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Katz und Maus

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Katz und Maus

Eine Novelle

dtv,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Katz und Maus ist eine kraftvolle Allegorie auf die zweifelhafte Kultur des Vergessens im Nachkriegsdeutschland.


Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Die Schuld des Einzelnen

Günter Grass’ Novelle Katz und Maus erzählt die Geschichte des jugendlichen Außenseiters Joachim Mahlke, der vergeblich um Liebe und Anerkennung buhlt und sich dabei immer weiter von den Menschen entfernt. Seine Individualität bezahlt er mit Einsamkeit und Isolation, weil es für Nonkonformisten wie ihn in der Gesellschaft der 40er Jahre keinen Platz gibt. Wie die beiden anderen Teile von Grass’ Danziger Trilogie, Die Blechtrommel und Hundejahre, behandelt auch dieser die Frage der individuellen Schuld während der Nazidiktatur: Den Ich-Erzähler Pilenz quälen Gewissensbisse, weil er dem schlafenden Mahlke vor Jahren eine Katze auf den vergrößerten Adamsapfel gesetzt hat; diese attackierte sofort die vermeintliche Maus, und Mahlke war von nun an das Gespött der Leute. War sein späteres Unglück also die Folge eines Jungenstreichs? Die Frage nach der Verantwortung des Einzelnen bleibt offen und stellt sich so direkt dem Leser. In den 60er Jahren rührte sie möglicherweise an zu viele offene Wunden. So wurde der Kampf gegen Grass’ Buch auf dem Nebenkriegsschauplatz der Sexualmoral geführt. Der Antrag auf Indizierung wegen jugendgefährdender Inhalte wurde schließlich abgelehnt. Aus heutiger Sicht ist diese Debatte ein Stück Zeitgeschichte, da sie einen Eindruck vom prüden Muff der Adenauerzeit vermittelt.

Take-aways

  • Günter Grass’ 1961 veröffentlichte Novelle Katz und Maus verursachte einen der größten Literaturskandale der Nachkriegszeit.
  • Wegen der anschaulichen Beschreibung davon, wie einige pubertierende Jugendliche um die Wette onanieren, wäre das Buch beinahe auf den Index gesetzt worden.
  • Katz und Maus handelt von dem Außenseiter Joachim Mahlke, dem in der Pubertät ein übernatürlich großer Adamsapfel gewachsen ist.
  • Er versucht seinen Makel zu kaschieren, indem er sich alle möglichen Objekte um den Hals hängt: Schraubenzieher, Marienbildchen, Wollbällchen oder riesige Schals.
  • Zugleich verschafft sich Mahlke durch seine Tauchgänge in einem vor der Danziger Küste untergegangenen Schiff Respekt bei seinen Altersgenossen.
  • Er findet als Einziger den Zugang zu einer über dem Wasserspiegel liegenden Kabine, die zu seinem ganz persönlichen Refugium wird.
  • Als ein Ritterkreuzträger in der Schule einen Vortrag hält, sieht Mahlke in dem Orden die ideale Bedeckung für seinen Adamsapfel: Er stiehlt ihn und fliegt von der Schule.
  • Als Kriegsfreiwilliger steigt er schnell zu den Panzerschützen auf und verdient sich dort sein eigenes Ritterkreuz.
  • Während seines Fronturlaubs möchte er in seiner alten Schule einen Vortrag halten, doch der Direktor verweigert ihm diese Genugtuung.
  • Mahlke ist nun alles gleichgültig: Er überzieht seinen Urlaub, wird so zum Deserteur und taucht zu seiner Kabine, um sich dort zu verstecken.
  • Sein Freund Pilenz, der die Geschichte 15 Jahre später aufschreibt, hat ihn trotz intensiver Suche nie wieder gesehen.
  • Der Titel der Novelle rührt daher, dass einmal eine Katze Mahlkes Adamsapfel für eine Maus hält und ihn angreift – der Ausgangspunkt für alle folgenden Ereignisse.

