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Mozart auf der Reise nach Prag

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Mozart auf der Reise nach Prag

Eine Novelle

Insel Verlag,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Wer war Wolfgang Amadeus Mozart? Mörike zeigt in seiner Novelle einen kleinen Ausschnitt aus dem Leben des Komponisten – ein heiter-harmloses Textlein, eine „kleine Nachtmusik“ für Leser.

Literatur­klassiker

  • Novelle
  • Biedermeier

Worum es geht

Dichtung und Wahrheit über Mozart

  1. September 1787, elf Uhr morgens: Wolfgang Amadeus Mozart ist zusammen mit seiner Frau Konstanze von Wien nach Prag unterwegs, wo die Uraufführung seiner neuen Oper Don Giovanni stattfinden soll. Bei einer Rast in einem kleinen Dorf machen die beiden zufällig die Bekanntschaft eines Grafen und feiern mit dessen Familie die Verlobung seiner Nichte Eugenie, ehe sie am nächsten Tag wieder aufbrechen. Was ist hier historische Wahrheit, was Fiktion? Mozart und seine Frau reisten 1787 tatsächlich nach Prag, allerdings erst im Oktober. Allein dieses Detail zeigt, wie Eduard Mörike – der zeitlebens mit der Wahrheit spielte, der eigene Gedichte als fremde ausgab und der selbst im Nachahmen von Handschriften so geübt war, dass er irgendwann als Schriftexperte galt – bewusst die Grenzen zwischen verbürgter Wahrheit und schriftstellerischer Erfindung verwischt. Er schafft Begebenheiten, die mit den historischen Fakten nichts zu tun haben und doch Wahres über den Menschen Mozart aussagen sollen. Denn darum geht es Mörike in seinem erfolgreichsten Werk vor allem: den Charakter des Komponisten nachzuzeichnen und dessen Persönlichkeit den Lesern näherzubringen. Das Buch liest sich auch heute noch ganz locker und leicht, wenn es auch stellenweise etwas harmlos und fast ein wenig langweilig ist.

Take-aways

  • Mozart auf der Reise nach Prag ist das bekannteste Prosawerk Eduard Mörikes, der ansonsten vor allem als Lyriker hervorgetreten ist.
  • Die Novelle schildert einen fiktiven Tag im Leben von Wolfgang Amadeus Mozart.
  • Mozart ist mit seiner Frau unterwegs nach Prag, um dort der Uraufführung seiner Oper Don Giovanni beizuwohnen.
  • In einem kleinen Ort machen sie Rast, und Mozart unternimmt einen Spaziergang durch den Park des nahe gelegenen Schlosses.
  • Als er dort einen Orangenbaum sieht, erinnert er sich an einen Italien-Aufenthalt, und eine Melodie kommt ihm in den Sinn, die dem Don Giovanni noch fehlt.
  • Gedankenverloren pflückt er eine Orange und zerschneidet sie.
  • Dabei wird er vom Gärtner erwischt, der über das Verhalten erbost ist, denn der Baum war für die Verlobungsfeier von Eugenie, der Nichte des Grafen, bestimmt.
  • Der Gärtner meldet das Vergehen an die Familie, die daraufhin aber beschließt, den verehrten Komponisten zur Feier einzuladen.
  • Die Gäste verbringen den Tag mit Gesprächen und Spaziergängen und wollen schließlich etwas aus der neuen Oper hören.
  • Als die Mozarts am nächsten Tag weiterreisen, überfällt Eugenie eine Vorahnung vom frühen Tod des Komponisten.
  • Durch die Erzählungen verschiedener Personen zeichnet Mörike die Persönlichkeit Mozarts aus unterschiedlichen Perspektiven.
  • Mit ihrer verschachtelten Struktur nimmt die Novelle Merkmale moderner Literatur vorweg.

