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Tom Jones

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Tom Jones

Die Geschichte eines Findlings

Manesse,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Hier darf gelacht werden: Das Buch ist ein Gründungswerk der modernen Romanliteratur und eine herrliche, zutiefst menschliche Komödie.

Literatur­klassiker

  • Bildungsroman
  • Aufklärung

Worum es geht

Ein hinreißend komischer Roman

Steven Spielberg, einer der großen Geschichtenerzähler unserer Zeit, hat einmal gesagt, man müsse den Inhalt jeder guten Geschichte in einem Satz oder zumindest in ganz wenigen Sätzen zusammenfassen können. Nun denn: Das 1600-seitige Buch handelt von einem perfekten jungen Liebespaar, dessen Heirat jedoch aus Standesdünkel, Egoismus und Eifersucht von verschiedenen Seiten zu verhindern versucht wird. Spannung und Komik sorgen dafür, dass sich Tom Jones seit über 250 Jahren als Meilenstein der Romanliteratur frisch und lebendig erhalten hat. Henry Fielding zeichnet die Stärken und Schwächen seiner Figuren mit ebenso viel Liebe und Anschaulichkeit wie Menschenkenntnis, wodurch sie allesamt sehr lebensnah wirken. Zudem sind die Konflikte, denen sich der mit dem Makel des unehelichen Kindes behaftete Tom Jones und die engelgleiche Sophia Western ausgesetzt sehen, nicht nur emotionaler Natur. Sie entspringen vor allem den Vorurteilen einer heuchlerischen und habgierigen Gesellschaft. Auch sie wird in ihren Verhaltens- und Denkweisen sofort greifbar, wenn Fielding ihr mit großer Weltkenntnis, jedoch ohne jede Polemik den Spiegel vorhält. Tom Jones ist mit Sicherheit einer der unterhaltsamsten Romane der Weltliteratur.

Take-aways

  • Tom Jones ist eines der beliebtesten Werke humoristischer Literatur und ein Meilenstein in der Entwicklung des modernen Romans.
  • Henry Fielding thematisiert darin als Erster die von Standesunterschieden geprägte gesellschaftliche Wirklichkeit seiner Zeit.
  • Das Findelkind Tom Jones verliebt sich in die Nachbarstochter Sophia Western – und sie sich auch in ihn.
  • Der Verbindung werden aber viele Hindernisse in den Weg gelegt, die hauptsächlich dem Standesdenken der damaligen Zeit zuzuschreiben sind.
  • Doch auch Tom ist nicht ganz unschuldig, da er so mancher amourösen Versuchung erliegt.
  • Weil er Intrigen zum Opfer fällt, wird er von zu Hause verjagt. Sophia wehrt sich gegen alle Versuche, sie ohne Rücksicht auf ihre Gefühle zu verheiraten.
  • Unabhängig voneinander fliehen beide nach London, wo sie Missverständnissen, Verwechslungen und neuen Intrigen ausgesetzt sind.
  • Erst als das Geheimnis um Tom Jones’ Herkunft enträtselt wird, lösen sich die Probleme in Luft auf, und das Paar kann heiraten.
  • Fielding war zunächst ein erfolgreicher Bühnenautor, bevor er sich wegen einer Theaterzensur der Romandichtung zuwandte.
  • Anhand zahlreicher Nebenfiguren im Roman nimmt er verbohrte Denkweisen und starre gesellschaftliche Konventionen satirisch aufs Korn.
  • In einigen Kapiteln reflektiert der Erzähler bewusst seinen neuen Ansatz in der Kunst des Erzählens.
  • Die ironischen Formulierungen und der sehr menschliche Humor haben dem Werk bis heute seine Frische und Lebendigkeit erhalten.

