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Gullivers Reisen

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Gullivers Reisen

in verschiedene Länder der Welt

Artemis & Winkler,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Sind wir nicht alle ein bisschen Yahoo? Mit Gullivers Reisen schuf Jonathan Swift eine ätzende Satire auf die menschliche Gesellschaft.

Literatur­klassiker

  • Satire
  • Aufklärung

Worum es geht

Eine Satire auf die menschliche Gesellschaft

Was uns der englisch-irische Geistliche und scharfzüngige Schriftsteller Jonathan Swift in seinem satirischen Roman Gullivers Reisen präsentiert, ist so ziemlich das Aberwitzigste in der damaligen (und vielleicht auch noch der heutigen) Literatur. Der Arzt Gulliver bricht viermal zu Seereisen auf, und viermal gerät er auf unglückliche Weise an die Gestade fremder Zivilisationen, die nicht nur lauter Zungenbrechernamen haben, sondern auch sonst absonderlicher nicht sein könnten. Da sind die winzigen Liliputaner mit ihrem komischen Parteienapparat, die Riesen aus dem Lande Brobdingnag und die vergeistigten, lebensuntüchtigen Laputaner, die allen Ernstes versuchen, aus Eis Schießpulver und aus Gurken Sonnenlicht zu gewinnen. Schließlich begegnet er den menschenaffenartigen Yahoos und den rational-nüchternen Houyhnhnms – intelligenten Pferden. Auch wenn Swifts Werk (insbesondere die ersten beiden Teile) zu einem Klassiker der Jugendliteratur avancierte, ist es durchaus nicht so harmlos, wie man gemeinhin annimmt. Hinter der Fassade der skurrilen Abenteuer verbirgt sich eine Generalabrechnung nicht nur mit der englischen Gesellschaft zu Zeiten Swifts, sondern mit der Menschheit und ihren zweifelhaften Entwicklungen insgesamt.

Take-aways

  • Gullivers Reisen gehört zu den Klassikern der englischen Literatur und zu den meistgelesenen Büchern der Welt.
  • Der englisch-irische Schriftsteller Jonathan Swift veröffentlichte den Roman 1726 anonym, doch es kam schnell heraus, von wem die bissige Satire stammte.
  • Das Werk ist eine raffinierte Mischung aus Reiseerzählung, Tagebuch und Utopie.
  • Der Schiffsarzt Lemuel Gulliver erleidet Schiffbruch auf der Insel Liliput, wo er mit den nur wenige Zentimeter großen Bewohnern Freundschaft schließt.
  • Auf der Insel Brobdingnag, seiner nächsten Station, ist nun Gulliver der Winzling; die Inselbewohner sind Riesen, die allerhand Schabernack mit ihm treiben.
  • Überfordert von den Dimensionen Brobdingnags, ist Gulliver nicht traurig, als er von einem Raubvogel entführt wird und in die englische Gesellschaft zurückkehrt.
  • Auf einer weiteren Reise landet er auf der schwebenden Insel Laputa, deren Bewohner sich mit der Sprache der Mathematik verständigen, aber ihr normales Leben nicht in den Griff bekommen.
  • Auf der Insel Glubbdubdrib erhält Gulliver die Gelegenheit, mit den Seelen antiker Helden zu sprechen, die sich aber als weniger heroisch erweisen als erwartet.
  • Seine letzte Reise führt ihn ins Land der affenartigen, rohen Yahoos und ihrer weisen und rationalen Regenten, der pferdeartigen Houyhnhnms.
  • Gulliver bewundert die Houyhnhnms und möchte am liebsten bei ihnen bleiben. Da er aber in ihren Augen nichts weiter als ein intelligenter Yahoo ist, muss er gehen.
  • Wieder in England, lebt er zurückgezogen mit zwei Pferden und meidet die Gesellschaft anderer Menschen, die er verachtet und für gewalttätige Yahoos hält.
  • Das Buch war ein großer Erfolg, auch wenn die teilweise expliziten Schilderungen (u. a. aus dem körperlich-sexuellen Bereich) etliche Kürzungen und Verbote nach sich zogen.

