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Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes

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Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes

Duncker & Humblot,

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12 take-aways
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What's inside?

Keynes’ "Allgemeine Theorie" gilt als wichtigstes ökonomisches Werk des 20. Jahrhunderts. Er revolutionierte damit die Wirtschaftswissenschaft.


Literatur­klassiker

  • Ökonomie
  • Moderne

Worum es geht

Revolution der Nationalökonomie

War John Maynard Keynes ein Revoluzzer? Die Antwort muss lauten: politisch nein, in der Wirtschaftstheorie sehr wohl. Sein Anliegen war es, wirtschaftspolitische Instrumente zu entwickeln, mit denen das kapitalistische System stabilisiert und vor selbstzerstörerischen Tendenzen bewahrt werden konnte. Keynes hat zwar keine Regierungen gestürzt, wohl aber am Thron der nationalökonomischen Klassiker gerüttelt wie kein anderer. Er stellte den Glauben an die „unsichtbare Hand“ des Marktes, jene von Adam Smith beschworene Kraft, die Angebot und Nachfrage ins Gleichgewicht bringen sollte, grundlegend infrage. Angesichts der Weltwirtschaftskrise in den 30er Jahren konnte er kein Gleichgewicht mit Vollbeschäftigung erkennen. Gab es am Ende gar keines? In seinem Hauptwerk, der Allgemeinen Theorie, führte er dann den entscheidenden Angriff gegen die klassischen Ökonomen: Der Markt versagt, es gibt ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht, und nicht die Löhne, sondern die Investitionen, nicht das Angebot, sondern die Nachfrage sind die Bestimmungsfaktoren der Wirtschaft. Die neukeynesianische Idee der Nachfrageunterstützung durch den Staat unter Inkaufnahme von Verschuldung (eine Idee, der Keynes selbst allerdings widersprach) läutete eine neue Ära der Wirtschaftspolitik ein. Auch wenn sich gegen Keynes’ Theorie später die Neoliberalen und Monetaristen erhoben: Seine Bedeutung ist auch heute noch überragend.

Take-aways

  • Keynes' Hauptwerk revolutionierte die Wirtschaftswissenschaft und -politik. Seine Thesen waren bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts tonangebend.
  • Er veröffentlichte die Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes im Jahr 1936.
  • Angesichts der Weltwirtschaftskrise hielt Keynes die Hypothese von einer Marktwirtschaft, die sich stets von allein ins Gleichgewicht zurückbringt, für überholt.
  • Keynes' Werk enthält eine umfassende Kritik an den ökonomischen Klassikern und zugleich ein ganz neues Wirtschaftsmodell.
  • Arbeitslosigkeit kann gemäß Keynes nicht immer durch Lohnsenkungen bekämpft werden. Diese können der Wirtschaft sogar schaden, weil sie die Nachfrage aushöhlen.
  • Kommt es zu einer Nachfragelücke, muss der Staat eingreifen und der Wirtschaft durch Investitionen unter die Arme greifen.
  • Die Gesamtnachfrage besteht aus zwei Komponenten: Verbrauch (Konsum) und Investitionen.
  • Sparsamkeit kann gesamtwirtschaftlich negative Konsequenzen haben, weil der Nachfrage der Boden entzogen wird.
  • Die Neigung der Unternehmen zu Investitionen beruht auf dem Verhältnis zwischen der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals (der erwarteten Rendite von Investitionen) und dem Zinssatz.
  • Die Geldmenge und der Zinssatz lassen sich über geldpolitische Maßnahmen der Zentralbank steuern.
  • Eine Deflation (Abnahme des Preisniveaus) kann die Wirtschaft in eine Abwärtsspirale und in dauernde Arbeitslosigkeit führen, die sich nicht von allein wieder auflöst.
  • Einziger Grund für schlechte Konjunktur ist mangelnde Nachfrage.

