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Gargantua und Pantagruel

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Gargantua und Pantagruel

Insel Verlag,

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12 take-aways
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What's inside?

François Rabelais schickt die trinkfesten Riesen Gargantua und Pantagruel in derb-komische Abenteuer – ein Riesen-Spaß.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Renaissance

Worum es geht

Deftiger Riesenroman

François Rabelais hat sich seinen Ruf als „Zotenreißer, gottloser Spötter und grotesker Dreck-Apotheker“ (Hermann Hesse) redlich verdient. Sein Opus magnum Gargantua und Pantagruel aus dem 16. Jahrhundert schäumt geradezu über vor Lebenslust und derben Späßen in Fäkalsprache, Sauf- und Zechgelagen, plastisch ausgemalter Körperlichkeit und grotesken Situationen. Erzählt wird die Geschichte der beiden Riesen Gargantua und Pantagruel, eines Vater-Sohn-Gespanns, das ... – aber die äußere Handlung tut wenig zur Sache. Die Riesen sind lediglich Aufhänger für eine ins Gigantische gesteigerte Beschreibung von Obszönitäten, skurrilen Episoden und seltsamen Ereignissen. Abschweifung ist Programm: Die Reise zum Orakel der göttlichen Flasche, deren Schilderung immerhin drei der fünf Bücher ausmacht, gerät zu einer Aneinanderreihung der Lebensgewohnheiten bizarrer Inselbewohner. Hier paart Rabelais überbordende Sprachkunst mit beißendem Spott auf seine Zeitgenossen, die Justiz und die Kirche. Noch heute streiten die Forscher darüber, ob sich hinter dem lustvollen Riesenroman ein tieferer Sinn versteckt. Der Universalgelehrte Rabelais selbst hätte sicher einen Heidenspaß an der schon Jahrhunderte währenden Verwirrung, die er unter seinen Erben angerichtet hat.

Take-aways

  • Der „Riesenroman“ Gargantua und Pantagruel ist das Meisterwerk des französischen Renaissancegelehrten François Rabelais.
  • Der Roman erschien in fünf Teilen, wobei Rabelais’ Anteil am fünften, der erst nach seinem Tod veröffentlicht wurde, nicht gesichert ist.
  • Die Riesen Gargantua und sein Sohn Pantagruel zeichnen sich durch großen Appetit und noch größeren Durst aus. Nach ihrer Ausbildung werden sie in einen Krieg verwickelt, der ihnen als Bewährungsprobe dient.
  • Pantagruels schlitzohriger Freund Panurg steht vor dem Dilemma der Heiratsfrage. Dies ist der Anlass für eine lange Seereise zum „Orakel der göttlichen Flasche“.
  • Auf der Reise lernen die Freunde viele seltsame Inseln mit noch seltsameren Bewohnern kennen.
  • Die Handlung des Romans bildet die Bühne für ausufernde Anekdoten und Episoden in sehr deftiger Sprache.
  • Rabelais ist mit seiner überbordenden Fabulierkunst ein typischer Renaissancekünstler.
  • An einigen Stellen des Romans bekennt er sich zu humanistischen Idealen.
  • Weite Teile des Werks sind satirisch und bedenken zeitgenössische Praktiken der Kirche, des Staates und der Jurisprudenz mit beißendem Spott.
  • Die Forscher sind sich uneins darüber, ob sich hinter der reinen Fabulierfreude des Romans noch eine versteckte Sinnschicht erschließen lässt.
  • Wegen der anstößigen Fäkalsprache wurde Gargantua und Pantagruel von den konservativen Kräften Frankreichs verurteilt.
  • Die literarische Wirkung des Romans war – spätestens seit der Romantik – gewaltig: Balzac und Hugo, Melville und Swift, Goethe, Jean Paul und Arno Schmidt ließen sich von Rabelais inspirieren.