Zusammenfassung

Die erste Reise: Liliput

Lemuel Gulliver wird in Nottinghamshire geboren und besucht drei Jahre lang ein College. Als seinem Vater die Mittel ausgehen, geht er bei einem Arzt in die Lehre und studiert anschließend in Leyden Medizin. Später lässt er sich als Arzt in London nieder und heiratet, doch da er seine Patienten nicht so ausnimmt wie seine Kollegen, geht die Praxis schlecht und er heuert auf der „Antilope“ als Schiffsarzt an. Bei einem Sturm erleidet er Schiffbruch und wird auf der Insel Liliput an Land gespült. Als er erwacht, ist er überall gefesselt und wird von nur wenige Zentimeter großen Männern mit winzigen Pfeilen beschossen. Am nächsten Morgen inspiziert der Kaiser der Insel Gulliver und lässt ihm einige Wagenladungen Essen bringen. Gulliver wird in der heimischen Sprache unterrichtet und täglich gefüttert, obgleich durch seinen gewaltigen Appetit eine Hungersnot im Land befürchtet wird.

Unterhaltung in Liliput

Zur Belustigung des Kaisers werden am Hof Kunststücke aufgeführt. Doch nicht nur zum Spaß: Wenn nämlich ein wichtiges Amt frei wird, tanzen die Kandidaten auf dem Seil, und derjenige, der am höchsten springt, bekommt das Amt. Bei einem anderen Spiel springen die Teilnehmer abwechselnd über einen vom Kaiser gehaltenen Stock oder kriechen darunter hindurch. Gulliver konstruiert mit seinem Taschentuch eine Bühne für Kriegsschauspiele, was dem Kaiser so gut gefällt, dass er den Fremdling kurz darauf freilässt. Doch da der Erste Admiral ihm nicht wohlgesinnt ist, wird die Freilassung an einige Bedingungen geknüpft: So darf Gulliver die Hauptstadt (die ihm bis zu den Knien reicht) nicht ohne Erlaubnis betreten und das Land nicht verlassen. Er muss den Arbeitern helfen und Eilboten befördern. Es wird festgesetzt, dass er täglich eine Essensration bekommt, die für 1728 Liliputaner ausreichen würde.

Politik in Liliput

Mit Erlaubnis des Kaisers besichtigt Gulliver die Hauptstadt Mildendo. Eines Tages taucht der oberste Sekretär für Privatangelegenheiten auf und verkündet, dass Liliput vom Nachbarland Blefuscu bedroht wird. Gulliver bietet seine Hilfe an. Als die Flotte von Blefuscu sich der Insel nähert, watet er durch das Wasser, befestigt Haken an den Schiffen und entführt sie alle nach Liliput. Der Kaiser ist begeistert. Eines Nachts bricht im Palast ein Feuer aus, das Gulliver kurzerhand löscht, indem er die Flammen auspinkelt. Mit Staunen betrachtet er die Gesetze Liliputs: Wer einen anderen verleumdet, wird zum Tode verurteilt. Betrug wird härter bestraft als Diebstahl. Wer die Gesetze 73 Monate lang befolgt, erhält eine Belohnung. Kinder werden in Erziehungsheimen aufgezogen, wo sie bereits mit 20 Monaten Unterricht erhalten. Die Schulen sind nach gesellschaftlichem Stand und Geschlecht getrennt. Bei Hofe wird gegen Gulliver intrigiert, was ihm eines Nachts zu Ohren kommt. Kurz entschlossen verlässt er Liliput und schwimmt nach Blefuscu, um den dortigen Kaiser zu besuchen. Am Strand findet Gulliver aber ein Ruderboot von normaler Größe, flickt es und sticht in See. Bald wird er von einem Handelsschiff aufgenommen und gelangt sicher zurück nach England, wo er mit dem Verkauf von mitgebrachten Liliput-Tieren viel Geld verdient.

