeitete dennoch eine weitere Edition, die 1777 posthum veröffentlicht wurde.

Wirkungsgeschichte

Die Essaysammlung ist in fünf verschiedenen Fassungen auf Deutsch übersetzt worden. Die erste deutsche Fassung erschien 1756, die neueste Übersetzung stammt aus dem Jahr 2003. Humes eleganter Essaystil wurde von seinen philosophischen Kollegen immer wieder als vorbildlich bezeichnet. So lobte etwa Immanuel Kant, es sei "nicht jedermann gegeben, so subtil und doch zugleich so anlockend zu schreiben als David Hume".

Humes Idee der Nützlichkeit als Grundlage für moralisches Handeln nimmt den Utilitarismus vorweg. Nach dieser Theorie ist eine Handlung dann gut, wenn sie für eine große Anzahl von Menschen einen möglichst großen Nutzen bringt. Hauptvertreter des Utilitarismus sind John Austin (1790-1859), John Stuart Mill (1806-1873) und Jeremy Bentham (1748-1832). Letzterer sagte unverhohlen, dass ihm die Erkenntnis wie "Schuppen von den Augen" fiel, als er Hume las.

Humes Gedanken finden sich auch in der Moralphilosophie seines engen Freundes Adam Smith (1723-1790). Auch Immanuel Kant (1724-1804) wurde, wie er selbst berichtete, durch Hume aus dem "dogmatischen Schlummer" geweckt. Da Humes Ethik in der menschlichen Natur und in der gegebenen gesellschaftlichen Situation gleichsam "geerdet" ist, war und ist sie besonders für die angelsächsische Philosophie (Stichwort Pragmatismus) attraktiv. Die deutsche und französische Philosophie schaute dagegen bisweilen mit Argwohn auf die "unreine" menschliche Natur und den Empirismus; diese Philosophen gingen einen anderen Weg und versuchten, moralische Prinzipien aus der reinen Vernunft heraus zu entwickeln.

Über den Autor

David Hume gehört, neben John Locke und George Berkeley, zu den einflussreichsten Figuren der englischen Aufklärung. Als zweiter Sohn eines kleinen schottischen Landadeligen im Jahr 1711 geboren, besucht Hume bereits mit zwölf Jahren die Universität von Edinburgh, um Jura zu studieren. Er hört jedoch auch Vorlesungen zur Moralphilosophie und lernt die Schriften von Isaac Newton und John Locke kennen. Das Studium bricht Hume jedoch nach drei Jahren ohne Abschluss ab. In Bristol verdingt er sich als Kaufmann und tritt in den Jahren 1734 bis 1737 eine Studienreise nach Frankreich an, um sich mit neuerer Philosophie zu beschäftigen. Hume verfasst hier seinen Traktat über die menschliche Natur (erschienen 1739/40). Diese Abhandlung erregt jedoch keine große Aufmerksamkeit. Hume selbst bezeichnet sie als "Totgeburt", wobei er jedoch an seinen philosophischen Überzeugungen festhält. 1741 entdeckt er sein Talent für Essays: Seine aus dieser Zeit stammenden Moralisch-politischen Essays sind sehr erfolgreich. Fünf Jahre später bewirbt er sich um die Professur für Moralphilosophie an der Universität von Edinburgh. Seine skeptische Haltung gegenüber der Religion führt dazu, dass seine Bewerbung erfolglos bleibt. In seiner 1757 veröffentlichten Naturgeschichte der Religion behauptet er später, dass Religion auf Ignoranz, Hoffnung und Furcht basiere und ihre Ausrottung durch Aufklärung einer wahren Erlösung gleichkomme. Damit hat Hume seine Aussicht auf höhere Ämter im calvinistischen Schottland verwirkt. 1748 erscheint sein Werk Untersuchung über den menschlichen Verstand, das Hume in ganz Europa bekannt macht. Von 1752 bis 1757 arbeitet er als Bibliothekar an der Universität von Edinburgh, was er mit historisch-politischen Studien verbindet. Das Ergebnis ist die Geschichte von England (1754), die Humes Ruf auch als Historiker festigt und ihn wohlhabend macht. Von 1763 bis 1766 im diplomatischen Dienst des Gesandten Lord Hertford in Paris, macht Hume Bekanntschaft mit den französischen Philosophen Diderot und Rousseau. 1769 kehrt er nach Edinburgh zurück und stirbt dort nach einer langen Krankheit im Jahr 1776.

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