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Kapitalismus und Freiheit

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Kapitalismus und Freiheit

Eichborn,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Ein Klassiker der Ökonomie: Milton Friedmans wirtschaftsliberale Sicht von Markt und Staat.


Literatur­klassiker

  • Ökonomie
  • Moderne

Worum es geht

Kapitalistisches Manifest

Der Nobelpreisträger Milton Friedman gilt als einer der einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts. Die Ideen des unerschütterlichen Monetaristen und Keynes-Kritikers gehörten zum kleinen Wirtschafts-Abc von Politikern wie Ronald Reagan und Margaret Thatcher. Dennoch sind sie alles andere als diskreditiert, und so verdankt sich die Neuauflage von Kapitalismus und Freiheit 40 Jahre nach der Erstveröffentlichung in den USA wohl schlicht dem neoliberalen Zeitgeist. Denn Friedmans Buch ist die Bibel der liberalen Ökonomie: Es geht ihm um die Frage, welchen Stellenwert die Freiheit des Individuums in der Gesellschaft einnimmt. Dabei steht für ihn, der ausdrücklich einen „Liberalismus des 19. Jahrhunderts“ vertritt, stets die wirtschaftliche Freiheit im Mittelpunkt, da sie die unabdingbare Voraussetzung für politische Freiheit sei. Die Kehrseite dieses Wirtschaftsliberalismus: gesellschaftspolitisch streng konservative (manche sagen auch: reaktionäre) Ansichten. Die Lektüre von Friedmans Buch ist zwar kein Spaziergang, doch gehört dieses „Kapitalistische Manifest“ zur Pflichtlektüre für jeden, der sich über die Theorie von Markt und Wettbewerb informieren will.

Take-aways

  • Milton Friedman ist einer der bedeutendsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts und ein Hauptvertreter des Monetarismus.
  • Kapitalismus und Freiheit des Individuums gehören für ihn untrennbar zusammen.
  • Der Staat kann niemals eine solche Vielfalt an Waren und Dienstleistungen anbieten, wie einzelne wirtschaftende Individuen es können.
  • Alles was nicht aufgrund eines technischen Monopols vom Staat betrieben werden muss, sollte von privaten Unternehmern geleistet werden.
  • Der Staat sollte nur dort agieren, wo es Privatunternehmen nicht dürfen oder können: beispielsweise bei der Sicherstellung von Recht und Ordnung oder bei Großprojekten wie dem Aufbau von Infrastruktur oder der Raumfahrt.
  • Finanz- und Investitionsgeschäfte von Regierungen sind häufig eine Quelle der Instabilität und schaden den privaten Anlegern.
  • Der Außenhandel kann ohne freie Wechselkurse nicht ausgeweitet werden.
  • Hohe Steuersätze, Steuerschlupflöcher und die gestaffelte Einkommenssteuer behindern die Möglichkeiten des Kapitalmarkts.
  • Staatliche Interventionen, z. B. beim Wohnungsbau, bei Berufsbeschränkungen und bei Produktionskontrollen, führen meist zum Gegenteil der angestrebten Wirkung.
  • Die Allgemeinheit sollte nicht für ein marodes Schulsystem zahlen. Gutscheine für Schulbildung sind die bessere Alternative: Mit deren Hilfe können Eltern selbst darüber entscheiden, welche Schule ihr Kind besuchen soll.
  • Friedman erhielt 1976 den Wirtschaftsnobelpreis für seine Forschungen zur Geld- und Konsumtheorie.
  • Seine Ideen wurden von namhaften Politikern in die Tat umgesetzt, u. a. von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien.

Zusammenfassung

Individuelle Freiheit als Wirtschaftsmotor

Beginnen wir unsere Untersuchung der freien Marktwirtschaft mit einem Blick auf eines ihrer prägnantesten Beispiele: das deutsche Wirtschaftswunder. 1948 wurde es von Ludwig Erhard eingeläutet. Durch den mutigen Schritt einer Währungsreform, die Abschaffung der Rationierung und einen Abbau der Beschränkungen in Produktion, Handel und Kapitalverkehr ermöglichte er Deutschland ein schnelles und nachhaltiges Wirtschaftswachstum nach dem Krieg. Das deutsche Wirtschaftswunder ist das beste Beispiel dafür, was die freie Marktwirtschaft zu leisten imstande ist.