Zusammenfassung

Die Trugschlüsse der klassischen Theorie

Die Begründer und Nachfolger der klassischen ökonomischen Theorie – dazu gehören u. a. David Ricardo, John Stuart Mill, Arthur Cecil Pigou und Alfred Marshall – sind in ihren Theoriegebäuden von Lehrsätzen ausgegangen, die so nicht haltbar sind. Eine andauernde Periode von Arbeitslosigkeit sah deren Theorie nicht vor. Warum nicht? Weil sie davon ausgingen, dass es sich bei Unterbeschäftigung nur um einen freiwilligen Verzicht der Arbeitskräfte auf Arbeit handeln könne. Kernargument war die Flexibilität der Löhne: Solange diese nach unten angepasst werden könnten, stelle sich schon ein Gleichgewicht zwischen dem Angebot und der Nachfrage nach Arbeit ein. Wenn Arbeiter also unterhalb eines bestimmten Lohnsatzes nicht arbeiten wollten, galt das als freiwillige Arbeitslosigkeit. Wollten sie die Lohnanpassung nach unten mit Streiks oder Tarifverträgen künstlich verhindern, war ihre Arbeitslosigkeit wiederum freiwillig. Was die klassische Theorie aber nicht wahrhaben wollte, ist angesichts der Massenarbeitslosigkeit in den 30er Jahren Gewissheit geworden: Es gibt eine massive unfreiwillige Arbeitslosigkeit – und zwar auch dann, wenn die Löhne sinken.

Dreh- und Angelpunkt der Konjunktur: die Nachfrage

Die Fehlleistung der klassischen Theorie ist vor allem darin zu sehen, dass sie einzelwirtschaftliche (mikroökonomische) Entscheidungen auf die Gesamtwirtschaft (Makroökonomie) überträgt. Die Lohnsenkung, die im Einzelfall tatsächlich Arbeiter in Lohn und Brot bringt, kann trotzdem negative Kräfte in Bezug auf die gesamtwirtschaftliche Situation entfalten, weil die Nachfrage dadurch eingeschränkt wird. Wenn alle Arbeiter weniger Lohn erhalten, sinkt offensichtlich ihr Einkommen, das ihnen zum Konsum zur Verfügung steht. Geringer Konsum bedeutet aber auch geringere Nachfrage nach Gütern. So kann sich das vermeintliche Heilmittel gegen Arbeitslosigkeit als Gift entpuppen. Mehr noch: Auch das Sparen, einzelwirtschaftlich gesehen eine Tugend, entfaltet gesamtwirtschaftlich einen negativen Effekt, weil dadurch wieder ein Teil des Einkommens nicht für Konsum und somit nicht für Nachfrage zur Verfügung steht.

„Die Arbeiter sind daher glücklicherweise, obschon unbewusst, instinktiv vernünftigere Wirtschaftler als die klassische Schule, indem sie sich gegen eine Kürzung der Geldlöhne wehren.“ (S. 12)

Um ein hohes Beschäftigungsniveau zu erreichen, ist es unabdingbar, dass auch die Nachfrage ausreichend hoch ist. Die Löhne sind nicht der einzige Faktor, aus dem sich die Rentabilität der Unternehmen ergibt, sondern eben auch die Nachfrage nach den produzierten Gütern. Ein gesamtwirtschaftlich idealer Zustand ist erreicht, wenn Güterangebot und -nachfrage einander im Gleichgewicht treffen. Sofern das Angebot erhöht wird, aber die Nachfrage nicht in gleichem Maße mitwächst, kommt es zu einem Ungleichgewicht: einer Nachfragelücke. Diese kann nur durch höhere Investitionen wieder geschlossen werden.