Zusammenfassung

Gargantuas Geburt und Kindheit

Der Riese Gargantua wird nicht wie gewöhnliche Kinder geboren, sondern erblickt das Licht der Welt auf dem Weg durch das linke Ohr seiner Mutter. Da gerade ein Trinkgelage in vollem Gange ist, sind seine allerersten Worte: „Trinken, trinken, trinken.“ Sein Vater Grandgousier ist begeistert und sagt daraufhin „Gar g’wandt ist ja dein Stimm’“, woraus der Name „Gargantua“ entsteht. Da der Junge sehr großen Durst hat, lässt man 17 913 Kühe bringen, an deren Milch er sich labt. Nach fünf Jahren kehrt Grandgousier aus dem Krieg zurück und fragt, ob der Kleine auch immer reinlich gewesen sei. Der Sohn gibt zur Antwort, er selbst habe dafür gesorgt. Er habe diverse Arten ausprobiert, sich den Hintern abzuwischen, sei aber darauf gekommen, dass das gar nicht immer nötig sei. Wenn doch, sei ein junges Gänschen besonders geeignet, denn es nehme den Dreck am besten weg und sei dabei noch flaumig und weich. Da sich Gargantua somit als sehr schlau erwiesen hat, wird er zum Unterricht nach Paris geschickt. Als er dort auf seinem riesigen Pferd aus Afrika ankommt, wird er von den Einwohnern verwundert angestarrt. Daraufhin muss er pinkeln, und in den Fluten ertrinken 260 418 Stadtbewohner – Frauen und Kinder nicht mitgerechnet. Dann pflückt er sich die Glocken von Notre-Dame als Schellen für sein Pferd.

Der Krieg in Utopien

Als im Reich ein Krieg ausbricht, ruft der Vater Gargantua zu Hilfe. Auf dem Feld reißt dieser einen Baum aus und benutzt ihn als Lanze, er zerstört ein Schloss und muss sich schließlich die Kanonenkugeln der Feinde aus den Haaren kämmen. Kurz zuvor erleichtert sich seine Stute, sodass der Fluss über die Ufer tritt und ganze Heere ertrinken. Vor dem Abendessen genehmigt sich Gargantua eine Schüssel Lattich, in die zufällig sechs Pilger mit hineingeraten. In Gargantuas Maul angekommen, trifft einer von ihnen, der verzweifelt um sich schlägt, mit seinem Pilgerstab den Nerv eines hohlen Zahnes. Dies verursacht Gargantua so grausame Schmerzen, dass er die Herren aus seinen Zähnen herausstochern muss. Bei Tisch lobt Vater Grandgousier einen Mönch namens Hans Hackepeter, der den Klostergarten besonders tapfer verteidigt hat. Nachdem die Schlacht gewonnen ist, bekommt der Mönch zur Belohnung eine eigene Abtei im Land von Thelema. Diese darf keine Mauern haben, über keine Uhr verfügen und Männer und Frauen sollen jederzeit das Kloster verlassen dürfen. Die einzige Regel lautet: „Tu, was dir gefällt!“ – was aber bei den Edelleuten, die in diesem Kloster leben, zu einem vortrefflichen Verhalten führt.

Die Geburt Pantagruels

Als Gargantua 524 Jahre alt ist, zeugt er seinen Sohn Pantagruel, der während einer furchtbaren Dürreperiode geboren wird. Sein Name setzt sich aus folgenden griechischen Begriffen zusammen: „panta“ für „ganz und gar“ und „gruel“ für „durstig“. Während Pantagruel an einer Kuh saugt, isst er gleich den halben Bauch, die Leber und die Nieren des Tieres mit auf. Er geht zum Studium nach Poitiers, wo er einen großen Felsbrocken mitten auf ein Feld stellt, damit die Studenten dort hinaufsteigen können. Auf dem Weg nach Paris kommt er durch Saint-Aignan. Dort liegt eine große Glocke auf der Erde, die niemand anzuheben vermag. Auf Bitten der Einwohner hängt er sie in den Glockenturm, nicht ohne vorher damit laut bimmelnd durch die Straßen zu ziehen. Dummerweise verdirbt den Leuten wegen dieses Lärms der Wein.

