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Jürg Jenatsch

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Jürg Jenatsch

Eine Bündnergeschichte

Insel Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Der andere schweizerische Nationalheld neben Wilhelm Tell: Jürg Jenatsch kämpft für die Freiheit seines Landes.

Literatur­klassiker

  • Historischer Roman
  • Realismus

Worum es geht

Der andere Schweizer Nationalheld

Graubünden zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges: Das Land wird zum Spielball der europäischen Großmächte. Spanien und Österreich ebenso wie Frankreich und Venezien wollen die Bündner Alpenpässe erobern, die Landschaft Veltlin wird von den Spaniern besetzt. Volksheld Jürg Jenatsch, den Conrad Ferdinand Meyer zum Titelhelden seines Romans macht, versucht seiner vom Religionskrieg zerrissenen Heimat wieder zur Freiheit zu verhelfen – mit allen Mitteln. Meyer beschreibt den Lebensweg des Schweizers, der vom protestantischen Pfarrer zum Söldner und Freiheitskämpfer für Bünden wird. Dabei macht der Autor mit der Faszination dieser urwüchsigen Gestalt auch ihr Dilemma sichtbar: Jenatsch, der sich nach Frieden und Freiheit sehnt, kann seine politischen Ziele nur durchsetzen, indem er über Leichen geht. Am Ende verrät er sogar seine protestantischen Landsleute, indem er katholisch wird und sich mit den verhassten Spaniern verbündet. Die Geschichte um Jürg Jenatsch gehört zu den Gründungsmythen des Schweizer Kantons Graubünden. Conrad Ferdinand Meyer hat sie 1876 in diesem spannenden historischen Roman literarisch verewigt.

Take-aways

  • Jürg Jenatsch ist der bekannteste Roman des Schweizer Dichters Conrad Ferdinand Meyer. Erzählt wird die Geschichte eines historischen Volkshelden aus Graubünden.
  • Jürg Jenatsch kämpft im Dreißigjährigen Krieg für die Befreiung Graubündens, das wegen seiner strategisch günstigen Lage von Spanien und Österreich bedroht wird.
  • Er wirkt zunächst als protestantischer Pfarrer, wird aber durch die politischen Umstände dazu gebracht, sein Amt aufzugeben.
  • Das mehrheitlich protestantische Graubünden setzt sich gegen die katholische Fraktion im Land zur Wehr und Jenatsch wird in die Religionskonflikte hineingezogen.
  • Nach dem Tod seiner Frau wird er zum Anführer der aufständischen Bündner. Er tötet Pompejus Planta, das Oberhaupt der katholischen Fraktion.
  • Damit zerstört er die Aussicht auf eine Beziehung zu seiner Jugendliebe Lucretia, der Tochter von Pompejus.
  • Jürg Jenatsch kennt im Kampf für sein Vaterland kein Maß: Er verdingt sich als Söldner, erst bei den Schweden, dann in Venezien.
  • Später versucht er, Bünden mithilfe des Herzogs Heinrich Rohan und im Bund mit Frankreich zu befreien.
  • Als diese Pläne scheitern, macht er mit den Spaniern gemeinsame Sache. Graubündens Unabhängigkeit in den alten Grenzen wird schließlich wiederhergestellt.
  • Bei der Siegesfeier zu Jenatschs Triumph nimmt Lucretia späte Rache und erschlägt ihn mit einem Beil.
  • Der Autor setzt den Charakter des Helden aus vielen Puzzlestücken zusammen. Jeder Leser kann sich ein eigenes Bild des urwüchsigen Freiheitskämpfers machen.
  • Meyer verdeutlicht in dem Roman seine Haltung, dass Politik und Moral unvereinbar sind.

Zusammenfassung

Die Reise des Herrn Waser

Hermann Waser, ein junger Amtsschreiber aus Zürich, wandert durchs Bündnerland. Auf seinem Weg trifft er unerwartet einen alten Bekannten, den Freiherrn Pompejus Planta, der mit seiner Tochter Lucretia und dem Diener Lucas unterwegs ist. Der Adlige ist außer sich und berichtet, dass er in Bünden als Landesverräter verurteilt worden sei. Er beschimpft die Protestanten, die ihm, dem Oberhaupt der katholischen Partei, übel mitgespielt hätten. Sein Stammsitz, die Burg Riedberg, sei in Brand gesteckt worden. Jetzt wolle er Lucretia in einem Kloster in Sicherheit bringen. Planta errät, dass Waser seinen alten Schulfreund Jürg Jenatsch in seiner Pfarrei besuchen will, und urteilt, dieser sei ein böser Unruhestifter.

