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Deutschstunde

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Deutschstunde

Hoffmann und Campe,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Der Schüler Siggi Jepsen soll eine Strafarbeit über „Die Freuden der Pflicht“ schreiben – es wird eine Abrechnung mit der Nazizeit.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Die Freuden der Pflicht

Lenz’ Deutschstunde ist einer der wichtigsten Romane über die deutsche NS-Vergangenheit und deren Bewältigung. Wer jetzt schon die Augen verdreht und etwas schwer Verdauliches erwartet, der irrt: Der Roman hat auch einen hohen Unterhaltungswert, das ist gerade das Kunststück des Autors. Im Mittelpunkt steht der junge Siggi Jepsen, der während des Zweiten Weltkriegs in einem kleinen Dorf in Schleswig-Holstein aufwächst. Sein Vater ist Polizist und hat eine enorm wichtige Aufgabe zu erfüllen: das Berufsverbot eines Malers, dessen Kunst als entartet gilt, zu überwachen. Jepsen nimmt seine Pflicht auf absurde Weise ernst – so ernst, dass er nach dem Krieg nicht mehr damit aufhören kann. Sohn Siggi versucht die Bilder des Malers vor dem Pflichteifer des Vaters zu retten, wird wegen Kunstdiebstahls verhaftet und landet in einer Anstalt für kriminelle Jugendliche. Dort soll er eines Tages eine Strafarbeit zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ verfassen – das Ergebnis hält der Leser mit Deutschstunde in den Händen. Lenz schildert in seinem erfolgreichsten Roman alltägliche Vorgänge während der NS-Zeit aus der Sicht eines Kindes. Damit gelingt ihm eine eindringliche Darstellung der Lebenssituation im Dritten Reich. Die poetische, bildhafte Sprache des Werks macht den Roman erst recht zu einem Lesevergnügen.

Take-aways

  • Siegfried Lenz’ Roman Deutschstunde behandelt auf originelle Weise die NS-Zeit und deren Bewältigung.
  • Siggi Jepsen, Insasse einer Anstalt für kriminelle Jugendliche, soll einen Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ schreiben.
  • Da er keinen Anfang findet, gibt er ein leeres Heft ab.
  • Zur Strafe wird er eingesperrt und darf erst wieder raus, wenn der Aufsatz fertig ist.
  • Beim Thema Pflicht denkt Siggi vor allem an seinen Vater, einen Landpolizisten im Norden Schleswig-Holsteins.
  • Während der Nazizeit musste dieser das Berufsverbot eines Malers überwachen, dessen Kunst als entartet galt.
  • Polizist Jepsen und Maler Nansen waren zuvor befreundet gewesen, aber nun zählte für den Ordnungshüter die Pflicht mehr als die Freundschaft.
  • Rigoros achtete er darauf, dass das Berufsverbot eingehalten wurde, und vernichtete Werke des Malers – auch dann noch, als der Krieg längst beendet war.
  • Aus Angst, der Vater könnte noch mehr Bilder zerstören, stahl Siggi Gemälde von Nansen und wurde deshalb inhaftiert.
  • In seiner Zelle schreibt er viele Monate lang an seinen Erinnerungen, bis er schließlich vorzeitig entlassen wird.
  • Bemerkenswert ist die poetische, bildhafte Sprache des Romans, der aus der Perspektive eines Jugendlichen erzählt wird.
  • Auch wenn manche Kritiker dem Buch mangelnde literarische Qualität bescheinigten, war Deutschstunde ein großer Erfolg und machte den Autor berühmt.

Zusammenfassung

Ein Schulaufsatz

Siggi Jepsen ist Insasse einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche auf einer Elbinsel bei Hamburg. Eines Tages müssen die Jungen in der Deutschstunde von Lehrer Korbjuhn einen Aufsatz zum Thema „Die Freuden der Pflicht“ schreiben. Siggi denkt an seinen Vater Jens Ole Jepsen, einen pflichtbewussten Landpolizisten. Er verliert sich in seinen Erinnerungen und findet keinen Anfang für den Text. Als die Stunde vorbei ist, gibt er ein leeres Heft ab. Zur Strafe wird er allein in eine Zelle gesperrt. Wie lange er dort bleiben muss, hat er selbst in der Hand: Sobald der Aufsatz fertig ist, darf er die Zelle wieder verlassen.