Zusammenfassung

Die Erziehung des jungen Tom Jones

Tom Jones ist ein Findelkind: Als Baby wird er eines Abends von Mr. Allworthy, einem vermögenden Landedelmann, in dessen eigenem Bett entdeckt. Da Mr. Allworthy selbst keine Kinder hat, nimmt er sich des Jungen großherzig an. Allworthys Bedienstete und seine ebenfalls im Haus lebende Schwester, Miss Bridget, finden schnell heraus, dass die Kindsmutter Jenny Jones sein muss, eine zwar nicht hübsche, aber kluge junge Frau, die sich als Dienstmagd des Schullehrers Partridge eine gewisse Bildung angeeignet hat. Dieser wird nun als Vater des Kindes verdächtigt. Obwohl die Schuld der beiden gar nicht feststeht, werden Partridge und Jenny Jones von Allworthy, der auch das Amt des Friedensrichters bekleidet, des Bezirks verwiesen. An dem jungen Tom jedoch hat Allworthy seine helle Freude und zieht ihn wie einen eigenen Sohn auf.

„Ein Autor sollte sich nicht als einen Herrn betrachten, der einen privaten oder mildtätigen Schmaus gibt, sondern vielmehr als einen, der eine öffentliche Garküche unterhält, in der alle Menschen um ihres Geldes willen willkommen sind.“ (Bd. 1, S. 13)

Im Hause Allworthy steht noch eine weitere Veränderung an: Die schon etwas reife Miss Bridget heiratet einen Bekannten ihres Bruders, Mr. Blifil. Der ehemalige Offizier gibt den religiösen Schwärmer und gewinnt dadurch Miss Bridgets Zuneigung. In Wirklichkeit hat er es aber nur auf Mr. Allworthys Besitz abgesehen. Blifils vorzeitiger Tod verhindert allerdings diesbezügliche Konflikte. Immerhin entspringt dieser Ehe ein Sohn: der junge Blifil. Mr. Allworthy lässt seinen Neffen gemeinsam mit dem nur wenig älteren Tom von einem strengen, an starren christlichen Konventionen orientierten Hauslehrer namens Mr. Thwackum erziehen.

Tommys Liebschaften

Zu einem stattlichen, gut aussehenden und beherzten jungen Mann herangewachsen, erfreut sich Tom Jones allgemeiner Beliebtheit. Unglücklicherweise ist der durchtriebene, bettelarme Wildhüter George Seagrim sein bester Freund. Bei einer Wilddieberei Seagrims auf dem angrenzenden Landgut der Familie Western wird Tom zwar nicht zum Mittäter, aber immerhin zum Mitwisser. Trotz schmerzhafter Züchtigungen steht er in unverbrüchlicher Treue zu seinem Freund und dessen Familie und verrät ihn nicht. Toms Ziehvater, der ehrenwerte Mr. Allworthy, der Konflikte immer sehr gerecht und möglichst unvoreingenommen abwägt und auch die menschliche Seite nie vergisst, findet Toms Verhalten zwar nicht korrekt – daher lässt er die Stockhiebe des Hauslehrers zu –, aber er rechnet Tom die Treue zu Seagrim als Charakterfestigkeit hoch an und schenkt ihm zum Ausgleich für die Züchtigung ein Pferd.

„Tom sagte, er verachte eine Lüge so sehr wie jeder andre, er habe aber geglaubt, seine Ehre verpflichte ihn, so zu handeln, wie er es getan, denn er habe dem armen Kerl versprochen, ihn zu verhehlen.“ (Bd. 1, S. 162)

Auch bei Allworthys impulsivem Gutsnachbarn Mr. Western, einem leidenschaftlichen Jäger, ist Tom beliebt, denn er hat sich „durch Sprünge über Zauntore und andre weidmännische Taten“ als Jagdkamerad empfohlen. Während er bei Western in gutnachbarlicher Manier ein- und ausgeht, übersieht Tom zunächst die aufkeimende Liebe von dessen engelhafter Tochter Sophia. Seine eher von körperlicher Lust geprägte Liebesbeziehung zu Seagrims Tochter Molly ist der Grund für diese anfängliche Gefühlsblindheit. Es dauert allerdings nicht lange, bis Tom entdeckt, dass er keinesfalls der einzige Liebhaber der Wildhütertochter ist. Eines Tages bricht er sich den Arm bei dem allseits als heldenhaft angesehenen Versuch, Sophias entflogenes Lieblingsvögelchen wieder einzufangen. Mr. Western und seine Tochter besuchen den Kranken sehr häufig, und ohne dass es sonst jemand bemerkt, verlieben sich die beiden jungen Menschen ineinander.