Der Verbrauch

Ein Einflussfaktor der Nachfrage (und damit der Beschäftigung) ist der private Verbrauch oder Konsum. Den Wirtschaftssubjekten stehen prinzipiell zwei Möglichkeiten offen, ihr verfügbares Einkommen zu verwenden: Sie können es sparen oder für den Konsum verwenden, z. B. für Nahrungsmittel, Kleidung oder Luxusartikel. Würde das gesamte Einkommen ausschließlich für den Konsum ausgegeben, so läge die so genannte Konsumneigung bei 100 %. Dies ist aber aller Wahrscheinlichkeit nach nur in Haushalten so, die ein relativ geringes Einkommen haben: Sie benötigen ihr gesamtes Gehalt für notwendige Ausgaben. Haushalte mit hohem Einkommen weisen meist eine höhere Sparquote auf: Sie können es sich eher leisten, Geld zur Seite zu legen.

„Wenn die Beschäftigung zunimmt, nimmt das gesamte Realeinkommen zu.“ (S. 23)

Eine besondere Rolle spielt nun die Grenzneigung zum Konsum: Dabei handelt es sich um die Veränderung des Verbrauchs im Verhältnis zur Veränderung des Einkommens. Diese Größe bliebe z. B. konstant, wenn man bisher 70 % seines Einkommens (z. B. 700 von 1000 €) für den Verbrauch ausgegeben hätte und bei einer Gehaltserhöhung von 200 € hiervon ebenfalls 70 % (also weitere 140 €) für den Konsum verwenden würde. Es ist jedoch unrealistisch, zu unterstellen, dass sich der Verbrauch proportional mit der Einkommenserhöhung verändert. Aber genau das wäre zur Erhaltung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts notwendig: Wenn sich Einkommen und Angebot erhöhen, müsste der Mehrverbrauch dem Mehrangebot entsprechen – sonst besteht kein Gleichgewicht mehr. Wahrscheinlicher aber ist, dass mit steigendem Einkommen der Konsum zugunsten einer erhöhten Sparquote sinkt, die Verbrauchsfunktion also degressiv (abnehmend) verläuft.

Sparen

Sparen ist eine Tugend. Das gilt aber gesamtwirtschaftlich nicht immer. Denn Sparen entzieht der Wirtschaft Nachfrage. Sparen bedeutet Verzicht auf Konsum und lässt sich folgendermaßen definieren:

„Die wirksame Nachfrage, verbunden mit Vollbeschäftigung, ist ein Sonderfall, der nur verwirklicht wird, wenn der Hang zum Verbrauch und die Veranlassung zur Investition in einem besonderen Verhältnis zueinander stehen.“ (S. 24)

Sparen = Volkseinkommen – Verbrauch

Sparen bedeutet nicht, wie die Klassiker angenommen haben, dass dadurch grundsätzlich langfristige Investitionen ausgelöst werden. Weil bei einer erhöhten Sparquote der Zinssatz für geliehenes Geld sinkt, müsste dies zu vermehrten Investitionen führen. Ist das tatsächlich der Fall, kann damit der durch das Sparen bedingte Verbrauchsausfall aufgefangen werden (denn: Gesamtnachfrage = Verbrauchsnachfrage + Investitionsnachfrage). Aber leider besteht dafür keine Notwendigkeit! Weil durch Sparen zunächst einmal die Nachfrage ungünstig beeinflusst wird, erhalten die Unternehmen dadurch kein Signal für vermehrte Investitionen, sondern zuallererst ein Signal, weniger zu produzieren. Die Folge: Die Nachfragelücke wird durch eine Verminderung der Produktion geschlossen. Daraus wiederum folgt eine Verringerung des Einkommens.

Investitionen

Investieren bedeutet, einen Teil der heutigen Wertschöpfung anzulegen, um daraus in der Zukunft eine Rendite zu erzielen. Statt für den Verbrauch (von Konsumenten) kann das Volkseinkommen auch für Investitionen (von Unternehmen) verwendet werden. Unter der Annahme, dass die Neigung zum Verbrauch bei den Konsumenten relativ konstant ist, hängt die gesamtwirtschaftliche Entwicklung demnach vor allem von der Höhe der Investitionen ab. Diese sind meist relativ volatil, d. h. sie schwanken stark. Investitionen können sogar ungeplant sein, z. B. wenn ein Unternehmen einen Teil der Produktionsmenge nicht absetzen kann: Dann handelt es sich um unfreiwillige Lagerinvestitionen.