Die zweite Reise: Brobdingnag

Schon zwei Monate später sticht Gulliver auf der „Adventure“ erneut in See. Das Schiff gerät bei Madagaskar in einen Sturm und verliert die Orientierung. Bei einem Landgang auf eine unbekannte Insel wird Gulliver zurückgelassen. Wie erschrickt er, als er plötzlich eine riesenhafte Gestalt sieht, die das Boot seiner Gefährten verfolgt! Schnell rennt er auf ein Feld, wo er auf weitere Riesen stößt, die Korn mähen. Als ein riesiger Fuß und eine Sichel bedrohlich auf ihn zukommen, schreit Gulliver aus Leibeskräften und wird daraufhin entdeckt, hochgehoben und zum Bauern gebracht. Dieser nimmt Gulliver mit nach Hause und streut ihm auf dem Tisch der Familie einige Brotkrumen hin. Der Winzling Gulliver lebt gefährlich unter den Riesen: Einmal packt ihn der freche zehnjährige Sohn, ein anderes Mal steckt ihn ein Säugling in den Mund. Doch die schlimmste Gefahr besteht er auf dem gigantischen Bett der Bäuerin, wo er seinen Mittagsschlaf hält: Zwei Ratten, größer als Bulldoggen, greifen ihn von beiden Seiten an, bis er sie mit dem Degen erstechen kann.

Gulliver als Attraktion

Der Bauer bekommt von Nachbarn den Tipp, den Zwerg Gulliver öffentlich vorzuführen. So fährt der Landwirt mit seiner Tochter Glumdalclitch, Gulliver in einer Schachtel im Gepäck, zu einem Gasthof, wo er ihn gegen Eintritt vorführt. Gulliver muss auf Befehl auf einem Tisch hin und her laufen, seinen Degen zücken und einige Worte in der Landessprache sprechen. Auch beim Bauern zu Hause bekommt Gulliver keine Ruhe: Leute kommen von überall her, um das possierliche Wesen zu sehen. Da er bald vor Erschöpfung abmagert, will der Bauer ihn verkaufen und überlässt ihn mitsamt seiner Tochter der Königin. Diese lässt ihm ein Schlafzimmerchen bauen sowie Essgeschirr und Kleidung herstellen. Doch nicht alles ist angenehm: Der Zwerg bei Hofe erlaubt sich üble Scherze und wirft Gulliver zuletzt in eine Sahneschüssel. Fliegen so groß wie Haubenlerchen und Wespen groß wie Rebhühner legen ihre Exkremente auf seinem Essen ab und attackieren ihn.

Probleme eines Winzlings

Brobdingnag ist eine dicht besiedelte Halbinsel mit der Hauptstadt Lorbrulgrud. Gulliver ist entsetzt über die riesigen Läuse, die sich in der Kleidung des Riesenvolkes tummeln. Im Garten des Palastes lauern weitere Gefahren: Ein herabfallender Apfel streckt ihn nieder, Hagelschauer machen ihm zu schaffen und der Hund des Gärtners apportiert ihn. Die Hofdamen betrachten ihn nicht als Menschen und entkleiden sich ungeniert in seiner Gegenwart. Gulliver erzählt dem König Geschichten von England, seinen Gesetzen und Gebräuchen. Der König kommt zu dem Schluss, dass dort die faulsten und korruptesten Leute leben, von denen er je gehört hat. Gulliver seinerseits betrachtet den König und sein Land als rückständig, denn es gibt nur vier Wissenschaften in Brobdingnag: Mathematik, Dichtung, Moral und Geschichte. Zwei Jahre nach Gullivers Ankunft unternimmt der König eine Reise ans Meer. Gulliver wird in seinem Reisekasten am Strand abgesetzt, wo ein riesenhafter Adler den Käfig ergreift und ihn später über dem Meer fallen lässt. Ein Schiff entdeckt ihn und nimmt Gulliver an Bord.

