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Heidi kann brauchen, was es gelernt hat

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Heidi kann brauchen, was es gelernt hat

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Der erste Heidi-Band war ein „Megaseller“, darum ließ Johanna Spyri einen zweiten folgen: Heidis Abenteuer gehen weiter.

Literatur­klassiker

  • Kinderbuch
  • Biedermeier

Worum es geht

Heidis Abenteuer gehen weiter

Große Erfolge verlangen nach einer Fortsetzung. So auch Johanna Spyris Heidi. Ein Jahr nach Heidis Lehr- und Wanderjahre erschien Heidi kann brauchen, was es gelernt hat. Nicht mehr ganz so frisch wie der erste Teil, knüpft die Handlung des zweiten doch nahtlos an die Erfolgsstory des Vorgängers an. Diesmal geht es weniger um den Kontrast zwischen Stadt und Land als um die Themen Freundschaft und Eifersucht. Nach langem Warten darf Klara aus Frankfurt endlich ihre Freundin Heidi beim Alm-Öhi besuchen. Die Idylle könnte perfekt sein, wäre da nicht der Geißenpeter, der sich von der Besucherin um seine Freundschaft zu der quicklebendigen Heidi betrogen fühlt. Voller Wut lässt er den Rollstuhl der gelähmten Klara zu Tal sausen und zerschellen - und ahnt nicht, dass seine böse Tat eine heilsame Wirkung haben wird: Denn nicht nur die gute Luft und die gesunde Ziegenmilch tun Klara gut, auch Peters Missetat führt dazu, dass Klara zu Kräften kommt und sogar das Gehen wieder erlernt. Auch der zweite Heidi-Roman sprudelt geradezu über vor Lob auf die freie Natur, ist aber auch ein Muster christlicher Erbauungsliteratur: Heidis Zuversicht und Gottvertrauen geben allen Trost, die mit ihr in Kontakt kommen. Spyri sorgt dann schon für das glückliche Ende. Heidi - das ist ein Stück heile Welt in Buchform.

Take-aways

  • Heidi kann brauchen, was es gelernt hat schließt nahtlos an die Handlung des ersten Heidi-Romans Heidis Lehr- und Wanderjahre an.
  • Auch der zweite Band verdankt seine Popularität der Erzählweise der Autorin, die sich durch große Einfühlungsgabe für das kindliche Gemüt auszeichnet.
  • Heidis Frankfurter Freundin Klara sieht voller Sehnsucht dem Besuch bei Heidi auf der Alm entgegen.
  • Doch weil sie gelähmt und schwach ist, wird die Reise auf das nächste Frühjahr verschoben.
  • Der Winter bricht über das Dörfli herein, und Heidi kann die Großmutter ihres Freundes Peter nur noch sehr selten besuchen.
  • Sie bringt Peter das Lesen bei, damit er an ihrer Stelle der Großmutter täglich vorlesen kann.
  • Im Sommer des folgenden Jahres kommt Klara endlich zu Besuch und verbringt vier herrliche Wochen bei Heidi.
  • Die Bergluft und die gute Ziegenmilch lassen Klara zu Kräften kommen.
  • Peter ist eifersüchtig und zerstört Klaras Rollstuhl.
  • Aus der Not heraus wagt Klara ein paar erste Schritte und kann nach einer Woche Übung tatsächlich wieder laufen.
  • Das Buch ist geprägt durch romantische Vorstellungen und christliche Frömmigkeit.
  • Der vollkommene Einklang des Menschen mit der Natur, die überall heilsam wirkt, ist auf jeder einzelnen Seite zu spüren.