Pantagruel und Panurg

Pantagruel studiert fleißig und erweist sich als überaus begabt. Überall in der Stadt lässt er Thesen aus verschiedenen Fachbereichen anbringen, insgesamt 9764. Diese verteidigt er gegen Lehrer, Theologen und Advokaten und ist bald stadtbekannt. Schließlich will man ihn gar zum Präsidenten des Gerichtshofs machen. Doch Pantagruel lehnt ab und bittet stattdessen um guten Wein. Mit diesem betrinkt sich sein Freund Panurg, ein rechter Schelm, der einst in der Türkei gefangen gehalten wurde. Er weiß Abenteuerliches zu berichten: Die Türken versuchten, ihn an einem Spieß zu braten – beiderseits mit Speck umwickelt, weil er so mager war. Panurg konnte sich aber befreien und ließ das ganze Gebäude in Flammen aufgehen. Der Herr des Hauses sah das offensichtlich als göttliches Zeichen und wollte sich daraufhin das Leben nehmen. Panurg ging ihm hilfreich zur Hand, fesselte ihn an Händen und Füßen, rammte ihm den Bratspieß durch den Leib und platzierte ihn über dem Feuer. Als er floh, liefen ihm Straßenköter nach, weil er nach knusprigem Speck roch. Ein anderes Mal umwarb Panurg in Paris eine Dame. Sie aber wies ihn ab. Panurg war gekränkt, weil sie ihn nicht „ein bisschen drüberlassen“ wollte. Am Fronleichnamsfest reichte er ihr zusammen mit dem Weihwasser einen Zettel mit einem Liebesgedicht. Als sie das Blatt las, streute er ihr ein Pulver in die Falten und Ärmel ihres Kleides, was alle Hunde der Umgebung dazu veranlasste, sich auf sie zu stürzen und sie anzupinkeln.

Panurgs Heiratsabsichten

Eines Tages lässt sich Panurg das Ohrläppchen durchstechen und befestigt darin einen Ring, in dessen Kapsel er einen Floh sperrt. In einem seltsamen Aufzug tritt Panurg vor Pantagruel hin und verkündet ihm, er habe sich einen Floh ins Ohr gesetzt und wolle nun heiraten. Aber plötzlich kommen ihm Bedenken und so fragt er Pantagruel um Rat, ob er diesen Schritt wirklich wagen soll oder nicht. Eine Eingebung muss her: Sie befragen eine alte Hexe, die eine leider mehrdeutige Botschaft auf acht Blätter eines Maulbeerbaums schreibt. Auch die Befragung eines Taubstummen und eines Mannes, der an einer Geschlechtskrankheit dahinsiecht, bringt keine Entscheidung. Schließlich suchen sie einen weiteren weisen Mann auf, der Panurg eine leere Flasche in die Hand drückt. Nach langem Hin und Her kommen die Freunde zu der Erkenntnis, dass sie das Orakel der göttlichen Flasche befragen sollen. Kurz darauf brechen sie zusammen mit einigen Begleitern zu einer Seereise auf, die sie zur Insel des Orakels führen soll. Pantagruel verständigt sich mit seinem Vater über Brieftauben. Eines Tages treffen sie französische Kaufleute, die eine Ladung Hammel mit sich führen. Panurg verhandelt erst lange und zäh mit einem Kaufmann und wirft dann den soeben erworbenen Hammel zum Spaß ins Meer. Sofort folgen diesem sämtliche Hammel mit verstörtem Blöken. Auch die Kaufleute springen hinterher und ersaufen jämmerlich.

