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Der Pragmatismus

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Der Pragmatismus

Ein neuer Name für alte Denkmethoden

Meiner,

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What's inside?

Ein zentrales Werk des philosophischen Pragmatismus: Wahr ist, was nützt.

Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Moderne

Worum es geht

Wahr ist, was nützt

Der Pragmatismus wollte die uralte Suche der Philosophen nach der Wahrheit auf den Kopf stellen, ja den Sinn philosophischer Wahrheitssuche selbst hinterfragen: Nicht "Was ist die Wahrheit?", sondern "Mit welchen Wahrheiten sollten wir uns überhaupt befassen?" wurde zur grundlegenden Frage erklärt. Wenn wir die Konsequenzen fürs wirkliche, praktische Leben zum Maßstab machen, dann werden viele der bisherigen philosophischen Streitereien überflüssig, lautete das Urteil des Pragmatismus, der ersten eigenständigen amerikanischen Philosophie. William James war einer ihrer wichtigsten Vertreter. Sein Credo: Wahr ist, was nützt. Solange unsere Glaubensgrundsätze uns helfen, besser zu leben, sollten wir sie aufrechterhalten. Versagen sie in der Lebenspraxis, dann gilt es neue, bessere Überzeugungen zu gewinnen. Den Europäern, allen voran den Deutschen, war dieser lockere Umgang mit der Wahrheitsfrage zum großen Teil suspekt. Man hielt den Pragmatismus lediglich für eine intellektuelle Rechtfertigung einer in europäischen Augen eher oberflächlichen und opportunistischen amerikanischen Ethik. In den USA dagegen hatte der Pragmatismus weit reichende Auswirkungen vor allem auf Politik, Soziologie und Pädagogik.

Take-aways

  • Der Pragmatismus von William James ist einer der Grundlagentexte der gleichnamigen philosophischen Richtung.
  • Der Pragmatismus ging aus den Diskussionen junger Intellektueller des "Metaphysical Club" in Boston und Cambridge hervor.
  • Er ist in erster Linie eine philosophische Methode, nicht ein philosophisches System.
  • Die pragmatische Methode ist nichts absolut Neues: Schon Philosophen wie Sokrates, Aristoteles, Locke, Berkeley oder Hume nutzten sie teilweise zur Erkenntnisgewinnung.
  • Das Ziel des Pragmatismus war es, die starren Fronten zwischen den philosophischen Schulen zu überwinden und zu neuen, in der Praxis nützlichen Wahrheiten zu gelangen.
  • Wahr ist eine Idee so lange, wie sie sich in der Praxis bewährt.
  • Wir sollten im Alltag dem Beispiel der Wissenschaft folgen und unsere Wahrheiten nur als vorläufige Theorien auffassen, die sich durch Verifikation bewähren müssen.
  • Kann eine Wahrheit nicht verifiziert werden, muss sie aufgegeben und durch eine neue, bessere ersetzt werden.
  • Der gesunde Menschenverstand besteht aus den Denkmethoden unserer Vorfahren, die sich in langer Praxis bewährt haben.
  • Es gibt keine absoluten Wahrheiten als Ausgangsbasis: Wahrheiten können höchstens am Ende eines evolutionären Wahrheitsfindungsprozesses stehen.
  • Die Philosophie sollte sich mit dem befassen, was für das menschliche Leben von Bedeutung ist.
  • In den USA übte der Pragmatismus mit seinem pluralistischen Wahrheitsbegriff einen weit reichenden Einfluss aus; in Europa blieb seine Wirkung eher gering.