„Soweit mir bekannt ist, stimmen alle überein, dass Ersparnis den Überschuss des Einkommens über die Ausgabe für den Verbrauch bedeutet.“ (S. 64)

Worauf ist der Hang zur Investition zurückzuführen? Zunächst einmal auf die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals. Diese ist die Rendite eines Investitionsvorhabens, und zwar wie sie vom Investor erwartet wird. Für die Berechnung der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals werden die zukünftigen Einnahmen, die von der Investition erwartet werden, mithilfe eines kalkulatorischen Zinsfußes auf den Wert in der Gegenwart abgezinst. Ein Ertrag von 10 000 € ist dann eben (aus jetziger Sicht) nur 9259 € wert, wenn die Einzahlung erst in einem Jahr erfolgt und ein Zinssatz von 8 % zugrunde gelegt wird. Gesucht wird der interne Zinsfuß der Investition: Dieser ist gefunden, wenn die abgezinsten Einzahlungen und die Investitionssumme genau gleich sind. Dieser Zinsfuß kann dann mit alternativen Investitionsmöglichkeiten verglichen werden.

„Wenn Ersparnis die Pille und Verbrauch die Marmelade ist, muss die Extramarmelade der Größe der zusätzlichen Pille angepasst werden.“ (S. 100)

Richtet sich die Investition nach den aktuellen Zinsen für einen Bankkredit (weil das Unternehmen selbst nicht genügend liquide Mittel hat), so fällt die Entscheidung für die Investition natürlich nur dann, wenn die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals größer ist als die zu zahlenden Zinsen für den Kredit. Es ergibt sich also eine Abhängigkeit der Investitionen vom Zinssatz: Ist der Zinssatz niedrig, steigen die Ausgaben für Investitionen.

„Der Begriff ‚Hortung' kann am besten als eine erste Annäherung an den Begriff der ‚Vorliebe für Liquidität' betrachtet werden.“ (S. 146)

Ein Problem bei der Investitionstätigkeit der Unternehmen ist, dass sie unter Unsicherheit erfolgt und daher von (teilweise irrationalen) Erwartungen der Investoren abhängig ist. Investitionen sind oft Instinktentscheidungen, die eng mit der wirtschaftlichen Stimmung verbunden sind. Deswegen können sie stark schwanken. Wenn die Investitionen aber selbst bei niedrigen Zinsen nicht anziehen, hat offenbar der Marktmechanismus versagt. Es tut sich eine Liquiditätsfalle auf: Die Unternehmen halten lieber das Geld vor, statt es auszugeben. Dann muss der Staat eingreifen und die Investitionen (die ja einen großen Teil der Nachfrage ausmachen) stimulieren bzw. selbst als Investor auftreten.

„Wenn ich Recht habe in meiner Annahme, dass es verhältnismäßig leicht sein sollte, Kapitalgüter so reichlich zu machen, dass die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals null ist, mag dies der vernünftigste Weg sein, um allmählich die verschiedenen anstößigen Formen des Kapitalismus loszuwerden.“ (S. 185)

Dies ist durchaus sinnvoll, weil aufgrund eines Multiplikatoreffekts eine Erhöhung der Investitionen immer auch eine Erhöhung der Einkommen und damit des Konsums auslöst. Je höher in der Bevölkerung die Grenzneigung zum Konsum ist, desto höher ist der Multiplikator. Konsumieren die Bürger beispielsweise 80 % ihres zusätzlichen Einkommens, so kann eine Investition von 10 Millionen letztlich zu einem um 50 Millionen gesteigerten Bruttoinlandsprodukt führen, der Multiplikator beträgt 5. Durch die Investitionsspritze werden unausgelastete Produktionskapazitäten reaktiviert.