In Prokurazien

Nachdem sie mehreren Inseln einen Besuch abgestattet haben, gelangen die Reisenden nach Prokurazien. Dort verdienen die Gerichtsbüttel, die Schikanusen heißen, ihren Lebensunterhalt damit, sich durchprügeln zu lassen. Ursprünglich hätten die Schikanusen Leute vor Gericht gezerrt und ihnen viel Geld abverlangt, doch dann habe ein Herr von Basché Abhilfe geschaffen. Immer wieder von Schikanusen belästigt, ersann er folgende List: Er stattete seinen Bäcker und dessen Frau mit den schönsten Hochzeitskleidern aus und versah alle übrigen Bediensteten mit „zierlichen“ Panzerhandschuhen. Als nun der Schikanuse kam, wurde er sofort von der Hochzeit in Kenntnis gesetzt, eingeladen und ordentlich mit Wein abgefüllt. Dann wurde er aufgefordert, der Trauung beizuwohnen, bei der jeder Trauzeuge mit einigen Knüffen traktiert werde. Der Schikanuse jedoch wurde nicht nur zärtlich geknufft: Kaum war die Zeremonie vorbei, pufften und schlugen alle Bediensteten den Schikanusen mit ihren Panzerhandschuhen, sodass acht Rippen eingedrückt und die Kinnlade in drei Stücke gehauen wurde. Dank des Weines war ihnen der Schikanuse aber nicht böse. Ein anderes Mal kam ein Schikanuse mit zwei Gehilfen zu Herrn von Basché: Auch sie wurden übel zugerichtet. Doch die Diener machten ihnen weis, sie selbst hätten mit der Schlägerei angefangen.

Der Seesturm

Im Verlauf der weiteren Reise geraten die Gefährten in einen heftigen Sturm auf hoher See. Windhosen erheben sich, die Wellen türmen sich haushoch auf und über den schwarzen Himmel zucken wilde Blitze. Panurg ist vor Angst wie gelähmt, sitzt laut klagend herum und schließt bereits mit seinem Leben ab. Als alle schon den Mut verloren haben, legt sich der Sturm und die Schiffe laufen in einen Hafen der Insel der Makräonen ein. Dort erfahren die Reisenden, dass in den Wäldern im Inneren der Insel Heroen und Halbgötter leben. Der Tod eines Heroen habe die gewaltige Sturmflut ausgelöst. Nach der Reparatur der Schiffe stechen Pantagruel und seine Begleiter wieder in See.

Die aggressiven Würste

Sie passieren das Reich des ungeschlachten Riesen Fastennarr und gehen auf der Insel der Fleischwürste an Land, die sofort Truppen zusammenziehen. Bruder Hans Hackepeter aber ruft die Köche zusammen, um gegen die angriffslustigen Fleischwürste zu kämpfen. Er steigt mit ihnen in die „Sau“, eine große Belagerungsmaschine. Bald stehen sie den Würsten gegenüber und es beginnt ein furchtbares Gemetzel. Den Blutwürsten werden die Bäuche aufgeschlitzt, Pantagruel selbst bricht alle Würste über das Knie. Plötzlich fliegt ein gewaltiger Eber mit langen Flügeln über das Schlachtfeld hinweg und wirft 27 Tonnen Senf ab, mit dem die Würste ihre Wunden heilen. Niphleseth, die Königin der Würste, entschuldigt sich für den Angriff. Sie habe aufgrund falscher Informationen ihren Erzfeind Fastennarr erwartet. Kurz darauf kehren alle zum Schiff zurück. Nach einem Besuch beim Volk der Papomanen, die den Papst abgöttisch verehren, kommen die Reisenden an der Insel der Diebe, Schwindler und Mörder vorbei. Panurg versteckt sich vor Angst im Schiffsraum. Da lässt Bruder Hans die Kanonen abfeuern, um Panurg so richtig zu foppen. Der Schiffskater erschrickt heftig und krallt sich an Panurgs Hosenbein fest. Dieser glaubt, der Leibhaftige höchstpersönlich hänge an seinem Beinkleid, und macht sich im wahrsten Wortsinn in die Hose.

