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Ilias

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Ilias

Artemis & Winkler,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Homers großes Epos erzählt vom Zorn des Achill vor den Toren der belagerten Stadt Troja.

Literatur­klassiker

  • Epos
  • Griechische Antike

Worum es geht

Die größte Schlacht der Antike

Homers Epos Ilias setzt erst im zehnten und letzten Jahr des Trojanischen Krieges ein, doch wird in Rückblenden und Vorschauen die ganze gewaltige Auseinandersetzung zwischen den Griechen und den belagerten Trojanern ausgebreitet – eine Auseinandersetzung, die auch die griechische Götterwelt mit einbezieht. Das zentrale Motiv der Ilias ist der Zorn des Achill: Der tapferste und stärkste Krieger der Griechen zieht sich wegen einer persönlichen Beleidigung grollend aus dem Kampf um die Stadt zurück. Dieser Rückzug steht am Beginn einer langen Ereigniskette, an deren Ende der von einer höheren Macht vorherbestimmte Untergang der Stadt Troja steht. Allerdings wird Trojas Verderben und die weltberühmte Geschichte vom hölzernen Pferd nicht in der Ilias, sondern mittels Rückblenden in Homers zweitem Epos, der Odyssee, erzählt. Die Ilias mag heutigen Lesern streckenweise weitschweifig und mit Nebenepisoden überfrachtet erscheinen; dennoch beeindruckt sie durch überwältigende Sprachkraft, Spannung, Dramatik und psychologische Raffinesse. Das Epos übte in fast allen Epochen eine große Wirkung aus und hat auch Hollywood in seinen Bann gezogen. Die Verfilmung durch Wolfgang Petersen aus dem Jahre 2004 weicht allerdings in vielen Teilen von der homerischen Vorlage ab.

Take-aways

  • Die Ilias ist das älteste schriftlich überlieferte Werk der abendländischen Literatur.
  • Es entstand wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts v. Chr. im ionischen Griechenland, einem schmalen Streifen der kleinasiatischen Küste.
  • Es ist das Epos des Trojanischen Krieges: Die Griechen belagern die Stadt Troja, weil der Trojaner Paris die schöne Helena entführt hat.
  • Im Mittelpunkt steht der Zorn des griechischen Helden Achill: Er fühlt sich von seinem Anführer Agamemnon beleidigt und will nicht mehr kämpfen.
  • Solange sich Achill aus der Schlacht heraushält, ist das Kriegsglück auf Seiten der Trojaner.
  • Dem trojanischen Helden Hektor gelingt es beinahe, die Flotte der Griechen zu zerstören.
  • Erst der Tod seines besten Freundes Patroklos bewegt Achill zum Umdenken. Als er in den Kampf eingreift, kehrt das Kriegsglück zu den Griechen zurück.
  • Die Schlacht um Troja weitet sich zu einem universalen Ringen aus, weil sich auch die Götter daran beteiligen.
  • Die Eroberung Trojas durch die Griechen, die sie Odysseus’ List mit dem hölzernen Pferd verdanken, wird in Homers anderem Epos, der Odyssee, erzählt.
  • Die Ilias besteht aus 15 693 Versen, verteilt auf 24 Gesänge.
  • Die genaue Entstehungsgeschichte des Werkes ist ebenso ungeklärt wie die Frage, ob Homer überhaupt gelebt hat.
  • Im Jahr 1870 stieß der deutsche Archäologe Heinrich Schliemann in der Türkei auf die Überreste Trojas.