Zusammenfassung

Unterwegs nach Prag

Im September 1787 reisen Wolfgang Amadeus Mozart und seine Frau Konstanze zusammen nach Prag, um an der Uraufführung von Don Giovanni teilzunehmen. Als sie durch die böhmischen Wälder fahren, lässt der Komponist die Kutsche anhalten. Das Ehepaar steigt aus, um ein wenig die Umgebung zu genießen. Mozart ist entzückt und beklagt, dass er für solche Erholungspausen wenig Zeit findet und vor allem für seine Familie nicht genügend Zeit hat. Konstanze kann ihm darin nur zustimmen: Ihr Mann verbringt den größten Teil seiner Freizeit außer Haus, auf Festen und Gesellschaften. Auch die finanzielle Lage der Familie ist alles andere als rosig. Mozarts Musik wird zwar von Kennern gelobt, von der breiten Masse aber eher abgelehnt. Entsprechend gering sind die Einnahmen aus seinen Kompositionen. Daher ist er gezwungen, auch Musikunterricht zu geben, was ihm wiederum die Zeit zum Komponieren raubt. Erschwert wird die Lage noch dadurch, dass Mozart sehr freigebig ist, gerne Gäste einlädt und jedem Geld leiht, der ihn darum bittet.

„Im Herbst des Jahres 1787 unternahm Mozart in Begleitung seiner Frau eine Reise nach Prag, um ‚Don Juan’ daselbst zur Aufführung zu bringen.“ (S. 9)

Von finanziellen Sorgen bedrängt, hofft Konstanze sehr auf einen Erfolg des Don Giovanni und versucht, ihren Mann mit viel Phantasie davon zu überzeugen, dass er sich um die Stelle als Kapellmeister am preußischen Hof bemühen soll: In einem gespielten Dialog zweier Frauen, die sich über den neuen Wohlstand des Ehepaars Mozart in Berlin unterhalten, bringt Konstanze ihrem Mann die Vorteile einer solchen Entscheidung nah.

Spaziergang im Schlosspark

Um die Mittagszeit halten sie in einem kleinen Dorf an. Im Gasthof möchten sie etwas essen, und bis die Mahlzeit fertig ist, ruht sich Konstanze in einem der Gastzimmer aus. Mozart möchte nicht in der Wirtsstube warten. Er erfährt, dass der Park eines nahe gelegenen Schlosses, der Besitz eines Grafen von Schinzberg, öffentlich zugänglich ist. Also beschließt er, während Konstanzes Mittagsschlaf einen kurzen Spaziergang im Schlosspark zu unternehmen. Dort angekommen, setzt er sich in der Nähe eines Springbrunnens in eine kleine Laube. Der Brunnen ist von zahlreichen Kübelpflanzen umgeben: Orangenbäumchen, Lorbeersträucher, Oleander.

„Genießend oder schaffend kannte Mozart gleich wenig Maß und Ziel.“ (S. 18)

In der Laube selbst steht ein einzelner Orangenbaum, der einige Früchte trägt. Bei diesem Anblick erinnert sich Mozart an einen lang zurückliegenden Aufenthalt in Italien. Zugleich kommt ihm eine neue Melodie in den Sinn. Ganz in Gedanken versunken, nimmt er eine der Früchte in die Hand, pflückt sie ab und zerschneidet sie, riecht daran - als er jäh gestört wird: Der Gärtner hat ihn entdeckt und ist sehr erbost über das Verhalten des Fremden. Der Baum ist für ein Fest bestimmt, die Früchte waren abgezählt. Mozart möchte mit dem Grafen selbst sprechen, aber dieser ist nicht zu Hause. Also schreibt Mozart einen kurzen Entschuldigungsbrief an die Gräfin und verspricht, so lange in der Laube zu warten, bis der Gärtner mit einer Antwort zurück ist.