Zusammenfassung

Das Dilemma der Philosophie

Unsere Weltanschauung bestimmt die Perspektive, aus der wir das Leben interpretieren. Mehr als wir es üblicherweise gerne zugeben, wird unser Urteil dabei von unserem persönlichen Temperament und unseren Vorlieben beeinflusst und getrübt. In der Philosophie ist es auf diese Weise zu einem scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz zwischen den Rationalisten auf der einen und den Empiristen auf der anderen Seite gekommen. Eher zart fühlende (engl.: tender-minded) Menschen neigen dazu, Rationalisten und Prinzipienmenschen zu sein. Sie sind idealistisch und optimistisch in ihrer Weltsicht und der Religion gegenüber positiv eingestellt. Sie glauben meist an die Willensfreiheit und die Einheit allen Seins und sind in ihren Lehren dogmatisch. Eher grobkörnige (engl.: tough-minded) Menschen sind dagegen meist Empiristen und Tatsachenmenschen. Sie sind pessimistische Materialisten und oft nicht religiös. Sie glauben eher daran, dass unser Verhalten determiniert ist und wir keine echte Willensfreiheit haben. Sie neigen auch dazu, die Welt als Vielfalt zu sehen und sind "absoluten Wahrheiten" gegenüber grundsätzlich skeptisch. Beide Seiten betrachten einander mit Skepsis und Verachtung.

„Denn die Philosophie, die in jedem von uns von so großer Bedeutung ist, sie ist nichts fachmännisch Formulierbares. Sie ist vielmehr unser mehr oder weniger deutliches Gefühl von dem, was der ehrliche und tiefe Sinn des Lebens ist.“ (S. 2)

Auch die Philosophen unterliegen diesen menschlichen Neigungen und Vorlieben. Entsprechend haben sie sich jeweils philosophische Systeme geschaffen, die ihrem persönlichen Temperament entsprechen. Für die Argumente der Gegenseite ist man vor allem aus subjektiven Motiven kaum aufgeschlossen. Entsprechend verhärtet sind die Fronten der philosophischen Lager.

Die Lösung des Pragmatismus

Der Pragmatismus bietet einen Ausweg aus diesem Dilemma, indem er bewusst keine Seite bevorzugt, sondern stattdessen vor allem eine Methodik zur praktischen Lösung philosophischer Probleme anbietet. Für den Pragmatismus macht es nur dann Sinn, sich einer philosophischen Frage überhaupt zu widmen, wenn die entsprechende Antwort praktische Konsequenzen mit sich bringt.

„Ich biete Ihnen das Ding mit dem seltsam klingenden Namen Pragmatismus, als eine Philosophie, die beide Arten von Bedürfnissen befriedigen kann. Sie kann religiös bleiben, wie die rationalistischen Systeme, sie kann aber zugleich, wie die empirischen, die innigste Verbindung mit den Tatsachen pflegen.“ (S. 20)

So wäre es beispielsweise, wenn die Welt heute unterginge, irrelevant zu klären, ob Gott die Welt so geschaffen und gelenkt hat, wie sie dann letztendlich geworden ist, oder ob sie nur das Produkt blinder materialistischer Kräfte war. Da es mit der Welt nun sowieso zu Ende ginge, würde es keine praktische Rolle mehr spielen, wie ihr vergangenes Wesen zustande gekommen ist. Wenn die Welt aber auch in Zukunft weiter existiert, dann haben die Antworten auf solche Grundsatzfragen durchaus wichtige Konsequenzen. Wenn wir z. B. Gott als Ursache und Lenker der Welt ansehen, kann das ein Element von Hoffnung in unser Leben bringen, das in einer rein materialistischen Weltsicht fehlen würde.

„Was die Menschen bei ihrem Philosophieren bestimmt und immerdar bestimmen wird, das ist das Temperament mit seinem Begehren und Widerstreben.“ (S. 22)

Der Pragmatismus plädiert dafür, sich nur mit der Suche nach solchen Wahrheiten zu befassen, die von entsprechend praktischer Bedeutung sind. Seine grundlegende Frage ist dabei: In welcher Beziehung wäre die Welt anders, wenn diese oder jene Alternative wahr wäre?