Auf der Bimmelinsel

Drei Tage später erreichen die Gefährten die Bimmelinsel, deren Glocken man schon aus der Ferne läuten hört. Die Reisenden müssen zunächst vier Tage fasten, um auf die Insel gelassen zu werden. Ein Eremit und ein Tempelhüter erklären ihnen, dass die früheren Bewohner in Vögel verwandelt wurden. Tatsächlich erblicken sie viele prächtige Vögel, darunter einen einzigen Papagei. Dieser nimmt die Stellung des Papstes ein und gebietet über die so genannten Klerigeien, Mönchsgeien, Bischofsgeien und Kardinalsgeien. Jeweils um Mitternacht und bei Tagesanbruch werden Pantagruel und seine Begleiter geweckt, um zu trinken und üppig zu schmausen. Nach vier Tagen geht die Reise weiter.

Krallfratz, der Muffelkater

Auf der Insel Zwinggart werden alle außer Pantagruel, der an Bord geblieben ist, von Krallfratz, dem Herrscher der Muffelkater, gefangen genommen. Die Muffelkater sind eine böse Spezies und tragen das Fell nicht außen, sondern innen. Sie besudeln, ruinieren und verwüsten alles, was ihnen unter die Krallen kommt. Überall auf ihrer Insel lagert Diebesgut. Krallfratz lässt die Gefährten vor den Gerichtshof bringen und gibt ihnen ein Rätsel auf. Anstatt lange zu überlegen, wirft Bruder Hans einen dicken Beutel voller Sonnentaler in die Menge. Alle Kater spreizen gierig ihre Krallen: Der Prozess ist schlagartig beendet und die korrupten Muffelkater lassen die Angeklagten augenblicklich frei. Kurz vor der Abreise erscheint eine alte Frau und fordert Geld für ein Bett, auf dem sich die Matrosen nach einer Zecherei im Wirtshaus ausgeruht haben. Bruder Hans geht mit ihr, besieht sich die Schlafstatt, zahlt die überteuerten fünf Sous – und haut dann das Bett in Stücke. Wenig später werden die Segel gehisst.

Das Orakel der göttlichen Flasche

Nach Enetelechien, der Straßeninsel, der Insel der Sandalier, dem Teppichland und Laternien, wo sie eine prächtige Laterne an Bord nehmen, gelangen die Reisenden zur Insel des Orakels. Sie überqueren einen Weinberg und steigen schließlich ins Innere der Insel hinab. Dort passieren sie ein Tor, das sich durch Magnete öffnet, und betreten einen Tempel mit einem prachtvollen Mosaikboden. Hier empfängt sie die Priesterin Bakbuk und geleitet sie zu einem Brunnen, dessen Wasser wie Wein schmeckt. Bakbuk erklärt Panurg, er dürfe die Prophezeiung der Göttin nur mit einem Ohr hören. Sie führt ihn in eine Kapelle. Bakbuk wirft etwas in den Brunnen, und sofort beginnt das Wasser zu kochen. Aus der großen göttlichen Flasche dringt ein Laut, als wenn Bienen aus einem erschlagenen Stier herausfliegen würden, und Panurg vernimmt das Wort: „Trink“. Bakbuk sagt ihm, der Orakelspruch müsse noch ausgelegt werden, und reicht ihm ein silbernes Buch. Es entpuppt sich als Weinflasche und er trinkt es ganz aus. Daraufhin beginnt er zu reimen, bis ihm der Schaum vor dem Munde steht. Für die Rückreise gibt Bakbuk den Gefährten drei Schläuche Wein und einen versiegelten Brief an König Gargantua mit. Sie wünscht, dass die Reisenden in der Heimat von diesem Ort berichten mögen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Gargantua und Pantagruel besteht aus insgesamt fünf Teilen oder Bänden, die lose miteinander verkettet sind. Da Gargantua Pantagruels Vater ist, wurde der ursprünglich zweite Band mit Gargantuas Abenteuern in modernen Ausgaben an die erste Stelle gerückt. Das zweite Buch thematisiert dann die Geburt, die Erziehung und die Heldentaten Pantagruels, die teilweise parallel zu denen seines Vaters stattfinden. Ab dem dritten Band liegt das Hauptaugenmerk des Erzählers nicht mehr auf Pantagruel, sondern auf dem pfiffigen Panurg und dessen Heiratsplänen. In den Teilen drei bis fünf wird die Pilgerfahrt der Helden zur göttlichen Flasche erzählt, wobei der rote Faden vollends auf der Strecke bleibt. Der Universalgelehrte Rabelais vermischte in seinem Werk Satire, Volksbuch, höfischen Roman, Renaissance- und Reiseliteratur. Der Grundaufbau der ersten beiden Kapitel parodiert die biblischen Genealogien (Stammbäume), indem endlose Ahnenlisten des Helden wiedergegeben werden. Der Bericht über die Kindheit, Jugend und Erziehung Pantagruels ähnelt im Aufbau typischen Abenteuerromanen des Mittelalters. Die weitere Handlung gestaltet sich zunehmend episodenhaft mit grotesken Elementen. Rabelais’ Sprache bildet das eigentliche Zentrum des Romans: Mit ungeheurer Fabulierfreude wechselt der Autor zwischen Dialekten, Amts- und Juristensprache und medizinischem Fachjargon, streut zotige Gedichte ein und überzeugt mit lexikografischem Wissen.

