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Reise zum Mond und zur Sonne

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Reise zum Mond und zur Sonne

übersetzt und herausgegeben von Wolfgang Tschöke

Eichborn,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Science-Fiction gab es schon im 17. Jahrhundert. Dieser Doppelroman beweist es und zeigt: Auf dem Mond und auf der Sonne geht es auch nicht besser zu als auf der Erde.

Literatur­klassiker

  • Fantastik
  • Barock

Worum es geht

Ein phantastisch-witziges Werk der Frühaufklärung

Reise zum Mond und zur Sonne schildert die Abenteuer eines Helden, der mit phantastisch anmutenden Flugmaschinen fremde Welten bereist und dabei auf Länder und Gesellschaften stößt, die wie eine Parodie irdischer Zustände wirken. Auf dem Mond gerät er ins Paradies und in einen von tierähnlichen Kreaturen bewohnten Staat, auf der Sonne in ein Land, das von Vögeln beherrscht wird - und immer wird er, der Mensch, als ein niederes Wesen ohne Würde und Vernunft betrachtet. Das vor allem im ersten Teil äußerst witzige und ironisch überspitzte Werk ist einem frühaufklärerischen Weltbild verpflichtet, das in der menschlichen Vernunft den Schlüssel zum Verständnis der Natur sieht und religiöse Dogmen und Vorurteile einer radikalen Kritik unterwirft. Der Roman besticht durch seine skurrilen Einfälle und abenteuerlichen Beschreibungen, die sich wie Vorläufer späterer Science-Fiction-Literatur lesen. Die vor allem im zweiten Teil zahlreichen philosophisch-naturwissenschaftlichen Dispute und literarischen Anspielungen lassen das Buch für heutige Leser allerdings als relativ schwer verständlich erscheinen.

Take-aways

  • Cyrano de Bergeracs Doppelroman Reise zum Mond und zur Sonne ist einer der Höhepunkte der phantastischen Barockliteratur.
  • Einen prägenden Einfluss auf das Werk übte der französische Philosoph und Naturwissenschaftler Gassendi aus, der ein rationalistisches, religionskritisches Weltbild vertrat.
  • Der Held des Romans unternimmt mit Hilfe phantastisch anmutender Flugmaschinen je eine abenteuerliche Reise zum Mond und zur Sonne.
  • Auf dem Mond entdeckt er das von biblischen Gestalten bewohnte Paradies, aus dem er jedoch wegen gotteslästerlicher Reden umgehend wieder verbannt wird.
  • Die auf Mond und Sonne angesiedelten Gesellschaften leiden im Wesentlichen an denselben Übeln wie die irdischen, nämlich an Dünkelhaftigkeit und Grausamkeit.
  • Sowohl auf dem Mond als auch auf der Sonne werden dem Reisenden aufgrund seines fremdartigen Aussehens Vernunft und individuelle Würde rundweg abgesprochen.
  • Im Land der Vögel wird er beinahe hingerichtet, da er als Mensch der grausamsten und arrogantesten Spezies angehöre, die jemals geschaffen wurde.
  • Zurück auf der Erde wird der Held auch hier von religiösen Fanatikern verfolgt und ins Gefängnis geworfen.
  • Der Roman ist geprägt durch teilweise ausufernde philosophisch-naturwissenschaftlich-religiöse Dispute zwischen den Figuren.
  • Zur Entstehungszeit des Romans herrschte zwischen der Kirche und den Naturwissenschaftlern ein erbitterter Streit über den Aufbau des Kosmos.
  • Aufgrund teilweise zensierter und widersprüchlicher Manuskripte ist die Quellenlage des Werkes bis heute unklar. Ein mutmaßlicher dritter Teil ist verschollen.
  • Das abenteuerliche Leben des Dichters Cyrano de Bergerac ist Gegenstand eines bekannten Theaterstücks und mehrerer Verfilmungen geworden.