„Bündnerdinge! – Wer bei uns Politik treibt, setzt seinen Kopf ein. Das ist herkömmlich und landesüblich.“ (Jenatsch, S. 45)

Nachdem die Reisenden weg sind, entdeckt Waser in seinem Skizzenbuch eine Warnung von Lucretia an Jenatsch: „Giorgio, guardati“ (Jürg, hüte dich). Lucretia ist seit jeher eine gute Freundin von Jenatsch. 1615 ging das Mädchen sogar den weiten Weg nach Zürich, um dort Jürg, der ihr Spielkamerad war, in der Schule zu besuchen. Jürg schenkte Lucretia einen Becher für ihre Anhänglichkeit. Als Waser im ersten Engadinerdorf angekommen ist, erhält er im Hospiz keinen Platz, weil hohe Gäste erwartet werden. Deshalb quartiert er sich bei der Köchin ein. Zufällig belauscht er ein Gespräch zwischen Planta und einem Ritter. Waser erfährt, dass sein Freund Jenatsch in Gefahr ist.

Die Pläne des aufrührerischen Pfarrers

Am nächsten Tag wandert Waser ins Veltlin und kommt am Abend im kleinen Dorf Berbenn an. In die hiesige Pfarrei wurde sein Freund, der protestantische Pfarrer Jenatsch, strafversetzt. Waser wird von Jürg Jenatsch und dessen wunderschöner Frau Lucia herzlich aufgenommen. Mit Erstaunen sieht er jedoch, dass der Pfarrer den Degen wetzt, als wolle er sich für einen Kampf rüsten. Jenatsch erklärt, dass die politische Lage ihn zum Handeln zwinge. Das Land sei in Gefahr: Die Spanier seien von den Katholiken ins Veltlin geholt worden und würden Bünden militärisch als Durchzugsland nutzen, um gegen die deutschen Protestanten zu kämpfen. Leidenschaftlich schwört Jenatsch, dass er die Spanier verjagen werde, um Bünden die Freiheit zu bringen. Schon am nächsten Tag reiten die beiden Studienfreunde zur spanischen Festung Fuentes, um diese auszukundschaften; es gelingt ihnen jedoch nicht hineinzukommen. Am Comer See begegnen sie Herzog Heinrich Rohan, der in Frankreich den Frieden zwischen den Bürgerkriegsparteien wiederhergestellt hat. Jenatsch ist von dem Kriegsmann sehr angetan.

Jenatsch wird vom Pastor zum Soldaten

Als die Freunde ins Dorf zurückkehren wollen, rät ihnen Kapuzinerpater Pancratius davon ab. Doch Jenatsch will seine Frau nicht allein lassen und eilt nach Berbenn zurück. Dort treffen sie auf die Pastoren Fausch und Blasius Alexander. In einem plötzlichen Entschluss legen Jenatsch und Fausch ihre Pastorenröcke ab. Jenatsch erklärt, dass Bibel und Schwert nicht zusammenpassen. Er wird Soldat, Fausch will Zuckerbäcker werden. Plötzlich fällt ein Schuss: Lucia sinkt tödlich getroffen zu Boden. Ihr Bruder Agostino, ein verrückt gewordener Katholik, hat sie erschossen. Es kommt zu einem Tumult, weitere bewaffnete Katholiken greifen an, Jenatsch und seine Leute fliehen. Wie ein Racheengel trägt er seine tote Frau bis nach Bünden, wo er sie begräbt. Waser kehrt wieder nach Zürich zurück. Ein ereignisreiches Jahr vergeht: Jenatsch tötet den verhassten Pompejus Planta auf dem Riedberg. Die Österreicher fallen im Münstertal ein, die Spanier besetzen das ganze Veltlin. Auch Jenatschs Heldentaten können die Niederlage der aufständischen Bündner nicht verhindern. Blasius Alexander wird gefoltert und umgebracht. Jenatsch kann sich verstecken, er schließt sich dem schwedischen Grafen von Mansfeld an, um die deutschen Protestanten zu unterstützen.