„Der freie Bürger wird weder fragen, was sein Land für ihn tun kann, noch was er für sein Land tun kann. Er wird vielmehr fragen: ‚Was kann ich mit meinen Landsleuten mithilfe der Regierung erreichen?' - beim Erfüllen meiner individuellen Pflichten; beim Erreichen unserer individuellen Ziele und Zwecke und vor allem beim Bewahren unserer individuellen Freiheit.“ (S. 24)

Andere europäische Länder gingen dazu über, mit sozialistischen Praktiken wie der Planwirtschaft die Bevölkerung nach dem Krieg zu versorgen. Dies gelang nur unzureichend, denn es band der Bevölkerung die Hände. Der Theorie des wirtschaftlichen Liberalismus gemäß ist die individuelle Freiheit ein viel stärkerer Motor als jegliche staatliche Vorgabe. Wenn es jedem Einzelnen gelingt, etwas auf dem Markt zu verkaufen und damit Gewinn zu machen, trägt er zugleich zur Versorgung der Gemeinschaft bei. Auf diese Weise bieten unterschiedliche Personen vielfältige Waren und Dienstleistungen auf dem Markt an. Dies kann der Staat mit planwirtschaftlichen Vorgaben nie erreichen, wie das Beispiel der DDR gezeigt hat: Hier haben, statt der eigentlichen Verbraucher, staatliche Funktionäre bestimmt, was die Menschen brauchen und zur Verfügung gestellt bekommen. Das Resultat: Mangelwirtschaft. Auch das gegenwärtige Deutschland [Anmerkung von getAbstract: Gemeint ist das Deutschland von 1971] verlässt sich viel zu sehr auf staatliche Vorgaben statt auf den freien Wettbewerb. Verbote von Arbeitsbündnissen und staatliche Tarifverträge verhindern einen flexiblen Arbeitsmarkt. In den Universitäten richtet man sich darüber hinaus nach antiquierten Plan- und Sollziffern. Was Deutschland nach wie vor braucht, sind individuelle Freiheit und Risikobereitschaft.

Ökonomische und politische Freiheit: zwei Seiten einer Medaille

Im frühen 19. Jahrhundert galt politische Freiheit bei radikalen Denkern als Mittel, wirtschaftliche Freiheit zu erlangen. Damals gab es eine ganze Reihe politischer und wirtschaftlicher Reformen, die dem Laisser-faire-Prinzip, dem Glauben an die Selbstheilungskräfte des Marktes, entgegenkamen. In der Folge stieg der Wohlstand der breiten Massen erstaunlich an. Nach den beiden Weltkriegen wurden in Europa die staatlichen Interventionen verstärkt. Das Ziel lautete nun Wohlstand – und nicht mehr Freiheit. In England beschnitt die staatliche Wirtschaftsplanung sogar individuelle Freiheitsrechte. So versuchte die Labour Party eine „Kontrolle der Beschäftigung“ einzuführen, die dem Individuum vorschrieb, welchen Beruf es auszuüben hätte. Aufgrund zahlreicher Proteste wurde diese Bestimmung jedoch nach kurzer Zeit wieder abgeschafft. Diese Aktion erschütterte aber das Vertrauen der Bürger in die staatliche Wirtschaftspolitik. Sie stellten fortan Restriktionen und staatliche Kontrollen stärker infrage, und privatwirtschaftliche Aktionen erreichten in den meisten demokratischen Ländern einen neuen Höhepunkt.