Zusammenfassung

Rätselraten über den Mond

Der Erzähler ist mit einer Gruppe von Freunden in einem Haus in der Nähe von Paris eingeladen. Auf dem Nachhauseweg inspiriert der außergewöhnlich hell scheinende Mond die jungen Leute zu Spekulationen über dessen Natur: Ist der Erdtrabant ein himmlisches Wirtshausschild? Ist er die Sonne, die sich einen Pyjama übergezogen hat? Der Erzähler ist zum Gelächter seiner Begleiter der Ansicht, der Mond sei nichts anderes als eine zweite Erde, welcher unsere Erde wiederum als Mond diene. Anderntags will er seine Vermutung überprüfen: Er bindet sich eine große Anzahl Kugelfläschchen voller Tau um, der von der Sonnenhitze angezogen wird und den Helden himmelwärts steigen lässt. Als er jedoch feststellt, dass er so dem Mond nicht näher kommt, zerbricht er einige der Fläschchen und setzt zu einer sanften Landung an. Zu seinem Erstaunen findet er sich in einem völlig fremden Land wieder und sieht sich plötzlich von nackten Wilden umringt. Kurz darauf stößt er auf einen Trupp französischer Kolonialsoldaten - der Erzähler ist im kanadischen Quebec gelandet, weil sich die Erde weitergedreht hat, während er in der Luft schwebte. Der Gouverneur der Kolonie weist ihm freundlich ein Gemach zu und verstrickt ihn in den folgenden Tagen in spekulative Gespräche über die Natur der Erde, der Sonne und des Universums.

Ins Paradies und wieder hinaus

Irgendwann hat der Erzähler jedoch genug vom ständigen Räsonieren. Er will seine ursprünglich geplante Mondreise vollenden, baut eine Flugmaschine und startet damit von einem Felsen aus - ein fürchterlicher Absturz ist die Folge. Nachdem sich der Held von seinen Prellungen erholt hat, muss er miterleben, wie die Kolonialsoldaten seine Erfindung durch das Zünden eines Feuerwerks verbrennen wollen. Er stürzt hinzu, das Feuerwerk treibt die Flugmaschine in luftige Höhen - und ihren Erfinder ebenfalls. Nach einiger Zeit erreicht er tatsächlich sein Ziel: den Mond. Zu seinem großen Erstaunen stellt er fest, dass der Erdtrabant das Paradies beherbergt: liebliche Auen, wogende Blumen, Flüsse und Seen, singende Vögel und ein im Schatten liegender Jüngling von übernatürlicher Schönheit. Dieser gibt sich als biblischer Prophet Elias zu erkennen und bestätigt dem Reisenden, dass er sich tatsächlich in dem in der Bibel beschriebenen Paradies befindet. Außerdem erzählt er ihm, dass die Schlange, die Eva seinerzeit verführt habe, als gefräßiges Eingeweide im Körper jedes einzelnen Menschen hause. Der Erzähler kontert, besagte Schlange dränge wohl eher aus dem Unterleib des Mannes hervor und wolle der Frau ihr Gift einspritzen, wonach diese eine neun Monate dauernde Schwellung erleide. Als sich der Held auch noch zu einigen spöttischen Bemerkungen über die Religion und die Vergesslichkeit Gottes hinreißen lässt, wird sein zunächst gastfreundlicher Gesprächspartner fuchsteufelswild und will ihn mit Gewalt aus dem Paradies hinauswerfen. Es kommt zu einem Gerangel, der Erzähler täuscht einen Ohnmachtsanfall vor und lässt sich gegen einen Apfelbaum fallen - natürlich ist es der Baum der Erkenntnis. Er pflückt schnell eine Frucht, begeht aber einen entscheidenden Fehler: Er vergisst, die Schale zu entfernen, sodass er nicht zum Allwissenden wird, sondern das Bewusstsein verliert.

„,Und ich’, sagte ich zu ihnen, ‚der ich eure Begeisterung teilen möchte, ich glaube, ohne mich auf die spitzfindigen Grillen einzulassen, mit denen ihr die Zeit kitzelt, um sie zum Laufen zu bringen, dass der Mond eine Welt ist wie diese hier, der die unsrige als Mond dient.’“ (S. 11 f.)