Zusammenfassung

Mahlkes Makel

Pilenz, der als Sekretär in einem westdeutschen Kolpinghaus arbeitet, schreibt sich 1959 die Geschichte seines Freundes Joachim Mahlke von der Seele. Sie beginnt an einem schicksalhaften Sommertag im Jahr 1940 in Danzig: Während Mahlke am Rand des Schlagballfeldes in der Sonne döst, kommt eine Katze herangeschlichen und springt ihm an die Gurgel. Denn Mahlke hat einen enorm großen Adamsapfel, dessen nervöses Auf und Ab den Bewegungen einer Maus ähnelt. Oder hat jemand Mahlke die Katze auf den Hals gesetzt? Vielleicht sogar er selbst, Pilenz? Trägt er deshalb womöglich die Schuld an allem, was später geschah?

„Ich aber, der ich Deine Maus einer und allen Katzen in den Blick brachte, muss nun schreiben. Selbst wären wir beide erfunden, ich müsste dennoch.“ (Pilenz über Mahlke, S. 6)

Als kleiner Junge war Mahlke stets kränklich. Er wurde deshalb ein Jahr später eingeschult und vom Sportunterricht befreit. Doch kurz nach Kriegsbeginn entscheidet sich der inzwischen 14-Jährige, es allen zu zeigen: Er lernt schwimmen und tauchen und wird darin sehr schnell besser als alle anderen. Verblüfft müssen Pilenz und seine Freunde mit ansehen, wie Mahlke als Taucher ein polnisches Minensuchboot auskundschaftet, das zu Beginn des Krieges vor der Küste untergegangen ist. Während die Jungen sich hauptsächlich auf den über Wasser liegenden Resten der Kommandobrücke lümmeln und Möwenkot essen, taucht Mahlke immer wieder in den Rumpf des Wracks. Er fördert Namensschilder, Amulette, Werkzeuge und einmal sogar ein komplettes Grammofon zutage. Den Schraubenzieher, mit dem er die Objekte unter Wasser abmontiert, trägt er ständig an einem Schnürsenkel um den Hals. Darunter baumelt eine Kette mit dem Amulett der Jungfrau Maria. Denn Mahlke, der sonst gar nichts von Religion hält, verehrt die Muttergottes über alles.

Pubertäre Spielchen auf dem Kahn

Mahlke ist ein Sonderling, der geliebt werden möchte, ein guter Schüler, der niemals andere anschwärzt und jeden abschreiben lässt, aber auch ein in jeder Hinsicht frühreifer Teenager, der seinen Altersgenossen weit voraus ist. Als Hotten Sonntag einmal ein gebrauchtes Kondom über die Türklinke des Klassenzimmers streift, kurz bevor ein fast blinder Lehrer den Raum betritt, entfernt Mahlke es wortlos mit einer Papiertüte. Den anderen Jungen bleibt er ein Rätsel. Sie haben Respekt vor ihm und finden ihn zugleich lächerlich: So amüsieren sie sich über seinen seltsamen, mit Zuckerwasser fixierten Mittelscheitel, über seine Marienfrömmigkeit – aber vor allem über seinen Adamsapfel, den die Katze für eine Maus gehalten hat. Der Messdiener Pilenz hat seinen Freund in der Marienkapelle stets im Blick. Obwohl er seinen Glauben längst verloren hat, bleibt Pilenz dem sonntäglichen Dienst treu. Er kann sich an dem inbrünstig betenden Mahlke einfach nicht sattsehen. Der Außenseiter fasziniert ihn, doch nie kommt er ihm näher.

„Schön war er nicht. Er hätte sich seinen Adamsapfel reparieren lassen sollen. Womöglich lag alles nur an dem Knorpel. Aber das Ding hatte seine Entsprechungen. Auch kann man nicht alles mit Proportionen beweisen wollen. Und seine Seele wurde mir nie vorgestellt.“ (S. 37)

Für Mädchen interessiert Mahlke sich offenbar nicht. Nur zu Tulla Pokriefke, der spindeldürren und ständig nach Leim stinkenden Tochter eines Tischlers, hat er ein besonderes Verhältnis. Doch das zählt nicht, denn Tulla hat wenig Mädchenhaftes an sich. Sie schwimmt in ihrem mausgrauen, überall gestopften Badeanzug mit den Jungen regelmäßig zum Boot hinaus und stachelt sie dort dazu an, um die Wette zu onanieren. Nur Mahlke bleibt abseits. Erst als Tulla ihn herausfordernd fragt, ob er es nicht könne, gibt er nach. Umso erstaunter ist die Bande, als er die Badehose auszieht und sein Geschlechtsteil sich in Tullas Händen zu beeindruckender Größe aufrichtet. Mahlkes Penis ist länger, dicker und um vieles „erwachsener“ als die aller anderen Jungen. Außerdem gelingt es ihm, sich gleich zweimal hintereinander etwas „von der Palme zu locken“, wie die Jungen es nennen. Mahlke hat wieder einmal gewonnen.