Geld, Zins und Liquidität

Wie schon erwähnt, spielt der Zins eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für Investitionen. Er ist aber auch auf dem Geldmarkt von großer Bedeutung: Der Zins ergibt sich aus dem Verhältnis von Geldnachfrage und Geldangebot (= von der Zentralbank gesteuerte Geldmenge). Wirtschaftssubjekte horten ihr Geld aus unterschiedlichen Gründen: Sie wollen damit die Kluft zwischen Auszahlungen und Einnahmen überbrücken, sie investieren in ein Polster für die unsichere Zukunft oder sie legen sich eine Spekulationskasse an, d. h. sie entwickeln z. B. dann einen Hang zur Liquidität, wenn die Kurse von Anleihen besonders hoch sind und sie auf einen Augenblick warten, um bei einem Kursverfall günstig einzusteigen.

„Die Erfahrung weist darauf hin, dass Vollbeschäftigung oder auch nur annähernde Vollbeschäftigung eine seltene und kurzlebige Erscheinung ist.“ (S. 209)

Der Zinssatz auf der Bank hat ebenfalls einen Effekt auf die Liquiditätsneigung der Wirtschaftsteilnehmer: Steigt er, sind sie eher geneigt, ihr Geld auf der Bank anzulegen. Ist er niedrig, bleibt das Geld im Sparstrumpf und wartet auf bessere Zeiten. Dieses gehortete Geld ist der Wirtschaft aber entzogen. Durch die Geldpolitik der Zentralbank lassen sich die Geldmenge, die Liquidität und der Zinssatz steuern: Wird mehr Geld in Umlauf gebracht, ist es weniger knapp und es kommt zu Zinssenkungen. Zinssenkungen können Investitionen fördern und damit das Volkseinkommen erhöhen.

Beschäftigung, Konjunktur und Gegenmaßnahmen

Ein stabiles wirtschaftliches Gleichgewicht geht nicht zwangsweise mit Vollbeschäftigung einher: Auch hier irrten die Klassiker. Solange das Angebot und die Nachfrage gleich sind, gibt es ein Gleichgewicht – doch dies kann auch ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht sein. Die von der Klassik vorgeschlagenen Lohnsenkungen ändern daran nichts: Lohnsenkungen führen zur Deflation. Die Löhne, die Preise und auch die Nachfrage fallen. Ein Teufelskreis, aus dem sich die Wirtschaft in den seltensten Fällen selbst befreien kann. Die Reduzierung der Staatsausgaben in einer Krise kann diese noch zusätzlich anheizen.

„Der Konjunkturzyklus kann nach meiner Ansicht am besten als die Folge einer zyklischen Veränderung in der Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals betrachtet werden.“ (S. 265)

Die wichtigste Einflussgröße für Konjunkturzyklen sind Schwankungen in der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage. Während die Verbrauchsnachfrage relativ stabil bleibt, verhält sich die Investitionsnachfrage sehr unstet. Dies ist auf schwankende Erwartungen an die Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals (also die Rendite von Investitionen) zurückzuführen. Gegenmaßnahmen können erstens die Erhöhung der öffentlichen Ausgaben und zweitens die Senkung der Zinsen sein.