Zusammenfassung

Agamemnons Herzlosigkeit und der Zorn des Achill

Im Lager der Griechen, die die Stadt Troja umstellt haben, erscheint der trojanische Apollonpriester Chryses, um vom griechischen Heerführer Agamemnon die Freilassung seiner gefangenen Tochter Chryseis zu verlangen. Als sich Agamemnon weigert, bestraft der Gott Apollon das griechische Heer mit einer Seuche. Der tapferste Held der Griechen, Achill, setzt sich daraufhin vehement für die Freilassung der Gefangenen ein und erregt dadurch Agamemnons Zorn. Schließlich lässt der Heerführer Chryseis frei, doch verlangt er als Genugtuung, dass ihm ausgerechnet Briseis übergeben werde: eine junge Gefangene des Achill, in die sich Agamemnon verliebt hat. Der Held gehorcht zwar, zieht sich aber beleidigt vom Kampfgeschehen zurück. Zornig sitzt er am Meeresufer und ruft seine Mutter Thetis an. Die Meergöttin verspricht ihm, bei Göttervater Zeus zu intervenieren: Die Griechen sollen so lange sieglos bleiben, bis Agamemnon seinen Fehler eingesteht und die Schmach sühnt, die er Achill zugefügt hat. Thetis wirft sich vor Zeus auf die Knie und umschmeichelt ihn, während sie um Hilfe für ihren Sohn bittet. Zeus willigt ein: Solange Achill die geforderte Wiedergutmachung verweigert wird, werden die Trojaner auf dem Schlachtfeld siegreich bleiben.

Trügerische Erfolge der Trojaner

Rückblende: Die Griechen belagern die Stadt Troja, weil der Trojaner Paris die schöne Helena entführt hat, die mit Agamemnons Bruder Menelaos verheiratet ist. Damit hat Paris, der vor der Entführung bei Menelaos zu Besuch war, in unverzeihlicher Weise gegen die Gesetze der Gastfreundschaft verstoßen. Zunächst versuchen die Kriegsparteien, den Konflikt durch einen Zweikampf zwischen den beiden um Helena buhlenden Männern zu lösen. Als Menelaos in diesem Duell die Oberhand gewinnt, greift die Göttin Aphrodite ein: Sie hüllt Paris in einen dichten Nebel und zaubert ihn vom Kampfplatz direkt in Helenas Schlafzimmer auf der trojanischen Burg. Aphrodite fühlt sich Paris verbunden, weil er ihr einst durch sein Urteil beim Schönheitswettbewerb gegen die Göttinnen Hera und Athene zum Sieg verholfen hat, worauf sie ihm als Belohnung die schönste Frau der Welt – nämlich Helena – versprach. Nach dem unerklärlichen Verschwinden des Paris vom Kampfplatz wird Menelaos zum Sieger ausgerufen. Doch der zwischen Menschen geschlossene Frieden widerspricht dem vorgezeichneten Plan der Götter: Zeus beauftragt seine Tochter Athene, den Trojaner Pandaros zu einem Pfeilschuss auf Menelaos anzustacheln. Der Grieche wird verwundet, die Trojaner stehen abermals als Schuldige da, und der Krieg geht weiter.

„Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus, / Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte / Und viel tapfere Seelen der Heldensöhne zum Ais / Sendete, aber sie selbst zum Raub darstellte den Hunden / Und dem Gevögel umher.“ (S. 5)

Der tapferste und stärkste Kämpfer auf der Seite der Trojaner ist Hektor, Paris’ Bruder. Sein baldiger Tod ist von den Göttern vorherbestimmt. Bevor er in die Schlacht zieht, nimmt er von seinem Sohn und seiner Gattin Andromache Abschied. Andromache zieht sich in ihr Haus zurück und stimmt, die unheilvolle Zukunft vorausahnend, ein Klagelied auf ihren noch lebenden Gatten an. Helena hingegen klagt über das Los, zwischen zwei Männern hin- und hergerissen zu sein: ihrem Gatten Menelaos und ihrem Entführer Paris. Gleichzeitig ist sie sich bewusst, dass ihr Schicksal von Zeus bestimmt ist und dass sie als mythische Figur in den Liedern kommender Generationen Unsterblichkeit erlangen wird.