Zusammenfassung

Eine Enttäuschung für Klara

Der alte Doktor, der für die Sesemanns nicht nur Arzt, sondern auch Vertrauter geworden ist, muss zum wiederholten Male bei der Familie vorstellig werden. Seinem Urteil vertraut Herr Sesemann, besonders seit der Doktor dafür gesorgt hat, dass die heimwehkranke Heidi wieder zurück in die Berge zu ihrem Alm-Öhi fahren durfte. An einem sonnigen Septembermorgen schreitet der Doktor langsam und gramgebeugt auf das Haus der Sesemanns zu. Seit ihm sein einziges Töchterlein gestorben ist, kann nichts mehr seine Laune heben. Deswegen gerät er auch ein wenig in Rage, als ihn Herr Sesemann schon zum dritten Mal wegen der geplanten Schweizreise seiner Tochter Klara sprechen möchte. Der Doktor bleibt in seinem Urteil über die Reisefähigkeit Klaras hart: Sie sei zu geschwächt, um im Herbst auf die Alm hinaufzufahren. Die Reise muss verschoben werden - auf das kommende Frühjahr. Herrn Sesemann wird das Herz schwer, als er seiner Tochter diese bittere Nachricht überbringen muss. Tatsächlich füllen sich Klaras Augen mit Tränen, hatte sie doch so dem Besuch entgegengefiebert. Dennoch soll ein Besucher aus Frankfurt zur Alp hinaufgehen: der Doktor. Herr Sesemann schlägt ihm diese Reise vor, damit er selbst einmal auf andere Gedanken kommt - und einige Geschenke Klaras überbringen kann.

„Klara hat seit Jahren keinen so schlimmen Sommer gehabt, wie dieser letzte war; von einer so großen Reise kann keine Rede sein, ohne dass wir die schlimmsten Folgen zu befürchten hätten.“ (der Doktor, S. 11)

Klara ist von dieser Idee begeistert und auch der Doktor ist nicht abgeneigt. Sofort werden Reisevorbereitungen getroffen. Fräulein Rottenmeier, die Gouvernante, macht sich gleich an das Verpacken der Geschenke: Da wäre zunächst eine große Schachtel weichen Kuchens für die Großmutter des Geißenpeter, ein dicker Mantel mit einer warmen Kapuze für Heidi, ein warmes Tuch, ebenfalls für die Großmutter. Schließlich müssen noch ein Säckchen Tabak für den Alm-Öhi und viele kleine Schächtelchen mit allerlei Überraschungen für Heidi verpackt werden.

„Dieses Rauschen packte das Heidi immer im Innersten seines Wesens und zog es mit Gewalt hinaus unter die Tannen.“ (S. 21)

Zur gleichen Zeit in der Hütte des Alm-Öhi: Ein strahlender Morgen begrüßt Heidi. Als sie das Rauschen der dunklen Tannen vernimmt, kann sie nichts mehr im Bett halten. Freudig erregt tollt sie über die Wiese, begrüßt den Alm-Öhi und sorgt sich gleich darum, dass es in der Stube sauber und gepflegt aussieht. Das hat sie in Frankfurt gelernt, und der Alm-Öhi sieht es nur allzu gern, wenn Heidi so geschickt und ordentlich ist. Pünktlich wie jeden Morgen kommt der Geißenpeter an der Hütte vorbei und holt die beiden Geißen des Alm-Öhi, Bärli und Schwänli, zur Weide ab. Mürrisch wie immer fordert Peter, dass Heidi auch wieder einmal mit hinaufkomme, aber davon will sie nichts wissen: Der Besuch aus Frankfurt könnte jeden Tag eintreffen, und da kann sie unmöglich fortgehen.