Zum Text

Aufbau und Stil

„Dieses Buch richtet sich in erster Linie an meine Fachgenossen. Ich hoffe, dass es auch anderen verständlich sein wird. Aber sein Hauptzweck ist die Behandlung schwieriger theoretischer Fragen und nur in zweiter Linie die Anwendung dieser Theorie auf die Wirklichkeit“, schreibt Keynes im Vorwort zu seinem Hauptwerk. Damit ist eigentlich schon alles über den Schwierigkeitsgrad des Buches gesagt: Es ist mordsmäßig kompliziert. Wo in heutigen Wirtschaftslehrbüchern Kurvendiagramme und Funktionsskizzen stehen, verlässt sich Keynes noch fast ausschließlich auf das geschriebene Wort, und zwar meist in der Form von Bandwurmsätzen. Wer ihm folgen will, muss also eine große Vorstellungskraft und Abstraktionsvermögen mitbringen – oder sich während der Lektüre mit eigenen Skizzen die Zusammenhänge klarmachen. Keynes verfolgt in seinem Werk zwei Projekte: erstens die Widerlegung der klassischen Interpretation der Wirtschaftskrise und zweitens den Aufbau einer neuen allgemeineren Theorie, in der die klassische Theorie als Spezialfall enthalten ist – deshalb wird sein Buch unter Wirtschaftswissenschaftlern meist auch verkürzt als General Theory bezeichnet. Leider vermischen sich beide Anliegen mitunter, sodass es für den ungeübten Leser schwierig wird, neue und überkommene Theorie auseinanderzuhalten.

Interpretationsansätze

  • Keynes war ein erbitterter Gegner des Say’schen Theorems, das von dem Ökonomen Jean-Baptiste Say aufgestellt wurde. Es besagt, dass sich jedes Angebot seine Nachfrage selbst schaffe. Rationalisierungsmaßnahmen würden beispielsweise zu günstigeren Preisen führen und diese wiederum zu einer erhöhten Nachfrage. Auch könne es keine Unterbeschäftigung geben, solange die Arbeitskräfte ihre Löhne flexibel anpassten. Keynes’ Theorie ist demgegenüber klar nachfrageorientiert.
  • In einem anderen Punkt hat die wirtschaftliche Realität Keynes Recht gegeben: Der Zinssatz für Kredite ist nicht der einzige bestimmende Faktor für Investitionsentscheidungen. Auch die Renditeerwartung, die „Grenzleistungsfähigkeit des Kapitals“, muss hoch genug sein. Das zeigte schon zu Keynes’ Zeiten die Weltwirtschaftskrise und später dann die Japankrise.
  • Keynes ging von einer These aus, die ihn u. a. mit Karl Marx verband: Er sah eine große Gefahr in der ungezügelten Akkumulation von Kapital. Er ging davon aus, dass irgendwann einmal zu viel Kapital vorhanden sein würde. Und weil es dann nicht mehr knapp sei, werde es auch keinen Profit mehr abwerfen. Warum? Weil dann alle Bedürfnisse bereits befriedigt seien und niemand mehr etwas mit zusätzlichen Gütern anfangen könne. Heute weiß man, dass Bedürfnisse unendlich und wandlungsfähig sind. Nach der Post kamen Telefon, Handy, Fax, E-Mail, SMS, MMS, UMTS-Handy usw.
  • Eine der großen Neuerungen von Keynes: Er führte das Element der Spekulation und der schwankenden Erwartungen in die Wirtschaftswissenschaft ein.
  • Konkrete wirtschaftspolitische Forderungen finden sich in Keynes’ Allgemeiner Theorie nur am Rande. Es ist ein wissenschaftliches Werk, das sich in erster Linie an Fachkollegen richtete. Politische Forderungen diskutierte Keynes eher in Essays oder Reden.