Die dritte Reise: Laputa

Schon nach kurzer Zeit heuert Gulliver wieder als Schiffsarzt an. Das Schiff wird unterwegs von Piraten überfallen und Gulliver auf einem Floß ausgesetzt. Er kann sich auf eine verlassene Felseninsel retten, wo er von einem inselförmigen Luftschiff aufgenommen wird. An Bord sind Menschen, die seltsam entrückt wirken und sich von ihren Dienern alle paar Augenblicke mit einer Art Rassel schlagen lassen, um in die Realität zurückzukehren. Gulliver wird zum König geführt und auf das Ohr geschlagen – zum Zeichen, er möge zuhören. Da es mit der Verständigung hapert, erhält er zunächst vier Stunden Sprachunterricht. Die Sprache basiert auf Musik und Mathematik, weshalb sie einfach zu erlernen ist. Die schwebende Insel heißt Laputa und wird mittels Magneten in ihrem Inneren in der Luft gehalten. Die Laputianer benutzen geometrische Begriffe, um Dinge zu beschreiben. Auf dem Papier können sie komplexe Berechnungen anstellen, doch im praktischen Leben sind sie hilflos. Der Boden liegt brach und die Häuser sind schief und baufällig. Gulliver langweilt sich schnell, denn da seien Fähigkeiten in den beiden einzigen angesehenen Wissenschaften, Musik und Mathematik, nur durchschnittlich sind, hat er keinen Gesprächspartner. Er bittet daher den König, abreisen zu dürfen. Dieser lässt ihn von der schwebenden Insel auf das Festland bringen.

Balnibarbi und Glubbdubdrib

Das Land Balnibarbi gehört ebenfalls zum Reich des Königs von Laputa. Ein vornehmer Herr führt Gulliver herum und beklagt, dass die Leute aufgrund von Hirngespinsten, die sie in den Höhen von Laputa bekommen hätten, alles reformieren wollten, was bisher gut gewesen sei. In der Akademie der Hauptstadt Lagado sind Wissenschaftler mit allerlei Experimenten beschäftigt: Einer versucht aus Gurken Sonnenstrahlen zu gewinnen, ein anderer Exkremente in Nahrung zurückzuverwandeln, wieder ein anderer züchtet Spinnen zum Weben von farbigen Stoffen. Besonders verblüfft Gulliver die Schule für Politik: Dort berät man, wie man Politiker dazu bringt, sich für das Wohl aller einzusetzen und wie man sie nach Leistungsfähigkeit und Rechtschaffenheit auswählt. Es wird vorgeschlagen, man solle den Beamten, den man um etwas bittet, beim Abschied in den Hintern treten, um einem drohenden Gedächtnisschwund vorzubeugen, oder Senatoren sollen um die Ämter würfeln, da dann jeder die gleiche Chance bekäme.

„Ich lag auf dem Rücken, und da entdeckte ich nun, dass nicht nur meine Arme und Beine, sondern auch mein langes, dichtes Haar am Boden festgebunden waren.“ (S. 17 f.)

Gulliver hat bald genug von den seltsamen Philosophen und fährt weiter zur Insel Glubbdubdrib, der Insel der Magier. Der dortige Herrscher kann Menschen von den Toten auferstehen lassen, weshalb seine Diener seltsame Gestalten sind, die Gulliver zuerst sehr erschrecken. Doch dann darf er sich Gesprächspartner aus dem Totenreich wählen und erfährt die Geheimnisse Alexanders des Großen und Hannibals, Caesars und Brutus’. Er lässt Aristoteles und Homer und viele Monarchen erscheinen und erfährt zu seinem Verdruss, dass die Geschichtsschreiber viele Sachverhalte hinzugedichtet oder verfälscht haben. Nach einem kurzen Abstecher zu den Stuldbruggs – verwirrte, lebensuntüchtige Unsterbliche – reist er über Japan zurück nach England.