„Die Bewahrung der Freiheit ist der entscheidende Grund, um die Staatsgewalt zu beschränken und zu dezentralisieren.“ (S. 26)

Wenn individuelle Freiheit das höchste Ziel ist, hat sie etwas mit den Beziehungen der Individuen untereinander zu tun. Daher muss die Gesellschaft als soziale Organisation im Sinne aller ihrer Mitglieder „schlechte“ Menschen daran hindern, Schlechtes zu tun, und „gute“ Menschen befähigen, Gutes zu tun. Es muss also bestimmte grundlegende Rahmenbedingungen geben, die dem Individuum größtmögliche Freiheit erlauben, ohne anderen zu schaden. Jeder sollte auf dem Markt frei agieren können. Aber wie koordiniert man alle wirtschaftlichen Aktivitäten einer Gesellschaft, in der Millionen von Menschen einander tagtäglich mit notwendigen Gütern und Dienstleistungen versorgen? Darauf gibt es im Grunde zwei Antworten:

  1. durch staatliche Steuerungsmaßnahmen oder
  2. durch die freiwillige Kooperation der Individuen.
„Die Existenz eines freien Marktes ersetzt natürlich nicht die Notwendigkeit einer Regierung. Im Gegenteil: Die Regierung ist einmal wichtig als das Forum, das die ‚Spielregeln' bestimmt, und zum anderen als der Schiedsrichter, der über die Regeln wacht und sagt, ob sie auch richtig ausgelegt wurden.“ (S. 38)

Das Hauptargument für das freie Spiel der Kräfte ist: Die freie Marktwirtschaft versorgt die Individuen mit dem, was sie wollen, und nicht mit dem, was eine kleine Gruppe von Regierungsvertretern für sie vorsieht.

Die Rolle des Staates in der wettbewerbsorientierten Gesellschaft

Jede Marktwirtschaft braucht natürlich bestimmte Spielregeln, die alle Bürger akzeptieren. Daher ist es die Aufgabe des Staates, Eigentumsrechte zu definieren und zugleich ein Instrument zur Änderung von Gesetzen zu haben. Er muss generell für Ruhe und Ordnung sorgen, die Einhaltung von Verträgen überwachen und den allgemeinen Wettbewerb fördern. Außerdem ist es seine Aufgabe, ein zuverlässiges Geldwesen zu schaffen und Gesetze gegen Monopole und ihre Folgen zu erlassen. Ansonsten ist jede staatliche Einmischung in die Wirtschaft unzulässig, ja sogar schädlich.

„Freiheit ist nur für verantwortungsbewusste Menschen ein überzeugendes Ziel. Wir glauben nicht an die Freiheit für Irre und Kinder.“ (S. 57)

Es ist z. B. nicht mehr unbedingt notwendig, dass der Staat ein technisches Monopol auf den Betrieb der Eisenbahn oder die Beförderung der Post besitzt. Diese Sektoren können inzwischen effizienter von der privaten Wirtschaft übernommen werden. Auf keinen Fall darf sich die Regierung zu sehr in privatwirtschaftliche Aktivitäten einmischen. Dies wirkt sich oft geradezu kontraproduktiv aus. Eine staatliche Überwachung der Produktion führt zur Stagnation, da die Individuen keinen Anreiz haben, mehr als unbedingt notwendig herzustellen. Ebenso sollte der staatliche Wohnungsbau abgeschafft werden, da er zu keiner Verbesserung der Wohnsituation ärmerer Bevölkerungsschichten führt. Stattdessen sollten bedürftige Wohnungssuchende Gutscheine erhalten, mit denen sie jede gewünschte Wohnung anmieten können.

Die Geldpolitik

Nicht die Wirtschaftkrise selbst, sondern das ungeschickte Eingreifen des Staates hat die Große Depression in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts ausgelöst. Bemühungen der amerikanischen Notenbank, die Geldmenge in Zeiten des Wirtschaftsbooms zu verringern, führten zu einem Bankencrash. Schockierte Anleger räumten nach dem Börsencrash gleichzeitig ihre Konten leer, ohne dass die Geldmenge tatsächlich zur Verfügung stand. Ganz ähnlich verhält es sich auch mit Zöllen und Embargos: Es sind Regierungsmaßnahmen, die das Wirtschaftswachstum im Außenhandel beschränken. Doch jede Beschränkung ist schädlich! Eine komplexe Steuerstruktur mit hohen Sätzen schadet dem Kapitalmarkt zusätzlich. Aufgrund staatlicher Preise und Löhne legt der Einzelne sein Geld falsch an und fährt nichts als Verluste ein. Nicht mehr, sondern weniger Regierungsbeteiligung ist gefragt.