Einladung zur Verlobungsfeier

Als der Gärtner im Schloss von der Untat des Fremden berichten möchte, hat zunächst einmal niemand Zeit für ihn. An diesem Tag soll nämlich die Verlobung von Eugenie, der Nichte des Grafen, gefeiert werden. Gerade ist das Brautpaar eingetroffen. Die Gräfin nimmt zwar Mozarts Brief entgegen, liest ihn aber nicht gleich. Auch auf den Grafen und seinen Sohn Max muss der Gärtner erst einmal warten, ehe er ihnen seine Geschichte erzählen kann. Dann aber ist die Aufregung bei den beiden groß: Max hat für die Verlobungsfeier ein Gedicht auf den Baum und seine neun Früchte geschrieben, das nun nicht mehr passt, wenn eine Frucht fehlt. Auch der Graf findet das Verhalten des Fremden ungehörig.

„‚Brava! Bravissima!’ rief Mozart überlaut und nahm sein Weibchen bei den Ohren, verküsste, herzte, kitzelte sie, sodass sich dieses Spiel mit bunten Seifenblasen einer erträumten Zukunft, die leider niemals, auch nicht im bescheidensten Maße, erfüllt werden sollte, zuletzt in hellen Mutwillen, Lärm und Gelächter auflöste.“ (S. 28)

Inzwischen aber hat die Gräfin den Brief gelesen und ist entzückt, dass der verehrte Komponist in der Nähe ist. Mozart als Gast auf der Verlobungsfeier - damit könnte man der Braut eine große Freude machen. Also beschließt die Familie, den Komponisten und seine Frau für diesen Tag ins Schloss einzuladen. Mozart, der noch immer im Park auf eine Antwort wartet und gerade aufbrechen will, nimmt die Einladung gern an. Max geht derweil zum Gasthof und holt Konstanze ab. Diese ist durch die spontane Art ihres Mannes schon daran gewöhnt, dass Pläne kurzfristig geändert werden, und hat nichts dagegen, dass sich die Reise nun um einen Tag verlängert.

Erinnerung an Italien

Als alle Gäste eingetroffen sind, muss Mozart erzählen, was in der Laube geschah und wie es zu dem Zwischenfall kommen konnte: Der Orangenbaum hat ihm einen Aufenthalt in Italien vor 17 Jahren ins Gedächtnis zurückgerufen und dabei vor allem ein Schauspiel, das italienische Komödianten auf zwei Schiffen auf dem Meer aufführten. Unter anderem jonglierten sie dabei kunstvoll mit gelben Bällen, die Orangen darstellen sollten. Ein Orchester begleitete die Szene mit Musik.

„Zerstreut hat er zum zweiten Mal die Pomeranze angefasst, sie geht vom Zweige los und bleibt ihm in der Hand.“ (S. 31)

Beim Anblick der Orangen kam Mozart nicht nur diese Erinnerung wieder in den Sinn, sondern auch eine Melodie, die ihm bisher für den ersten Akt des Don Giovanni noch gefehlt hatte. Deshalb war er so in Gedanken versunken, dass er die Frucht abpflückte. Inzwischen hat er das Lied notiert und überreicht es Eugenie als Geschenk.

Die Geschichte des Orangenbaums

Nun lässt der Graf den Kübel mit dem Orangenbaum hereinbringen. Es ist ein Baum mit Geschichte: Die Großmutter des Grafen hatte Verbindungen nach Frankreich zum Königshof. Eine französische Adlige, mit der sie befreundet war, schenkte ihr eines Tages einen Orangenzweig. Der Zweig wurde eingepflanzt und mit nach Deutschland genommen. Daraus erwuchs das Bäumchen, das die Familie über die Generationen hinweg liebevoll pflegte. Vor allem Eugenie war der Baum ans Herz gewachsen.