Die vierte Reise: Bei den Houyhnhnms und Yahoos

Schon fünf Monate später sticht Gulliver wieder in See, diesmal ist er selbst der Kapitän eines Schiffes. Doch er hat Pech: Die Mannschaft meutert und setzt ihn auf einer Insel aus. Als er ins Landesinnere vordringt, begegnet er ungeschlachten, dümmlichen Affenmenschen, den Yahoos, die ihn sofort angreifen. Glücklicherweise kommen zwei Pferde zu Hilfe und retten ihn. Es sind Houyhnhnms, und sie sind die vernunftbegabten Herren der Insel. Sie halten Gulliver zunächst für einen Yahoo, da sein Körperbau dem der Affen ähnelt. Doch als sie beginnen, ihm ihre Sprache beizubringen, wird schnell klar, dass Gulliver ein intelligentes Wesen ist. Der Houyhnhnm, zu dem er gebracht wird, befragt ihn eingehend, woher er kommt, und kann nicht glauben, dass Tiere, die aussehen wie Gulliver, Schiffe bauen und über das Meer fahren können. Bei den Houyhnhnms sind die Yahoos Diener, die grobe Arbeiten verrichten und Kutschen ziehen. Auf Unverständnis stößt auch Gullivers Kleidung. Warum trägt er eine falsche Haut? Und wie kann es sein, dass in seinem Land die Yahoos die Herren sind und die Houyhnhnms die Diener?

Menschen und Tiere

Der Herrscher der Houyhnhnms fragt Gulliver über die Sitten und Gebräuche Englands aus und erfährt, dass dort wegen Neid und Streitigkeiten Kriege geführt werden, Staatsminister und Rechtsgelehrte lügen und betrügen und die Leute Nahrung und Getränke aus aller Welt begehren, die ihrer Gesundheit schaden. So ähnlich sei es auch bei den Yahoos, erklärt der Herrscher nach einigem Nachdenken. Wie die Engländer Alkohol trinken, so lutschen die Yahoos Wurzeln aus, die sie in einen Rausch versetzen. Sie schlagen einander und jagen sich gegenseitig bunte Steine ab, die für die Houyhnhnms keinerlei Wert besitzen. Der Unterschied zwischen den Engländern und den Yahoos besteht offenbar nur darin, dass Erstere intelligenter und deswegen auch böser sind. Da sie zu flache Gesichter haben, um einander ordentlich zu beißen, benutzen sie Waffen und Schießpulver und richten dadurch mehr Schaden an als die Yahoos in ihren wildesten Kämpfen.

Die Gebräuche der Houyhnhnms

Die Houyhnhnms selbst verhalten sich untereinander freundlich und friedfertig. Sie haben niemals Meinungsverschiedenheiten und in ihrer Sprache gibt es kein Wort für das Böse. Sie kümmern sich liebevoll um ihre Fohlen, ohne sie aber zu verwöhnen. Jedes Paar darf nur ein männliches und ein weibliches Fohlen haben, damit das Land nicht übervölkert wird. Alle vier Jahre halten die Houyhnhnms eine Generalversammlung ab und schicken Hilfsgüter in Gebiete mit Hungersnöten.

„Nach und nach hatten sie die Angst vor mir verloren, und so legte ich mich ab und zu hin und ließ fünf oder sechs von ihnen auf meiner ausgestreckten Hand tanzen.“ (S. 44)

Gulliver baut sich ein kleines Haus, macht sich neue Kleidung aus Tierfellen und fühlt sich bei den freundlichen Pferden so wohl, dass er nicht mehr nach England zurückkehren möchte. Doch eines Tages teilt ihm der Herrscher mit, die Versammlung habe beschlossen, dass es nicht anginge, einen Yahoo in der Familie zu halten. Da man befürchtet, Gulliver könne die anderen Yahoos aufwiegeln, muss er das Land verlassen. Traurig zimmert er sich ein kleines Boot und reist ab. Wenig später wird er von einem portugiesischen Schiff aufgegriffen. Kapitän Mendez ist freundlich zu ihm, doch Gulliver misstraut nun allen Yahoos und ist verschlossen. Auch seine Familie widert ihn an, hat er doch als Vater selbst mehrere Yahoos gezeugt. Er kauft sich zwei Hengste, die seine besten Freunde werden, und lebt wunderlich vor sich hin.