Ein Gast auf der Alp

Tatsächlich erspäht sie kurz darauf ein bekanntes Gesicht: Es ist der Doktor, der den Berg hinaufkommt. Heidi begrüßt ihn mit einem großen Hurra, und dem alten Doktor wird ganz anders von so viel Herzlichkeit. Die Nachricht von Klaras Fortbleiben macht Heidi sehr traurig, aber als sie die ebenfalls traurigen Augen des Doktors sieht, besinnt sie sich. Der Doktor wird auch vom Alm-Öhi aufs Freundlichste empfangen und erzählt den beiden von seiner Reise und den Ereignissen in Frankfurt. Gemeinsam nehmen sie eine kräftige Mahlzeit vor der Hütte ein. Der Doktor wird im Dörfli Quartier nehmen und bei gutem Wetter wieder auf die Alp heraufkommen, ja sogar mit den Geißen auf die Alpwiesen hinaufgehen. Plötzlich erscheint ein Träger mit einem gewaltigen Paket auf der Alp: Es sind Klaras Geschenke, und Heidi ist außer sich vor Freude. Am Abend gehen sie alle zusammen ins Dörfli, wo sie die Geschenke in der Geißenpeterhütte abliefern: Die Großmutter freut sich über das warme Tuch, und Peter fallen fast die Augen aus dem Kopf, als er die gigantische Wurst auf dem Tisch liegen sieht.

„Dem Herrn Doktor ging’s wie ein Sonnenschein über das Gesicht. Diesen Empfang auf der Alp hatte er nicht erwartet.“ (S. 26)

Am nächsten Tag marschieren der Doktor und Peter gemeinsam mit den Geißen zur Almhütte hinauf. Peter ist einsilbig und wirft dem Doktor zuweilen grimmige Blicke zu. Das ändert sich auch nicht, als sie die Hütte des Alm-Öhi erreichen und Heidi verkündet, dass sie zusammen mit dem Doktor auf die Alp gehen will. Oben angekommen zeigt Heidi ihm ihre Lieblingsplätze. Sie und der Doktor setzen sich auf die grüne, blumenübersäte Wiese. Nun kommt aber wieder die Schwermut des Doktors zum Vorschein: Er fragt Heidi, was man wohl dagegen tun könne, wenn einem trotz der blühenden Natur so schwer ums Herz sei. Heidi rät ihm, alle Sorgen Gott anzuvertrauen und, wenn man gar nicht weiter wisse, ein paar Zeilen aus dem Buch der Großmutter zu lesen. Dieser würden die Erbauungsverse auch immer helfen, neuen Mut zu fassen. Heidi rezitiert ein Gedicht daraus, welches dem Doktor sehr gefällt.

Peters Riesenportion

Gleichzeitig macht Peter seiner Wut Luft, baut sich hinter dem Doktor auf und schwingt drohend seine Fäuste. Nach so langer Zeit ist Heidi endlich wieder mit ihm auf den Berg gestiegen und nun sitzt sie nur bei dem alten Mann herum. Das kann Peter nicht verstehen. Lauthals ruft er zum Essen. Aber Heidi und der Doktor wollen nur eine Schale Milch und überlassen Peter den Proviantsack des Alm-Öhi. Da ist der Junge platt: der ganze Mittagsschmaus nur für ihn allein? Der hungrige Bub greift beherzt zu - doch sein schlechtes Gewissen hindert ihn daran, auch zuzubeißen. Hat er nicht gerade noch dem Doktor gedroht, und nun schenkt dieser ihm seinen ganzen Mittagsanteil? Sogleich hüpft Peter zu der Stelle hin, wo er kurz zuvor die Fäuste geballt hat, und macht Zeichen der Versöhnung. Erst jetzt kann er sich das Essen schmecken lassen. So gehen einige schöne Septembertage dahin. Doch einmal kommt der Moment des Abschieds. Dem Doktor, Heidi und auch dem Alm-Öhi tut die Abreise im Herzen weh, hat man sich doch so gut verstanden.

Der Winter im Dörfli

Nach dem milden Herbst hält ein strenger Winter Einzug. Der Schnee liegt so hoch, dass er bei der Hütte des Alm-Öhi bis an die Fenster reicht. Doch der Öhi und Heidi haben sich, wie sie es den Dörflern versprochen hatten, im Winter im Dörfli niedergelassen. In einem alten Herrenhaus, das der Alm-Öhi im Herbst notdürftig hergerichtet hat, beziehen die beiden ihr Winterquartier. Zum Geißenpeter kann Heidi einstweilen nicht gehen, denn der lockere Schnee macht ihr den Weg unmöglich. Peter muss jeden Tag aus dem Fenster klettern und von draußen die Tür freischaufeln, damit seine Mutter überhaupt vor diese treten kann. Von dort aus kann er dann direkt mit seinem Schlitten ins Dörfli fahren. Nach wenigen Tagen ist die ganze Alp steinhart zugefroren. Peter, der immer wieder die Schule schwänzt, bekommt eine saftige Abreibung vom Öhi, der ihn des "Desertierens" bezichtigt.