„Weit davon entfernt, ein Zeichen für die dem System des freien Unternehmertums innewohnende Instabilität zu sein, ist die Große Depression in den Vereinigten Staaten vielmehr ein Beweis dafür, wie viel Schaden durch die Fehler einiger weniger Männer angerichtet werden kann, wenn sie die ganze Macht über das Geldsystem eines Landes ausüben.“ (S. 74)

Der Staat muss einen festen Geld- und Finanzrahmen für die freie Wirtschaft festlegen. Dies birgt natürlich die Gefahr einer Machtkonzentration aufseiten der Regierung, die die Wirtschaft kontrolliert. Wünschenswert wäre daher eine Goldwährung, die von der Bevölkerung gestützt wird und ein Eingreifen des Staates überflüssig macht. Der Grund: Gold lässt sich nicht manipulieren wie z. B. Aktien. Die Geldpolitik muss durch wirksame Regelungen vor den Launen der jeweiligen Machthaber geschützt werden. Die Finanzbehörde sollte angewiesen werden, jährlich eine bestimmte Wachstumsrate für die vorhandene Geldmenge festzulegen, die unbedingt beibehalten werden muss. Dazu sind zwar staatliche Eingriffe wie z. B. Maßnahmen der Bankenüberwachung und Schuldenverwaltung nötig, doch ist dies immerhin ein Schritt in die richtige Richtung. Im internationalen Handel sind freie Wechselkurse, die auf dem Devisenmarkt durch private Transaktionen ohne Intervention der Regierungen bestimmt werden, das richtige Instrument, um rasch und effektiv auf Marktveränderungen reagieren zu können.

Der Bildungssektor

Jährlich werden ungeheure Summen in die Schulausbildung von Kindern gesteckt. Doch verbessert sich dadurch der Standard? Weit gefehlt! Alle Steuerzahler werden zur Kasse gebeten, gleichgültig ob sie schulpflichtige Kinder haben oder nicht. Auf die Zusammensetzung der Schulfächer hat die Bevölkerung keinen Einfluss, da hier staatliche Vorgaben greifen. Den Eltern, die sich andere Fächer für ihr Kind wünschen, bleibt nur die Möglichkeit einer Privatschule. Damit werden sie jedoch ein zweites Mal zur Kasse gebeten: einmal über die Steuern und zum zweiten über das direkte Schulgeld. Hatte das Schulsystem der USA noch im 19. Jahrhundert die Aufgabe, Massen von Einwanderern unterschiedlicher Nationen auf den gleichen Wissensstand zu bringen, so sieht das in Zeiten zunehmender Individualisierung anders aus. Durch ein Gutscheinsystem, das es Eltern ermöglicht, ihr Kind in jeder beliebigen Schule anzumelden, würden die privatisierten Schulen in Wettbewerb treten, die Lehrkräfte nach der tatsächlichen Leistung bezahlen, und der Bildungsstandard würde sich somit zwangsläufig verbessern. Genauso kann bei der Universitätsausbildung verfahren werden. Denn warum sollen Bürger, die gar nicht in den Genuss eines Studiums kommen, dafür bezahlen?

Freie Berufswahl

Jeder Einzelne hat die Freiheit, sich seinen Beruf zu wählen. Es ist nicht einzusehen, warum man für bestimmte Berufe Lizenzen benötigt. Warum sollte sich ein Bewerber einer Kommission aus Mitgliedern des angestrebten Berufs vorstellen? Meist dient dieses Prozedere unter dem Vorwand der Qualitätssicherung lediglich dem Zweck, lästige Konkurrenten auszuschalten. Wie kann eine kleine Gruppe von Kommissionsmitgliedern die Fähigkeiten eines Bewerbers zuverlässig einschätzen? Konkurrenz belebt das Geschäft, und es wird sich ohnehin zeigen, ob der Bewerber auf dem Markt bestehen kann.