Toms Blamage

Mr. Allworthy wird schwer krank. Den Tod vor Augen, teilt er den Hausgenossen seine testamentarischen Verfügungen mit. Daraus geht hervor, dass sein Neffe, der junge Blifil, sein Haupterbe ist und dass auch Tom ausreichend mit Geld und einer Rente versorgt werden soll.

„Sophia verfügte in ihrem Wesen trotz eines höchsten Maßes an Unschuld und Bescheidenheit über eine beträchtliche Lebhaftigkeit. Diese steigerte sich erheblich, wenn sie in Toms Gesellschaft war, und wäre er nicht so jung und gedankenlos gewesen, hätte er es auch bemerken müssen.“ (Bd. 1, S. 218)

Kurz darauf gelingt es Molly Seagrim beinahe, Tom während eines Spaziergangs noch einmal zu verführen. Die äußerst zweideutige Szene im Gebüsch wird zunächst von dem jungen Blifil und dem Hauslehrer, der Tom noch nie wohlgesinnt war, beobachtet. Dann wird auch noch die zufällig vorbeikommende Familie Western Zeuge der Situation. Molly verschwindet unerkannt, Sophia fällt in Ohnmacht. Aufgrund einer Missinterpretation dieser Ohnmacht leitet Mr. Westerns Schwester, Mrs. Western, eine Verlobung zwischen dem jungen Blifil und Sophia ein. Alle sind von dieser bevorstehenden Vereinigung „paritätischer Vermögen“ begeistert – mit Ausnahme der unmittelbar Betroffenen. Der temperamentlose, berechnende junge Blifil weiß nicht, wie er sich Sophia nähern und sie für sich einnehmen soll. Tom wiederum hat sich mit der Affäre im Gebüsch vor aller Augen und vor allem vor Sophia blamiert. Seine bisher allseits geschätzten menschlichen Qualitäten spielen bei der älteren Generation keinerlei Rolle mehr. Diese beurteilt die Eheanbahnung ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Standesgemäßheit und der künftigen Vereinigung zweier Vermögen. Sophia ist zutiefst unglücklich und im Hass auf Blifil verbittert.

Zweimal Familienstreit

Alles tränenreiche Flehen gegenüber ihrem Vater, der seiner reizenden Tochter bis dahin jeden Wunsch erfüllt hat, nützt Sophia nichts. Im Gegenteil, ihr Verhalten steigert Mr. Westerns Wut auf seinen ehemaligen Jagdfreund Tom, in dem er nun nur noch den „Bankert“, das uneheliche Kind, sieht. Vom Vater in ihrem Zimmer eingesperrt, plant Sophia mithilfe ihrer Zofe die Flucht.

„In dieser Sache spielte Molly, sage ich, ihre Rolle so gut, dass Jones die Eroberung gänzlich sich selbst zuschrieb und die junge Frau als eine ansah, die sich den heftigen Attacken seiner Leidenschaft ergeben hatte.“ (Bd. 1, S. 230)

Mr. Allworthy, wieder genesen, wirft Tom, der von Blifil bei seinem Ziehvater angeschwärzt wurde, aus dem Haus, immerhin versehen mit 500 £, die ihm aber von George Seagrim sogleich abgeluchst werden. Tom erwägt, zur See zu gehen, traditionell die letzte Zuflucht der vom Glück Verlassenen. Auf dem Weg in die Hafenstadt Bristol verläuft er sich jedoch. Dann trifft er auf einen Trupp Soldaten, die ihn anwerben wollen. Schließlich begegnet er dem ehemaligen Schullehrer Partridge, der inzwischen Barbier und Wundarzt ist. Partridge fällt vor allem dadurch auf, dass er seine meist recht banalen Aussagen äußerst umständlich vorträgt und mit lateinischen Klassikerzitaten würzt, womit seine Halbbildung umso deutlicher und peinlicher zum Ausdruck kommt. Doch Tom Jones gegenüber erweist er sich als sehr ergeben und folgt ihm auf dessen weiterer Wanderschaft über Gloucester in Richtung Upton.