Als er wieder zu sich kommt, ist vom Paradies nichts mehr zu sehen. Stattdessen findet er sich in einem Land mit riesigen, auf allen vieren gehenden Tiermenschen wieder. Er wird in deren Stadt gebracht und muss als exotisches Wesen im Dienst eines Gauklers auftreten. Die Bewohner der Stadt halten ihn für ein unvernünftiges Tier. Bei einem seiner Auftritte wird er von einem Mann angesprochen, der sagt, er sei auf der Sonne geboren, habe aber auch die Erde bereist; er wolle sich beim König für den unglücklichen Gefangenen einsetzen. Die Bewohner der Sonne, so erzählt er, würden Tausende von Jahren leben und könnten irgendeinen beliebigen Körper annehmen. Der Erzähler nennt den Fremden seinen "dienstfertigen Dämon" - er ist der Geist des griechischen Philosophen Sokrates. In den folgenden Tagen besucht dieser ihn regelmäßig und macht ihm durch philosophisch-spekulative Gespräche die Gefangenschaft erträglicher.

Verkehrte Welt

Im Land der Tiermenschen gibt es zwei Sprachen, eine für die Vornehmen und eine für das einfache Volk. Erstere besteht aus einer musikartigen Aneinanderreihung von Tönen, Letztere aus reinen Körperbewegungen. Der Hunger wird einfach durch das Einatmen köstlicher Düfte gestillt, Rechnungen werden durch Gedichte bezahlt, und die Söhne erziehen die Väter. Kriege werden durch gelehrte Dispute oder das Los entschieden, das Tragen prunkvoller Kleider wird als Schmach betrachtet. Menschen mit großer Nase gelten als edel, geistvoll und höflich, kurznasige Jungen werden von Priestern entmannt, damit sie sich nicht fortpflanzen können. Jeder Mann darf sexuell über jede Frau verfügen und umgekehrt.

„Nachdem Eva und ihr Mann von dem verbotenen Apfel gegessen hatten, verbannte Gott die Schlange, die sie versucht hatte, zur Strafe in den Körper des Menschen.“ (Elias, S. 36)

Eines Tages holt der Dämon des Sokrates den Erzähler ab und bringt ihn in den Königspalast, wo ein anderer Erdenmensch festgehalten wird, ein Spanier. Der König hofft, die beiden würden sich paaren und Nachkommen zeugen. Der Held lernt allmählich die Sprache des fremden Landes und beginnt mit seinen Aufsehern zu debattieren. Damit entfacht er einen landesweiten Streit über die Frage, ob er ein Papagei ohne Federn sei oder ob er Vernunft besitze. Mehrmals wird er von gelehrten Männern untersucht, die ihm nach seinen Ausführungen über Aristoteles und über kosmologische Fragen unter lautem Gelächter jede Rationalität absprechen. Als er auch noch behauptet, der Mond sei eine Erde und umgekehrt, wird er beinahe hingerichtet. Doch der König begnügt sich mit seiner öffentlichen Abbitte, nach welcher der Erzähler allerdings nicht in den Palast zurückkehren darf, sondern von seinem Dämon zu einem geistreichen Essen mit zwei Philosophen und einem Jüngling eingeladen wird. Dieser verteidigt in einer flammenden Rede das fleischliche Begehren als hohes göttliches Prinzip, während er der irdischen Religion vorwirft, jedes Vergnügen als Verbrechen zu dämonisieren. Kurz darauf erlebt der Erzähler, wie ein Sohn seinen Vater aufs heftigste tadelt, weil dieser es versäumt hat, ihm die Uhrzeit zu melden.