„Für flexible Wechselkurse zu sein, bedeutet nicht, für schwankende Wechselkurse eintreten. Wenn wir bei uns ein System der freien Preise befürworten, bedeutet das nicht, wir seien für ein System, bei dem die Preise wild auf- und niedergehen.“ (S. 92)

Je größer die Wettbewerbsfreiheit ist, desto weniger werden Menschen aufgrund ihrer Rasse oder Hautfarbe diskriminiert. Denn der Brotkäufer auf einem anonymen Markt weiß nicht, ob der Weizen von einem Weißen, Schwarzen, Indianer etc. angebaut wurde. Zugleich würde ein Unternehmer, der einen guten Arbeiter wegen seiner Hautfarbe ablehnt, unwirtschaftlich handeln. Ebenso beraubt sich ein Arbeiter, der nicht mit Menschen anderer Hautfarbe zusammenarbeiten will, seiner Möglichkeiten. Der Markt regelt sich selbst. Daher sollte der Staat das Gesetz zur Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt abschaffen, denn nicht immer ist es der Wirtschaft förderlich. Wird etwa ein Gemüsehändler in einem weißen Viertel gezwungen, einen Schwarzen einzustellen, obgleich seine Kundschaft es ablehnt, von Schwarzen bedient zu werden, so ist das für ihn geschäftsschädigend und kann bis zur Geschäftsaufgabe führen. Er kann sich nicht über die Vorstellungen seiner Kunden hinwegsetzen, da der schwarze Mitarbeiter unmittelbaren Kundenkontakt hat. Der Staat verletzt auf diese Weise die Freiheit der Individuen, individuelle Verträge einzugehen.

Einkommen und Steuern

Jeder Einzelne erhält als Einkommen, was er durch Arbeitskraft und eingebrachte Mittel erwirtschaftet. Die Entlohnung steht in Relation zur Leistung. Würde dieser Grundsatz nicht von allen akzeptiert, wäre die Gesellschaft instabil. Dies bringt zwar eine beträchtliche Ungleichheit an Einkommen und Wohlstand mit sich. Aber das heißt nicht, dass Kapitalismus und freie Wirtschaft insgesamt eine zunehmende Ungleichheit zur Folge haben. Denn es ist der große Vorteil kapitalistischer Gesellschaften, dass Individuen nicht wie in unterentwickelten Gesellschaften Kapital einbringen müssen, um Einkommen zu erzielen, sondern ihre persönlichen Potenziale. Der Kapitalismus befähigt die Individuen sogar, ihr Potenzial weiterzuentwickeln und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, die sich ihnen bieten. Infolgedessen hat der allgemeine Wohlstand so sehr zugenommen, dass nicht nur einige wenige, sondern die breite Masse in den Genuss von Gütern wie Autos, Zentralheizung, Fernsehen und Radio gekommen ist.

„Eine stabile und demokratische Gesellschaft kann ohne ein Minimum an Bildung und Wissen bei der Mehrheit ihrer Bürger und ohne weitgehend akzeptierte allgemeine Werte nicht existieren.“ (S. 109)

Doch durch die gestaffelte Einkommenssteuer und die Erbschaftssteuer greift der Staat in die Einkommensverteilung ein. Als Folge zahlen Personen mit gleichem Einkommen unterschiedlich hohe Steuern, je nachdem, in welchem Bereich sie tätig sind und welche Steuertricks sie kennen. Dadurch wird Reichtum weniger besteuert als Vermögensbildung. Zudem gehen dem Staat viele Steuern verloren. Eine gleichmäßige proportionale statt der derzeitigen progressiven Einkommenssteuer könnte die Lösung zu sein. Aus drei Gründen: Es bestünde weniger Anlass, sein Einkommen möglichst niedrig zu deklarieren, die Steuerflucht würde sich kaum noch lohnen, und Kapitalmittel könnten ohne die bisherigen Bremsen besser genutzt werden.