Missverständnisse über Missverständnisse

Am Ende einer von philosophischen Betrachtungen begleiteten Bergbesteigung bewahrt Tom in einer turbulenten Szene eine Dame vor einer Vergewaltigung – oder glaubt das zumindest – und geleitet sie in die nächstgelegene Ortschaft Upton. Dort kreuzen sich in einem Gasthof die Wege mehrerer Bekannter, allerdings dergestalt, dass sie sich entweder knapp verpassen, sich missverstehen oder einen falschen Eindruck erwecken. Es sieht z. B. aus, als teile Tom Zimmer und Bett mit Mrs. Waters, jener geretteten Dame. Davon erfährt die kurz darauf samt Zofe erscheinende Sophia, die tatsächlich von zu Hause geflohen ist. Sie zieht die falschen Schlüsse und reitet Hals über Kopf weiter, ohne Tom zur Rede gestellt zu haben. Wenig später erscheint auch noch der große Jäger, Mr. Western, liest seinerseits die Fährten falsch und kann sich nicht entscheiden, ob er lieber seiner Tochter nacheilen oder doch Tom bestrafen soll.

„Dass Sophia die klaren Anzeichen der Liebe bei Jones sah und Western nicht, kann daher nicht verwundern, wenn wir bedenken, dass der Gedanke der Liebe nie in des Vaters Kopf einging, wohingegen die Tochter derzeit an nichts andres dachte.“ (Bd. 1, S. 328)

Auf getrennten Pfaden und über Umwege erreicht jede der kleinen Reisegruppen schließlich London. Tom stellt unterwegs wieder einmal seine Großherzigkeit unter Beweis, als er einen vermeintlichen Wegelagerer, einen in Not geratenen Mann samt dessen Familie, aus großer Bedrängnis rettet, indem er ihm sein letztes Geld überlässt. Von ihm erhält Tom im Gegenzug Sophias verlorenes Notizbuch mit einem darin enthaltenen Bankwechsel, der bei der Übergabe Partridge entgegenflattert. Partridge kann der Versuchung kaum widerstehen, diesen Bankwechsel sogleich zu Bargeld zu machen, was der grundehrliche Tom jedoch niemals zulassen würde.

In London wird alles nur noch schlimmer

Sophia wird in London von ihrer Patentante Lady Bellaston, die von der Vorgeschichte keine Ahnung hat, gastfreundlich aufgenommen. Nachdem Tom Sophias Aufenthaltsort ausfindig gemacht hat, wird ein Zusammentreffen der beiden Liebenden von verschiedenen wohlmeinenden, aber schlecht informierten Damen zunächst verhindert. Lady Bellaston, eine ausgesprochene Dame der Halbwelt, hat indessen selbst ein Auge auf den hübschen Tom geworfen. Indem sie den praktisch mittellosen jungen Mann mit standesgemäßer Kleidung ausstaffiert, versucht sie ihn an sich zu binden und letztlich zu verführen. Gleichzeitig tut sie alles in ihrer Macht Stehende, um ihn von Sophia fernzuhalten. Dennoch kommt es durch einen Zufall zu einer kurzen Begegnung, und Tom kann Sophia das Notizbuch zurückgeben. Angesichts der Umstände und der missverständlichen Verhaltensweisen der Liebenden schwankt die Entwicklung ihrer Gefühle ständig zwischen dem Versuch, sich gegenseitig Vertrauen zu schenken, und tiefen Enttäuschungen hin und her. Sophia steht unter dem väterlichen Druck, Blifil zu heiraten, und Tom erweckt in seiner naiven Art immer wieder den Anschein, untreu zu sein.