Bei der Großmutter

Bei einem Besuch in der Geißenpeterhütte ist Heidi zunächst erschrocken, weil die Großmutter nicht an ihrem Spinnrad sitzt. Sie liegt im Bett, friert erbärmlich und ihr ist auch sonst nicht wohl. Im Schlafzimmer findet Heidi die Großmutter ganz in das warme Tuch aus Frankfurt eingehüllt. Ihre Bettdecke ist ja so dünn und das Kissen so platt. Heidi erinnert sich an den Besuch bei Klara in Frankfurt: Da gab es drei Kissen und man musste ganz weit oben schlafen. Das würde der Großmutter jetzt recht gefallen. Schnell holt Heidi das Liederbuch und trägt der alten Frau einige Verse vor, die ihr Zuversicht und Trost spenden sollen. Am Abend, als Heidi wieder in ihrem Bett liegt, überlegt sie, was sie machen könnte, damit der Großmutter jeden Tag vorgelesen wird. Am nächsten Morgen weiht Heidi Peter gleich in ihre Pläne ein: Er müsse jetzt endlich ordentlich lesen lernen und dann selbst der Großmutter vorlesen. Doch Peter lehnt das ab, mürrisch wie immer. Heidi malt ihm jedoch in den entsetzlichsten Farben aus, wie es wäre, wenn seine Mutter ihre Drohung wahr machen und auch er nach Frankfurt geschickt würde, um dort in die Schule zu gehen. Da graust es dem Peter und er willigt in Heidis Plan ein. Aber auch das Lernen geht nur mit den düsteren Drohungen des Lesebuchs wie: "Geht heut’ das A B C noch nicht, kommst morgen du vors Schulgericht." Am Ende ist Peter ganz eingeschüchtert, lernt aber stotternd das Alphabet. In der Folge liest Peter der Großmutter täglich ein Verslein vor - allerdings wirklich nur eines. Weil er aber gelegentlich zwei oder drei Wörter, die ihm zu schwierig oder einfach zu lang erscheinen, beim Lesen einfach auslässt, kommt es der Großmutter doch schon etwas seltsam vor und sie kann ihre Lieder gar nicht recht wiedererkennen. Schon allein deshalb sehnt sie den Frühling herbei, wenn Heidi wieder regelmäßig zu ihr kommen kann.

Klara kommt zu Besuch

Plötzlich ist es Mai, und ein Brief von Klara trifft auf der Alphütte ein: Sie freue sich riesig und werde sobald als möglich mit ihrer Großmama anreisen. Als Peter davon erfährt, lässt er seinen offensichtlichen Groll an den Ziegen aus. Die Großmutter befürchtet, dass die Fremden aus Frankfurt Heidi wieder mitnehmen werden, sagt aber nichts. Noch zwei Monate gehen ins Land, bis eines Morgens endlich die Gäste kommen: Klara wird in einer Sänfte den Berg hinaufgetragen, ihr Rollstuhl wird von einem Burschen geschoben und die Großmama reitet auf einem Pferd. Die Freude beim Alm-Öhi und bei Heidi ist riesig. Klara wird in ihren Rollstuhl umgebettet und Heidi zeigt ihrer Freundin gleich die hohen Tannen hinter der Hütte. Nach einer zünftigen Brotzeit auf der großen Wiese vor der Hütte trägt der Alm-Öhi Klara auf den Heuboden, um ihr Heidis Bettstatt zu zeigen. Klara ist traurig, wieder zurück ins Dorf zu müssen. Deshalb macht der Alm-Öhi den Vorschlag, hier oben mit Decken und Tüchern auch für sie ein weiches Bett einzurichten. Großmama ist einverstanden und Klara und Heidi können ihr Glück kaum fassen. Die Nacht und der erste Morgen verlaufen sehr harmonisch. Klara, die bislang nie besonders viel essen mochte, entwickelt einen ungeheuren Appetit auf die Milch der Ziege Schwänli.