Interpretationsansätze

  • Das „Vorwort des Verfassers“ weist Rabelais als eine Art Therapeut aus, der die wahnwitzigen Episoden seines Werkes absichtlich so übersteigert, dass sie bei seinen Lesern ein Lachen auf die Lippen zaubern: Das Lachen ist der Schlüssel zur Wirkung des Riesenromans: Lachen als Therapie, Lachen als typische Eigenschaft, die den Menschen vom Tier unterscheidet.
  • Verbirgt sich unter der launigen Oberfläche des Romans noch ein tieferer Sinn? Darüber gehen die Meinungen auseinander. Rabelais selbst gibt in seinem Vorwort einen Hinweis darauf, dass der Roman eine Doppelstruktur besitze: äußere Hülle und inneren Kern. Die Allegorese, also die Freilegung des tieferen Sinns bildhaft verschlüsselter Textstellen, kommt zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen: Die einen erkennen in dem Roman nur einen großen Spaß, die anderen haben für jede Episode seitenweise tiefgründige Erklärungen parat.
  • Unstrittig ist, dass der deftige Roman auch ernsthafte, pädagogische Passagen hat. Bekannt geworden ist in dieser Hinsicht vor allem Gargantuas Brief an seinen Sohn im zweiten Buch: Hier empfiehlt er ihm die umfassende Bildung im Geist des Humanismus.
  • Ebenso ist die Abtei von Thelema als Ideal Rabelais’ zu werten. Das „Antikloster“ verfügt nur über die auf den ersten Blick anarchistisch wirkende Ordensregel „Tu, was dir gefällt“. Diese einfache Maxime baut aber auf das vorbildliche, sittliche und standesgemäße Betragen der Bewohner, was in der Utopie auch gelingt: An die Stelle der Regeln, die den Geist disziplinieren, tritt die Willensfreiheit, die aber – die entsprechende Bildung vorausgesetzt – zu Harmonie und Tugend führt.
  • Der launige Erzähler verbindet die fünf Teile des Romans nur grob miteinander: Er genießt es offenbar, das berühmte Streben nach der Einheit des Erzählten mutwillig zu vernachlässigen. Mit dieser Technik huldigt Rabelais der Freiheit der Kunst und der Fantasie.