Wiedersehen in Venedig

Zuckerbäcker Fausch schaut an einem Wintermorgen in Venedig den Gondeln zu. Direkt vor dem Dom steigt so manche verschleierte Dame aus. Vor allem eine hochgewachsene Gestalt hat es ihm angetan. Diese Dame wird auch von dem Adjutanten Wertmüller beäugt, der mit Herzog Rohan und dessen Familie in der Stadt weilt. Wertmüller lässt sich von Fausch einen Schluck Wein geben, als dieser einen neuen Gast empfängt: Es ist Jürg Jenatsch, der inzwischen als Hauptmann im Dienst Veneziens steht. Jenatsch berichtet seine schier unglaubliche Geschichte: In Dalmatien verfolgte er Seeräuber und brachte sie unblutig zur Strecke. Sein Vorgesetzter Marschall Grimani beorderte ihn dann zum Regiment nach Padua. Dort legte sich Oberst Ruinell mit ihm an: Er forderte ein Duell, nur weil er im Spiel verloren hatte. Jenatsch wollte partout nicht mit ihm kämpfen, doch der Oberst bestand darauf und starb. Jetzt droht Jenatsch die Todesstrafe.

„Der Geistliche hüte die Seelen, anders richtet er Unheil an.“ (Herzog Rohan, S. 63)

Herzog Rohan und sein Gefolge kommen in zwei prächtigen Gondeln an. Jürg Jenatsch ist überwältigt: Plötzlich meint er zu wissen, dass der Herzog dazu bestimmt sei, seine Heimat zu retten. Alles deutet schon jetzt darauf hin, dass Feldherr Rohan die französischen Truppen, die ihm unterstehen, nach Bünden bringen will, um Spanier und Österreicher zu vertreiben. Jenatsch will daher unbedingt mit dem Herzog sprechen. Er folgt der herzoglichen Familie in den Dom. Rohan erkennt den Bündner wieder und erklärt, dass er, genau wie Jenatsch, die Interessen Bündens vertreten wolle. Der Herzog ordnet an, dass Adjutant Wertmüller Jenatsch begleiten und ihn am Abend in seinen Palast führen soll.

Auch Lucretia ist in Venedig

Wertmüller zeigt Jürg Jenatsch einen Brief seines Vetters. Darin beschreibt dieser das Schicksal Lucretias, die in Mailand bei ihrem Onkel Rudolf lebe und von dessen Sohn und einem Neffen belästigt werde. Während eines solchen Übergriffs habe sie sich mit einem Dolch gewehrt und den Neffen verletzt. Lucretia suche nun Zuflucht in Venedig. Jürg Jenatsch geht diese Nachricht sehr nahe. Wenig später, als er mit Wertmüller die Gemächer des Herzogs betritt, kommt die Herzogin mit einer schönen Frau herein. Es ist die Dame, die Wertmüller zuvor von Weitem bewundert hat. Jenatsch, der sich noch im Hintergrund hält, sieht sofort, dass es sich um Lucretia handelt. Diese ist in Schwierigkeiten und bittet den Herzog um einen Freibrief, weil sie nach Bünden zurückkehren will. Jetzt erst gibt sich Jürg Jenatsch zu erkennen. Lucretia bricht fast zusammen, als sie ihn sieht: Sie steht ihrer Jugendliebe und dem Mörder ihres Vaters gegenüber. Nachdem die Herzogin Lucretia nach draußen geführt hat, beraten sich die Männer. Der Herzog will Jenatsch eine Chance geben, seine Tat wiedergutzumachen.

Jenatsch wird festgenommen

Doch kaum tritt er nach draußen, wird Jenatsch wegen des Duells mit dem Oberst festgenommen. Die Sache geht allerdings gut aus: Er findet im Herzog einen Fürsprecher und wird begnadigt. Bereitwillig stimmt sein Vorgesetzter Marschall Grimani Jenatschs Entlassung aus dem venezianischen Dienst zu. Allerdings warnt Grimani den Herzog eindringlich vor dem Bündner Hitzkopf: Er ist fest davon überzeugt, dass Jenatsch Oberst Ruinell getötet hat, um den Oberbefehl über eines der bündnerischen Regimenter zu bekommen, die Herzog Rohan gebildet hat. Dieser glaubt jedoch, dass Jenatsch durch und durch ehrlich ist. Grimani beurteilt die politische Lage und macht dem Herzog klar, dass er Probleme bekommen könnte, weil er nun zwischen Frankreich, vertreten durch Kardinal Richelieu, und Bünden stehe, das große Hoffnung auf ihn setze.