Ablenkungsmanöver

Im dritten Kriegswinter verbreitet sich in ganz Deutschland die eigenartige Mode, zwei tischtennisballgroße Wollkugeln wie eine Krawatte um den Hals gebunden zu tragen. Mahlke führt diese so genannten Puscheln in Danzig ein, und schon bald darauf erscheinen die ersten Exemplare in den Textilgeschäften. Oder hat Mahlke sie sogar selbst erfunden und der Modetick geht gänzlich auf ihn zurück? Pilenz ist sich jedenfalls sicher, dass die Puscheln nur einer von Mahlkes zahlreichen Versuchen sind, von seinem großen Adamsapfel abzulenken. Ein anderer Versuch ist der lange graue Wollschal, den er mit einer überdimensionalen Sicherheitsnadel zusammenhält und an den er Leuchtplaketten heftet, die im Dunkeln grünlich schimmern. Die Puscheln haben jedenfalls schnell ihre Exklusivität und damit auch ihren Wert für Mahlke verloren. Als ein hoch dotiertes Mitglied der Luftwaffe, der ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums ist, in der Aula eine Rede über seine Kriegserfahrungen hält, wirft Mahlke die Wollbällchen unter die Bank. Denn am Hals des Leutnants prangt das Ritterkreuz, auch „Bonbon“ genannt, ein Orden, der ihm für 40 abgeschossene feindliche Flugzeuge verliehen wurde. Mahlke gerät vor lauter Begierde nach diesem Objekt ins Schwitzen.

Versteck unter Wasser

Im Sommer 1942 ist Mahlke zunächst nicht zum Tauchen zu bewegen. Doch eines Tages verfängt sich ein jüngerer Schüler unter Wasser im Bugraum des Minensuchbootes. Mahlke holt ihn gerade rechtzeitig wieder hoch. Am Tag darauf kommt er selbst von einem Tauchgang nicht mehr zurück. Während seine Freunde bereits über die Bestattungszeremonie sinnieren, taucht er plötzlich grinsend wieder auf: Mahlke hat bei der Rettung des Jungen den Zugang zur ehemaligen Funkerkabine gefunden, die über dem Wasserspiegel liegt. Nach und nach richtet er sich dort häuslich ein. Bücher, Töpfe, Tee, Kerzen und Madonnenbilder wickelt er in Decken und Wachstuch ein und taucht damit zu seinem Versteck. Am Ende gibt er dem Kahn all das wieder, was er einen Sommer zuvor mühselig hinaufbefördert hat. Auch das Grammofon kehrt auf diese Weise in den Bauch des Schiffes zurück. Wie die Worte eines Bauchredners dringt die kratzige Musik auf die Kommandobrücke. Mahlke spielt den Jungen Arien und Schlager vor. Trotz der erbärmlichen Tonqualität haben sie das Gefühl, niemals ergreifendere Musik gehört zu haben.