Götter des Krieges und Krieg der Götter

Während der ersten Kampfhandlungen sind sich die Heere ebenbürtig, denn beide werden von Göttern unterstützt: Auf der Seite der Griechen steht Athene, auf der der Trojaner Mars. Am Ende der Schlacht vereinbaren die Parteien eine Waffenruhe, um die unzähligen gefallenen Krieger in Würde zu begraben. Inzwischen fordert Zeus die übrigen Götter auf, sich aus dem Kampfgetümmel herauszuhalten. Solange die an Achill begangene Schmach nicht gesühnt wird, ist das Kriegsglück weiter auf Seite der Trojaner: Am zweiten Kampftag dringt Hektor zum Graben des Griechenlagers vor und plant, die Schiffe des Gegners in Brand zu setzen. Nun erkennt Agamemnon seinen Fehler. Er schickt drei mit reichen Geschenken beladene Unterhändler zu Achill, darunter auch Odysseus, der Achill eindringlich auffordert, sich wieder am Kampf zu beteiligen. Doch in einer ungestüm vorgebrachten Rede weist Achill das Ansinnen zurück und droht sogar, den Kriegsschauplatz endgültig zu verlassen.

„Als sie nunmehr anstrebend auf einem Raum sich begegnet, / Trafen zugleich Stierhäut' und Speere zugleich und die Kräfte / Rüstiger Männer in Erz; und die hochgenabelten Schilde / Naheten dichtgedrängt, und umher stieg lautes Getös auf.“ (S. 71)

Nun geraten die Griechen derart unter Druck, dass sie sich nur noch von einer List Rettung erhoffen: Patroklos, der beste Freund Achills, soll dessen Rüstung anziehen und den Gegner glauben machen, der große Held sei in den Kampf zurückgekehrt. Doch erst schleudert Hektor einen gewaltigen Stein gegen das Tor des griechischen Lagers und erstürmt die Mauer, während die Griechen in panischem Schrecken zu den Schiffen flüchten. Als Zeus, der das Getümmel beobachtet, sich einen Moment ablenken lässt, nutzt sein Bruder Poseidon die Gelegenheit: Er eilt den Griechen zu Hilfe und wird darin von Zeus’ Gattin Hera unterstützt, unter den Göttern die erbittertste Gegnerin der Trojaner. Nachdem sie Zeus verführt hat, lässt sie ihn schlafend zurück. Für einen kurzen Moment wendet sich nun das Blatt wieder zugunsten der Griechen, denen es unter Poseidons Führung gelingt, den Gegner zurückzuschlagen und sogar Hektor zu verwunden. Als Zeus erwacht, pocht er auf seine Stellung als oberster Gott, tadelt seine Gattin aufs Schärfste und zwingt auch seinen Bruder Poseidon, sich aus dem Kampf zurückzuziehen. Zwar murren die Götter gegen die Befehle des Zeus, und Poseidon erinnert ihn daran, dass der Untergang Trojas unausweichlich sei. Zu einer offenen Rebellion gegen die Macht des Göttervaters kommt es aber nicht. Zeus erlaubt Apollon, den verwundeten Hektor zu heilen, worauf die Trojaner erneut zum Sturm auf die Schiffe ansetzen.

Patroklos’ Tod

Als das erste Schiff Feuer fängt, bittet Patroklos seinen Freund Achill um Hilfe. Dieser erlaubt ihm, mit seiner Rüstung in den Kampf zu ziehen, ermahnt ihn jedoch gleichzeitig, die Trojaner lediglich von den Schiffen zurückzudrängen, ohne sie danach zu verfolgen. Patroklos jedoch schlägt Achills Warnung in den Wind, stößt bis zu den Mauern Trojas vor und erobert beinahe die Stadt. Erst das Eingreifen Apollons kann ihn stoppen: Der Gott raubt ihm die Rüstung, worauf Patroklos von Hektor aufgespießt und vor seinem Tod noch verhöhnt wird. Sterbend antwortet Patroklos, auch Hektors Tod stehe bevor. Der Trojaner nimmt ihm die Waffen ab und droht, den Leichnam den Hunden zum Fraß vorzuwerfen.