Eine böse Tat mit guten Folgen

Die Wochen vergehen und die Großmama lässt sogar zwei richtige Betten aus dem Dörfli auf die Alm schaffen. In den beiden Mädchen keimt der Wunsch auf, den Geißenpeter nun auch einmal auf die höheren Weiden zu begleiten. Doch an dem Morgen, an dem dieser Plan in die Tat umgesetzt werden soll, schlägt Peter über die Stränge: Die Wut auf das fremde Mädchen, das ihm "seine" Heidi abspenstig gemacht hat, lässt er am Rollstuhl aus. Mit einem Ruck schubst er das Gefährt den Berg hinunter und springt vor Freude in die Luft, als es in tausend Einzelteile zerschellt. Peter denkt, jetzt müsse die Gelähmte umkehren und er sei sie damit los. Doch der Alm-Öhi trägt Klara auf die obere Wiese, und Heidi sammelt für sie Blumen. Weil Klara aber nicht in die Regionen vordringen kann, in der die schönsten Blumen wachsen, versucht sie, aus eigener Kraft ein paar Schritte zu machen. Der widerborstige Peter und Heidi stützen sie - und siehe da: es geht. Das Mittagsmahl schmeckt Peter wieder nicht so recht, hat er doch ein schlechtes Gewissen wegen des Rollstuhls. Als der Alm-Öhi auf die Wiese zurückkehrt, sieht er mit großer Freude, dass Klara Forschritte bei ihren Gehübungen gemacht hat. Sie planen, die ganze folgende Woche täglich zu üben und danach die Großmama aus dem Dorf kommen zu lassen, damit sie dieses Wunder mit eigenen Augen sehen kann.

Abschied und Auf Wiedersehen

Als diese dann tatsächlich auf der Alm erscheint, traut sie zunächst ihren Augen nicht: Klara hat ganz rote Wangen bekommen, und als sie ihr, auf Heidi gestützt, zu Fuß entgegenkommt, fehlen der Großmama die Worte. Sofort wird Herrn Sesemann telegrafiert, dass er unverzüglich kommen müsse. Doch dieser ist ohnehin schon auf dem Weg zum Alm-Öhi: Das hat er sich nach einer Geschäftsreise als Überraschung für Klara ausgedacht. Auf dem Weg auf die Alp begegnet er dem abwärts steigenden Peter, der eben das Telegramm ins Dörfli bringen will. Als Peter erfährt, dass der Mann aus Frankfurt komme, packt ihn die Angst: Ist das gar ein Polizeidiener, der ihn wegen des Rollstuhls verhören und einsperren wird? Von Furcht getrieben rennt er zurück zum Alm-Öhi. Hier gesteht er mehr oder weniger unfreiwillig seine Missetat. Doch zu Peters großem Erstaunen erwartet ihn von Klaras Großmama keine Strafe. Sie belehrt ihn lediglich, dass Gott seine Fehltat in ein Wunder verwandelt und er dafür Schuldgefühle bekommen habe. Der Alm-Öhi hat einen Wunsch an Herrn Sesemann: Wenn er einmal nicht mehr lebt, soll sich die Familie Sesemann um Heidi kümmern. Das wird freudig versprochen. Am Abend besuchen alle die Geißenpeterhütte, und die Familie Sesemann begrüßt Peters Großmutter. Ihre Befürchtungen, dass Heidi wieder nach Frankfurt gehe, werden zerstreut - und obendrein soll sie ein dickes, warmes Bett aus der großen Stadt erhalten. Zu guter Letzt lässt sich der Doktor aus Frankfurt im Dörfli nieder: Er renoviert das alte Herrenhaus, in dem der Alm-Öhi im Winter immer wohnt, und adoptiert Heidi, damit sie nach seinem und des Öhis Tode ausgesorgt haben wird.