Lady Bellastons Intrige

Tom lebt inzwischen bei einer gewissen Mrs. Miller, die mit ihren beiden Töchtern Mr. Allworthys Haus in London bewohnt und von seiner Jahresrente lebt. Mrs. Miller ist durch Allworthys frühere Erzählungen felsenfest von Toms gutem Charakter überzeugt. Dies umso mehr, als sich herausstellt, dass Tom mit dem „Wegelagerer“ einen ihrer Verwandten gerettet hat. Doch als Lady Bellaston Tom abends besucht und bis spät in die Nacht bleibt, fürchtet auch Mrs. Miller um den guten Ruf des Hauses, vor allem im Hinblick auf ihre Töchter. Schließlich zettelt Lady Bellaston erfolgreich eine umfangreiche Intrige an, um Tom in das denkbar schlechteste Licht zu rücken. In der Absicht, sie loszuwerden, schreibt er der freiheitsliebenden Dame einen Heiratsantrag – den diese natürlich sofort Sophia zuspielt.

Mrs. Westerns Intrige

Sophia ist verzweifelt. Ihre Lage verschlechtert sich noch, als Mr. Western in London erscheint. Wiederum sperrt er Sophia ein, um ihre Zustimmung zur Heirat mit dem jungen Blifil zu erzwingen. Ihre Tante, Mrs. Western, die ebenfalls nach London geeilt ist, befreit Sophia zwar und nimmt sie in ihre Obhut, aber nur um sie mit den Waffen einer Frau zu demselben Ziel zu bringen. Zuletzt kommen auch Mr. Allworthy und Blifil in London an. Sophia bleibt dank Allworthys Autorität zwar von väterlichen Zwangsmaßnahmen verschont, doch der Druck auf sie wächst gewaltig. Nun beginnt Mrs. Western plötzlich alles daran zu setzen, Sophia wenigstens mit einem Lord aus Lady Bellastons Bekanntschaft zu verkuppeln, wenn sie schon partout Blifil nicht heiraten will. Mrs. Western hält sich für eine große Politikerin, weil sie früher einmal in London gelebt und dort Einblick ins Ränkeschmieden der hauptstädtischen Gesellschaft gewonnen hat. Sophias Verheiratung mit einem Angehörigen des Hochadels treibt sie lediglich wegen des Prestigegewinns für ihre Familie voran. Auf Sophias Gefühle nimmt sie von Anfang an keinerlei Rücksicht. Bei dem Lord handelt es sich um einen stadtbekannten Lebemann. Immerhin vereitelt Mr. Westerns blanker Hass auf den Hochadel die Ambitionen seiner Schwester.

Tom Jones landet im Gefängnis – und vor dem Traualtar

Durch eine Verkettung unglücklicher Umstände gerät Tom in ein Duell und wird danach unter Mordanklage ins Gefängnis gebracht. Es sieht nicht so aus, als ob seine Freunde, allen voran Mrs. Miller und Partridge, ihm helfen könnten. Immerhin erholt sich der im Duell vermeintlich Erstochene wieder.

„Diese hervorragende Methode, mittels Mehrdeutigkeiten und Betrug eine Falschheit nur mit dem Herzen zu übermitteln, ohne die Zunge einer Unwahrheit schuldig zu machen, hat das Gewissen schon so manchen Erzbetrügers beruhigt.“ (Bd. 1, S. 508)