„Hört mein Wort, ihr Götter umher und ihr Göttinnen alle, / Dass ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet. / Keine der Göttinnen nun erhebe sich, keiner der Götter, / Trachtend, wie dies mein Wort er vereitle, sondern zugleich ihr / Stimmt ihm bei, dass ich eilig Vollendung schaffe dem Werke!“ (Zeus, S. 127)

Als Achill vom Schicksal seines Freundes erfährt, streut er sich Asche auf Kopf und Kleider, wälzt sich im Staub und reißt sich die Haare aus. Thetis hört die Schmerzensschreie ihres Sohnes und steigt aus dem Meer, um zu erfahren, was geschehen ist. Achill beklagt den Verlust des Freundes und will ihn rächen. Währenddessen ist zwischen Griechen und Trojanern ein heftiges Handgemenge um Patroklos’ Leiche entbrannt. Dreimal gelingt es Hektor, die Leiche an den Füßen zu packen, dreimal schaffen es die Griechen, ihn zurückzudrängen. Aber der trojanische Held wütet wie ein Stier und setzt alles daran, den Körper des Getöteten in seine Gewalt zu bringen. Achill zögert einzugreifen, denn wie soll er ohne Waffen kämpfen? Die Göttin Hera rät ihm, lediglich auf der Mauer des Lagers zu erscheinen – allein sein Anblick werde die Trojaner in Angst und Schrecken versetzen. Sie legt ihm die Ägis, das Furcht einflößende göttliche Ziegenfell, um, und Achill erscheint mit ohrenbetäubendem Gebrüll auf der Wehrmauer. Die Göttin Hera antwortet darauf ihrerseits mit einem Schrei, die Trojaner erfasst das nackte Schaudern, sie sammeln sich, Achill brüllt erneut, die Szene wiederholt sich dreimal. Den Griechen gelingt es schließlich, Patroklos’ Leichnam in Sicherheit zu bringen. Weinend bahren sie ihn auf. Auch Achill vergießt Tränen für den gefallenen Freund.

Achill kehrt zurück

Patroklos’ Tötung durch Hektor führt bei Achill zu einem Sinneswandel. Sein Zorn bleibt zwar, erfährt aber eine Veränderung: Nicht mehr die durch Agamemnon erlittene Kränkung lässt Achill nun erbeben, sondern die Wut auf Hektor, den Mörder seines besten Freundes. Bevor Achill wieder in den Kampf ziehen kann, braucht er neue Waffen. Er erhält sie von Hephaistos, dem verkrüppelten und erzhässlichen Schmiedegott. Von der weinenden Thetis darum gebeten, gießt der Gott Silber, Gold und Kupfer ins Feuer, greift zu Hammer, Amboss und Zange und fertigt zunächst einen gigantischen Schild an, den er mit wunderbaren Skulpturen verziert. Danach fabriziert er Rüstung und Waffen. Agamemnon überhäuft in einer Geste der Versöhnung seinen besten Krieger Achill mit Geschenken und gibt ihm dessen geliebte Sklavin Briseis zurück.

„Hier nun stand die Göttin und schrie, machtvoll und entsetzlich, / Laut an Achaias Heer und rüstete jeglichen Mannes / Busen mit Kraft, rastlos im Streite zu stehn und zu kämpfen.“ (über Eris, die Göttin des Streits S. 178)