Das Bonbon

Die Unterwasserkonzerte finden mit dem Auftritt eines Kapitänleutnants ein jähes Ende. Auch dieser ist ein ehemaliger Schüler des Gymnasiums und trägt stolz das Ritterkreuz um den Hals. Sein Vortrag in der Aula ist ein peinlicher und in literarische Stilblüten ausartender Versuch, dem Leben im U-Boot eine poetische Seite abzugewinnen. Erfüllt von nostalgischen Gedanken an seine Schulzeit bittet der „Kaleu“ seinen ehemaligen Sportlehrer Mallenbrandt, an einer Turnstunde teilnehmen zu dürfen. Stolz und ein wenig angeberisch zeigt er der Klasse von Mahlke und Pilenz, welch ein glänzender Sportler er ist. Im Umkleideraum muss er anschließend feststellen, dass sein Orden verschwunden ist. Die meisten verdächtigen sofort Mahlke. Doch niemand erwähnt seinen Namen. Stattdessen wird der schmächtige Heini Buschmann vorgeschoben, der mit einem unauslöschlichen Grinsen gestraft ist. Selbst nach mehreren von Mallenbrandt verabreichten Ohrfeigen gelingt es ihm nicht, das Grinsen auszuknipsen, was den Lehrer nur noch härter zuschlagen lässt. Mahlke steht etwas abseits. Er schlägt vor, zunächst die Kleidung der Schüler zu durchsuchen.

„Mahlkes war erstens eine Nummer dicker, zweitens um eine Streichholzschachtel länger und sah drittens viel erwachsener gefährlicher anbetungswürdiger aus.“ (über Mahlkes Penis, S. 41)

Die Untersuchungen bleiben ohne Ergebnis. Der Kapitänleutnant wird später mit einem neuen, offenbar gekauften Orden in der Stadt gesichtet. Pilenz führt nach dem Ereignis den Spitznamen „der Große Mahlke“ ein. Wenige Tage darauf, am letzten Sonntag vor den Sommerferien, schwimmt er zu Mahlke hinaus, der nackt auf dem Kahn sitzt, nur mit dem Orden um den Hals. Zum ersten Mal in seinem Leben erlebt Pilenz seinen Freund ausgelassen und albern. Aber schon bald schwant es ihm, dass Mahlke nicht an einem glimpflichen Ausgang der Geschichte interessiert ist. So kommt es auch: Mahlke verstaut seine Trophäe nicht etwa in der Funkerkabine, sondern liefert den Orden persönlich beim Oberstudienrat Klohse zu Hause ab. Zur Strafe fliegt Mahlke vom Gymnasium und wird an die Horst-Wessel-Oberschule überwiesen.

Ein Sommer ohne Mahlke

Für den Rest des Sommers bleibt Mahlke verschwunden. Es heißt, er nehme an einem Wehrertüchtigungslager mit vormilitärischer Ausbildung teil. Pilenz ministriert den Sommer über nicht, denn ohne Mahlke ist die Messe für ihn witzlos. Hochwürden Gusewski, ein zwielichtiger Priester mit pädophilen Neigungen, ist bitter von Pilenz enttäuscht. Nach den Sommerferien taucht Mahlke wieder auf und verkündet, er habe sich freiwillig für die U-Boot-Flotte gemeldet – obwohl er noch wenige Monate zuvor alle Kriegsfreiwilligen für verrückt erklärt hat. Von seinem Komplex aber scheint er geheilt zu sein: Das „Ding“ sei vollkommen normal, verkündet er Pilenz und stellt seinen Adamsapfel nun offensiv zur Schau.

„Eigentlich – mögen später Gerüchte und Handfestes dagegen gesprochen haben – gab es für Mahlke, wennschon Frau, nur die katholische Jungfrau Maria.“ (S. 43)

Anfang 1943 absolviert Pilenz nachmittags nach der Schule seinen Dienst als Luftwaffenhelfer. Von anderen Schülern der Horst-Wessel-Schule erfährt er, dass Mahlke kurz nach Weihnachten zum Reichsarbeitsdienst in das Partisanengebiet Tuchler Heide einberufen wurde. Mahlkes Tante zeigt Pilenz einen Brief ihres Neffen, den eine ungeschickt gezeichnete Skizze von 14 abgeschossenen russischen Panzern ziert. Mahlke ist nach der Absolvierung seines Arbeitsdienstes nicht bei den U-Booten, sondern bei den Panzerschützen gelandet. Offenbar arbeitet er wie besessen daran, sich sein eigenes Ritterkreuz zu verdienen.