Zum Text

Aufbau und Stil

Swift wählt für seine Satire die Form einer Reisebeschreibung. Sie eröffnet die Möglichkeit, fremde Kulturen, fremde Lebensweisen zu beschreiben und sie mit dem eigenen Lebensstil zu vergleichen. Die vier Bücher mit den vier Reisen steuern auf einen Höhepunkt zu: Wundert man sich zwar bei Gullivers erster Reise über die Liliputaner, akzeptiert sie jedoch, so kommt man bei den intelligenten Pferden der vierten Reise aus dem Staunen nicht mehr heraus. Stilistisch verfolgt Swift vor allem einen Zweck: Authentizität vorzugaukeln, wo keine ist. Mit formelhaften Wendungen („Ich berichte die Wahrheit“) beteuert Gulliver immer wieder die Echtheit seiner Abenteuer, noch dazu bringt er „Beweise“ (z. B. in Form eines Riesenzahnes) mit in die vertraute Welt. Die bissigen und satirischen Anmerkungen Swifts deuten freilich in eine andere Richtung: Es geht in Wahrheit nicht um die Schilderung exotischer Länder, sondern um die Kritik und Bloßstellung des eigenen Landes. Gulliver ist ein Ich-Erzähler, aber keinesfalls allwissend. Auch wenn der Leser stets seiner Perspektive folgen muss, erscheint er an einigen Stellen als Persiflage seiner selbst – hier greift Swift ein und relativiert die Erzählsituation, indem er sich über seinen naiven Helden (gullible = leichtgläubig) lustig macht. Stilistisch kommt das Buch manchmal ein wenig behäbig daher und man wünscht sich, bei aller Fabulierfreude des Autors, dass er das Werk noch etwas mehr gestrafft hätte.

Interpretationsansätze

  • Gullivers Reisen zeichnen sich vor allem durch den Perspektivenwechsel aus. Durch die groteske Überzeichnung der verschiedenen Gesellschaften, auf die Gulliver trifft, verliert jede bereits bekannte Lebensweise ihren Absolutheitsanspruch und wird relativ: Bei den Riesen zählen andere Eigenschaften als bei den Liliputanern usw. Die Erzählungen Gullivers von der englischen Gesellschaft erregen Abscheu und Ekel bei den Brobdingnags und bei den Houyhnhnms, welche umgekehrt den Engländern absonderlich erscheinen.
  • Wie es sich für eine Satire gehört, hat Swift viele Figuren als Karikaturen bekannter Persönlichkeiten seiner Zeit gestaltet. Dazu gehört der tyrannische Herrscher der Liliputaner, ein Zerrbild von König Georg I. von England. Die Parteien in Liliput sind nach den Whigs und Tories, den beiden Parteien Englands zu Swifts Zeit, gestaltet, die Kaiserin ähnelt Queen Anne von England, und Robert Walpole, der englische Premierminister und erbitterte Feind Swifts, wird zum Schatzmeister der Liliputaner.
  • Die Houyhnhnms gehören sicherlich zu den eindrucksvollsten Geschöpfen, denen Gulliver begegnet. Sie repräsentieren einen idealen Staat, der ausschließlich von Weisheit und Rationalität regiert wird. Dabei fehlt ihnen jedoch ein wenig die Würze des Lebendigen.
  • Davon haben die Yahoos mehr als genug: Sie stellen eine degenerierte Menschheit dar, die sich ganz ihren Gelüsten hingibt, die stiehlt, raubt, mordet und von den blanken Trieben geleitet wird. Das Wort „Yahoo“ (lautmalerisch aus den Unmutsäußerungen „Yaa!“ und „Ugh!“ gebildet) hat seit Gullivers Reisen in die englische Sprache Einzug gehalten und bedeutet so viel wie „Krakeeler“ oder „Saukerl“.