Lucretia rettet den Mörder ihres Vaters

Einige Zeit später: Lucretia ist in ihre Heimat zurückgekehrt. Eines Abends denkt sie an die aufregende Heimreise von Venedig nach Bünden. Adjutant Wertmüller und der treue Diener Lucas begleiteten sie. Unterwegs kam es zu einer folgenschweren Begegnung: Bei einer Rast in der Nähe der Festung Fuentes traf Lucretia auf Jürg Jenatsch, der sich in Gefangenschaft der Spanier befand. Lucretia rettete Jenatsch mit einem Trick das Leben; sie gaukelte den Spaniern vor, sie hätten den falschen Mann festgenommen. Mit Jenatsch zusammen reiste sie weiter, bis sie die Bündner Täler erreichten. Gemeinsam tranken sie dort Wasser aus dem kleinen Becher, den Jürg ihr als Kind geschenkt hatte, und Lucretia schwor ihren Rachegelüsten gegen den Mörder ihres Vaters ab. Jenatsch setzte sich dafür ein, dass sie die Burg Riedberg zurückerhielt.

Herzog Rohan befreit Bünden

Herzog Rohan vertreibt die Spanier und die Österreicher aus dem Veltlin. Dabei kämpfen die Protestanten aus Bünden Seite an Seite mit den französischen Katholiken. Jenatsch ist zum wichtigsten Ratgeber des Herzogs aufgestiegen. Die Bündner haben ihren Feldherrn so ins Herz geschlossen, dass sie ihn nur „den guten Herzog“ nennen. Rohan setzt zusammen mit den Bündnern den Vertrag von Chiavenna auf: Das Veltlin soll an Bünden zurückgegeben und die Einheit des Landes wiederhergestellt werden. Den Franzosen werden bis zum endgültigen Frieden gewisse Zugeständnisse gemacht, z. B. was die Hoheit über die Bergpässe betrifft. Trotz dieser Erfolge plagen den Herzog Sorgen, denn er kann den Sold der Truppen nicht zahlen. Frankreich hat kein Geld mehr geschickt. Der Feldzug hat ihn darüber hinaus ausgelaugt: Schon geht das Gerücht um, er sei gestorben.

Unruhe unter den Bündnern

Obwohl sich das Gerücht von seinem Tod als falsch erweist, ist den Bündnern klar: Der Herzog ist geschwächt. In Thusis wollen sich die Befehlshaber der Bündner Truppen mit ihm treffen. Sie haben ihre Leute von der Bewachung der Grenzübergänge abgezogen. Die Soldaten werden unruhig: Der Vertrag von Chiavenna ist noch immer nicht unterzeichnet, weil Kardinal Richelieu den Herzog hinhält. Gleichzeitig wird kein Sold mehr bezahlt. Die anfängliche Euphorie ist verflogen. Jenatsch, der in Thusis eintrifft, durchschaut die Lage. Er versucht die Gemüter zu beruhigen und verbürgt sich mit seinem Vermögen dafür, dass die Soldaten ihr Geld erhalten werden. Beim Herzog muss er später erfahren, dass der Vertrag, der Bünden die Wiederherstellung der alten Grenzen zusichert, abgeändert werden soll. Kardinal Richelieu fordert, dass weiterhin französische Besatzungstruppen im Land bleiben. Jenatsch ist entsetzt und befürchtet, dass Bünden Frankreich dann ausgeliefert ist. Der Herzog sieht vor allem sein persönliches Ehrgefühl verletzt und würde am liebsten noch am gleichen Tag abdanken. Doch Jenatsch beschwört ihn, das nicht zu tun.

Die Lösung: Ein Bündnis mit Spanien

Jenatsch überlegt, was er nun tun soll. Bünden wird nie frei werden, wenn es unter Frankreichs Macht fällt, und der schwache Herzog ist nicht in der Lage, die Interessen des Landes durchzusetzen. Rohan ist mit seiner edlen Gesinnung machtlos gegen die Ränke Richelieus – und Jenatsch hasst ihn dafür. Doch plötzlich hat er eine Eingebung: Wenn der geplante Weg nicht gegangen werden kann, dann muss er eben einen anderen einschlagen, auch wenn er dafür den Herzog verraten muss. Jürg Jenatsch beschließt, sich mit Spanien zu verbünden. Unterstützt wird er in dieser Entscheidung durch einen Brief von Pater Pancratius, der in Mailand erfahren hat, dass die Spanier den Bündnern viel bessere Bedingungen anbieten können. Jenatsch ruft seine Landsleute zur Ruhe auf und lädt sie für den kommenden März zu einem Treffen nach Chur ein.