Schließlich taucht Mrs. Waters, die in Upton gerettete Dame, auf und sorgt nun für die Auflösung sämtlicher Rätsel: Sie selbst ist niemand anders als Jenny Jones – aber sie ist nicht die Mutter von Tom. Vielmehr hat sie der wahren Mutter, Miss Bridget Allworthy, damals geholfen, einen „Fehltritt“, aus dem ein uneheliches Kind hervorgegangen war, zu vertuschen. Tom ist also ebenfalls ein Neffe von Mr. Allworthy und ein Halbbruder von Blifil. Dieser hat die Umstände, das Durcheinander und die Sorgen während der schweren Krankheit von Mr. Allworthy zu seinen Gunsten genutzt: Miss Bridget hatte auf dem Totenbett Toms wahre Herkunft bekannt gegeben, doch Blifil unterschlug diese Information. Er wird von Mr. Allworthy davongejagt, während Tom in alle Rechte eingesetzt wird. Damit ist er nun auch endlich Mr. Westerns Wunschkandidat für die Heirat mit Sophia, die rasch vollzogen wird.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman Tom Jones ist in 18 so genannte Bücher zu jeweils ca. zehn Kapiteln gegliedert. Die Handlung wird im Wesentlichen chronologisch erzählt, es gibt einige wenige Rückblenden. Die einzelnen Kapitel sind ziemlich scharf voneinander abgegrenzt, fast wie aneinandergereihte Szenen eines Theaterstücks: In jeder „Kulisse“ tritt eine bestimmte Anzahl von Figuren auf, bestreitet Handlung und Dialoge, und dann folgt die nächste Szene bzw. das nächste Kapitel. In einem Vorwort stellt Fielding den Roman als einen Bericht dar, in dem er „wahrheitsgetreu“ aufzeichnen werde, was seinem Helden Tom Jones und den anderen Personen während einer bestimmten Zeit widerfahren sei. Dies ist nicht das letzte Mal, dass sich der Erzähler direkt an den Leser wendet: Er beendet auch mal die eine oder andere Szene mit den Worten, das Übrige sei nicht so wichtig oder würde den Leser langweilen. Noch deutlicher werden diese erzählerischen Eingriffe in den einleitenden Passagen zu den 18 Büchern oder Hauptkapiteln, in denen der Erzähler über allgemeine Themen reflektiert, die sich der Literaturtheorie, Gesellschaftstheorie oder Philosophie zurechnen lassen. Diese essayistischen Texte kommen aber ebenso amüsant und unterhaltsam daher wie die Erzählung der Haupthandlung um Tom Jones und Sophia Western. Die unübersehbaren, fast schon aufdringlichen Eingriffe des Erzählers ins Romangeschehen sind Fieldings wesentlicher Beitrag zur Entwicklung des Romans als literarischer Gattung. Die allgegenwärtige Ironie ist seine persönliche Handschrift. Erwähnenswert sind auch kuriose Kapitelüberschriften wie: „Was nach Meinung aller, die kein Herz haben, viel Lärm um nichts enthält“, oder: „Ein Kapitel, das, wenngleich kurz, manchem Auge Tränen entlocken könnte“.

Interpretationsansätze

  • Henry Fielding setzte sich ganz bewusst zum Ziel, den Roman als Gattung zu erneuern. Er wandte sich gegen die damals in England sehr populären sentimentalen Romane von Samuel Richardson. Fielding setzte diesen sein Konzept des humoristisch-realistischen Romans entgegen.
  • In Tom Jones thematisiert er die ständisch gegliederte Gesellschaft im England seiner Zeit und führt sie anhand lebensnah gestalteter Figuren vor. Dies gilt sowohl für das ländliche Umfeld der Familien Allworthy und Western als auch für die städtische Adelsgesellschaft in London, wohin die beiden Hauptfiguren fliehen.
  • Tom Jones wird als sympathischer, gutmütiger Naturbursche geschildert, der das Herz auf dem rechten Fleck hat. Obwohl sein Verhalten keineswegs frei von Fehlern ist, überwindet er alle Schwierigkeiten dank seiner Charakterstärke.
  • Sophia Western ist bei aller Zartheit ihres Äußeren der Inbegriff einer gefühlsstarken jungen Frau. Sie behauptet sich gegen alle Zumutungen ihrer Verwandtschaft, indem sie der Stimme ihres Herzens folgt, notfalls auch entgegen der Konvention.
  • Tom, Sophia und Mr. Allworthy repräsentieren Fieldings positives Menschenbild. In ihnen zeigt sich sein Glaube an die Vernunft und die Güte echter Gefühle. Das Gegenbild hierzu bilden Nebenfiguren, die eigensüchtige Ziele verfolgen. Fielding fällt über sie aber kein moralisches Urteil, er ironisiert lediglich ihr Verhalten.
  • Spannung und Komik des Romans beruhen vor allem auf dem Muster der Verwechslungs- und Missverständnis-Komödien, das Fielding als Theaterautor bestens vertraut war.