Historischer Hintergrund

Die Renaissance

Im zweiten Buch von Gargantua und Pantagruel lässt Rabelais den Riesenvater einen Brief an den Riesensohn schreiben: Er solle Körper und Geist in Harmonie halten, sich nicht eingleisig fortbilden, sondern vielmehr in möglichst vielen Fakultäten heimisch werden und sich für die Künste, Sprachen und Wissenschaften begeistern. Rabelais legt so Zeugnis ab für die Ideale des Humanismus und der Renaissance. Der Begriff Renaissance bedeutet „Wiedergeburt“: Gemeint ist hiermit die Wiederentdeckung des antiken Wissens nach dem christlich geprägten Mittelalter. Die Renaissance war auch die Blütezeit der Malerei (Michelangelo, Leonardo da Vinci, Rafael), sie brachte den Aufstieg der Städte und ein neues, nicht länger nur von der kirchlichen Lehre geprägtes Geschichtsbild. Bemerkenswert ist vor allem die Entwicklung der Wissenschaft, insbesondere der Medizin. Rabelais selbst war Arzt, sogar ein anerkannter Experte für die weit verbreitete Geschlechtskrankheit Syphilis. In der Renaissance wurden die medizinischen Schriften der antiken Ärzte Galen und Hippokrates erstmals in die Sprache des Volkes übersetzt, und es wurden die ersten Leichensektionen durchgeführt. Prägend für die Renaissance war der Wandel des Menschenbildes in Richtung des Humanismus: Dem Individuum wurde mehr und mehr ein eigener Wert zuerkannt, was sich insbesondere in der Renaissanceliteratur niederschlug. Diese war zunächst vornehmlich italienisch (Giovanni Boccaccio, Dante Alighieri), breitete sich aber auch auf andere europäische Literaturen, inklusive der französischen, aus. Rabelais zeigt mit seiner schier überbordenden Fabulierkunst Merkmale eines typischen Renaissancekünstlers.

Entstehung

Gargantua und Pantagruel kann sich auf eine bis ins Mittelalter zurückreichende literarische Tradition berufen (Spielmannslieder, Tierepik, Chansons de Geste, die französische Form der Heldendichtung), doch ist für die Entstehung von Rabelais’ Roman ein ganz bestimmter Vorgänger von Bedeutung. Dabei handelt es sich um ein 1532 publiziertes Volksbuch mit dem Titel Les grandes et inestimables cronicques du grand et énorme géant Gargantua. Vom Erfolg dieses Buches erfuhr Rabelais bei seinem Verleger in Lyon, wo er sich aufhielt, um die antiken medizinischen Schriften von Hippokrates und Galen zu bearbeiten. Er nahm die Volkssage über den Riesen Gargantua als Vorbild für seinen Pantagruel, den er im gleichen Jahr veröffentlichte. Im Titel wies er darauf hin, dass es sich bei Pantagruel um den Sohn des bekannten Gargantua handele, womit er dem Werk einen Fortsetzungscharakter verlieh. Bei diesem ersten Band zeichnete Rabelais nicht mit seinem Namen: Er schrieb unter dem Pseudonym Alcofribas Nasier, wobei es sich um ein Anagramm (Buchstabenumstellung) seines richtigen Namens handelt. Vom Volksbuch übernahm Rabelais bis auf den Namen des Vaterriesen und einigen Details kaum etwas, sodass es ihm ein Leichtes war, 1535 seine eigene Version der Gargantua-Vorgeschichte nachzuliefern. Dieses zweite Buch wanderte dann in den späteren Ausgaben an die erste Stelle – dorthin, wo ursprünglich das Volksbuch gestanden hatte. Der dritte und der vierte Band erschienen mit großem zeitlichen Abstand: 1546 und 1552. Beim fünften Buch sind sich die Experten nicht einig, ob es überhaupt noch von Rabelais selbst bearbeitet wurde. Unter dem Titel Die tönende Insel erschien es 1562 unvollständig und dann 1564 in endgültiger Form unter Rabelais’ Namen als „fünftes und letztes Buch“. Vermutlich wurde der fünfte Band von einem Bearbeiter vervollständigt und veröffentlicht, der sich Rabelais’ Stil sehr gut anpassen konnte und dem Entwürfe des Buchs vorlagen.