Diese Versöhnung im Lager der Griechen zwingt die Trojaner wieder in die Defensive, womit der vom Göttervater Zeus vorherbestimmte Gang der Ereignisse eintritt: Mit der Rückkehr des Achill ist das Siegesglück wieder auf Seiten der Griechen. Die Heere marschieren auf, Achill zieht seine neue Rüstung an. Das unsterbliche Pferd Xanthos kann durch das Wirken der Göttin Hera plötzlich sprechen und offenbart dem griechischen Helden das bevorstehende Schicksal: Zunächst werde er Hektor töten, um danach selber durch die Hand eines Menschen und eines Gottes zu fallen. Achill nimmt diese Prophezeiung stolz entgegen und zieht fiebernd vor Tatendrang in die Schlacht – eine Schlacht, die sich schnell zu einem gigantischen kosmischen Ringen ausweitet. Denn Zeus hat den Göttern erlaubt, sich wieder in das Geschehen einzumischen, und dieses Ineinandergreifen von menschlichem und göttlichem Handeln erschüttert selbst den Olymp. Es überstürzen sich die Ereignisse: Der rasende Achill wirft so viele erschlagene Trojaner in den Fluss Skamandros, dass der Flussgott ob all des Blutes wütend wird, anschwillt und den Helden zu ertränken droht. Es braucht ein vom Gott Hephaistos entfachtes gigantisches Feuer, um die Fluten zurückzudrängen und Achill zu retten.

Das finale Duell

Schließlich kommt es zum Zweikampf der beiden großen Heroen Achill und Hektor. Dem Trojaner eilt der Gott Apollon zu Hilfe, indem er zunächst verhindert, dass sich Hektors Gegner ihm überhaupt nähern kann. Doch nachdem Zeus die Schicksalswaage in die Höhe gehalten und sich die Schale mit dem Los Hektors geneigt hat, muss sich Apollon von seinem Schützling zurückziehen. Stattdessen erhält nun Achill die Unterstützung Athenes. In Gestalt von Hektors Bruder Deïphobos nähert sich die Göttin der Weisheit dem trojanischen Helden und bietet ihm an, an seiner Seite gegen den Griechen zu kämpfen. Im entscheidenden Moment jedoch ist der vermeintliche Bruder verschwunden. Hektor hat sich von der List der Göttin täuschen lassen. Er weiß nun, dass er sterben muss, aber zugleich erfüllt ihn der Gedanke an einen heldenhaften, noch in ferner Zukunft besungenen Tod mit Stolz. Schließlich wird der Trojaner vom Speer des Achill aufgespießt.

„Schmetternd zerbrach er die Angeln umher, und es stürzte der Marmor / Schwer hinein, dumpf krachte das Tor; auch die mächtigen Riegel / Hielten ihm nicht, und die Bohlen zerspalteten hiehin und dorthin / Unter des Steines Gewalt.“ (über Hektor, S. 214)

Vor seinem Tod bittet Hektor, dass sein Leichnam den Eltern übergeben werde. Aber Achill antwortet ihm, eher werde er von seinem eigenen Fleisch essen. Selbst gegen Gold aufgewogen, würde er den Körper des Gefallenen nicht herausrücken. In der Tat schändet er in unstillbarem Rachedurst die Leiche seines Gegners: Er bindet sie an einen Streitwagen und schleift sie um das Grab des gefallenen Freundes Patroklos. Priamos, Hektors Vater und König von Troja, wälzt sich beim Anblick dieses Spektakels vor Entsetzen im Schlamm. Nur mit Mühe können die Bewohner Trojas verhindern, dass er sich aus der Stadt stürzt, um den Sieger auf Knien um den Leichnam des Sohnes zu bitten.