Zum Text

Aufbau und Stil

Milton Friedman hat sein Buch in 13 Kapitel gegliedert und durch eine knappe Zusammenfassung abgerundet. Der Neuauflage des Buches sind neben einem Geleitwort des ehemaligen „Wirtschaftsweisen“ Horst Siebert, der auf die ökonomische Bedeutung von Friedmans Thesen eingeht, ein aktuelles Vorwort des Autors und das ursprüngliche Vorwort der deutschen Ausgabe von 1971 vorangestellt. Friedman hat es sich nicht nehmen lassen, in seiner Vorrede explizit auf die wirtschaftliche Situation in Deutschland einzugehen. Kapitalismus und Freiheit, dieser Klassiker des Neoliberalismus, versteht sich als intellektuelles Lesevergnügen und ist nichts für Eilige. So nimmt sich der Autor Zeit, seine Antworten auf konkrete Fragen an mehreren Stellen des Buches auszuführen – meist ein wenig ungeordnet. An Lösungsmöglichkeiten für eine in seinen Augen vernünftige Finanz-, Steuer-, Arbeitsmarkt- und Lohnpolitik, Altersversorgung, aber auch für eine effiziente Organisation des Bildungswesens mangelt es nicht. Friedman will aber nicht nur gelesen, sondern auch verstanden werden und seine Vorschläge umgesetzt sehen. Leider ist die Übersetzung ins Deutsche an etlichen Stellen etwas ungeschickt und schwammig geworden, sodass das Lesevergnügen ein wenig getrübt wird.

Interpretationsansätze

  • Friedmans Wirtschaftstheorie stützt sich implizit auf das Say’sche Theorem des französischen Ökonomen Jean-Baptiste Say (1767–1832). Das Theorem besagt, dass sich jedes Angebot seine Nachfrage selbst schafft. Rationalisierungsmaßnahmen führen beispielsweise zu günstigeren Preisen, die wiederum zu einer erhöhten Nachfrage führen. Auch kann es demnach keine Unterbeschäftigung geben, solange die Arbeitskräfte ihre Löhne flexibel nach unten anpassen. Im Klartext: Wer gewillt ist, für „’n Appel und ’n Ei“ zu arbeiten, wird auch nicht arbeitslos. So zynisch das klingt, so faszinierend erscheint das Vollbeschäftigungsversprechen in der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik.
  • Auch wenn Friedman als Analytiker spricht, geht er mit seinem Anliegen doch erheblich weiter: „Wäre die freie Marktwirtschaft nicht das effizienteste System, ich wollte sie trotzdem – wegen der Werte, die sie repräsentiert: Wahlfreiheit, Herausforderung, Risiko.“ Die Wirtschaftspolitik ist für ihn also ein Mittel zum Zweck: um individuelle Freiheit zu erlangen, die er als das höchste Gut erachtet.
  • Seine Schelte der Wohlfahrtssysteme hat Friedman viele Feinde eingebracht. Seiner Meinung nach tendiert der Staat bei Sozialausgaben immer zur Verschwendung und straft damit die arbeitende Bevölkerung. Andererseits brachte der Wirtschaftswissenschaftler auch einen radikalen sozialpolitischen Vorschlag auf, der in die entgegengesetzte Richtung geht: die negative Einkommenssteuer, bei der Menschen unterhalb des Existenzminimums Geld vom Fiskus ausgezahlt bekommen.
  • Friedman ist ein Vertreter des Monetarismus und zugleich ein Gegner des Keynesianismus. Der Staat soll nicht durch wachsende Ausgaben die Wirtschaft ankurbeln, sondern dieses Ziel könne allenfalls durch eine Erhöhung der Geldmenge erreicht werden. Eine Wirtschaftspolitik Friedman’scher Prägung zieht eine angebotsorientierte Politik einer nachfrageorientierten vor.