„‚Mir deucht’, so flüsterte Eugenie mit leuchtenden Augen dem Baron in einer Pause zu, worin sich jedermann beifällig über das eben Gehörte aussprach, ‚wir haben hier eine gemalte Symphonie von Anfang bis zu Ende gehabt und ein vollkommenes Gleichnis überdies des Mozartischen Geistes selbst in seiner ganzen Heiterkeit!’“ (S. 52)

Im vergangenen Frühjahr allerdings begann er abzusterben, sehr zu Eugenies Kummer. Der Graf aber hat ihn heimlich wieder aufpäppeln lassen und schenkt ihn nun Eugenie zur Verlobung. Inzwischen hat auch Max seine Verse umgeschrieben und trägt sie vor. Darin verknüpft er die Geschichte vom Baum, der beinahe abgestorben wäre und nun wieder Früchte trägt, mit Motiven aus der antiken Sagenwelt. Die Stimmung steigt, bald fängt Mozart an zu reimen, und schließlich singt er zusammen mit dem Grafen und Max spontan ein Spottlied auf seinen Konkurrenten Salieri. Inzwischen hat Eugenie das Musikstück aus der Laube studiert und trägt es zusammen mit dem Komponisten vor.

Konstanzes Verlobungsgeschenk

Gegen Abend teilt sich die Gesellschaft in zwei Gruppen: Die Herren spielen Billard, die Damen machen einen Spaziergang. Dabei verrät Konstanze den anderen, dass sie Eugenie ein etwas ungewöhnliches Verlobungsgeschenk machen möchte, zu dem eine Geschichte gehört. Nun wollen die Damen natürlich mehr erfahren, und Konstanze erzählt:

„Von jeher gab es wenige Dinge, welche Mozart so unglücklich machten, als wenn nicht alles hübsch eben und heiter zwischen ihm und seiner guten Hälfte stand.“ (S. 74)

Vor längerer Zeit war Mozart oft niedergeschlagen und hatte auch gesundheitliche Probleme. Der Arzt empfahl ihm eine gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Mozart war von diesen Vorschlägen erst gar nicht begeistert, unternahm aber schließlich doch für einige Zeit regelmäßige Spaziergänge. Mit der Zeit aber verfiel er in seine ungesunde alte Lebensweise zurück und wurde prompt wieder kränklich und reizbar. In dieser Phase hatte Konstanze einmal Streit mit ihrem Mann. Er war von einer Abendeinladung sehr spät nach Hause gekommen und sie darüber so gekränkt, dass sie mit den Kindern am nächsten Morgen das Haus verließ, bevor er aufwachte. Mozart konnte Verstimmungen mit seiner Frau nicht ertragen, und weil er es auch jetzt zu Hause allein nicht aushielt, unternahm er einen Spaziergang. Dabei kehrte er in eine Gaststätte ein. Dort gab es auch Haushalts- und Gartengeräte zu kaufen. Mozart erstand einige davon für Konstanze und erfuhr anschließend, dass die Verkäuferin, eine junge Frau namens Kreszenz, in Schwierigkeiten steckte: Sie war mit einem Schlosser befreundet, der gerne ein eigenes Geschäft aufbauen wollte. Aber Kreszenz’ Arbeitgeber, der in der Handwerkerinnung einigen Einfluss hatte, verhinderte das immer wieder, weil er sie als Arbeitskraft nicht verlieren wollte. Doch nur mit einem eigenen Geschäft hätten die beiden ausreichende Einkünfte, um heiraten zu können. Mozart war über die Geschichte sehr erzürnt und beschloss, den beiden zu helfen.

„‚Verflucht!’ - fuhr Mozart auf, sodass der andere erschrak und sich umsah, ob man nicht horche. ‚Und da ist niemand, der ein Wort nach dem Recht darein spräche? den Herren eine Faust vorhielte? Die Schufte, die! Wart nur, man kriegt euch noch beim Wickel!’“ (S. 80)

Zunächst aber machte er sich wieder auf den Heimweg. Dabei traf er noch mit dem Postboten zusammen, der ihm ein Paket überreichte, eine Geldsendung. Das Paket kam von Joseph Haydn, das Geld aber von dessen Arbeitgeber, dem Fürsten Esterházy, der den Komponisten Mozart damit auszeichnen wollte. Damit waren die finanziellen Schwierigkeiten der Familie erst einmal behoben. Konstanze war wieder zu Hause, als ihr Mann ankam, verhielt sich zunächst aber noch sehr abweisend. Um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen, tat Mozart zunächst so, als würde er Fliegen fangen, und legte ihr dann statt der toten Fliegen das Geld hin. Konstanze amüsierte sich über diesen Einfall und war über das Geld so erfreut, dass ihr Ärger schnell verflog.