Maßloser Zorn

Die Maßlosigkeit des Achill geht den Göttern allerdings zu weit. Auf Geheiß von Zeus bittet Thetis ihren Sohn, von seiner blindwütigen Totenschändung abzulassen und den Leichnam Hektors zur würdevollen Bestattung freizugeben. Unter dem Schutz des Götterboten Hermes betritt nun Priamos das Zelt des zürnenden Achill. Priamos erinnert den griechischen Helden an seinen eigenen Vater Peleus, und so schlägt die scheinbar unstillbare Wut plötzlich in Mitleid um. Am Ende ist der zornige Krieger zu Erbarmen und Vergebung fähig: Der trojanische König darf den gefallenen Sohn auf einem Maultiergespann in die belagerte Stadt führen. Die Erste, die den Trauerzug erblickt und die Trojaner vom Tod ihres großen Helden und Beschützers unterrichtet, ist die Seherin Kassandra. Hektors Gattin Andromache stimmt abermals ein großes Klagelied an, in dem sie Trojas Untergang andeutet. In tagelanger Totenehrung wird Hektor von seinen Landsleuten bestattet, während die Griechen um Patroklos trauern.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Ilias umfasst rund 15 000 Verse, verteilt auf 24 Gesänge oder Kapitel. Ihr Versmaß ist der Hexameter: Er besteht aus sechs Versfüßen (mit je einer langen und einer kurzen Silbe), hat keinen Endreim und wird auch in der Odyssee verwendet. Obwohl die Ilias lediglich einen Ausschnitt von nur 50 Tagen im zehn Jahre währenden Kampf um Troja schildert, liefert sie durch eingeschobene Vor- und Rückblenden ein großes Panorama des Trojanischen Krieges. Das Zornmotiv bestimmt die Zweiteilung des Epos in die Gesänge 1–17, in denen sich Achills Wüten gegen seinen Herrscher, und die Gesänge 18–24, in denen sich sein Zorn gegen den Feind richtet. Das Epos setzt gründliche Kenntnisse der griechischen Sagenwelt sowie der Mythen um Troja voraus, da es öfters auf diese Stoffe anspielt, ohne sie umfassend zu erzählen. Die Ilias enthält zahlreiche feststehende und immer wieder verwendete sprachliche Elemente, z. B. Formeln für den Beginn und das Ende einer Rede oder eines Kampfes. Typisch sind auch die vielen eingeschobenen Nebengeschichten, deren Zusammenhang mit der Haupthandlung nicht immer einfach zu entschlüsseln ist. Die Fülle an erzählerischem Material und die Vielfalt von Helden- und Göttergestalten machen die Ilias zu einem umfangreichen Kompendium griechischer Mythologie. All dies nimmt dem homerischen Stoff jedoch nichts von seiner Dramatik.

Interpretationsansätze

  • Die innere Spannung des Werks hängt entscheidend mit der zentralen Stellung Achills zusammen: Die Frage, ob, wie und wann der große Held seinen Zorn überwindet, vermag die unzähligen Erzählstränge überzeugend zu bündeln. Der Tod des Achill wird von Homer übrigens nicht erzählt. Der Sage nach wird er von Apollon, der die Trojaner unterstützt, an der Ferse, seiner einzigen verwundbaren Stelle, tödlich verletzt.
  • Der abseitsstehende Achill erscheint phasenweise als Figur, die ihre sozialen Verpflichtungen verletzt. Die Vorwürfe seiner Kampfgefährten weisen darauf hin, dass das Individuum seine Handlungen vor der Gemeinschaft, der es angehört, verantworten muss.
  • Der Zorn des Achill, sein Rückzug aus der Schlacht und sein Wüten gegen den Leichnam Hektors bringen die Landsleute des Helden in Bedrängnis, denn die Taten erzürnen die Götter und schaden so letztlich auch Achill selbst. Neben kriegerischer Tapferkeit erscheinen in der Ilias deshalb auch Maßhalten und Selbstbeschränkung als edle Formen menschlichen Handelns.
  • In der Ilias werden aristokratische Werte wie Ehre, Ruhm, Tapferkeit und Treue verherrlicht; auch das dem Epos zugrunde liegende Menschenbild trägt ausgeprägt aristokratische Züge.
  • Das vorherbestimmte Schicksal lässt sich durch menschliche Handlungen zwar verzögern, aber nicht aufhalten oder verändern, das gilt auch für überragende Helden wie Achill. Selbst die Götter sind letztlich nicht imstande, den vorherbestimmten Gang der Ereignisse und deren Auswirkungen außer Kraft zu setzen.
  • Immer wieder akzeptieren die Figuren der Ilias ihr tödliches Schicksal, weil sie wissen, dass sie in den Heldengesängen weiterleben werden. Damit wird der literarischen Schöpfung die Aufgabe überantwortet, das historische Bewusstsein kommender Generationen zu prägen.