Auf Mahlkes Spuren

Pilenz wird nach seinem Abitur im Sommer selbst zum Arbeitsdienst einberufen und trifft dort überall auf die Spuren seines Freundes, der ein Jahr zuvor im gleichen Lager gedient hat. An der Latrinenwand prangt eine von Mahlke eingeritzte lateinische Gebetssequenz an die Jungfrau Maria. Der Küchenchef und ein Unteroffizier geben Geschichten über ihn zum Besten: über seinen enormen „Riemen“, über sein stürmisches Verhältnis mit der über 40-jährigen Frau des Oberfeldmeisters, aber auch über seine außergewöhnlichen militärischen Leistungen. Einmal habe er beim Tauchen in einem trüben Tümpel ein riesiges unterirdisches Partisanenmagazin entdeckt. Kurz vor dem Fronturlaub bekommt Pilenz von seiner Mutter einen Zeitungsartikel geschickt, der den Panzerkommandanten Mahlke als stolzen Empfänger des Ritterkreuzes feiert.

Keine Gnade

Auf dem Weg nach Hause stattet Pilenz seinem alten Gymnasium einen Besuch ab und trifft vor der Aula auf seinen Freund Mahlke, der das Ritterkreuz um den Hals trägt. Die „Maus“ ist unter einigen zusätzlichen Kilos Körpergewicht geschrumpft und der Mittelscheitel ist dem militärischen Bürstenschnitt gewichen. Mahlke wartet auf Oberstudienrat Klohse, um seinen Vortrag mit ihm zu besprechen. Wie Pilenz geht er davon aus, dass die Putzfrauen die Aula in diesem Moment für seinen großen Auftritt vorbereiten. Doch Klohse lehnt ab. Er hat den Diebstahl des Ritterkreuzes nicht vergessen und lässt sich auch von dem ehrlich verdienten zweiten Orden nicht beeindrucken. Pilenz versucht, alternative Vortragsveranstaltungen für Mahlke zu organisieren. Aber dieser winkt lustlos ab. Von Anfang an hatte er nur ein Ziel: die gotische Aula des Gymnasiums. Mit der Zurückweisung ist ihm auch der Orden gleichgültig geworden. Dennoch will er die Demütigung nicht ungestraft auf sich sitzen lassen. Gemeinsam mit Pilenz lauert er dem Oberstudienrat nachts vor dessen Haus auf und verabreicht ihm zwei kräftige Ohrfeigen. Anschließend reden Mahlke und Pilenz über Gott, die Welt und die Jungfrau Maria – und darüber, dass Tulla Pokriefke Mahlke auf andere Gedanken bringen könnte. Beim Abschied erwähnt Mahlke ganz nebenbei, dass sein Fronturlaub abgelaufen ist.