Historischer Hintergrund

Die Weltwirtschaftskrise von 1929

Den Anstoß zu seiner Allgemeinen Theorie erhielt Keynes durch die Beobachtung der Weltwirtschaftskrise, die ab 1929 die großen Industrienationen erschütterte. Angesichts der Unfähigkeit der Wirtschaft, in ein Vollbeschäftigungsgleichgewicht zurückzukehren, stellte er die allseits anerkannten wirtschaftspolitischen Theorien infrage. Die Weltwirtschaftskrise gehört zu den größten wirtschaftlichen Desastern der Neuzeit und traf ab 1929 vor allem die USA und Deutschland. Deutschland musste gemäß dem Friedensvertrag von Versailles hohe Reparationszahlungen an die Siegermächte des Ersten Weltkriegs leisten und gleichzeitig die durch Demontage und technische Veraltung entwerteten Produktionsanlagen modernisieren. Dafür hatte sich die Regierung, vor allem durch Kreditgeschäfte mit den USA, hoch verschuldet. Die USA erlebten in den Jahren vor 1929 einen beispiellosen Boom, der auch zu vermehrten Aktienspekulationen führte. Am so genannten Schwarzen Freitag, dem 25. Oktober 1929, platzte die Spekulationsblase. Die Folge waren massive Kursverluste an der New Yorker Börse. Aufgrund des Aktiendebakels und des plötzlichen Liquiditätsmangels wurden kurzfristige Kredite zurückgerufen – auch diejenigen, die nach Deutschland vergeben worden waren. Das wiederum führte in Deutschland zu einer Bankenkrise, die Konkurse und eine beispiellose Massenarbeitslosigkeit auslöste: 1932 lag die Arbeitslosenquote bei ca. 30 %. Der internationale Zahlungsverkehr brach zusammen, das Vertrauen in die Selbstheilungskräfte des Marktes war erschüttert. In Deutschland begünstigte die Massenarbeitslosigkeit radikale Bewegungen wie den Nationalsozialismus.

Entstehung

Keynes’ neues Theoriegebäude entstand nicht in wenigen Wochen. Tatsächlich arbeitete er mehrere Jahre an der Allgemeinen Theorie und bereitete sie in einigen Aufsätzen ansatzweise vor. Es ist eine Theorie der Depressionszeit, eine Theorie der Verzweiflung. Keynes war keineswegs ein eingefahrener Kritiker der nationalökonomischen Klassik. Im Gegenteil, er war sogar ihr überzeugter Anhänger, seit er bei ihren bedeutendsten Vertretern studiert hatte, bei Alfred Marshall und Arthur Cecil Pigou. Doch diese Begeisterung änderte sich schnell angesichts der Weltwirtschaftskrise: Skepsis regte sich bei Keynes an den Postulaten der Klassiker, an der Gleichgewichtshypothese und an der fortwährenden Politikempfehlung, die Löhne zu senken. Seine Allgemeine Theorie entwickelte Keynes mit einem festen Ziel vor Augen: die Massenarbeitslosigkeit zu erklären und zu stoppen. „Unsere eigentliche Aufgabe könnte darin bestehen, in dem Wirtschaftssystem, in dem wir tatsächlich leben, jene Variablen zu bestimmen, die durch die Zentralregierung zielgerichtet gesteuert werden können“, erklärte Keynes zu den Beweggründen seiner Arbeit.

Wirkungsgeschichte

„Ein schlecht geschriebenes Buch mit einem schlechtem Aufbau, arrogant, schlecht gelaunt, polemisch, kurz: das Werk eines Genies“, so beurteilte der amerikanische Volkswirtschaftler Paul Samuelson augenzwinkernd Keynes’ Werk. Zwar konnten die meisten seiner Kollegen mit dem Buch gar nichts anfangen, fühlten sich teilweise sogar persönlich angegriffen, dennoch schlug es ein wie eine Bombe und wurde heftig diskutiert. Die Fachpublikationen quollen geradezu über von Besprechungen. Keynes wurde von seinen Gegnern aus beiden politischen Lagern gehasst: Die sozialistische Linie bezichtigte ihn, kapitalismusgläubig zu sein, das konservative Lager hingegen hielt ihn für einen verkappten Marxisten. Der Neoliberale Friedrich August von Hayek verdammte denn auch Keynes’ ökonomischen Mittelweg als Teil des „Wegs in die Knechtschaft“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde Keynes’ Werk von vielen nachfolgenden Ökonomen interpretiert, diskutiert und ergänzt. Aus diesen Bemühungen entwickelte sich der Keynesianismus, der zur herrschenden Lehre in den westlichen Industrienationen wurde. Der amerikanische Präsident Franklin D. Roosevelt nutzte bereits vor Erscheinen von Keynes’ Schrift ähnliche Ideen für sein wirtschafts- und innenpolitisches Reformwerk, den „New Deal“. Später richteten sich auch John F. Kennedy und die britische Regierung nach dem Keynesianismus: Sie schätzten die Nachfragehöhe der folgenden Jahre, erhöhten – wo es nötig war – die Staatsausgaben und senkten die Zinsen. Der deutsche Wirtschaftsminister Karl Schiller führte 1967 mit dem Stabilitätsgesetz ebenfalls eine Wirtschaftspolitik ein, die sich an Keynes’ Ideen orientierte. In den 70er Jahren jedoch lief die Zeit des Keynesianismus ab. Der liberale Ökonom Milton Friedman war ein erbitterter Gegner keynesianischer Wirtschaftspolitik, weil diese nach seiner Auffassung die Inflation anfeuere und sukzessive zur Staatsverschuldung führe. Ab den 70er Jahren wurden Friedmans Lehren von den Regierungen Thatcher und Reagan übernommen, bei deren Regierungsantritt die Wirtschaft in der Stagflation steckte, einer Stagnation mit hoher Arbeitslosigkeit und Inflation. Doch auch heute bleiben Keynes’ Ideen weiterhin in der Diskussion.