Historischer Hintergrund

Literatur und Politik im England des 18. Jahrhunderts

Fast der ganze erste Teil von Gullivers Reisen beschäftigt sich, verklausuliert in der Beschreibung des Hofes von Liliput, mit den turbulenten Zuständen in England zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die „Glorious Revolution“ (1688) hatte die konstitutionelle Monarchie in England etabliert, den verhassten, katholikenfreundlichen König Jakob II. abgesetzt und den Thron an den protestantischen Wilhelm III. von Oranien vergeben. Die Herrschaft des Königs wurde nun vom Parlament kontrolliert. Eine der Kammern, das House of Commons (Unterhaus), wurde mit Vertretern des Volkes besetzt, die sich in zwei große Parteien spalteten: die Whigs und die Tories. Die Tories waren die konservativere Partei, die sich für eine starke Monarchie und eine Dominanz der anglikanischen Kirche einsetzte. Dem aufsteigenden Mittelstand standen sie skeptisch gegenüber. Die Whigs hingegen unterstützten stärker die parlamentarischen Aspekte der Regierung, waren hinsichtlich der Konfessionen toleranter und rekrutierten ihre Anhänger vor allem aus dem wirtschaftlichen Mittelstand. Jonathan Swift selbst wechselte die Fronten: War er zunächst ein begeisterter Whig, lief er 1710 zu den Tories über.

Swifts Roman Gullivers Reisen erschien zu einer Zeit, die als besonders fruchtbare Epoche in der englischen Literaturgeschichte bezeichnet wird. Dieses als „Augustan Age“ (etwa 1700–1744) bezeichnete Zeitalter stellt den Höhepunkt des Klassizismus in der englischen Literatur dar und wurde von dem Lyriker Alexander Pope, einem guten Freund Swifts, beherrscht. Der Name dieser Kunstepoche ist darauf zurückzuführen, dass sich die Dichter an den Klassikern der griechischen und römischen Antike orientierten. Swift persiflierte mit seinem Roman auch die (fiktionale) Reiseliteratur, die bei den zeitgenössischen Lesern besonders beliebt war. Damit befand er sich in der illustren Gesellschaft von Reiseerzählungen wie Daniel Defoes Robinson Crusoe (1719). Einige Jahre später trat auch Henry Fielding mit Tom Jones (1749) als satirisch-humoristischer Romanautor hervor.

Entstehung

Eigentlich handelt es sich bei Gullivers Reisen um eine der berühmtesten Hausaufgaben der Weltliteratur. Swift war Mitglied des 1713 gegründeten Scriblerus Club, der sich vor allem mit Satiren auf die moderne Gesellschaft beschäftigte. Weitere berühmte Mitglieder waren u. a. die englischen Literaten und Dichter Alexander Pope, John Gay, William Congreve und John Arbuthnot. Jonathan Swift bekam die Aufgabe gestellt, eine Satire und Verballhornung der damals beliebten Reiseliteratur zu verfassen. Auf seine Skizzen zu dieser Aufgabe geht der spätere Roman Gullivers Reisen zurück. Die eigentliche Arbeit an dem Buch begann 1721. Innerhalb eines Jahres verfasste Swift die Bände eins und zwei. 1723 arbeitete er an der Reise zu den Yahoos und den Houyhnhnms und 1724/25 schrieb er das dritte Kapitel über die vergeistigten Bewohner Laputas. Für die Publikation musste Swift – trotz der Abschaffung der Zensurgesetze 1695 – mit Repression und Hindernissen rechnen, wenn man ihm die Karikatur lebender politischer Zeitgenossen hätte nachweisen können. Darum ließ er besondere Vorsicht walten, gab das Buch anonym heraus und ließ sogar einen Brief an den Verleger Benjamin Motte von seinem Freund John Gay schreiben und mit dem Namen „Richard Sympson“ unterzeichnen. Das Manuskript selbst wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion vor dem Hause Mottes zum Druck abgeliefert. Der Verleger war genauso vorsichtig wie der Verfasser und milderte einige besonders drastische Passagen stark ab, was wiederum Swift missfiel. Dieser machte die Änderungen in späteren Ausgaben rückgängig.