Wirkungsgeschichte

Der fünfteilige Riesenroman kam bei Rabelais’ Zeitgenossen bestens an. Von konservativer Seite drohte dem Buch allerdings mehrmals die Zensur: So verdammte beispielsweise die Sorbonne, jenes theologische Kolleg in Paris, das Rabelais selbst besucht hatte, regelmäßig jeden neuen Band des Romans. Die Geschichte um den Riesen Gargantua entfaltete ihre Wirkung schon bald auch in Deutschland: Der Satiriker Johann Fischart nahm sich des Stoffes 1575 an und machte daraus eine sehr freie deutsche Version mit dem Titel Affentheurlich Naupengeheurliche Geschichtklitterung, auf den der heutzutage immer öfter gebrauchte Begriff der „Geschichtsklitterung“, also der bewussten, verzerrenden Geschichtsfälschung, zurückgeht.

Die literarische Wirkung des Stoffes ließ im 17. und 18. Jahrhundert stark nach, um schließlich von den Romantikern wieder aufgegriffen zu werden. Honoré de Balzac, Victor Hugo und Théophile Gautier waren bekennende Anhänger des unbändigen Rabelais-Stils. Gargantua und Pantagruel wirkte auch in englischsprachigen Werken nach: Jonathan Swift beispielsweise ließ in seinem ebenfalls überspitzt-satirischen Werk Gullivers Reisen (1726) eine Szene aus dem Gargantua-Pantagruel-Zyklus auferstehen: Sein Held löscht im Lande Liliput eine Feuersbrunst, indem er die Flammen mit seinem Urin erstickt. Auch Herman Melville (Moby Dick, 1851) kommt in seinem Wal-Roman immer wieder auf sein literarisches Vorbild zu sprechen. Laurence Sterne fühlte sich von Rabelais’ Sprachkunst zu seinem ebenso grotesken und verworrenen Tristram Shandy (1759–1767) inspiriert. In Deutschland beeinflusste Rabelais den Romantiker Jean Paul ebenso wie den Dichterfürsten Johann Wolfgang von Goethe und den Avantgardisten Arno Schmidt. Der Amerikaner Henry Miller nahm sich Rabelais als Vorbild für seine tabulosen Beschreibungen von Körperlichkeit und Sexualität (Wendekreis des Krebses, 1934).

Über den Autor

François Rabelais wird um 1494 in der Nähe des berühmten Weinortes Chinon südlich von Paris geboren. Seine Familie besitzt noch bäuerliche Wurzeln, ist aber bereits in den juristischen Beamtenstand der „robins“ aufgestiegen. Da er der Drittgeborene der Familie ist und sein Vater Streit um das Familienerbe vermeiden möchte, wird François für die kirchliche Laufbahn vorgesehen. 1511–1524 ist er Schüler bei den Franziskanern, später – weil er Griechisch gelernt hat, was diesen als Vorstufe zur Ketzerei gilt – bei den Benediktinern. So erhält er nicht nur eine gründliche theologisch-scholastische Ausbildung (u. a. Latein, Recht, Astronomie), sondern lernt auch neue humanistische Strömungen kennen, die den Menschen in den Mittelpunkt ihrer Lehre stellen. Rabelais studiert Naturwissenschaften und Medizin in Montpellier und praktiziert ab 1532 in Lyon als Arzt. Er führt Analysen des menschlichen Körpers durch und gilt als Spezialist für die Krankheiten Syphilis und Hysterie. Zudem entwickelt er Techniken, um Knochenbrüche zu behandeln, und verfasst medizinische Fachaufsätze darüber. Rabelais hat mit einer Witwe zwei uneheliche Kinder, die von Papst Paul III. 1540 legitimiert werden. Viele Reisen führen ihn durch halb Europa, wo er auch mit Königen und Kaisern zusammentrifft. Rabelais bildet sich zum „uomo universale“, zum Universalgelehrten, heran und veröffentlicht nicht nur Gargantua und Pantagruel, sondern auch zahlreiche juristische, archäologische, soziologische, medizinische und militärtechnische Abhandlungen. Er stirbt am 9. April 1553 in Paris. Kurz vor seinem Tod soll er seinem Gönner mitgeteilt haben, er würde nun ein großes „Vielleicht“ aufsuchen.

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