Rückkehr zur Erde

Am folgenden Tag erfährt der Reisende, dass ein Ehrenfräulein des Königs mit ihm zur Erde zurückkehren will, um Christin zu werden. Der Dämon kündigt an, zu diesem Zweck eine Flugmaschine für mehrere Personen zu erfinden. Einstweilen überreicht er seinem Schützling einige philosophische Bücher von seltsamer Beschaffenheit: Sie sind kleine Apparate aus Metall, enthalten ein Getriebe, das an ein Uhrwerk erinnert, und werden nicht gelesen, sondern gehört. Eines Tages lässt sich der Held mit einem seiner philosophierenden Gastgeber auf einen Disput über die Existenz Gottes ein, die der Mondbewohner entschieden leugnet. Plötzlich tritt ein großer, behaarter Mann ins Zimmer und entführt den Gotteslästerer durch den Kamin, um ihn schnurstracks in die Hölle zu verfrachten. Der Erzähler will seinen Gesprächspartner zurückreißen, wird jedoch ebenfalls in die Höhe gezogen. Nach einer mehrtägigen Reise nähern sich die drei der Erde; als sie einen Vulkan streifen, lässt sich der Held fallen und erwacht in Italien, von wo aus er sich nach Frankreich einschifft. Er bewundert die Vorsehung Gottes, jene ungläubigen Wesen an einen Ort geschafft zu haben, wo sie die Lieblinge des Schöpfers - nämlich die Menschen - nicht durch ihre ketzerischen Ansichten verderben können.

Reise zur Sonne

Der Weltenreisende begibt sich nach Toulouse, wo er seinen alten Freund Monsieur de Colignac aufsucht, der ihm vor Freude über das unerwartete Wiedersehen um den Hals fällt und ihn auffordert, seine abenteuerliche Geschichte niederzuschreiben. Das Buch ist ein großer Erfolg, führt aber zu einer erbitterten Fehde zwischen den so genannten Lunariern und Anti-Lunariern und setzt seinen Verfasser dem Verdacht aus, ein Hexer zu sein. Er wird ins Gefängnis gesteckt, kann als Bettler verkleidet fliehen und wird erneut eingefangen. Dank des Einflusses seiner Freunde erhält er immerhin eine Vorzugsbehandlung, die er dazu nutzt, in der Stille seiner Zelle eine neue Flugmaschine zu konstruieren. Mit dieser bricht er zur Sonne auf. Dort stößt er zunächst auf einen mächtigen Baum aus Perlen, Diamanten und Rubinen. Aus einem Granatapfel kommt ein kleines Wesen hervor, das den Helden in einer Ursprache anspricht, die jedermann sofort verständlich ist. Das Wesen gibt sich als König des Baumes zu erkennen; plötzlich verwandeln sich auch alle übrigen Früchte und Äste in kleine Männchen. Einzig eine Nachtigall behält ihre ursprüngliche Gestalt bei. Die Schar der Winzlinge beginnt zu tanzen und vereinigt sich zu einem wunderbaren Jüngling. Dieser sagt, sein Volk stamme vom helleren Teil der Sonne, wo das Grundprinzip der Materie die tätige Bewegung sei. Nach einiger Zeit löst sich der junge Mann in eine große Anzahl Adler auf, die davonfliegen.