Da der Pragmatismus solche Fragen mit seiner eigenen Methodik angeht, muss er nicht bereits im Vorfeld Stellung beziehen und sich zu einem der beiden Lager, den Rationalisten oder den Empiristen, bekennen. Er kann daher sowohl religiöse Bedürfnisse befriedigen, wie es die rationalistischen Systeme oft tun, als auch eine enge Anbindung an die erfahrbaren Tatsachen der Welt aufrechterhalten, wie es in den empirischen Systemen geschieht. In diesem Sinne bietet sich der Pragmatismus als Mittler zwischen den beiden philosophischen Lagern an. Die mit Hilfe des Pragmatismus entwickelten Theorien sind weniger Antworten auf die uralten Rätselfragen der Menschheit. Vielmehr stellen sie Werkzeuge dar, mit deren Hilfe wir unsere Welt bearbeiten und positiv verändern können.

Einheit und Vielheit

Seit langem wird in der Philosophie eine Grundsatzdiskussion über die Frage geführt, ob die Welt eine Einheit oder eine Vielheit sei. Aus der Sicht des Pragmatismus ist es weder sinnvoll, wie die Monisten an eine absolute Einheit zu glauben, noch wie die Pluralisten eine unbedingte Vielheit anzunehmen. Der Pragmatist leugnet nicht, dass alle Entwicklungsprozesse im Universum am Ende zu einer vollständigen Einheit führen könnten. Für die Gegenwart ist es aber wichtig zu sehen, dass die Welt zurzeit noch nicht vollständig vereinheitlicht ist und vielleicht auch nie vereinheitlicht werden wird.

„Die pragmatische Methode ist zunächst eine Methode, um philosophische Streitigkeiten zu schlichten, die sonst endlos wären.“ (S. 27)

Der Pragmatismus sagt also: Die Welt, in der wir leben, ist in manchen Aspekten einheitlich, in anderen wiederum in eine Vielheit gespalten. Diese Weltsicht stimmt am ehesten mit unserer Erfahrung überein und bietet uns die sinnvollste Basis für unser Handeln. Wenn wir anerkennen, dass die Einheit der Welt noch unvollkommen ist, bieten sich zudem Möglichkeiten für uns, auch persönlich zur Vereinheitlichung der Welt beizutragen und damit einen positiven Einfluss auszuüben.

Der gesunde Menschenverstand

Was wir als gesunden Menschenverstand bezeichnen, sind letztlich die Denkmethoden, die von unseren Vorfahren als nutzbringend entdeckt worden sind und sich in der alltäglichen Erfahrung bewährt haben. Philosophisch gesehen sind das bestimmte Formen des Verstandes und bestimmte Kategorien des Denkens. Diese Denkmethoden haben sich in einem evolutionären Prozess bewährt und allmählich über alle Tatsachengebiete weltweit verbreitet; sie bilden auch die Grundlage aller menschlichen Sprachen.

„Es ist erstaunlich, zu sehen, wie viele philosophische Kontroversen in dem Augenblick zur Bedeutungslosigkeit herabsinken, wo Sie dieselben dieser einfachen Probe unterwerfen, indem Sie nach den konkreten Konsequenzen fragen.“ (S. 31)

Eine Weiterentwicklung unserer Denkmethoden über die Ebene des gesunden Menschenverstandes hinaus erfolgte vor allem durch die kritische Naturwissenschaft und die kritische Philosophie.