Historischer Hintergrund

Der Konflikt zwischen Keynesianismus und Monetarismus

Von den 40er bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts dominierte in den führenden Wirtschaftsnationen eine Form der Wirtschaftspolitik, die gemeinhin als Keynesianismus bezeichnet wird. Diese stützt sich auf das Werk des englischen Nationalökonomen John Maynard Keynes. Angesichts der Weltwirtschaftskrise ab 1929 wandte sich Keynes in seiner Theorie gegen die geltende Vorstellung, dass sich die Wirtschaft durch das freie Spiel der Kräfte in ein Vollbeschäftigungsgleichgewicht bringen würde. Keynes stellte die These auf, dass es auch ein Unterbeschäftigungsgleichgewicht gebe, das nur durch staatliche Intervention aufgehoben werden könne. Die keynesianische Theorie unterstellt, dass die Wirtschaft nur beschränkt über Selbstheilungskräfte verfügt: Unternehmer müssten nicht zwangsläufig jeden gewonnenen Cent in Investitionen stecken. Daraus könne sich ein Abwärtszyklus ergeben, der nach und nach verschiedene Branchen in den Strudel der Rezession reiße. Nur wenn der Staat ein Nachfragedefizit durch staatliche Nachfrage ausgleiche (z. B. durch Rüstung oder Straßenbau) und durch Steuersenkungen Anreize für Investitionen liefere, könne sich ein neues wirtschaftliches Gleichgewicht einpendeln. Das amerikanische Wirtschaftswachstum nach der Depression und dem Krieg schien dem Keynesianismus für einige Jahrzehnte Recht zu geben. Milton Friedman war ein erbitterter Gegner des Keynesianismus, weil dieser die Inflation anfeuere und sukzessive zur Staatsverschuldung führe. Friedman konzentrierte sich auf eine Politik, die später als Monetarismus bezeichnet wurde. Fiskalpolitik und wachsende Staatsausgaben lehnte er ab: Lediglich eine konstante Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldmenge könne die Wirtschaft nachhaltig ankurbeln.

Entstehung

Schon in seinen frühen Jahren als Professor in Chicago stieß die Popularität der keynesianischen Wirtschaftspolitik bei Friedman auf Ablehnung. Hier liegen die Wurzeln seiner unermüdlichen Kampagne gegen die staatliche Intervention und seines Eintretens für eine neoliberale Wirtschaftspolitik. In den 50er Jahren hielt Friedman mehrere Vorträge zu Themen wie Sozialversicherungssysteme, Arbeitslosigkeit, Entstehung von Monopolen und Außenwirtschaftsbeziehungen. Aus den Vortragmanuskripten und ihren zahlreichen Überarbeitungen und Verbesserungen schöpfte Friedman die Grundlagen für sein Werk Kapitalismus und Freiheit. Das Buch erschien erstmals 1962. Gleich nach Erscheinen hagelte es Kritik – auch aus den eigenen Reihen der Chicagoer Wirtschaftswissenschaftler. Die Zeit des Keynesianismus war noch nicht abgelaufen, und solange es mit dieser Wirtschaftspolitik gut lief, erschienen Friedmans Ideen ketzerisch und unpopulär.