Abgetaucht

Nach der Messe am nächsten Morgen erklärt Mahlke, dass er nicht vorhabe, an die Front zurückzukehren. Als Grund gibt er Tulla an, die ihn angeblich auf andere Gedanken gebracht habe. Aber Pilenz nimmt ihm das nicht ab. Fest steht, dass Mahlke nun als Deserteur gilt und sich unbedingt verstecken muss. Die beiden beschließen, dass er erst einmal in seiner Bude im Kahn untertauchen soll. Unter dem Vorwand, eine Feier für seinen Freund veranstalten zu wollen, besorgt sich Pilenz bei Mahlkes Tante zwei Büchsen Schmalzfleisch und einen Dosenöffner. Währenddessen stopft sich Mahlke in einer Schrebergartensiedlung mit unreifen Stachelbeeren voll. Am Strand angekommen erklärt er, vor lauter Bauchschmerzen nicht schwimmen zu können. Pilenz mietet ein Boot und rudert Mahlke zum Kahn hinaus. Dieser hält währenddessen einen Teil seines ausgefallenen Vortrags. Die Hauptfigur darin ist die Jungfrau Maria ohne Kind, die ihm während der Kampfhandlungen erschienen sei und mehrmals sein Leben gerettet habe. Mahlke schlägt Pilenz vor, am Abend zurückzukehren, um ihn zu einem Schiff zu rudern, das er als ein schwedisches zu erkennen glaubt. Dann taucht er ab. Jetzt erst fällt Pilenz auf, dass sein Freund den Büchsenöffner vergessen hat. Er hämmert mit den Füßen auf das Schiffsdeck. Aber Mahlke taucht nie wieder auf.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Novelle Katz und Maus beginnt mit Auslassungspunkten und einem unvollständigen Satz: „... und einmal, als Mahlke schon schwimmen konnte, lagen wir neben dem Schlagballfeld im Gras.“ Grass drückt damit aus, dass dies nur eine Geschichte unter vielen aus seiner Heimat Danzig ist. Der Begriff „Danziger Trilogie“ für die drei Werke Die Blechtrommel, Katz und Maus und Hundejahre wurde jedoch erst Jahre später von einem britischen Germanisten geprägt. Berichtet wird aus der Perspektive des Ich-Erzählers Pilenz, aber es ist auch eine zusätzliche, dahinterstehende Instanz erkennbar, etwa wenn Pilenz sagt: „Der uns erfand, von berufswegen, zwingt mich, wieder und wieder Deinen Adamsapfel in die Hand zu nehmen, ihn an jeden Ort zu führen, der ihn siegen oder verlieren sah (...)“ Eine doppelt abgestufte Erzählperspektive also. Pilenz berichtet in 13 Abschnitten rückblickend über seinen Schulkameraden Mahlke, und zwar 15 Jahre nach den erzählten Ereignissen. Mahlke ist zwar eindeutig die Hauptperson, bleibt dem Leser aber letztlich ein Rätsel, da dieser ihn fast ausschließlich aus der Perspektive des ebenfalls ratlosen Ich-Erzählers kennen lernt. Durch diesen Kunstgriff bleiben am Ende viele Fragen offen, die zum Weiterdenken anregen. Die straff durchkomponierte Novelle erscheint außerdem als ein dichterisches Experimentierfeld: Auf Spannung erzeugende Endlossätze folgen nüchterne Hauptsätze im Telegrammstil, grammatische Regeln werden gebrochen, und die pubertierenden Jungen verfügen über einen schier unendlichen Schatz an derben, lokal gefärbten Begriffen. Die Vortragssprache der beiden Ritterkreuzträger klingt verkürzt und verstümmelt und diejenige der Autoritätspersonen durch das Zusammenziehen von Wörtern („Jenedienachunskommen“, „Undwernichtdersoll“ u. a.) phrasenhaft und abgedroschen.

Interpretationsansätze

  • Der Konflikt zwischen dem Einzelnen und der Gesellschaft ist ein Grundthema der Novelle. Die oft absurden Gehänge um Mahlkes Hals, mit denen er von seinem vergrößerten Adamsapfel ablenken will, stehen für seine gescheiterten Versuche, sich einer gleichgeschalteten Umwelt anzupassen, die keinen Platz für Individualität lässt.
  • Zugleich geht es um die Schuld des Einzelnen während der Nazidiktatur. Pilenz gibt anfangs vor, sich nicht genau erinnern zu können, wie die Katze auf die „Maus“, den übergroßen Adamsapfel seines Freundes Mahlke, aufmerksam wurde. Später wird jedoch deutlich, dass er die unangenehme Wahrheit über seine eigene Beteiligung verdrängt hat.
  • Der „Große Mahlke“ wird wegen seiner Andersartigkeit immer mehr in die innere Isolation getrieben. Die Funkkabine in dem untergegangenen Minensuchboot ist ein Sinnbild für die fortschreitende Entfremdung von seinen Mitmenschen.
  • Die beschriebene Gesellschaft ist ein Spiegelbild des deutschen Spießbürgertums, das den Aufstieg der Nazis erst möglich machte: Es gibt den strammen nationalsozialistischen Oberstudienrat Klohse, den feigen und pädophilen Priester Gusewski sowie jede Menge gedankenlose Mitläufer nach Art des Ich-Erzählers Pilenz.
  • Eine klare Identifikationsfigur fehlt. Jeder, Mahlke eingeschlossen, trägt eine Mitschuld am mutmaßlich tragischen Ende.
  • Günter Grass begeht gleich mehrere Tabubrüche: Mahlkes erotisch gefärbte Marienverehrung, die Onanierszene und die satirische Darstellung der Ritterkreuzträger dienen u. a. dazu, den Schleier des Vergessens von der jüngeren deutschen Geschichte zu reißen.