„Er löschte ohne weiteres die Kerzen der beiden neben ihm stehenden Armleuchter aus, und jener furchtbare Choral: ‚Dein Lachen endet vor der Morgenröte!’ erklang durch die Totenstille des Zimmers.“ (S. 92)

Einige Tage später brachte Kreszenz die bestellten Geräte ins Haus. Mozart hatte gerade einige einflussreiche Persönlichkeiten zu Gast und bat Kreszenz, ihre Geschichte zu erzählen. Die Gäste beschlossen, etwas für die junge Frau und ihren zukünftigen Mann zu tun. Sie wollten sich nicht nur in der Innung für ihn einsetzen, sondern veranstalteten auch noch ein Konzert, dessen Einnahmen dem Paar zugute kamen. Mit dieser Unterstützung konnten die beiden endlich heiraten.

„Wie von entlegenen Sternenkreisen fallen die Töne aus silbernen Posaunen, eiskalt, Mark und Seele durchschneidend, herunter durch die blaue Nacht.“ (S. 92)

Konstanze allerdings brauchte die Geräte gar nicht, die ihr Mann für sie erstanden hatte. Nach und nach verteilte sie einige im Kreis ihrer Bekannten. Auch jetzt hat sie zwei davon im Gepäck, die sie nach Prag mitnehmen wollte, und Eugenie darf sich nun zur Verlobung etwas aussuchen.

Die neue Oper

Später wird Mozart von den übrigen Festgästen gedrängt, doch etwas aus seiner neuen Oper vorzuspielen. Der Komponist lässt sich darauf ein. Irgendwann bemerkt Konstanze, dass es für sie beide, die doch eigentlich am nächsten Tag früh weiterreisen wollen, nun schon recht spät geworden ist. Daraufhin erzählt Mozart, dass auch das Finale des Don Giovanni, das übrigens bisher noch niemand, nicht einmal seine Frau kennt, in einer einzigen Nacht entstanden ist:

„Ich sagte zu mir selbst: wenn du noch diese Nacht wegstürbest und müsstest deine Partitur an diesem Punkt verlassen: ob dirs auch Ruh im Grabe ließ’?“ (Mozart, S. 94)

Eigentlich wollte er damals nur kurz noch an einer anderen Komposition arbeiten; weil aber diese Noten für die Reise schon verpackt waren und er den Text für das Opernfinale gerade erhalten hatte, konnte er der Versuchung nicht widerstehen, mit dem Komponieren zu beginnen. Er spürte, dass ihm die Arbeit gelang, wollte aber doch nach einiger Zeit abbrechen. Da kam ihm jedoch der Gedanke, dass er plötzlich sterben könnte, und ein anderer würde die Komposition beenden, sie vielleicht verhunzen. Diese Vorstellung beunruhigte ihn so sehr, dass er weiter arbeitete und die Komposition noch zu Ende führte. In dieser Nacht kam er so spät zu Bett, dass die für den nächsten Tag geplante Reise verschoben werden musste, weil er nicht rechtzeitig aufstehen konnte.

„Es ward ihr so gewiss, so ganz gewiss, dass dieser Mann sich schnell und unaufhaltsam in seiner eigenen Glut verzehre, dass er nur eine flüchtige Erscheinung auf der Erde sein könne, weil sie den Überfluss, den er verströmen würde, in Wahrheit nicht ertrüge.“ (über Eugenie, S. 100)

Nachdem Mozart dies erzählt hat, trägt er das Finale des Don Giovanni am Klavier vor. Diese gewaltige, unheimliche Musik berührt die Zuhörer tief.