Das Wahrheitsverständnis des Pragmatismus

Gemäß dem Pragmatismus sind alle Theorien nur Werkzeuge zur Anpassung unserer Vorstellungen an die erfahrbaren und überprüfbaren Tatsachen unserer Welt. Es gibt in diesem Sinne keine auf höheren Offenbarungen oder rationalistischen Denklösungen basierenden Einsichten in so genannte "absolute Wahrheiten". Stattdessen haben wir es mit einer Reihe von Wahrheiten zu tun, die mehr oder weniger mit der erfahrbaren Realität im Einklang stehen. Die pragmatische Methode der Wahrheitsfindung in allen Lebensbereichen entspricht im Prinzip der Vorgehensweise in den Naturwissenschaften. Wir alle haben eine Reihe von Wahrheiten, die wir als Basis für unser Handeln einsetzen. Indem wir diese Wahrheiten auf die Realität anwenden, finden wir sie entweder bestätigt oder wir stoßen auf Widersprüche. Im letzteren Fall gilt es dann, unsere Wahrheiten zu revidieren und zu besseren - im Sinne von: in der Praxis nützlicheren - Wahrheiten fortzuschreiten. Wenn wir nicht auf der simplen Ebene des gesunden Menschenverstandes stehen bleiben wollen, dann dürfen wir das, was wir in bestimmten Bereichen als wahr ansehen, nur als eine vorläufige Theorie über die Realität auffassen, die durch einen ständigen Prozess der Verifizierung entweder weiter untermauert oder widerlegt wird. Erweist sich eine Wahrheit in der Praxis als untauglich, so erfordert das eine neue, wirksamere Theorie, eine neue (vorläufige) Wahrheit. Auf diese Weise schreiten wir in einem evolutionären Prozess zu immer besseren Wahrheiten voran.

„Jeder Gedanke, der uns sozusagen als Vehikel dient, jeder Gedanke, der uns glücklich von irgendeinem Teile unserer Erfahrung zu irgendeinem andern Teile hinführt, indem er die Dinge zweckentsprechend verknüpft, sicher arbeitet, vereinfacht, Arbeit erspart, ist genau in dem Umfange, genau in dem Grade wahr, als er dies alles tut.“ (S. 36 f.)

Ein wichtiger Aspekt ist dabei die potenzielle Verifizierbarkeit (Bestätigung) unserer Wahrheiten. Wir können natürlich nicht ständig sämtliche angenommenen Wahrheiten überprüfen. Wenn wir eine Uhr an der Wand hängen sehen, dann nehmen wir sie in der Regel nicht erst von der Wand und schauen nach, ob tatsächlich ein Uhrwerk vorhanden ist. Doch wir könnten unsere These, dass das, was da an der Wand hängt, eine Uhr ist, jederzeit überprüfen. Für praktische Zwecke genügt es aber vorerst, von der Annahme, dass es eine Wanduhr ist, auszugehen und diese Wanduhr als Zeitmesser zu akzeptieren. Der überwältigend große Teil unserer Wahrheiten basiert auf dieser Art von indirekter Verifikation. Dort wo allem Augenschein nach eine bestimmte Wahrheit vorliegt, ist es sinnvoll, diese Wahrheit erst einmal zu akzeptieren. Wollten wir alles, was wir für wahr halten, ständig einer peniblen Überprüfung unterziehen, könnten wir in dieser Welt kaum effektiv leben. Die meisten unserer Wahrheiten existieren so dank eines Vertrauenskredits, den wir dem ersten Augenschein einräumen. So wie Banknoten so lange allgemeine Gültigkeit haben, wie niemand sie als Zahlungsmittel ablehnt, nehmen wir auch unsere Gedanken und Überzeugungen für bare Münze, solange unsere Erfahrung nicht in Widerspruch zu ihnen gerät.

„Der Pragmatismus nun hat, so sehr er sich auch an Tatsachen hält, doch nicht die Hinneigung zum Materialismus, an der der gewöhnliche Empirismus krankt.“ (S. 46)

Das Kriterium für die Relevanz einer Wahrheit ist deren Nützlichkeit für die Praxis: Wenn wir gemäß unseren Wahrheiten handeln und dieses Handeln positive Konsequenzen hat, dann ist es für uns sinnvoll, an diesen Wahrheiten festzuhalten. Das entscheidende Kriterium für den Wert einer Wahrheit ist also die Frage, welche Konsequenzen unser Glaube an diese Wahrheit mit sich bringt. Viel zu oft wird in der Philosophie nach Antworten auf Fragen gesucht, die letztendlich ohne Konsequenzen für die Praxis sind. Solche Wahrheiten sind irrelevant. Wirklich relevante Wahrheiten helfen uns dagegen, besser und effektiver zu handeln und unsere Welt in positiver Weise zu verändern. Diese Wahrheiten im Sinne des Pragmatismus sind Instrumente des Fortschritts.