Historischer Hintergrund

Die Blütezeit Griechenlands

Falls Homer als historische Figur tatsächlich existiert hat, lebte er im 8. Jahrhundert v. Chr. 400 Jahre zuvor, um 1200 v. Chr., war die mykenische Hochkultur mit ihren Fürstenhöfen und Königspalästen durch eine Invasion von aus dem Norden eindringenden Stämmen vernichtet worden. Die aristokratische Führungsschicht wurde ausgemerzt oder floh, es kam zu einem wirtschaftlichen und kulturellen Niedergang. Zu Homers Lebzeiten setzte eine Erholung ein, u. a. durch die erfolgreiche Kolonisierung der kleinasiatischen Küste. Indem Homer seine Helden- und Göttersagen in der Zeit vor 1200 v. Chr. ansiedelt, erinnert er die neue Adelsschicht an die Werte ihrer eigenen glorreichen Vergangenheit. Die Ilias entstand also in der ersten großen Kunstepoche der Griechen, die sich selbst in Abgrenzung zu den Barbaren als „Hellenen“ bezeichneten.

Das so genannte archaische Zeitalter (800–500 v. Chr.) ging mit dem Übergang zur Polis, dem griechischen Stadtstaat, einher, an dessen Spitze zunächst ein König und später eine Oligarchie (Herrschaft einer kleinen Gruppe) stand. Griechenland löste die Phönizier als große Seefahrernation ab. Mit der griechischen Kolonisation breitete sich die Polis in die Mittelmeergebiete aus. Fast ganz Süditalien inklusive Sizilien war davon betroffen: „Magna Graecia“, Großgriechenland. Die Kolonien bildeten eigene Gemeinschaften, die nur hinsichtlich der Verfassung und der Religion an die Ursprungsstadt gekoppelt waren. Von Stadtstaat zu Stadtstaat unterschied sich das Gesellschaftssystem sehr stark: In Sparta beispielsweise herrschte die sehr aggressive Kriegerkaste über die Bevölkerung, während in Athen jedes adlige Mitglied der Gesellschaft die vollen Bürgerrechte erhielt. Von hier breitete sich die antike Form der Demokratie aus.

Entstehung

Der Titel des Werkes ist von „Ilion“ abgeleitet, dem zweiten Namen der in Kleinasien (der heutigen Türkei) gelegenen Stadt Troja. Über die Entstehungsgeschichte der Ilias ist sich die Wissenschaft bis zum heutigen Tag genauso wenig einig wie über die Frage, ob Homer wirklich gelebt hat. Die beiden Probleme werden unter dem stehenden Begriff „homerische Frage“ zusammengefasst. Unbestritten ist, dass sich die Ilias auf eine mündliche Tradition frühgriechischer, wahrscheinlich mykenischer Heldendichtung stützt. Die philologische Forschung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts vertrat überwiegend die These, die Ilias sei eine von mehreren Autoren geschaffene Zusammenfassung verschiedener kleinerer Epen zu einem einzigen Großepos. Die Anhänger dieser Theorie bezeichnet man als Analytiker. Ihnen stehen die Unitarier gegenüber, die von einem einheitlichen, einer einzelnen Person zuzuschreibenden Werk ausgehen. Die moderne philologische Forschung neigt eher der zweiten Vermutung zu.

Seit Heinrich Schliemann 1870 in der Nähe der Dardanellen in der Türkei die Überreste Trojas entdeckt hat, ist die Geschichte der Stadt nicht mehr bloße literarische Legende, sondern Gegenstand historischer Forschung. Ob ein dem Trojanischen Krieg ähnliches Ereignis in der Zeit um 1200 v. Chr. tatsächlich stattgefunden hat, ist jedoch nicht gesichert.