Historischer Hintergrund

Die Aufklärung in der englischen Literatur

Das Zeitalter der „Perückenträger“, in dem Henry Fielding lebte und in dem auch sein Roman spielt, ist heutigen Lesern überwiegend fremd geworden. Der moderne Mensch empfindet jene Zeit des Neoklassizismus und der Aufklärung gerne als „verzopft“. Dabei war gerade diese Epoche voller umwälzender Neuerungen und Entdeckungen: Die seefahrenden Nationen nahmen die ganze Welt in Besitz und in den Wissenschaften wurden die Grundlagen der modernen Naturforschung gelegt. Große wissenschaftliche Entdecker wie Huygens, Newton, Leibniz, Lavoisier oder Linné waren alle Perückenträger. Auch Henry Fielding war einer jener Neuerer – auf dem damals noch recht jungen künstlerischen Feld des Romanschreibens. Die herkömmliche Romanliteratur jener Zeit ähnelte eher dem, was wir heute allenfalls noch aus den Barockopern kennen: theatralische Haupt- und Staatsaktionen, mythologisch überhöhte Fürsten- oder Rittergestalten, allerlei Zauber und Dämonenspuk oder Handlungen, die von vornherein in einen antikisierenden Götterhimmel verlegt waren – im Großen und Ganzen reine Fantastereien, die nichts mit der Wirklichkeit gemein hatten. Diese Kunstform wurde für eine zunehmend an Naturwahrnehmung und an der Wirklichkeit orientierte geistige Avantgarde unglaubwürdig. Sie hatte etwas extrem Künstliches, dem der Trend der Zeit das natürliche Empfinden entgegensetzte.

Mit seinem bahnbrechenden Tom Jones fand Henry Fielding für die Romangattung neue Inhalte und neue erzählerische Darstellungsformen: Der Roman wurde zum Abbild und Spiegel der realen menschlichen Gesellschaft, wie man sie in Herrenhäusern und Bettlerhütten, in Spelunken und auf Maskenbällen antraf. Außerdem wurden in jener Zeit die Gefühle und Konflikte individueller Personen aus Fleisch und Blut erstmals zum Thema von Literatur. Fielding war in England der herausragende Vertreter der Aufklärung und des neuen Realismus in der Literatur.

Entstehung

Henry Fielding entstammte zwar einer adligen, aber keineswegs reichen Familie. Die ständige Suche nach Geldquellen, das Heiraten reicher Erben oder Erbinnen, Pfründen, das Leben auf Pump und die Schuldenberge derjenigen Adligen, die ihren Besitz nicht zusammenhalten konnten, klingen häufig auch in Tom Jones an. Es gehörte zur gesellschaftlichen Wirklichkeit jener Zeit, dass es sich für Standespersonen nicht schickte, schnöder Erwerbsarbeit nachzugehen. So war auch Fieldings Familie irgendwann so verarmt, dass Henry nichts anderes übrig blieb, als sich in London einen Job zu suchen. Er versuchte es zunächst in seinem angestammten Beruf als Anwalt, wurde dann aber Theaterleiter und ein durchaus erfolgreicher Stückeschreiber. Satire und Ironie waren seine besonderen Talente. Das wird auch auf jeder Seite von Tom Jones deutlich. Fieldings Werke waren hauptsächlich literarische, aber auch politisch-gesellschaftliche Parodien. Diese Art von politischem Kabarett war natürlich bei den staatstragenden, konservativen Kräften nicht erwünscht. Fielding karikierte u. a. in einer fiktiven Gaunerbiografie den damaligen Premierminister. Er war zwar nicht der einzige Satiriker Londons, aber ein Hauptauslöser für die vom Premierminister Robert Walpole 1737 erlassene Theaterzensur. Diese veranlasste Fielding, sich dem Romangenre zuzuwenden: Die Herkunft und Erfahrung als Bühnenautor sind seinen Texten deutlich anzumerken. Tom Jones ist neben den früheren Werken Shamela (einer Parodie auf Samuel Richardsons Erfolgsroman Pamela) und Joseph Andrews sein bedeutendstes und bekanntestes Werk.