Über den Autor

John Maynard Keynes hat als Volkswirtschaftler und Publizist wie kein anderer die Sichtweise der Wirtschaft in der Mitte des 20. Jahrhunderts geprägt: Er war ein brillanter Ökonom, dabei völlig unpolitisch, gleichzeitig aber auch ein Kunstliebhaber, der im elitären Bloomsbury Circle mit Virginia Woolf verkehrte. Keynes wird am 5. Juni 1883 in Cambridge geboren. Er absolviert seine Ausbildung an der angesehenen Privatschule Eton. In der Universität belegt er Mathematik und Ökonomie. Nach dem Examen im Jahr 1905 unterzieht er sich den Prüfungen für den höheren Staatsdienst und vertieft gleichzeitig seine Ökonomiestudien, u. a. beim wöchentlichen Frühstück mit seinem Lehrer Pigou. Von 1906 bis 1908 arbeitet er im India Office, der Verwaltung der indischen Kolonie, danach kehrt er nach Cambridge zurück und beginnt seine Zeit als Dozent – „vor einem enormen Publikum“ (Keynes) von 15 Studenten. Keynes’ Bekanntheit wächst, als er 1911 Herausgeber des einflussreichen Economic Journal wird. Während des Ersten Weltkriegs ist Keynes Berater des Schatzministeriums und entwickelt Pläne für die Finanzierung der britischen Kriegsausgaben. Nach dem Krieg nimmt er an den Friedensverhandlungen in Versailles teil und veröffentlicht danach die Economic Consequences of the Peace (Krieg und Frieden), das Werk, das ihn urplötzlich berühmt macht. In diesem Traktat verwehrt er sich massiv gegen die irrsinnigen Reparationszahlungen, die Deutschland aufgebürdet werden sollen. Das Ansinnen nennt er „abscheulich und verachtenswert“ und prognostiziert den Niedergang Europas mit einem bankrotten Deutschland. 1925 heiratet er die russische Balletttänzerin Lydia Lopokova, obwohl ihm homoerotische Neigungen nachgesagt werden. 1930 erscheint sein Treatise on Money (Vom Gelde), das prompt als sein wichtigstes Werk gefeiert wird. Aber nur so lange, bis das Nachfolgewerk vorliegt: die General Theory of Employment, Interest, and Money (Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes), die Grundlage des späteren Keynesianismus. Nach Tätigkeiten im Schatzministerium und seiner Erhebung in den Adelsstand nimmt Keynes 1944 in Bretton Woods an den Verhandlungen zur Einrichtung eines neuen Weltwährungssystems teil. Am 21. April 1946 stirbt er in Firle (Sussex) an Herzversagen.

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