Pragmatismus und Humanismus

In unserem alltäglichen Denken sehen wir Begriffe wie "Recht", "Sprache" oder "Wahrheit" als Dinge an, die auf ewigen Prinzipien beruhen. Aber beispielsweise "das Recht" ist keineswegs etwas, das vor und außerhalb der Sammlung von Rechtssätzen existiert, die von Menschen entwickelt wurden und nach denen zurzeit Recht gesprochen wird. Das Recht ist nicht vom Himmel gefallen, es ist vielmehr gerade die Summe dieser von Menschen entwickelten Rechtsregeln und -prinzipien. Ebenso ist z. B. "die lateinische Sprache" nicht etwas Absolutes, das vor den einzelnen Wörtern und Grammatikregeln existierte, sondern gerade diese Ansammlung von im menschlichen Miteinander entstandenen Sprachelementen. Und auch "die Wahrheit" ist kein mystisches Etwas außerhalb der menschlichen Sphäre, sondern unsere Wahrheiten sind letztlich Produkte unserer Erfahrungen und Konventionen, die wir in Kommunikation und Interaktion mit anderen Menschen entwickelt haben.

„Wahr heißt alles, was sich auf dem Gebiete der intellektuellen Überzeugung aus bestimmt angebbaren Gründen als gut erweist.“ (S. 48)

All diese Begriffe sind also Produkte einer von Menschen geprägten Entwicklung. Und das ist die Kernidee des pragmatischen Humanismus: Auch unsere Wahrheiten sind menschliche Erzeugnisse.

Pragmatismus und Religion

Nach den Prinzipien des Pragmatismus haben Theorien und Hypothesen nur dann eine Relevanz, wenn sie einen Nutzen mit sich bringen. Wie sollen wir unter diesem Aspekt die religiöse Frage sehen?

„Unsere fundamentalen Denkmethoden sind Entdeckungen unserer ältesten Ahnen und haben sich durch alle die folgenden Erfahrungen hindurch zu erhalten vermocht.“ (S. 106 f.)

Die Zartfühlenden (Rationalisten, Idealisten) gehen davon aus, dass es eine ideale, ewige Welt neben unserer sinnlich erfahrbaren Welt gibt. Die Grobkörnigen (Empiristen) bestreiten dies entschieden. Auch in diesem Fall kann der Pragmatismus als Vermittler auftreten.

Im Verlauf der Religionsgeschichte der Menschheit hat es sich durchaus als nützlich erwiesen, an das Absolute, also z. B. an Gott oder das Himmelreich, zu glauben. Dieser Glaube hat den Menschen oft Hoffnung und Zuversicht vermittelt. Es tut der Nützlichkeit keinen Abbruch, wenn wir das Absolute nicht als bereits im Detail vorherbestimmt und vollendet sehen, sondern als Möglichkeit, deren Verwirklichung anzustreben die Aufgabe eines jeden Menschen ist.

„,Das Wahre’ ist, um es kurz zu sagen, nichts anderes als das, was uns auf dem Wege des Denkens vorwärts bringt, so wie ‚das Richtige’ das ist, was uns in unserem Benehmen vorwärts bringt.“ (S. 140)