„Sie haben mir eine Strafarbeit gegeben.“ (S. 7)

Siggi beginnt zu schreiben und schildert ein Erlebnis mit seinem Vater aus dem Jahr 1943: Dieser ist Polizist in Rugbüll, einem kleinen Ort in Schleswig-Holstein. Dort lebt er mit seiner Frau Gudrun, der Tochter Hilke und dem kleinen Siggi. Der große Bruder Klaas hat sich vor einiger Zeit selbst in den Arm geschossen, um dem Kriegsdienst zu entgehen, und ist seitdem in einem Gefängnislazarett. Die Eltern sind deshalb so erbost, dass in der Familie nicht mehr über Klaas gesprochen werden darf. In der Nähe des Elternhauses lebt der Maler Max Ludwig Nansen, der aus demselben Ort wie Siggis Vater stammt und diesem als Kind einmal das Leben gerettet hat. Im Frühjahr 1943 nun muss der Polizist dem Maler, dessen Kunst bei den Nazis als entartet gilt, ein Berufsverbot überbringen. Es wird außerdem Jepsens Aufgabe sein, die Einhaltung des Verbots zu überwachen. Siggi darf seinen Vater begleiten und wird Zeuge, wie Nansen die Nachricht mit Fassung entgegennimmt.

Die Geschwister

Siggis Schwester Hilke hat sich mit dem Musiker Addi verlobt, was der strengen Mutter gar nicht gefällt. Eines Tages sammeln Hilke und Addi am Strand Möweneier. Aus Neugierde folgt Siggi ihnen heimlich. Unterwegs werden die drei von einem Gewitter überrascht und flüchten in Nansens Hütte. Dort finden sie eine Zeichnung, eine Karikatur von Siggis Vater, die offensichtlich erst nach dem Berufsverbot entstanden ist. Zu Hause wird Siggi von seinem Vater so lange ausgehorcht, bis er ihm von der Zeichnung berichtet.

„Da es nicht beliebige, da es die Freuden der Pflicht sein sollten, die Korbjuhn sich von uns entdeckt, beschrieben, ausgekostet, jedenfalls eindeutig bewiesen wünschte, konnte mir niemand anderes erscheinen als mein Vater Jens Ole Jepsen, seine Uniform, sein Dienstfahrrad, das Fernglas, der Regenumhang, seine in unablässigem Westwind segelnde Silhouette auf dem Kamm des Deiches.“ (S. 9 f.)

Einige Zeit später feiert Dr. Busbeck, dessen Galerie zwangsweise geschlossen wurde und der nun bei Nansen lebt, seinen 60. Geburtstag. Während der Feier bekommt Addi einen epileptischen Anfall, was dazu führt, dass Siggis Mutter ihn später nicht mehr ins Haus der Jepsens lässt, weil sie in ihrer Familie keine Kranken haben möchte. Nansen schenkt Busbeck zum Geburtstag ein Gemälde, was das Misstrauen Jepsens weckt. Noch während der Feier kommt ein Telegramm aus Berlin: Nansen muss auch alle Bilder abgeben, die er in den vergangenen zwei Jahren gemalt hat. Der Künstler ist darüber erbost, aber für Jepsen ist klar, dass auch diese Anweisung unbedingt befolgt werden muss.