Zum Text

Aufbau und Stil

Johanna Spyri knüpft an die chronologische Erzählweise des ersten Bandes an. Lediglich zwei kurze Zeitsprünge vom Herbst in den Winter und vom Winter in den Frühling bringen etwas Dynamik in die ansonsten ruhig dahinfließende Erzählung. Durch einen Kunstgriff gelingt es der Autorin, einen gesamten Handlungskomplex zu "recyceln": Zunächst schickt sie den Doktor auf die Alm, und die Erlebnisse des Arztes ähneln den späteren Erlebnissen von Klara. Der Winter bildet die Zäsur zwischen den beiden Besuch-auf-der-Alm-Episoden.

Interpretationsansätze

  • Auch der zweite Heidi-Band trägt Züge der christlichen Erbauungsliteratur: Gottvertrauen und das Gefühl, dass "alles schon recht wohl gerichtet werde", geben die Grundstimmung an. Die kleine Heidi ist ein Muster an Zuversicht und steckt damit alle an, die sich in ihrer Umgebung befinden, auch den oftmals mürrischen Geißenpeter.
  • Es gibt vermutlich kaum ein Buch, in dem so ausnahmslos freundliche Gestalten auftreten wie bei Heidi: Wirkliche Konflikte gibt es nicht, auch die wenigen Auseinandersetzungen zwischen Heidi und Peter laufen allesamt glimpflich ab. Charaktere mit Ecken und Kanten kommen nicht vor; selbst der Alm-Öhi, im ersten Band noch Einsiedler und Außenseiter, erscheint im zweiten Band rund geschliffen wie ein Flusskiesel.
  • Heidi verfügt über ein natürliches Maß an Einfühlungsvermögen - heute würde man wohl sagen, sie besitzt emotionale Intelligenz. Sie erkennt sofort, wenn es anderen schlecht geht, und setzt alles daran, ihre Mitmenschen aufzumuntern - worüber sie sogar ihren eigenen Kummer vergisst.
  • Es gibt im Buch einige auffallend autoritäre Erziehungsmaßnahmen, vor allem in Bezug auf den Geißenpeter: Sein Schulschwänzen wird vom Alm-Öhi mit Prügeln bedroht, was meist mit militärischem Ton einhergeht, und auch das Lesenlernen mit Heidi funktioniert nur unter fortwährender Androhung von Strafen.
  • Heidi mit Rückschrittlichkeit und miefigem Biedermeier zu identifizieren, würde zu kurz greifen. Schon der Titel Heidi kann brauchen, was es gelernt hat verrät, dass die kleine Heldin ihr Wissen nutzt (z. B. das Lesen, aber auch die religiösen Unterweisungen des ersten Bandes), um der Großmutter, dem Doktor und Klara Rat und Hilfe zu geben.