Religiös zu sein bedeutet deshalb nicht unbedingt, an eine absolute, heile Welt und eine Art unvermeidliches Happy End der menschlichen Geschichte zu glauben. Es genügt, die Erlösung als Möglichkeit anzuerkennen und es als unsere Lebensaufgabe anzusehen, zu dieser Erlösung der Welt unseren bestmöglichen Beitrag zu leisten. Auf diese Weise können wir religiös sein, ohne den absoluten Zukunftsoptimismus der Idealisten oder den letztendlichen Zukunftspessimismus der Empiristen teilen zu müssen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Pragmatismus ist die unveränderte Niederschrift einer Reihe von acht sehr populären und viel besuchten Vorlesungen, die William James Ende 1906 am Lowell-Institut in Boston und Anfang 1907 an der Columbia Universität in New York hielt. Die Vorlesungen schreiten, inhaltlich aufeinander aufbauend, systematisch voran: Auf die Ausgangsfrage, weshalb der Pragmatismus als neue philosophische Methode notwendig sei, folgen pragmatische Lösungsansätze zu ausgewählten philosophischen Fragen: zum Problem von Einheit und Vielheit, zum gesunden Menschenverstand, zu Wahrheit, Humanismus und Religion. Im Zentrum steht die Behandlung des Wahrheitsbegriffs des Pragmatismus. Die Vorlesungen richteten sich nicht speziell an Philosophen, sondern an ein allgemeines Publikum, dem eine neue, praxisorientierte philosophische Denkweise präsentiert werden sollte. Entsprechend sind die einzelnen Vorlesungen allgemein verständlich verfasst. Der Stil ist flüssig und weitgehend frei von Fachjargon, abgesehen von einigen geläufigen philosophischen Begrifflichkeiten. Teilweise mit feiner Ironie werden die - aus James’ Sicht - Fehlschlüsse in der Philosophie offen gelegt und pragmatische Antworten auf die brennendsten philosophischen Fragen der Zeit vorgestellt. Gemäß dem Prinzip der Nützlichkeit findet James dabei ein Sprachniveau, das nicht unnötig kompliziert, aber doch fachlich angemessen dem Thema gerecht wird. Typisch für diesen ersten amerikanischen Philosophen sind Ausdrücke wie "Barwert", "Nutzen", "Profit", "Erfolg".

Interpretationsansätze

  • Der Pragmatismus ist in erster Linie eine Methode zur Wahrheitsfindung, er vertritt einen neuen, pluralistischen Wahrheitsbegriff: Wahr ist, was sich in der alltäglichen Erfahrung als nützlich erweist. Diese Auffassung unterscheidet sich scharf vom traditionellen Wahrheitsbegriff der Philosophie als "adaequatio intellectus et rei" (Übereinstimmung von erkennendem Geist und erkannter Sache). Mit anderen Worten: Die objektive Wahrheit interessiert den Pragmatismus nicht. Es gibt keine absolute Wahrheit, sondern verschiedene Wahrheiten, die immer nur für bestimmte Menschen in bestimmten Situationen nützlich sind.
  • Der Pragmatismus fokussiert die ewigen Grundfragen der Menschheit auf den Aspekt der Praxisrelevanz: Zuerst gilt es die Fragen zu klären, die Konsequenzen für unser Leben haben. In seiner Methodik ist der Pragmatismus eine Anwendung wissenschaftlicher Methoden auf den menschlichen Alltag.
  • In der europäischen Philosophie hat Friedrich Nietzsche teilweise ähnliche Thesen vertreten wie der amerikanische Pragmatismus. Das lässt sich z. B. am Titel seiner Schrift Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben ablesen sowie an seiner Infragestellung des Begriffs der Wahrheit.
  • Der Pragmatismus enthält eine Spur Darwinismus: Unser Denken hat sich im Verlauf der Evolution an die Welt angepasst. Es widerspiegelt nicht eine objektive Wahrheit, sondern es ist hauptsächlich für das (Über-)Leben nützlich. In neuerer Zeit tritt der Pragmatismus im Kleid der Glücksforschung auf: Wahr ist, was uns hilft, glücklicher zu werden, selbst wenn es irrational ist.
  • Denkt man den Pragmatismus zu Ende, zeigen sich die Defizite dieser Methode: Durch seine Reduzierung des Wahrheitsbegriffs auf das Kriterium des Nutzens kennt der Pragmatismus keine Moral. Ein konsequenter Pragmatismus würde zu einem Relativismus aller Werte führen und zur Rechtfertigung jeder Handlung, solange sie nur irgendwie nutzbringend erscheint.