Der Abschied

Am nächsten Morgen reisen die Mozarts weiter; ihr Gastgeber schenkt ihnen zum Abschied eine Kutsche. Eugenie bleibt mit gemischten Gefühlen zurück. Jetzt, nach der persönlichen Begegnung mit dem verehrten Komponisten, wird sie von dem Gefühl beschlichen, dass Mozart nicht mehr lange leben wird, weil er sich mit seiner überschäumenden Energie selbst verzehrt. Sie spricht mit ihrer Familie über diese Vorahnung, wird aber ausgelacht. Als sie später noch einmal an dem Klavier vorbeikommt, auf dem Mozart gespielt hat, und einige Noten wegräumt, fällt ihr der Text eines Liedes in die Hände, der auf einen plötzlichen Tod anspielt. Eugenie sieht damit ihre Todesahnung für den Komponisten bestätigt. Sie bricht in Tränen aus.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die eigentliche Handlung von Mörikes Novelle Mozart auf der Reise nach Prag umfasst nur einen Zeitraum von etwa 24 Stunden: vom späten Vormittag des 14. September 1787 bis zur Weiterreise am Vormittag des folgenden Tages. Dieser enge Rahmen - die Ankunft am Schloss, der "Fehltritt" Mozarts mit dem Orangenbaum, die Verlobungsfeier, die Abreise - bietet jedoch Raum für viele Gespräche, in denen Mörike zahlreiche andere Motive aus dem Leben Mozarts aufgreift und in Erzählungen, Rückblicken und Vorausahnungen das Wesen des Komponisten zu rekonstruieren versucht. Dadurch erhält die Novelle ihre kunstvoll verschachtelte Struktur und eine Vielstimmigkeit, die - passend zum Thema - an ein Musikstück erinnert. Der Stil des Werkes passt zu seinem Protagonisten: Der heitere Plauderton dieser Novelle erinnert an die Musik Mozarts; erst am Ende wird mit dem Verweis auf Don Giovanni und die Todesahnung Eugenies die Stimmung düsterer.

Interpretationsansätze

  • In dieser Novelle geht es Mörike vor allem darum, Mozarts Charakter nachzuzeichnen. Dafür nimmt er sich dichterische Freiheiten und erfindet einen Tag im Leben des Komponisten.
  • Vermittels Rückblenden und Vorausdeutungen - wie Konstanzes Erzählung und Eugenies Todesahnung - umfasst die Novelle trotz ihrer Kürze im Wesentlichen das ganze Leben Mozarts.
  • Mörike setzt das Bild Mozarts aus unterschiedlichen Perspektiven zusammen. Die eher nebensächliche Begebenheit auf der Reise liefert den Hintergrund für mehrere Erzählungen anderer Personen.
  • Die guten und schlechten Seiten Mozarts werden gleichermaßen dargestellt: Fröhlichkeit, Gutmütigkeit, Spontaneität und Zuneigung zur Familie ebenso wie Depression, Verschwendungssucht, Unzuverlässigkeit und häufige Abwesenheit.
  • So erscheint Mozart insgesamt als ein in jeder Hinsicht extremer Charakter, der kein Mittelmaß kennt. Dem entspricht Mörikes Darstellung von Mozart als Genie: Er ist ein besonderer Mensch, der aber gerade deshalb in dieser Welt nicht leben kann und früh sterben muss. Die Widersprüchlichkeit dieses Charakters spiegelt sich auch in der Handlung selbst: Dem heiteren Verlobungsfest folgt ein düsteres Ende mit Todesahnungen.
  • Insgesamt erscheint Mozart jedoch überwiegend positiv. Die Grundstimmung der Novelle ist heiter, für Probleme finden sich immer wieder Lösungen, wie z. B. das unerwartete Geldgeschenk des Fürsten Esterházy.