Der Verrat

Jürg Jenatsch nutzt Herbst und Winter, um seinen Plan umzusetzen. Er schickt Lucretia nach Italien, damit sie dort die Unterhandlungen mit den Spaniern führt. Um seinen Sinneswandel glaubhafter zu machen, tritt Jenatsch zum Katholizismus über. Es gelingt ihm einigermaßen, die Verschwörung geheim zu halten. Nur Wertmüller hört von den Gerüchten, Jenatsch verhandle mit den Spaniern. Doch der Herzog vertraut ihm blindlings – bis er im Frühjahr den Tatsachen ins Auge sehen muss: Jenatsch lässt den zutiefst enttäuschten Herzog festnehmen, die französischen Truppen müssen Bünden verlassen. In Mailand wird der Vertrag mit den Spaniern unterzeichnet, der Bünden die Freiheit bringt. Jenatsch wird in Chur als Volksheld gefeiert. Auf die Nachricht hin, dass Herzog Rohan gestorben ist, soll die Siegesfeier abgesagt werden. Jenatsch aber besteht auf seinem großen Fest.

Späte Rache

Auch Lucretia hat sich auf den Weg nach Chur gemacht. Sie sieht ihr Leben als verfehlt an, weil sie ihren toten Vater noch immer nicht gerächt hat. Auf der Siegesfeier ist Jürg Jenatsch plötzlich umringt von einer Mordbande unter Führung Rudolfs, Lucretias Onkels. Auch der treue Diener Lucas will den Tod von Pompejus Planta rächen, doch es gelingt ihm nicht, Jenatsch schlägt ihn nieder. Da nimmt Lucretia dem Sterbenden das Beil aus der Hand, mit dem ihr Vater erschlagen wurde, und tötet Jenatsch. Dieser erhält ein Ehrenbegräbnis. Der Mord an ihm kommt nicht vor Gericht, da ein Bürgerkrieg zwischen den beteiligten Parteien verhindert werden soll.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der historische Roman Jürg Jenatsch besteht aus den drei Großkapiteln „Die Reise des Herrn Waser“, „Lucretia“ und „Der gute Herzog“. Zwischen den Kapiteln liegen Zeitsprünge von mehreren Jahren. Innerhalb der einzelnen Teile wechselt die Erzählperspektive ständig. Jenatsch und seine Taten werden von mehreren Berichterstattern kommentiert, sein widersprüchlicher Charakter steht dabei im Mittelpunkt. Das macht einen Großteil der Spannung aus, irritiert aber auch. Denn letztlich bleibt die Figur Jenatsch im Dunkeln. Ist er ein grausamer Mörder, ein Verräter und Opportunist? Ein zärtlicher Ehegatte, der den Tod seiner jungen Frau endlos betrauert? Oder doch ein selbstloser Retter des Vaterlands? Zu den Hauptfiguren, die in allen drei Kapiteln auftauchen, gehören Heinrich Waser, Lucretia, Herzog Rohan und dessen Adjutant Wertmüller. Der Erzählfluss wird immer wieder von Augenzeugenberichten, Briefen und Rückblenden unterbrochen. Meyers Stil ist oft feierlich, manchmal aber auch ironisch. Die grandiosen Naturschilderungen spiegeln die inneren Kämpfe der Figuren wider („Überall schwarze drückende Massen des Gebirges und der Wolken. ... Immer noch saß Lucretia am Turmfenster und hörte ratlos und ohne klare Gedanken dem dumpfen Rauschen des Rheins zu.“).