Wirkungsgeschichte

Als er Tom Jones veröffentlichte, war Henry Fielding in der Londoner Literaturszene kein Unbekannter mehr; seine früheren Bücher und Bühnenstücke waren bereits beim Publikum erfolgreich. Auch Tom Jones wurde ein großer Erfolg und war ausgesprochen populär. Bereits nach einem Monat musste eine Nachauflage gedruckt werden. Das Echo bei der Kritik war gespalten. Edward Gibbon, der später durch seinen Geschichtsroman vom Verfall und Untergang des Römischen Reiches weltberühmt wurde, erkannte die epische Qualität und die literaturhistorische Bedeutung von Tom Jones. Samuel Johnson dagegen, eine Art Marcel Reich-Ranicki seiner Zeit, lehnte den Roman als oberflächlich ab. Er war ihm zu derb und es fehlte ihm der traditionelle belehrend-moralische Duktus. Zwei Generationen später fand Tom Jones aber nicht nur die Anerkennung der britischen Romantiker, allen voran die von Samuel Taylor Coleridge, ihrem bedeutendsten literaturkritischen Exponenten, sondern beispielsweise auch jene von Goethe, der Fieldings Einfluss auf den deutschen Roman rühmend hervorhob. Fieldings Neigung zum geistvoll-witzigen Formulieren entsprang sicherlich der spezifisch angelsächsischen Neigung zum Spotten und wirkte fort bis hin zu Oscar Wilde und darüber hinaus.

Die anhaltende weltweite Popularität gerade der angelsächsischen humoristischen Literatur verdankt sich dieser Tradition, die Fielding mitbegründet hat. Der Roman wurde 1963 unter dem sprechenden Titel Tom Jones – Zwischen Bett und Galgen mit großem Erfolg von Tony Richardson verfilmt, der damit einen Oscar für den „besten ausländischen Film“ erhielt. Die Hauptrollen spielten Albert Finney und Susannah York.

Über den Autor

Henry Fielding wird am 22. April 1707 auf dem Familiensitz seiner Mutter in der südenglischen Grafschaft Somerset geboren. Er entstammt dem englischen Landadel. Das gesellschaftliche Umfeld, in das die Romanhandlung von Tom Jones eingebettet ist, ist also ein Milieu, das Fielding sehr gut kennt, genauso wie das städtische Treiben in London, wo er als erwachsener Mann arbeitet und wo seine literarischen Werke entstehen. Der junge Fielding erhält eine standesgemäße Ausbildung; u. a. besucht er das berühmte Internat in Eton. Danach beginnt er eine Ausbildung als Anwalt und studiert anderthalb Jahre lang Rechtswissenschaften an der Universität Leiden in den Niederlanden. Nach dem Abbruch dieses Studiums betätigt er sich in London als Anwalt und heiratet 1734. Seine Frau Charlotte Cradock und seine erste Geliebte Sara Andrews gelten als Vorbilder für die Figur der Sophia Western im Roman Tom Jones. Das Ehepaar lebt zunächst in Dorset, doch nachdem die Mitgift aufgebraucht ist, muss Fielding selbst Geld verdienen. Er tut dies in London als Leiter des Haymarket Theatre und als Bühnenautor. Seine Stücke sind voller Witz und Komik, sie parodieren andere literarische Werke oder nehmen gesellschaftliche und politische Zustände aufs Korn. Die Regierung reagiert darauf 1737 mit einem generellen Zensurgesetz für Theaterstücke, die nun genehmigt werden müssen, bevor sie aufgeführt werden dürfen. Dies bringt Fielding dazu, sich verstärkt aufs Romanschreiben zu konzentrieren. Außerdem betätigt er sich als Zeitschriftenherausgeber und versieht später das Amt eines Friedensrichters. Wegen seiner angegriffenen Gesundheit unternimmt er eine Reise nach Lissabon, wo er kurz nach der Ankunft verstirbt, am 8. Oktober 1754. Auf dem dortigen Englischen Friedhof liegt er begraben.

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