Wirkungsgeschichte

Bis Mitte der 70er Jahre fielen Friedmans Überlegungen auf keinen fruchtbaren Boden. Das änderte sich aber rasch, als der Keynesianismus seine Schwachstellen offenbarte und mit den sich häufenden Wirtschaftskrisen (Ölkrise) sowie der wachsenden Inflation in vielen Industrienationen nicht fertig werden konnte. Ende der 70er Jahre schlug dann die Stunde des Monetarismus. Friedman gewann mächtige Politiker für seine Form der Wirtschaftspolitik: den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan und die britische Premierministerin Margaret Thatcher. Beide Regierungen führten eine Wirtschaftspolitik ein, die sich – von einigen Modifikationen abgesehen – direkt auf Friedmans Theorien berief. Großbritannien, in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts als „kranker Mann Europas“ zu zweifelhaftem Ruhm gekommen, wurde von der „eisernen Lady“ mit dem nach ihr benannten „Thatcherismus“, einer radikal liberalistischen Wirtschaftpolitik geführt. Angebotsorientierung, Reduktion des Staatsdefizits, eine Welle der Privatisierung staatlicher Unternehmen, Bekämpfung der Inflation über monetaristische Geldpolitik, Subventionsabbau, Zinserhöhungen, Reduktion der Einkommenssteuer und radikale Einschränkung der Staatsausgaben gehörten zu den Eckpfeilern ihrer Politik. Die Folgen waren: Eindämmung der Inflation, Ankurbelung der Konjunktur – aber auch Abbau von Sozialleistungen, wachsende Arbeitslosigkeit und eine größere Kluft zwischen Arm und Reich. Nahezu identisch sah die Politik der so genannten „Reaganomics“ in den USA aus: Ronald Reagan senkte Steuern, führte Deregulierungsmaßnahmen durch und kürzte Sozialausgaben. Mit einer restriktiven Geldpolitik gelang es zugleich der US-Notenbank, die Inflation einzudämmen. Auch in den USA zeigte sich, dass diese Politik die Einkommens- und Vermögensunterschiede vergrößerte. Das bestehende Haushaltsdefizit stieg beträchtlich, auch aufgrund erhöhter Rüstungsausgaben.

Noch vor Reagan und Thatcher wendeten ehemalige Wirtschaftsstudenten Friedmans aus Chile und Brasilien, die in den Militärdiktaturen ihrer Länder hohe Ämter bekleideten, seine Theorien an. Das gelang teilweise mit großem Erfolg, allerdings auch hier zu einem hohen Preis: der Verelendung der sozial schwachen Bevölkerungsgruppen. Das zwiespältige Ergebnis der Anwendungen seiner Theorie focht Friedman indes nicht an: Einerseits gibt er zu bedenken, dass seine Empfehlungen stets modifiziert und nie konsequent angewendet worden seien, andererseits sieht er die Idee des Neoliberalismus nach dem Zusammenbruch des „großen Konkurrenten“ Sozialismus bestätigt. 1976 erhielt Friedman den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Friedman ist der Begründer eines regelrechten „Clans“ von Wirtschaftswissenschaftlern: Diese so genannten „Chicago Boys“ trugen seine Lehre in die Politik. Sein zentrales Werk Kapitalismus und Freiheit hat sich bis heute über eine halbe Million Mal verkauft.

Über den Autor

Milton Friedman gehört zu den bekanntesten Wirtschaftswissenschaftlern. Der bissige Professor wendet sich seit seinem Frühwerk gegen den Keynesianismus, dessen Begründer John Maynard Keynes sich mit ihm um den Spitzenplatz des einflussreichsten Ökonomen des 20. Jahrhunderts streitet. Friedman wird am 31. Juli 1912 in New York geboren. Seine Eltern stammen aus der heutigen Ukraine und kamen als jüdische Einwanderer nach Amerika. Wegen des frühen Todes seines Vaters ist Friedman gezwungen, seinen Unterhalt durch eigene Arbeit zu verdienen. Sein Mathematikstudium an der Rutgers-Universität in New Jersey finanziert er mit einem Stipendium. Nach dem Bachelor-Abschluss wechselt er mit 20 Jahren an die Universität von Chicago und erwirbt dort ein Jahr später den Master-Titel. 1935 zieht er nach Washington, wo er Berufserfahrung als Volkswirt im Dienst verschiedener Bundesbehörden sammelt. 1946 folgt die Promotion an der Universität von Chicago und später die Professur, die er bis zu seiner Emeritierung 1976 bekleidet. Für seinen Beitrag zur Geldtheorie erhält Friedman im gleichen Jahr den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften. Danach ist er als Berater in der Wirtschaft und Politik tätig, u. a. für die amerikanischen Präsidenten Richard Nixon und Ronald Reagan. Am 16. November 2006 stirbt Friedman in San Francisco an Herzversagen.

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