Interpretationsansätze

  • C. F. Meyers Roman Jürg Jenatsch ist eine brillante psychologische Studie. Sie zeigt die Hauptfigur im Konflikt mit einer Gesellschaft, die widersprüchliche Erwartungen an ihn hat. Jenatsch wird so zum Helden und Komödianten, zum Machtmenschen, Verräter und Opportunisten.
  • Meyer bricht das dramatische Geschehen immer wieder durch seine differenzierte ironische und humoristische Darstellung und durch die verschiedenen Perspektiven, in denen Jürg Jenatsch gezeigt wird. Nicht die Chronologie der historischen Ereignisse steht im Vordergrund, sondern die beispielhafte Demonstration von Konflikten, in denen sich die Hauptfiguren befinden.
  • Jürg Jenatsch ist ein historischer Roman. Zwar recherchierte der Autor viele Details genau, er nahm sich aber auch einige dichterische Freiheiten heraus. So ist z. B. die Beteiligung von Pompejus Plantas Tochter Lucretia an der Ermordung Jenatschs eine Legende, keine historische Tatsache.
  • Der Roman ist stark von Gegensatzpaaren geprägt: Liebe und Hass, Geist und Tat, Diplomatie und Revolution, Bürger und Soldat, romanische und germanische Kultur stehen sich gegenüber.
  • In Meyers Geschichtsverständnis wird der Gang der Historie stark von einer schicksalhaften Macht geprägt. Der Mensch ist nur bedingt fähig, Einfluss zu nehmen. Das Schicksalsmotiv durchzieht den Roman und begleitet die Entwicklung von Jürg Jenatsch.
  • Meyers Roman hat einen autobiografischen Hintergrund, da der Autor darin auch die Spannungen seiner eigenen Existenz darstellt. Er beschreibt die Sehnsucht, sich mit Gewalt aus äußeren und inneren Zwängen zu befreien.

Historischer Hintergrund

Schweizer Volksheld und deutsche Reichsgründung

Für den Schweizer Schriftsteller Conrad Ferdinand Meyer war der Reichskanzler Otto von Bismarck, der die deutschen Staaten 1871 zum Deutschen Reich einte, eine der Lichtgestalten seiner Zeit. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Meyers Held Jürg Jenatsch Züge Bismarcks trägt – auch wenn der Autor befürchtete, dass die Leser diese Analogie kaum bemerken würden.

Das zunehmende Selbstbewusstsein der Nationen veränderte im 19. Jahrhundert die Auseinandersetzung mit der Geschichte. Viele Zeitgenossen sahen in Jenatschs Freiheitskampf, der ja schon Jahrhunderte zurücklag, Parallelen zu aktuelleren nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen. (Graubünden selbst war übrigens erst 1803 zum 15. Kanton der Eidgenossenschaft geworden.) Das 19. Jahrhundert entdeckte die Geschichte neu. Der Wissenschaftler Leopold von Ranke revolutionierte die Geschichtsschreibung, indem er seine Forschungen wann immer möglich auf ursprüngliche Quellen stützte. Das gesteigerte Interesse an vergangenen Zeiten machte sich auch auf dem Buchmarkt bemerkbar: Historische Romane über verdiente Persönlichkeiten hatten Hochkonjunktur. Neben Conrad Ferdinand Meyer gelten Gottfried Keller und Jeremias Gotthelf als die bedeutendsten Schweizer Schriftsteller der Epoche des Realismus im 19. Jahrhundert.

Entstehung

Fast 30 Jahre lang setzte sich Conrad Ferdinand Meyer mit der Figur des Jürg Jenatsch auseinander. Er vertiefte sich gerne in vergangene Zeiten; die „brutale Actualität zeitgenössischer Stoffe“ war ihm fremd. 1853 las er während einer Reise zum ersten Mal Louis Vulliemins Geschichte der Eidgenossen während des 16. und 17. Jahrhunderts. Er entdeckte darin seinen Helden Georg Jenatsch (1596–1639). Dieser kämpfte im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) für die Unabhängigkeit Graubündens, das wegen seiner strategisch günstigen Lage von Spanien und Österreich bedroht war.

In frühen Schreibversuchen, die nicht erhalten sind, wollte Meyer den Stoff noch dramatisch bewältigen. Eine dreimonatige Reise nach Graubünden im Jahr 1866 diente ihm wohl als Inspiration. An seinen Freund, den Verleger Hermann Haessel, schrieb er, dass ihn „so etwas wie eine historische Novelle aus der wundersamen Graubündner Geschichte des 17. Jahrhunderts, als diese mit der ganzen europäischen in Berührung stund, auf Schritt und Tritt“ begleite. Meyer begann seine Version der Bündner Geschichte auszuformulieren, doch die Fülle des historischen Stoffes ließ ihn immer wieder kapitulieren. Eine Reise nach Venedig gab ihm 1872 die nötige Motivation, sich weiter mit dem Stoff zu beschäftigen.