Historischer Hintergrund

Nazi- und Adenauerzeit

Pilenz, der zur Erzählzeit in einem katholischen Kolpinghaus arbeitet, repräsentiert mit seiner Biografie die miefig-verlogene Atmosphäre der Ära Konrad Adenauers zwischen 1949 und 1963. Im Wirtschaftswunderland Deutschland versuchten die meisten Menschen, sich nur so viel wie nötig und so wenig wie möglich an die dunkle Vergangenheit und ihre eigene Verantwortung für die Verbrechen zu erinnern. Viele Exnazis machten in der angeblich geläuterten Republik Karriere, die nach Adenauers berühmt gewordenem Diktum für „keine Experimente“ zu haben war. In einem Großteil der Gesellschaft regierten Anfang der 60er Jahre noch die Vertreter der „Schwamm-drüber-Mentalität“: Grass und anderen Schriftstellern, die den Finger auf die Wunde legten, wurde „Landesverrat“ und „nihilistischer Terror“ vorgeworfen. Ludwig Erhard, Adenauers Nachfolger im Kanzleramt, bezeichnete kritische Autoren sogar als „ganz kleine Pinscher, die in dümmster Weise kläffen“.

Die erzählte Zeit (1939–1944) behandelt am Beispiel der Figuren Mahlke und Pilenz einen Ausschnitt aus der Geschichte der Stadt Danzig, in der auch Grass aufwuchs. Oberflächlich betrachtet scheinen die Hauptfiguren der Novelle eher unpolitisch zu sein. Doch auch ihr Mitlaufen, Wegschauen und Verschweigen – wie das so vieler Deutscher – zieht letztendlich schwerwiegende politische Konsequenzen nach sich. Tatsächlich hatten die Nationalsozialisten gerade in Danzig eine starke Basis: 1935 gewann die NSDAP bei den Wahlen 44 von 63 Sitzen. In der Stadt, die bis 1945 überwiegend von Deutschen bewohnt, seit dem Ersten Weltkrieg aber wiederholt von Polen beansprucht worden war, traf die Blut-und-Boden-Ideologie der Nazis auf besonders fruchtbaren Boden.

Entstehung

Katz und Maus trug ursprünglich den Titel Der Ritterkreuzträger und war Bestandteil des Romans Hundejahre, des dritten Teils der so genannten Danziger Trilogie. Günter Grass erkannte während des Schreibens aber, dass sich in der Geschichte eine Novelle verbarg, und beschloss, sie getrennt zu veröffentlichen. Um eine Einheit zwischen den drei Teilen herzustellen, ließ der Autor die Hauptfiguren des einen Teils in den anderen gelegentlich als Statisten auftreten: Der zwergwüchsige Trommler Oskar Matzerath, Hauptfigur der Blechtrommel, begegnet Pilenz in der Novelle dreimal, was für die Handlung jedoch weitgehend bedeutungslos ist.

Ähnlich wie Die Blechtrommel ist auch Katz und Maus stark autobiografisch geprägt. Abschnitte aus Grass’ Leben spiegeln sich sowohl in Mahlke als auch in Pilenz wider. Der Autor besuchte wie seine Figuren das Gymnasium Conradinum in Danzig, er war gegen Ende des Krieges Luftwaffenhelfer, kam dann zum Arbeitsdienst und zuletzt zu den Panzerschützen. Wie Pilenz wurde er bei Cottbus verwundet. Ähnlich wie dieser hatte auch Grass während der Kriegszeit ein eher unkritisches Verhältnis zu den Nazis. Seine surreal-groteske und empfindungsstarke Sprache vermittelt den Eindruck, dass er in seinem Werk konkrete Erfahrungen verarbeitete, bis hin zu den Gerüchen seiner Kindheit. In der Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1999 beschrieb Grass seinen schriftstellerischen Ansatz folgendermaßen: „Erzählend sollte die zerstörte, verlorene Stadt Danzig, nein, nicht zurückgewonnen, jedoch beschworen werden. (...) Ich wollte, nicht frei von Trotz, mir und meinen Lesern ins Bild bringen, dass das Verlorene nicht spurlos im Vergessen versinken muss, vielmehr durch die Kunst der Literatur wieder Gestalt gewinnen kann.“