Vor dem Gericht der Vögel

Nach einem dreiwöchigen Fußmarsch erreicht der Held die Republik der Vögel, wo es ihm schlecht ergeht: Die Tiere flattern aufgeregt um ihn herum, er wird von vier Adlern gepackt und in die Luft gehoben. Eine Elster fordert ihn auf, sich ja nicht zu wehren, denn ihre Artgenossen seien nahe daran, ihm die Augen auszustechen. Zunächst wirft man den Unglücklichen ins Gefängnis, dann wird ihm der Prozess gemacht. Die Anklage lautet schlicht, er sei ein Mensch und damit das eitelste und grausamste Wesen, das die Natur geschaffen habe - so eitel und grausam, dass es sich das Recht herausnehme, Vögel zu essen. Der Beschuldigte behauptet, er sei kein Mensch, sondern ein Affe, aber damit kommt er nicht durch. Einzig eine hilfsbereite Elster, die auf der Erde unter den Menschen aufgewachsen ist, verteidigt ihn und klärt ihn zugleich über die in der Republik der Vögel herrschenden Sitten auf. So werde dort nicht der Stärkste und Mächtigste, sondern der Sanfteste und Barmherzigste zum König gewählt; auf diese Weise könne sich selbst der erbärmlichste Bewohner der Vogelrepublik für erlittenes Unrecht rächen. Finden sich auch nur drei Vögel, die mit der Leistung des Herrschers unzufrieden sind, so wird dieser sofort abgesetzt. Die härteste Todesstrafe heißt "der traurige Tod": Der Verurteilte wird auf eine Trauerzypresse gesetzt, und die Vögel mit den düstersten Stimmen singen ihm derart schauerliche Lieder vor, dass er vor Kummer elendiglich dahinsiecht und schließlich stirbt. Dem Helden bleibt diese Marter erspart - dafür soll er bei lebendigem Leib von einem Schwarm hungriger Insekten aufgefressen werden. Er befindet sich bereits auf der Hinrichtungsstätte, als ein Papagei für ihn eintritt - jener Vogel, den er einst auf der Erde aus seinem Käfig in die Freiheit entlassen hat. Der Verurteilte wird begnadigt und zu einem Wald gebracht. Dort hält er Zwiesprache mit einigen Eichen, die ihn an all die Legenden aus der antiken Mythologie erinnern, in denen Bäume und deren Früchte eine Rolle spielen.

Im Land der Philosophen

Als im Wald ein Feuer ausbricht, muss der Reisende fliehen. Er stößt auf ein Feuertier und ein Eistier, die sich einen Zweikampf auf Leben und Tod liefern, wobei ihre Auseinandersetzung von einem Greis beobachtet wird. Das Eistier gewinnt. Der Greis gibt sich als der italienische Philosoph Tommaso Campanella zu erkennen. Er sei auf dem Heimweg in die Provinz der Philosophen, in der alle einst auf der Erde tätigen Philosophen leben. Campanella will sich dort mit René Descartes treffen, der soeben eingetroffen sei. Während des Marsches diskutieren die beiden über dessen Weltanschauung, außerdem zeigt Campanella dem Helden den See des Schlafes sowie die drei großen Flüsse des Gedächtnisses, der Phantasie und der Urteilskraft. Am Ufer des Gedächtnis-Flusses hört man pausenlos das Gekrächze und Zwitschern von Vögeln, die wiedergeben, was sie gelernt haben. Der Strom der Phantasie fließt sanft dahin, mit glitzerndem Wasser, das bei genauem Hinsehen trinkbares Gold ist. Der Fluss der Urteilskraft ist langsam, das Flussbett tief, das Wasser kalt. Am Ufer des Phantasie-Flusses stoßen die beiden auf einen auf dem Rücken liegenden, sterbenden Greis, der laut Campanella an der Krankheit leidet, die fast alle großen Männer befällt: Durch den übermäßigen Gebrauch des Geistes ist sein Gehirn aufgebläht und sein Kopf zum Zerplatzen angeschwollen.

„(...) würde jemand aus dieser Welt in die Eure aufsteigen mit der Kühnheit, sich Mensch zu nennen, ließen ihn Eure Doctores erwürgen wie ein Ungeheuer oder einen vom Teufel besessenen Affen.“ (Dämon des Sokrates, S. 45)

Plötzlich wird der Himmel durch den Schatten eines riesigen Vogels verdüstert, an dessen Hals ein Käfig hängt. Daraus entsteigen ein Mann und eine Frau. Im Reich der Liebenden, in dem sie leben, gibt es eine ärztliche Verordnung darüber, wie oft ein Gatte seine Ehefrau in der Nacht umarmen muss. Da der Mann nach einem Streit gegen diese Anordnung verstoßen und stattdessen im Schlaf eine Ejakulation erlitten hat, ist er laut seiner Angetrauten zum Mörder an dem dadurch ungezeugten Kind geworden. Der Angeschuldigte verteidigt sich, er wäre seinen ehelichen Pflichten gerne nachgekommen; da seine Frau aber wütend gewesen sei, habe er befürchtet, einen jähzornigen Menschen zu zeugen. Der im Land der Philosophen lebende Sokrates soll über diesen Streitfall urteilen. Die beiden Reisenden fliegen gemeinsam mit dem zerstrittenen Ehepaar in die Philosophenprovinz, wo Campanella seinen Freund Descartes trifft. An dieser Stelle bricht der Roman ab.