1874 erschien der Roman in Fortsetzungen zunächst als Vorabdruck in der Zeitschrift Die Literatur. Für die Buchbearbeitung brauchte Meyer weitere zwei Jahre. 1876 wurde der Roman in seiner endgültigen Form unter dem Titel Georg Jenatsch publiziert, einige Jahre später wurde das Werk auf Verlangen des Verlegers in Jürg Jenatsch umbenannt.

Wirkungsgeschichte

Es dauerte eine Weile, bis Meyers Jürg Jenatsch ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rückte. Heute geht die Auflage des Romans in die Hunderttausende. Jürg Jenatsch ist das bekannteste und das meistverbreitete Buch des Autors. Für viele Schweizer Jungen war es – vergleichbar mit den Karl-May-Büchern in Deutschland – früher ein absolutes Muss, den Roman zu kennen. Denn Graubünden mit seinen tapferen Bürgern und Bauern, die sich gegen fremde Mächte zur Wehr setzten, galt als typisch für den Kampf der Schweizer um Eigenständigkeit.

Meyers Schriftstellerkollegen Gottfried Keller und Theodor Storm lobten den Roman sehr. Keller schätzte Jürg Jenatsch wegen seiner Komposition und der tragischen Elemente. Storm bewunderte die Leistung des Kollegen, die große Stoffmenge bewältigt zu haben. Die Schlussszene mit der Ermordung Jenatschs durch Lucretia stieß dagegen auf Kritik. Storm missfiel die „Fleischhauertat“ Lucretias. Auch Keller konnte dem „unweiblichen Beilhieb des Frauenzimmers“ nichts abgewinnen. Ausgerechnet in der Heimat des Volkshelden hatte Jürg Jenatsch übrigens keinen Erfolg: In der ladinischen (eine Form des Rätoromanisch) Zeitung Il Progress erschien 1880 eine Übersetzung des Romans in Fortsetzungen, die aber bald eingestellt werden musste: „Massa lungurus“ (zu langweilig), lautete das Urteil der Leser. 1893 kam in Zürich eine dramatische Bearbeitung des Stückes von Richard Voß zur Aufführung. In Graubünden sind Berghütten, Hotels, Straßen und Pfadfindergruppen nach Georg Jenatsch benannt.

Über den Autor

Conrad Ferdinand Meyer wird am 11. Oktober 1825 als Sohn einer großbürgerlichen Familie in Zürich geboren. Seine sorglose Kindheit nimmt mit dem Tod des Vaters 1840 ein jähes Ende. Die fromme calvinistische Mutter will ihren Ältesten an sich binden. Conrad leidet zunehmend unter Depressionen und verschlechtert sich in der Schule. Später scheitert er an einem Jurastudium. 1852 findet seine Lebenskrise ihren Höhepunkt. Meyer wird in eine Nervenheilanstalt bei Neuenburg eingeliefert. Erst nach dem Tod der Mutter (sie begeht 1856 Selbstmord) gelingt es ihm, sich von ihren Ansprüchen frei zu machen. Er geht jetzt konsequent seinen literarischen und historischen Ambitionen nach, was ihm durch eine Erbschaft erleichtert wird, die ihn finanziell unabhängig macht. Gemeinsam mit seiner Schwester Betsy unternimmt er Reisen nach Paris und Italien, wo sich seine Liebe zur Klassik und Renaissance bildet. Langsam stellt sich die öffentliche Anerkennung für Meyers Novellen und Balladen ein. Besonders seine Versdichtungen, darunter Huttens letzte Tage (1871), machen ihn auch in Deutschland bekannt. Meyer heiratet erst mit fast 50 Jahren. Seine Frau Luise Ziegler stammt aus einer der führenden Zürcher Familien; durch die Hochzeit erlangt er gesellschaftliches Ansehen. Berühmt werden neben dem Roman Jürg Jenatsch (1876), der Meyer den Durchbruch als Autor bringt, die Novellen Der Schuss von der Kanzel (1878) und Gustav Adolfs Page (1882). Die Sammlung Gedichte lässt Meyer zu einem der wichtigsten deutschsprachigen Lyriker werden, besonders beliebt sind Der römische Brunnen, Wetterleuchten und Schwarzschattende Kastanie. 1891 wird Meyer erneut wegen Depressionen in eine Heilanstalt eingeliefert. Er erholt sich nicht mehr und wird bis zu seinem Tod am 28. November 1898 in seinem Haus in Kilchberg bei Zürich von Frau und Tochter gepflegt.

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