Wirkungsgeschichte

Die Ilias galt schon im alten Griechenland als phänomenaler literarischer Wurf. Der berühmte griechische Tragiker Aischylos soll seine eigenen Dramen lediglich als „Bissen von den Mahlzeiten“ Homers bezeichnet haben. Andere Epen aus jenen Jahrhunderten sind durch die Wirkungsmacht der Ilias schlicht in Vergessenheit geraten. Homers Werk hat entscheidend zum literarischen, kulturellen, mythologischen und historischen Bewusstsein der Antike beigetragen. Der römische Dichter Vergil verstand sein Epos Aeneis als Synthese aus Ilias und Odyssee.

Im Mittelalter und während der Renaissance wurde unter der Dominanz der römisch-lateinischen Tradition die Aeneis des Vergil weit höher gewertet als die Epen Homers, denen man teilweise Maßlosigkeit und mangelnde innere Logik vorwarf. Die gefühlsstarken Ausbrüche der homerischen Helden, besonders die urtümliche, zwischen Raserei und Menschlichkeit schwankende Figur des Achill, faszinierten hingegen die Dichter des deutschen Sturm und Drang. Sie feierten Homer als Autor von wahrer, natürlicher Unmittelbarkeit. Goethe stellte sich in seinem Fragment Achilleis ausdrücklich in eine Linie mit dem Urheber der Ilias. Aus dem homerischen Sagenstoff schöpfte auch eines der größten Dramen der deutschen Literaturgeschichte: Heinrich von Kleists Penthesilea aus dem Jahr 1807. In jüngster Zeit hat sich Hollywood des Stoffes angenommen. Die Regiearbeit des Deutschen Wolfgang Petersen wurde aufgrund ihrer allzu freien Interpretation der literarischen Vorlage kritisiert.

Über den Autor

Ob Homer tatsächlich gelebt hat, ist umstritten. Über seine Existenz gibt es keine gesicherten Zeugnisse, sondern lediglich nachträglich entstandene Legenden. Der Schöpfer der Ilias und der Odyssee soll im 8. Jahrhundert v. Chr. im ionischen Griechenland gelebt haben, einem schmalen Streifen an der kleinasiatischen Küste, der heutigen Türkei. Er soll blind gewesen sein, doch wurde ihm dieses Gebrechen wohl in Analogie zum blinden Sänger Demodokos aus der Odyssee zugeschrieben. Als seine Heimatstadt gilt die Stadt Smyrna, das heutige Izmir. Gestorben ist er wahrscheinlich auf der Insel Ios. Der Legende zufolge soll Homer seine Kunst vor allem in Hafenstädten vorgetragen haben, zur Unterhaltung und Erbauung des einfachen Volkes. Moderne Philologen, die an seine Existenz als Person glauben, gehen davon aus, dass die in den homerischen Epen auftretenden Dichter-Sänger als Selbstporträts zu verstehen sind. Da diese Figuren allesamt im Dienst von Adligen stehen, übte wohl auch Homer seine Kunst in einem aristokratischen Umfeld aus. Er ist der erste Dichter der westlichen Welt, dessen Werke schriftlich überliefert sind. Die beiden Großepen Ilias und Odyssee stehen am Anfang der griechischen und damit der europäischen Literatur. Je intensiver sich die Forschung mit Homers Texten beschäftigte, desto häufiger fielen ihr Widersprüche innerhalb der Werke auf. Könnte es sein, dass Homer als Einzelperson überhaupt nicht der Autor dieser Texte war? Dass der oder die Verfasser sich einer langen Erzähltradition bedienten und sicher auch einzelne Episoden von anderen Sängern übernommen haben, gilt jedenfalls schon lange als wahrscheinlich.

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