Historischer Hintergrund

Die Biedermeierzeit

Mit dem Sieg über Napoleon und dem Wiener Kongress 1814/15 begann in Deutschland nach jahrzehntelangen politischen Wirren und Kriegen eine Phase der Ruhe und Stabilität. Doch es war zugleich auch eine Phase der Restauration: Die freiheitlichen Ideale der Französischen Revolution galten zunächst einmal als gescheitert, nun setzten sich wieder restaurative politische Kräfte durch. Spätestens mit den Karlsbader Beschlüssen 1819 wurden aufkommende revolutionäre und liberale Strömungen durch Einschränkungen der Pressefreiheit und eine rigorose Zensur unterdrückt. Das Bürgertum, das inzwischen neben dem Adel zu Reichtum und Ansehen gelangt war, blieb weiterhin von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen.

Typisch für diese so genannte Biedermeierzeit war der Rückzug vieler Menschen ins Private, ins Idyll. Da der Mehrheit der Bevölkerung jegliche politische Betätigung untersagt war, beschränkte man sich auf das Privatleben, förderte Kunst und Kultur, statt sich gesellschaftlich zu engagieren. Verstärkt wurde diese Tendenz noch durch die beginnende Industrialisierung. Auf die sich anbahnenden Umbrüche reagierten viele Bürger mit Unsicherheit und der Sehnsucht nach Ruhe und Beschaulichkeit. Diese Situation spiegelte sich auch in der Kunst jener Zeit, vor allem in der Literatur. Viele Schriftsteller, darunter Eduard Mörike, blieben betont unpolitisch, konzentrierten sich auf das Kleine, Alltägliche, Unspektakuläre. Daneben gab es aber auch Schriftsteller, die sich politisch stark engagierten, wie Heinrich Heine oder Georg Büchner.

Entstehung

Im Jahr 1824 besuchte der 19-jährige Eduard Mörike zusammen mit seinem jüngeren Bruder August Mörike und einigen Freunden eine Aufführung des Don Giovanni. Nur wenige Tage später starb August plötzlich - von da an hatte Mörike ein besonderes Verhältnis zu dieser Oper und zu ihrem Komponisten. Den Plan, die Figur Mozarts anhand einer eher unbedeutenden Begebenheit zu schildern, trug er schon einige Jahre mit sich herum, als er sich ab 1852 näher mit dem Stoff befasste. Zunächst versprach er seinem Verleger, den Text 1853 zu liefern, es dauerte dann aber noch über zwei Jahre, bis die Novelle tatsächlich fertig war. 1855 erschien sie in mehreren Folgen im Morgenblatt für gebildete Stände und im gleichen Jahr noch als Buch, allerdings vordatiert auf 1856, zum 100. Geburtstag Mozarts.

Als Quelle diente Mörike vermutlich die Mozart-Biographie des Russen Alexander Ulibischeff, die 1847 auf Deutsch erschienen war. Den Ehrgeiz, historisch verbürgte Ereignisse zu schildern, hatte Mörike jedoch nicht: "Sie ist im Ganzen heiter, der Stoff dazu erfunden, doch der Mensch, wie ich hoffe, wahr", schrieb er selbst über die Novelle. Zugleich aber lag ihm viel daran, dem Werk den Anschein von Authentizität zu geben. So wollte er den Text des Liedes, das Mozart und einige andere Gäste auf der Verlobungsfeier vortragen, im Stil Mozarts vertonen lassen und die Noten in Handschrift als vermeintlichen Autographen dem Buch beilegen. Es fand sich jedoch kein Komponist, der zu einem solchen Täuschungsmanöver bereit war. Mozart auf der Reise nach Prag ist das letzte bedeutende Werk Eduard Mörikes. Nach Erscheinen der Novelle lebte Mörike zwar noch 20 Jahre, veröffentlichte aber keine Prosatexte mehr; auch seine Lyrik beschränkte sich überwiegend auf Gelegenheitsverse von geringem künstlerischen Wert.