Historischer Hintergrund

Die Schweiz im 19. Jahrhundert

Seit Anfang des 19. Jahrhunderts veränderte sich die Schweiz tiefgreifend und wurde in Teilen zu einem der damals fortschrittlichsten Länder Europas. Das Ende der Grundherrschaften und der Zunftordnungen, der Eisenbahnbau und der zunehmende Fremdenverkehr erschütterten jahrhundertealte Sicherheiten und Gewohnheiten gerade in der bäuerlichen Welt und der Schicht des handwerklichen Mittelstandes. Schweizer Unternehmer beteiligten sich in vielen Branchen (Maschinenbau, Textilgewerbe, Feinmechanik) erfolgreich an der Industrialisierung und bauten Fabriken, vor allem im verkehrsgünstig gelegenen Umfeld der größeren Städte. Dieser wirtschaftliche Fortschritt lag in den Händen des Bürgertums, das konfessionell überwiegend protestantisch und weltanschaulich liberal war. In der republikanischen Schweiz war dieses Bürgertum auch gesellschaftlich tonangebend und politisch die wirklich führende Schicht - im Gegensatz zu den immer noch monarchischen Nachbarländern. Die Fortschrittsmedaille hatte aber auch eine Kehrseite: Landflucht, Entvölkerung vor allem der Gebirgsregionen und massenhafte Verarmung des Industrieproletariats. Zum Alltag der lohnabhängigen Schichten im 19. Jahrhundert gehörte Frauen- und Kinderarbeit, nicht nur in den Fabriken, sondern auch in den vielen Heimarbeiterfamilien etwa im Textilgewerbe. Auf der gesellschaftlichen Ebene führte diese Entwicklung zu einer starken Erschütterung der Werteordnung. Vielen Schweizern, vor allem in den ländlichen Gebieten, fiel es schwer, die raschen Umwälzungen zu verarbeiten. Ablehnung des Fortschritts, Kritik an der bürgerlichen Werteordnung mit ihren oft als heuchlerisch empfundenen Konventionen und im Gegenzug die Rückbesinnung auf die "gute alte Zeit" finden sich vielfach in der helvetischen Literatur, etwa bei Jeremias Gotthelf um 1830, und klingen auch 50 Jahre später noch deutlich bei Johanna Spyri an. Vor allem die in Religion und Frömmigkeit tief verwurzelten Menschen beklagten den Verlust der alten Werte und verklärten die vorrevolutionäre Ständeordnung und die naturnahe bäuerliche Lebenswelt als einen Zustand, in dem "die Welt noch in Ordnung war".

Entstehung

Für Johanna Spyri war die Aufnahme ihrer schriftstellerischen Tätigkeit ein Versuch, der deprimierenden Einförmigkeit ihres Daseins als Ehefrau zu entrinnen. Bei der Veröffentlichung ihrer ersten Erzählung, Ein Blatt auf Vronys Grab, war Spyri bereits 44 Jahre alt. Die Niederschrift und Veröffentlichung von Heidis Lehr- und Wanderjahre erfolgte mit Mitte 50. Der Entschluss zum Schreiben kam wohl nach einer Ferienreise nach Helgoland, die ihr neue Eindrücke und neue Bekanntschaften vermittelte. Die ersten Heidi-Ausgaben erschienen noch anonym. Das Buch wurde jedoch rasch ein großer Erfolg, sodass der Gothaer Verleger Emil Perthes, der damals eines der angesehensten Verlagshäuser in Deutschland besaß, auf Johanna Spyri aufmerksam wurde. Es gelang ihm, sie als Autorin zu gewinnen. Die Zusammenarbeit funktionierte offenbar gut. Fast alle Erzählungen Spyris sind Waisenkindergeschichten. Unter Perthes’ Einfluss erhielten Spyris zuvor etwas düstere Geschichten einen glücklicheren, versöhnlicheren Schluss. Perthes jedenfalls erkannte in Spyri das Potenzial einer kommenden Starautorin und band sie vertraglich fest an sich. Weil sich Heidis Lehr- und Wanderjahre so gut verkaufte, wünschten sich sowohl Leser als auch Verlag eine Fortsetzung. Und so schickte Spyri 1881 den Folgeband Heidi kann brauchen, was es gelernt hat nach. Diesmal aber nicht anonym, sondern unter ihrem richtigen Namen.

Wirkungsgeschichte

Auch der zweite Heidi-Band verkaufte sich erwartungsgemäß gut, sodass jährlich neue Auflagen mit rund 5000 Exemplaren folgten. Gelobt wurden die Bücher auch von den Kritikern: Religiöse Haltung, sittliche Reinheit und positive Weltanschauung waren die Ingredienzien eines empfehlenswerten Jugendbuchs - und die Heidi-Romane besaßen all diese Eigenschaften. Heidi wurde zum Weltbestseller: Eine französische und eine amerikanische Übersetzung erschienen schon 1882 und 1884, das Buch verbreitete sich schließlich weltweit in rund 50 Sprachen mit einer Weltauflage, die bis heute über 25 Millionen Exemplare erreicht hat.