Historischer Hintergrund

Die Überwindung eines philosophischen Patts

Ende des 19. Jahrhunderts hatten sich einige traditionelle philosophische Systeme sehr deutlich herausdifferenziert. Der Streit zwischen den Idealisten/Rationalisten und den Materialisten/Empiristen war entsprechend festgefahren. Während Erstere an die vernünftige Schlussfolgerung als Mittel der Erkenntnis glaubten, vertrauten Letztere einzig der beobachtenden Erfahrung. Beide Parteien waren überzeugt, unschlagbare Argumente auf ihrer Seite zu haben, und waren kaum noch bereit, sich auf die Sichtweise der Opposition einzulassen. Zwar schienen die beeindruckenden Errungenschaften der Wissenschaften und die darauf aufbauende Industrielle Revolution den Materialisten Recht zu geben. Gleichzeitig klammerte die Wissenschaft aber alles nicht mit der wissenschaftlichen Methode Erfassbare als Untersuchungsgegenstand bewusst aus. Damit blieben wichtige menschliche Sinnfragen weiterhin ungelöst. Der Pragmatismus machte es sich zur Aufgabe, den Gordischen Knoten aus endlosen philosophischen Streitereien mit einem neuen, praxisbezogenen Wahrheitsbegriff und einer Betonung des menschlichen Handelns zu zertrennen. Dabei klammerte er idealistische Fragen nicht aus, unterwarf sie aber einer ähnlich radikalen empirischen Überprüfung, wie es die Wissenschaft mit den materialistischen Aspekten unserer physischen Welt tat. In diesem Sinne wollte sich der Pragmatismus als Vermittler zwischen den Materialisten und den Idealisten anbieten. Seine Hauptvertreter waren neben William James John Dewey und Charles S. Peirce.

Entstehung

Die Denkrichtung des Pragmatismus erwuchs aus den Diskussionen einer Gruppe von jungen amerikanischen Intellektuellen, die sich in Boston und Cambridge regelmäßig im Rahmen des "Metaphysical Club" trafen, um philosophische Fragen zu diskutieren. 1878 veröffentlichte Charles S. Peirce seine Schrift How to Make Our Ideas Clear, die als eine Art Geburtsurkunde des Pragmatismus gilt. Für die nächsten 20 Jahre blieben die Thesen des Pragmatismus aber weitgehend unbeachtet. Erst als William James 1898 einen Vortrag über den Pragmatismus an der Universität von Kalifornien in Berkeley hielt, wurden die Konzepte der neuen Schule plötzlich einem breiteren Publikum bekannt. Der daraufhin losbrechende Streit unter den Philosophen führte dazu, dass der neuen Richtung weltweit Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Das war die eigentliche Geburtsstunde des Pragmatismus als international anerkannte philosophische Bewegung. 1907 veröffentlichte William James dann mit Der Pragmatismus den Text seiner Vorlesungen, die er Ende 1906 am Lowell-Institut in Boston und im Januar 1907 an der Columbia Universität in New York gehalten hatte und in denen er einen grundlegenden Überblick über seine eigene philosophische Version der Konzepte des Pragmatismus gab. James betonte schon mit dem Untertitel "Ein neuer Name für alte Denkmethoden", dass er keinesfalls der Auffassung war, das Rad der Philosophie gänzlich neu erfunden zu haben. Andere Anliegen waren ihm wichtiger: Gerade das Bemühen, eine Verbindung zwischen dem philosophischen Denken und der alltäglichen Lebenserfahrung herzustellen, verhalf dem Werk zu einem großen Bekanntheitsgrad.