Wirkungsgeschichte

Mit der Novelle Mozart auf der Reise nach Prag hatte Eduard Mörike endlich den ersehnten Erfolg. Das Werk verkaufte sich so gut, dass schon wenige Wochen nach dem Erscheinen eine zweite Auflage gedruckt werden musste. Weniger begeistert reagierte später die Literaturwissenschaft auf die Novelle. Wegen ihres komplizierten Aufbaus wurde sie als unstrukturiert empfunden, als bloße Sammlung von Anekdoten mit geringem äußerem Zusammenhang. Kritik musste Mörike auch von Schriftstellerkollegen einstecken: Sie empfanden sein Werk als rückwärtsgewandt. Denn mit der historischen Thematik und der Konzentration auf das Kleine, Nebensächliche blieb Mörike der biedermeierlichen Tradition verhaftet. Schriftsteller, die sich der Revolution verpflichtet fühlten, wie etwa Heinrich Heine, lehnten ihn ab.

Die heutige Literaturwissenschaft dagegen sieht in Mörike eher einen Schriftsteller, der manche Merkmale der modernen Literatur vorwegnimmt. Vor allem die verschachtelte Struktur der Novelle, in der zahlreiche Erzähler zu Wort kommen und die Figur des Wolfgang Amadeus Mozart aus unterschiedlichen Perspektiven darstellen, weist über ihre Zeit hinaus. Mörikes Technik, die Rahmenhandlung auf einen Tag zu begrenzen und zugleich in Rückblenden und Vorausahnungen einen weiten Zeitraum darzustellen, findet sich im 20. Jahrhundert wieder bei Autoren wie James Joyce, Virginia Woolf oder Heinrich Böll.

Über den Autor

Eduard Mörike wird am 8. September 1804 in Ludwigsburg geboren. Sein Vater bestimmt Eduard zum Theologen. Besonders begabt dafür ist der Sohn nicht. Schon in seinen jungen Jahren schreibt er viele der Gedichte, die heute zu seinen bekanntesten Werken zählen, darunter Er ist’s (1829), heute eines der meistzitierten deutschen Gedichte ("Frühling lässt sein blaues Band / Wieder flattern durch die Lüfte ..."). Das Theologiestudium schafft Mörike nur mit Mühe. Über sieben Jahre lang ist er als Hilfspfarrer tätig, ehe er 1834 endlich eine eigene Pfarrstelle erhält. Während seiner Zeit als Vikar lässt er sich ein ganzes Jahr wegen Krankheit beurlauben und versucht, als freier Schriftsteller zu leben. Aber er spürt bald, dass er so nicht leben kann. Auch als Pfarrer wird es nicht besser: Die Arbeit macht ihm keine Freude, er bittet sogar Wilhelm Hartlaub, seinen Kollegen und engsten Freund, um Predigten. Vermeintliche oder tatsächliche Krankheiten erschweren ihm den Dienst immer mehr, bis er schließlich Ende 1843, mit 39 Jahren, vorzeitig pensioniert wird. Nun lebt er zusammen mit seiner Schwester Klara, die ihm schon seit Jahren den Haushalt führt, von einer bescheidenen Rente. Er dichtet und übersetzt, aber auch jetzt, wo er sich ganz auf das Schreiben konzentrieren könnte, ist der eher inaktive und antriebslose Mörike nicht besonders produktiv. Er hat schon einige unglückliche Beziehungen hinter sich, als er 1845 Margarethe Speeth kennen lernt. Noch sechs Jahre dauert es, bis die beiden heiraten. Mörike hat inzwischen eine Anstellung als Lehrer für Literatur an einer Privatschule gefunden. Spät kommt nun auch die literarische Anerkennung. Seine ersten Veröffentlichungen - unter ihnen der Roman Maler Nolten (1832) und die Gedichte (1838) - haben sich nur schleppend verkauft. Einen Durchbruch bringt erst die Mozart-Novelle. 1852 verleiht ihm die Universität Tübingen die Ehrendoktorwürde, 1856 erhält er sogar den Titel eines Professors. Die Schwester Klara wohnt weiterhin mit den Eheleuten zusammen. Die Ehe scheitert 1873. Eduard Mörike stirbt am 4. Juni 1875 in Stuttgart, nur wenige Tage nach einer Versöhnung mit seiner Frau.

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