Zum Text

Aufbau und Stil

Cyrano de Bergeracs Reise zum Mond und zur Sonne ist ein utopischer Doppelroman, dessen beide Teile jeweils einer Reise gewidmet sind. Der zweite, fünf Jahre nach dem ersten veröffentlichte Teil ist Fragment geblieben. Vor allem die Mondreise besticht durch ihre Mischung aus Phantastik und Realismus, durch Bergeracs skurrile Einfälle, witzige Pointen und parodistische Schilderungen irdischer Zustände und Verhaltensweisen. Zahlreich sind auch die zwischen Ironie und Faszination schwankenden Beschreibungen technischer Errungenschaften sowie die Passagen, in denen religiöse Überzeugungen und Rituale im Lichte der Vernunft karikiert werden. Bergeracs Sprache deckt ein breites Spektrum ab, sie ist bald gelehrt-philosophisch, bald von derber Direktheit. Die Schilderung der Erlebnisse auf der Sonne hat gegenüber dem ersten Romanteil einen eher abstrakten und allegorischen Charakter. Die philosophisch-naturwissenschaftlichen Erörterungen sind hier oft weitschweifig, und die Anspielungen auf damals bekannte literarische Schilderungen utopischer Idealstaaten sind für heutige Leser alles andere als leicht zu entschlüsseln; der in der neuen deutschen Übersetzung enthaltene Anhang mit Anmerkungen ist allerdings in dieser Hinsicht eine große Hilfe.

Interpretationsansätze

  • Reise zum Mond und zur Sonne setzt den religiösen Überzeugungen und Vorurteilen sowie den autoritären Herrschaftsstrukturen des 17. Jahrhunderts ein für die damalige Zeit nonkonformistisches, aufklärerisches Menschenbild entgegen.
  • Der Roman verteidigt mit den Mitteln der Phantasie, der Ironie und der parodistischen Zuspitzung Bergeracs weltanschauliche Positionen: die Freiheit des Individuums, die vorurteilslose Vernunft, das naturwissenschaftliche Denken und ein modernes Bild des Universums.
  • Der von Bergerac beschriebene Kosmos setzt keine Metaphysik und keinen Schöpfer voraus, hinter der Ironie und den zahlreichen parodistischen Passagen des Werkes steckt letztlich ein atheistisches Weltbild. Dazu passt auch, dass zahlreiche religiöse Dogmen, wie die Vorstellung von der Unsterblichkeit der Seele, der Wiederauferstehung am Tag des jüngsten Gerichts oder die Schöpfungsgeschichte, in Frage gestellt werden.
  • Die menschliche Arroganz, sich für die "Krone der Schöpfung" zu halten und die Tiere als seelenlose Wesen zu betrachten, die bedenkenlos ausgebeutet werden können, wird radikal kritisiert und ins Lächerliche gezogen. Bergerac vertritt ein antianthropozentrisches Weltbild.
  • Der restriktiven Sexualmoral der Kirche setzt Bergerac eine Haltung entgegen, die die Triebbefriedigung als natürliches individuelles Recht betrachtet.
  • Die Staaten auf Mond und Sonne sind keine Idealgesellschaften, vielmehr spiegeln sie in ironischer Umkehr oder Übersteigerung menschliche Schwächen und politische Fehlentwicklungen auf der Erde wider.
  • Obwohl die Schilderung der Technik zu einem großen Teil phantastisch überdreht ist, erweist sich Bergerac bei der Beschreibung einiger Maschinen (z. B. Hörbuch, Nachtsichtgerät) geradezu als Prophet.