Wirkungsgeschichte

Mit Der Pragmatismus fügte William James der weltweit zunehmenden Wirkung des Pragmatismus, der sich - vor allem in Amerika - als eine der einflussreichsten philosophischen Denkansätze des 20. Jahrhunderts erweisen sollte, einen weiteren Meilenstein hinzu. Vor allem die unverblümte, glasklare Darstellung des neuen pluralistischen Wahrheitsbegriffs stieß auf viel Aufmerksamkeit und führte zwei Jahre später zu weiteren Vorlesungsreihen und zwei Nachfolgewerken, in denen James die Aspekte Wahrheit und Pluralismus noch umfassender darlegte. In England, Italien und Frankreich konnte der Pragmatismus einige Anhänger gewinnen. In England war das vor allem der Oxforder Philosoph F. C. S. Schiller mit seinem pragmatischen Humanismus. In Frankreich ergriffen Denker wie Maurice Blondel und Édouard Le Roy Ideen des Pragmatismus auf, und Émile Durkheim verwendete pragmatische Konzepte für seine Arbeiten im Bereich der Soziologie. Georges Sorel unternahm den Versuch, den Pragmatismus von James in eine Lehre der Sozialkritik weiterzuentwickeln. In Italien waren es vor allem Giovanni Papini und Giuseppe Prezzolini, die Konzepte von William James aufgriffen. Selbst in China fand sich mit Hu Shih ein Verfechter der neuen amerikanischen Philosophie. In den USA selbst übte der Pragmatismus einen weit reichenden Einfluss auf Politik, Rechtsprechung, Pädagogik, Kunst, Religion und Soziologie aus. So hat er u. a. die Philosophen Willard Van Orman Quine, Richard Rorty, George Herbert Mead und Nelson Goodman geprägt. Die Vorstellungen pluralistischer, evolutionärer Wahrheiten passten gut zum amerikanischen Demokratieverständnis und zur politischen Praxis. In Deutschland, das noch weitgehend von der rationalistischen Philosophie der Neukantianer geprägt war, stießen die Ideen des Pragmatismus auf Missachtung oder kategorische Ablehnung. Erst in jüngster Zeit wird diese teilweise auf Missverständnissen basierende Haltung zunehmend revidiert, und die Konzepte des Pragmatismus finden auch Eingang in die deutsche philosophische und geisteswissenschaftliche Diskussion.

Über den Autor

William James wird am 11. Januar 1842 in New York geboren. Sein Vater ist durch eine Erbschaft vermögend und widmet seine Zeit vor allem dem Studium theologischer Schriften. Die Erziehung seiner Kinder hat für ihn hohe Priorität, in der Familie herrscht ein herausforderndes intellektuelles Klima. Henry James, Williams jüngerer Bruder, wird später zu einem der wichtigsten amerikanischen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts. William selbst wird von Privatlehrern und auf ausgedehnten Reisen der Familie auch an Schulen in New York, Paris, London, Genf, Boulogne und Bonn unterrichtet. Zuerst bekundet er Interesse an der Malerei und nimmt Unterricht bei dem Künstler William Hunt. 1861 gibt James dies aber auf und studiert in Harvard Chemie, Anatomie, Biologie und später auch Medizin. Bei einer wissenschaftlichen Amazonasexpedition erkrankt James an einer milden Form der Pocken. Er entwickelt ein Augenleiden, Rückenschmerzen und erkrankt an schwerer Depression. 1867/68 reist er aus gesundheitlichen und Studiengründen wieder nach Europa. An der Berliner Universität studiert er Physiologie und liest zudem Bücher aus den Bereichen Philosophie und Psychologie. 1869 wird er zum Doktor der Medizin promoviert, praktiziert aber nie als Arzt. Im Herbst des gleichen Jahres befällt ihn erneut eine schwere Depression, welche bis 1871 anhält. 1872 beginnt er an der Universität von Harvard Physiologie, ab 1874 auch Psychologie und später Philosophie zu unterrichten. Er richtet das erste amerikanische Psychologielabor ein. 1898 hält er einen Vortrag über Pragmatismus an der Universität von Kalifornien, durch den diese neue amerikanische Philosophierichtung zum ersten Mal in die weltweite öffentliche Diskussion gerät. Im gleichen Jahr bekommt James Herzprobleme. 1907 gibt er seine Harvardprofessur auf und veröffentlicht Der Pragmatismus, die Niederschrift seiner Vorlesungen in Boston und Cambridge. Am 26. August 1910 stirbt er in seinem Landhaus in Chocorua in New Hampshire an Herzversagen.

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