Wirkungsgeschichte

Gullivers Reisen, 1726 anonym veröffentlicht, wurde sofort ein Verkaufsschlager. Alexander Pope schrieb an seinen Freund Swift, der während der Veröffentlichung in Irland weilte: „Vor zehn Tagen wurde hier ein Buch veröffentlicht über die Reisen eines gewissen Gulliver, von dem seitdem die ganze Stadt redet; die Auflage war in einer Woche verkauft und nichts macht mehr Spaß als die verschiedenen Meinungen darüber zu hören, obwohl sie alle darin übereinstimmen, dass es gut ist. Von den Höchsten bis zu den Niedersten wird es gelesen, vom Ministerrat bis zur Kinderstube.“ Die erste Auflage von 1000 Exemplaren ging binnen einer Woche über die Ladentische. Im gleichen Jahr kamen dann noch zwei weitere Auflagen des Buches heraus. Die erste deutsche Übersetzung erschien in Hamburg im Jahr 1727 unter dem Titel Des Capitains Lemuel Gulliver Reisen in unterschiedliche, entfernte und unbekandte Laender, basierend auf einer französischen Übersetzung aus demselben Jahr. Zunächst amüsierte sich jeder über die satirische Zeichnung der Gestalten, bis in den Zeitungen immer mehr erfolgreiche Versuche unternommen wurden, die Vorbilder der Swift’schen Figuren in der Wirklichkeit zu entschlüsseln. Einige von Swifts Schriftstellerkollegen wie Walter Scott und William Thackeray hielten ihm seinen augenscheinlichen Menschenhass vor, der ihn wohl zu der erbärmlichen Schilderung der Yahoos geführt haben müsse. Der Roman wurde mehrere Male verfilmt. Zu den bekanntesten Versionen gehört der Film des Kinopioniers George Méliès von 1902 (Le Voyage de Gulliver) und die nicht ganz originalgetreue amerikanische Version The Three Worlds of Gulliver (1960) von Jack Sher, gleichzeitig die erste Verfilmung des Stoffes in Farbe. Darüber hinaus wurde das Buch – teilweise stark gekürzt und entstellt – in unzähligen Hörspielen und Jugendbuchadaptionen herausgebracht.

Über den Autor

Jonathan Swift wird am 30. November 1667 als Kind englischer Eltern in Dublin geboren. Sein Vater stirbt vor seiner Geburt und seine mittelose Mutter gibt ihn zu einem wohlhabenden Schwager in England. Nach dem Studium wird er 1688 Sekretär des Staatsmanns Sir William Temple, dessen Frau Lady Temple eine Verwandte seiner Mutter ist. Zu seinen Pflichten gehörte es, die uneheliche Tochter von Temple, Esther Johnson, genannt Stella, zu unterrichten. Diese folgt ihm später nach Irland und sie heiraten 1716. Eine andere Schülerin, Esther Vanhomrigh, genannt Vanessa, verliebt sich in Swift. Er verfasst das Gedicht Cadenus und Vanessa. Später wird ihr Briefwechsel veröffentlicht. Swift strebt zunächst nach einem hohen Kirchenamt. Politisch erwärmt er sich für die Whigs, doch da es mit seiner Karriere nicht vorangeht, wechselt er zu den Tories und wird Dekan von St. Patrick in Dublin. Während der Regierungszeit von Königin Anne beteiligt sich Swift an politischen Kontroversen in London. Er verfasst kritische Gedichte wie Description of a City Shower (1710) und Satiren wie A Tale of a Tub (1704), A True And Full Account of the Battle Fought Last Friday between the Antient and the Modern Books in St. James’s Library (1704) oder A Modest Proposal for Preventing the Children of Poor People from Being a Burden to Their Parents or Country, and for Making Them Beneficial to the Publick (1729) - worin er das Elend und die Ausbeutung in Irland anprangert und vorschlägt, die Iren mögen doch ihre Kinder schlachten und durch den Verkauf des Fleisches die Wirtschaft ankurbeln. Außerdem gibt Swift die Zeitschrift The Examiner heraus. 1714, nach dem Tod der Königin, kehrt Swift nach Irland zurück. Ähnlich wie seine Romanfigur Gulliver wird er im Alter geisteskrank. Swift stirbt am 19. Oktober 1745 in Dublin.

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