Historischer Hintergrund

Die kopernikanische Wende

In der Zeit, in der Die Reise zum Mond und zur Sonne verfasst wurde, herrschte ein erbitterter Glaubenskampf um die Stellung der Erde im Universum. Laut einer im 2. Jahrhundert vom griechischen Astronomen Ptolemäus formulierten Theorie ruht unser Planet im Zentrum des Universums, das aus konzentrischen Sphären besteht, auf denen sich die anderen Himmelskörper bewegen. Dieses geozentrische Weltbild hatte auch bereits Aristoteles vertreten. Vor allem aber wurde es von der katholischen Kirche gestützt, die unter Naturwissenschaft die Erklärung von Naturphänomenen durch Studium und Auslegung der Bibel verstand. Außerdem war es aus religiöser Sicht klar, dass Gott den nach seinem Ebenbild geschaffenen Menschen ins Zentrum des Universums gesetzt hatte. Laut dem Arzt und Astronomen Nikolaus Kopernikus dreht sich hingegen die Erde um die Sonne (heliozentrisches Weltbild). Um keinen Bruch mit der Kirche zu provozieren, zögerte Kopernikus die Veröffentlichung seiner Gedanken lange hinaus. Erst in seinem Todesjahr 1543 erschien sein Buch Von den Umdrehungen der Himmelskörper. In die Auseinandersetzung um die Stellung der Erde und die Natur des Universums waren im 16. und 17. Jahrhundert auch Philosophen und Physiker wie Giordano Bruno, Johannes Kepler und Galileo Galilei verwickelt. Bruno wurde von der Inquisition verbrannt, während Galilei öffentlich von seiner Meinung abschwören musste. 1616 verbot die Kirche das kopernikanische System - was allerdings nicht verhinderte, dass es sich allmählich durchsetzte, und mit ihm die Einsicht, dass naturwissenschaftliche Messmethoden und Experimente zuverlässigere Aussagen über die Wirklichkeit ermöglichen als das Studium der Bibel. Die kopernikanische Wende war deshalb von so großer weltgeschichtlicher Bedeutung, weil sie den Menschen aus dem Mittelpunkt des Universums hinausbeförderte auf einen kleinen Planeten, der genauso um die Sonne kreist wie die anderen Planeten auch.

Entstehung

Die genaue Entstehungszeit von Bergeracs Doppelroman ist unklar. Wahrscheinlich begann er um 1650 mit der Niederschrift, die Reise zur Sonne entstand ungefähr sieben Jahre nach der Reise zum Mond. Veröffentlicht wurden die beiden Teile 1657 und 1662. Eine wichtige Inspirationsquelle für das Werk waren die Vorlesungen, die der französische Philosoph, Mathematiker und Naturwissenschaftler Pierre Gassendi 1642/43 in Paris vor einer Gruppe junger Intellektueller hielt. Einer Anekdote zufolge soll sich Cyrano de Bergerac mit dem Degen in der Hand Zugang zu Gassendis Schülerschaft verschafft haben. Der Philosoph vertrat eine materialistische Weltanschauung und griff Epikurs Vorstellung von den Atomen als kleinster Einheit der Materie auf. Er war ein begabter Astronom und kam bei seinen Vorlesungen häufig auf die zur damaligen Zeit weit verbreiteten Spekulationen über ein Leben auf dem Mond zu sprechen. Ob Cyrano de Bergeracs Doppelroman auch von früheren komisch-utopischen Romanen oder etwa den Wahren Geschichten des antiken griechischen Autors Lukian beeinflusst sind, ist ungewiss. Bei Lukian werden jedenfalls bereits eine Reise zum Mond und eine Gefangenschaft auf der Sonne geschildert.