Wirkungsgeschichte

Die 1961 erschienene Novelle Katz und Maus löste einen der größten Literaturskandale der deutschen Nachkriegsgeschichte aus. 1962 beantragte das Ministerium für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen des Landes Hessen bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien, das Buch auf den Index zu setzen. Seine Begründung: Gewisse Passagen seien geeignet, „die Fantasie jugendlicher Leser negativ zu belasten, sie zu sexuellen Handlungen zu animieren und damit die Erziehung zu beeinträchtigen“. Der Antrag wurde abgelehnt, doch die Kontroverse vor allem um die berühmte Onanierszene schwelte noch über Jahre weiter. 1968 beschimpfte der rechtskonservative Publizist Kurt Ziesel Günter Grass als „Verfasser übelster pornografischer Ferkeleien“. Auch Vertreter der katholischen Kirche und der Wehrmacht sahen sich durch die Erzählung verunglimpft.

Diese Angriffe hat das Werk weitgehend unbeschadet überstanden. Der Schriftsteller und Kritiker Walter Jens sah in der Figur Mahlkes eine „der ergreifendsten und glaubhaftesten Jungen-Gestalten in der modernen Dichtung“, und der amerikanische Schriftsteller John Irving bezeichnete die Novelle als „Juwel“. Sie gehört neben Grass’ erstem Roman Die Blechtrommel zu den meistgelesenen Büchern des Autors und ist in vielen deutschen Schulen Bestandteil des Unterrichtskanons. Dennoch gelang es dem Autor weder mit Katz und Maus noch mit einem seiner späteren Werke, aus dem übermächtigen Schatten, den Die Blechtrommel warf, herauszutreten. Verfilmt wurde die Novelle 1967 von Hans-Jürgen Pohland mit Lars und Peter Brandt (den Söhnen von Willy Brandt) in den Hauptrollen.

Über den Autor

Günter Grass wird am 16. Oktober 1927 als Sohn eines Lebensmittelhändlers in Danzig geboren. Er besucht das Gymnasium und wird Mitglied der Hitlerjugend. Ende des Zweiten Weltkriegs meldet sich der 15-Jährige freiwillig zur Wehrmacht, um der familiären Enge zu entkommen. Nach einer Verwundung gerät er in Bayern in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 entlassen wird. Grass zieht ins Ruhrgebiet, arbeitet dort im Bergbau und später im Rheinland als Landarbeiter. Er macht eine Steinmetzlehre und studiert von 1948 bis 1956 Bildhauerei in Düsseldorf und Berlin. Nach einem dreijährigen Aufenthalt in Paris gibt Grass die bildhauerische Arbeit auf. Mit dem Erscheinen seines ersten Romans Die Blechtrommel 1959 wird er schlagartig berühmt. In den 60er Jahren engagiert er sich politisch für die SPD und unterstützt den Wahlkämpfer Willy Brandt. Immer wieder mischt er sich in politische Debatten ein. Aus Protest gegen die restriktive Asylpolitik der SPD tritt er Anfang der 90er Jahre aus der Partei aus. Nach dem Fall der Berliner Mauer kritisiert Grass vehement die deutsche Wiedervereinigung als verfrüht. Er begrüßt zwar die neue Freiheit der Ostdeutschen, für deren Schutz bedürfe es jedoch der politischen Einheit Deutschlands nicht. Die Novellen Katz und Maus (1961) und Hundejahre (1963) bilden zusammen mit der Blechtrommel die Danziger Trilogie. Weitere wichtige Werke sind Örtlich betäubt (1969), Aus dem Tagebuch einer Schnecke (1972), Das Treffen in Telgte (1978) und Im Krebsgang (2002). 1999 wird Grass der Literaturnobelpreis für sein Lebenswerk verliehen. Im Sommer 2006 bekennt er mit dem Erscheinen seines autobiografischen Werks Beim Häuten der Zwiebel, dass er als 17-Jähriger Mitglied der Waffen-SS war. Diese späte Enthüllung löst eine heftige Debatte über Grass als moralische Instanz aus. Im Alter von 87 Jahren stirbt Günter Grass am 13. April 2015 in Lübeck.  

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