„Das Malverbot is in Berlin beschlossen, das hab ich mir nich ausgedacht, und auch die Beschlagnahme der Bilder is in Berlin verfügt worden. Ich hab für alles meine Anweisungen, und darüber bin ich nich hinausgegangen.“ (Jepsen, S. 89)

Eines Morgens wird Siggi früh wach, weil jemand Sand an sein Schlafzimmerfenster wirft. Sein Bruder Klaas steht vor dem Haus. Er ist aus dem Lazarett geflüchtet und bittet Siggi, ihm zu helfen. Dieser bringt Klaas zu einer alten Mühle, wo er sich selbst ein Versteck eingerichtet hat, und läuft nach Hause, um etwas Essbares für seinen Bruder zu holen. Als er dort ankommt, ist die Familie schon in heller Aufregung: Im Büro des Vaters sitzen drei Männer, die Klaas suchen. Da sie ihn nicht finden, verschwinden sie wieder. Klaas bittet Siggi, ihn zu Nansen zu bringen, wo er sich verstecken will. Als die beiden dort ankommen, ist Nansen recht aufgebracht, weil er sich damit selbst noch mehr in Gefahr bringt. Dennoch gewährt er Klaas Unterkunft.

Bilder und Visionen

Eines Abends führt Asmus Asmussen, der als Marinesoldat dient, in einer Scheune Bilder von seinem Leben auf See vor. Plötzlich ist Jepsen sehr erregt, steht auf und sagt vor allen Anwesenden, dass er ganz andere Bilder sieht: Asmussens Schiff ist gesunken, Asmus selbst treibt allein in einem Boot über das Meer. Jepsen kann offenbar „schichtig kieken“ – was bedeutet, dass er das Zweite Gesicht hat. Schließlich führt Hinnerk Timmsen, der Wirt, den Polizisten hinaus und lädt ihn zu sich in die Gaststube ein. Dort treffen sie auf Nansen, der eine Mappe mit leeren Blättern mit sich herumträgt und behauptet, er male jetzt unsichtbare Bilder. Jepsen kann auf den Blättern so wenig erkennen wie alle anderen, aber in seinem Pflichteifer beschlagnahmt er die Mappe.

„Gut, sagte er leise, wenn du glaubst, dass man seine Pflicht tun muss, dann sage ich dir das Gegenteil: Man muss etwas tun, das gegen die Pflicht verstößt. Pflicht, das ist für mich nur blinde Anmaßung.“ (Nansen zu Jepsen, S. 147)

Eines Tages entdeckt Jepsen Licht in Nansens Atelier: Nansen arbeitet an einem Gemälde, auf dem auch Klaas zu sehen ist. Nun kann Jepsen den Maler doppelt anzeigen: weil er die vorschriftsmäßige Verdunkelung nicht eingehalten und gegen das Berufsverbot verstoßen hat. Der Polizist will das Bild gleich beschlagnahmen – da zerreißt es Nansen und gibt ihm nur noch die Schnipsel. Da Jepsen nun den Verdacht hat, dass Klaas bei Nansen sein könnte, stöbert er auf dessen Anwesen herum, entdeckt seinen Sohn aber nicht. Die Überreste des Bildes nimmt er mit nach Hause. Dort klebt Siggi das Gemälde heimlich wieder zusammen. Dann malt er selbst schnell etwas in ähnlichen Farben, zerreißt es und gibt die Schnipsel seinem Vater. Nansens Bild versteckt er in der alten Mühle.

Verhaftungen

Eines Tages hilft Siggi zwei Leuten aus dem Dorf beim Torfstechen. Plötzlich tauchen feindliche Flugzeuge auf und eröffnen das Feuer. Die drei können sich retten, aber dann finden sie Klaas – mit einem Bauchschuss. Offenbar hat er sich im Moor versteckt. Sie bringen den Verletzten nach Hause. Der Vater holt den Arzt, aber der erklärt, dass er Klaas nicht helfen kann. Es besteht nur die Möglichkeit, ihn ins Lazarett zu bringen, wo Klaas wahrscheinlich wegen seiner Flucht verurteilt würde. Schließlich meldet Jepsen selbst Klaas’ Auftauchen nach Husum.

„Ich erzähle nicht von irgendeinem, sondern von meinem Ort, suche nicht nach irgendeinem Unglück, sondern nach meinem Unglück, überhaupt: Ich erzähle keine beliebige Geschichte, denn was beliebig ist, verpflichtet zu nichts.“ (S. 170 f.)