Nach dem Ablauf der Urheberrechte 1931 nahm die Vermarktung der Heidi-Figur ungeahnte Formen und Größenordnungen an. Es erschienen Heidi-Derivate in Buchform (Heidi als Großmutter, Heidi als Detektiv) und es wurden unzählige Verfilmungen fürs Kino, später auch fürs Fernsehen produziert. Der Gipfel war eine 52-teilige japanische Zeichentrickserie. 2005 wurde auch ein Heidi-Musical in der Schweiz uraufgeführt. Außerdem wurde die Gegend um Bad Ragaz als "Heidiland" vermarktet. Nicht nur das ortsansässige Fremdenverkehrsgewerbe profitiert von diesem Rummel: Die Palette reicht vom "Heidi-Schnitzel" über zu besichtigende "Heidi-Höfe" bis hin zu "Heidi-Zahnputzbechern". Auch die Schweizer Milchwirtschaft oder die Swissair warben mit dem Heidi-Image; selbst nichtschweizerische Firmen bedienen sich dessen weltweit, wenn es darum geht, ein naturnahes Heile-Welt-Bild auf einen Begriff zu bringen. In der Tat ist "Heidi" ein international bekannter Markenbegriff wie Oktoberfest, Coca-Cola, Adidas, Micky Maus, McDonald’s ...

Über die Autorin

Johanna Spyri wird am 12. Juni 1827 in Hirzel im Kanton Zürich als viertes von sechs Kindern geboren. Ihr Vater Johann Jacob Heusser ist Arzt, ihre Mutter Meta Heusser-Schweizer entstammt einer pietistisch geprägten Pfarrersfamilie; sie betätigt sich schriftstellerisch und ist eine zu ihrer Zeit viel gelesene Autorin frommer protestantischer Schriften. Johanna wächst sowohl in Hirzel wie im nahe gelegenen Zürich auf, dort bei einer Tante. Ab 1844 besucht sie zwei Jahre lang eine Töchterschule im französischsprachigen Yverdon. 1852 heiratet sie den Zürcher Rechtsanwalt und Redakteur Johann Bernhard Spyri. Ihr einziges Kind, der Sohn Bernhard Diethelm, kommt 1855 zur Welt. 1868 wird Spyris Ehemann Stadtschreiber der Stadt Zürich, bekleidet also praktisch das Bürgermeisteramt. Die Spyris gehören somit zur gesellschaftlich und kulturell tonangebenden Schicht in Zürich. Die damals fortschrittlich-liberale Schweiz und besonders die Stadt Zürich sind ein Anziehungspunkt für Revolutionäre vor allem aus Deutschland und Italien, die vor den reaktionären Regimes in ihren Heimatländern fliehen und hier ein Asyl finden. Zu den prominentesten deutschen Asylanten zählen der Dresdner Architekt Gottfried Semper und der Komponist Richard Wagner. Wagner ist im Zürich jener Zeit eine Kultfigur wie heute ein Popstar; auch Johanna Spyris Mann zählt zu seinen Bewunderern. Trotz ihrer Teilnahme am geistigen Leben der Stadt sind die Spyris aber keineswegs sehr fortschrittlich gesinnt. Auch die Heidi-Bücher verklären geradezu die naturnahe, bäuerliche und fromme Schweiz der "guten alten Zeit". Johanna Spyris erste Erzählung, Ein Blatt auf Vronys Grab, erscheint 1871. Insgesamt schreibt Johanna Spyri an die 50 Erzählungen. Am erfolgreichsten und bis heute viel gelesen ist Heidis Lehr- und Wanderjahre sowie die Fortsetzung Heidi kann brauchen, was es gelernt hat. Im Mai 1884 verliert Johanna Spyri zunächst ihren 29-jährigen Sohn, ein halbes Jahr später ihren Gatten. Sie stirbt am 7. Juli 1901.

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