Wirkungsgeschichte

Reise zum Mond und zur Sonne gilt als Gipfelpunkt der utopisch-phantastischen Barockliteratur. Obwohl der Doppelroman beim zeitgenössischen Publikum großen Anklang fand, behandelte ihn die frühere französische Literaturgeschichtsschreibung eher stiefmütterlich - so wird er beispielsweise in einem literaturhistorischen Werk nur am Rande und unter dem Kapitel "Verspätete und Verirrte" erwähnt. 1998 hingegen erhielt das Werk in Frankreich die offizielle Adelung zum Klassiker, indem es in die "Bibliothèque de la Pléiade" aufgenommen wurde. Ob und in welchem Ausmaß Bergeracs Roman spätere phantastische Reiseromane - etwa jene von Jonathan Swift, Voltaire oder Jules Verne - beeinflusst hat, lässt sich allerdings nicht nachweisen. Verwirrend ist auch die Quellenlage: Es gibt verschiedene, stark voneinander abweichende und aus religiöser Rücksichtnahme zensierte Manuskripte, während eine eindeutig dem Autor zuzuordnende Textfassung bis heute fehlt. So ist beispielsweise die erste, 1657 erschienene Druckausgabe der Reise zum Mond durch Bergeracs Herausgeber und Nachlassverwalter Henri Lebret aus Rücksicht auf die Kirche stark gekürzt und verstümmelt worden. Ein Manuskript, das wahrscheinlich den dritten Teil des Werks darstellen sollte, ist verschollen.

Cyrano de Bergeracs turbulentes Leben ließ ihn selbst zur literarischen Figur werden: 1897 kam in Paris das gleichnamige Stück aus der Feder von Edmond Rostand auf die Bühne, in dem der Barockdichter als fechtender Haudegen mit langer Nase dargestellt wird. Unter den zahlreichen Verfilmungen von Bergeracs Biographie sticht jene aus dem Jahr 1990 heraus, in der Gérard Depardieu auf glänzende Weise die Hauptrolle spielt.

Über den Autor

Cyrano de Bergerac, dessen Leben nur lückenhaft überliefert ist, wird am 6. März 1619 in Paris als Sohn eines bürgerlichen Advokaten geboren; sein später angenommener Adelstitel ist also falsch. Die Kindheit verbringt er auf dem ländlichen Gut seines Großvaters. Mit 13 Jahren kommt Bergerac an ein Pariser Collège, nach dem Abschluss der Schule wird er Soldat bei den berüchtigten Gascogner Garden. Sein Mut und sein Draufgängertum bringen ihm den Ruf eines "kämpferischen Dämonen" ein. Im Dreißigjährigen Krieg wird Bergerac so schwer verwundet, dass er seine militärische Karriere aufgeben muss. Danach nimmt er ein Studium bei dem Philosophen Pierre Gassendi auf. Dieser ist ein bedingungsloser Verfechter des kopernikanischen Weltbilds und übt auf das Denken und das literarische Werk Bergeracs einen prägenden Einfluss aus. Unter anderem entfacht er bei seinem Schüler die Liebe zur Astronomie und die Neigung zur Kritik an den herrschenden Schichten und am Absolutheitsanspruch der Kirche. 1645 erkrankt Bergerac wahrscheinlich an Syphilis, es folgen Jahre bitterer Armut, die erst durch die väterliche Erbschaft ein Ende finden. Im Herzog von Arpajon findet der Autor einen Gönner, dessen Gunst er sich allerdings durch seine skandalträchtige Tragödie Der Tod der Agrippina verscherzt. Das Werk wird vom Klerus als atheistisch und gotteslästerlich gebrandmarkt. Im Januar 1654 erleidet Bergerac eine schwere Kopfverletzung, wobei unklar ist, ob diese auf einen Unfall oder ein religiös motiviertes Attentat zurückzuführen ist. Er wird von einer religiösen Geheimgesellschaft gepflegt, die den als Ketzer verschrienen Schriftsteller vergeblich zu bekehren sucht. Schließlich lässt sich Bergerac zu seinem Cousin Pierre de Cyrano bringen, in dessen Haus er am 28. Juli 1655 im Alter von nur 36 Jahren stirbt. Die Umstände seines Todes sind erst seit 1910 bekannt, als seine Sterbeurkunde gefunden wurde. Berichte, wonach er sich kurz vor seinem Ableben reumütig in den Schoß der Kirche zurückgeflüchtet habe, sind inzwischen als Legenden enttarnt worden.

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