Wenig später wird Nansen verhaftet, wohl auf Jepsens Anzeige hin. Als er wieder zurückkommt, ist er sehr schweigsam und schließt sich ein. Siggi sieht Dr. Busbeck mit einer Mappe in Nansens Hütte verschwinden und geht neugierig hinterher. Dr. Busbeck hat die Fußbodendielen hochgestemmt, um die Mappe darunter zu verstecken. Aber er findet kein Ölpapier, in das er sie einschlagen könnte. Da die Bilder sonst verderben würden, nimmt er sie wieder mit. Zu Hause wird Siggi von seinem Vater darüber ausgefragt, was er beobachtet hat. Siggi äußert die Vermutung, es könnten Bilder unter den Fußbodendielen der Hütte versteckt sein – in der Gewissheit, dass der Vater dort nichts finden wird. Doch bald darauf kommt Jepsen zurück und bedankt sich für den Hinweis: Er hat in dem Versteck tatsächlich Bilder von Nansen gefunden. Allerdings ist auf den Blättern fast nichts zu sehen. Jepsen macht von seinem Fund deshalb keine Meldung, sondern bewahrt die Bilder bei sich auf.

„Machen Sie sich fertig, sagte plötzlich einer der Ledermäntel. Der Maler fragte: Warum? Was ist los? Wir geben Ihnen eine halbe Stunde, sagte darauf der zweite Ledermantel. Der Maler sah sie achselzuckend an und fragte: Seid ihr gekommen, um mich abzuholen? Worauf keiner es für nötig hielt, ihm direkt zu antworten.“ (S. 190)

Im Winter wird Nansens Frau Ditte krank und stirbt. Alle Dorfbewohner kommen noch einmal vorbei, um sie aufgebahrt zu sehen, nur Jepsen nicht. Allerdings nimmt die ganze Familie an der Beerdigung teil. Anschließend lädt Nansen sie zu sich ein: Er will Jepsen seine letzten Bilder von Ditte zeigen. Das bedeutet, dass er sich wiederum bewusst über das Berufsverbot hinweggesetzt hat und das auch nicht leugnet. Darüber ist Jepsen so empört, dass er mit der ganzen Familie sofort den Friedhof verlässt.

Das Kriegsende

Eines Tages im Frühjahr 1945 rollt während des Unterrichts ein englischer Panzer auf den Schulhof. Die Schüler werden nach Hause geschickt. Jepsen in seiner Eigenschaft als Polizeiposten ruft drei Männer aus dem Dorf zusammen: den Vogelwart, den Wirt und den Maler. Sie gehören nunmehr dem „Volkssturm“ an und sollen eine Straße gegen die heranrückenden feindlichen Soldaten verteidigen. Jepsen nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Die Männer heben einen Graben aus und verschanzen sich darin. Jepsen ist allerdings der Einzige, der wirklich Wache hält; die anderen drei spielen Karten. Als es nach einigen Stunden dunkel wird, verabschiedet sich der Maler: Er gehe nach Hause, am nächsten Morgen wolle er wiederkommen. Jepsen bedroht ihn mit der Pistole: Sie würden jetzt als Soldaten gelten, und Nansen müsse auf seinem Posten bleiben, sonst sei er ein Deserteur. Doch dann beschließen auch der Wirt und der Vogelwart, dass sie die Nacht lieber zu Hause verbringen wollen. Jepsen gibt auf und lässt sie gehen, hält aber selbst die Stellung. Am nächsten Morgen wird Siggi früh wach und bemerkt, dass sein Vater vor dem Haus ein Feuer angezündet hat. Der Krieg ist vorbei, und der Polizist verbrennt Unterlagen, die dem Feind nicht in die Hände fallen sollen. Doch noch ehe er damit fertig ist, fahren zwei englische Soldaten vor und verhaften ihn.

Die Zeit danach

Nach der Entlassung aus dem Internierungslager rechnet Jepsen eines Morgens mit dem abwesenden Klaas ab: Vor der ganzen Familie lässt er sich Klaas’ Foto bringen, hält ihm seine Vergehen vor, zerreißt das Bild und verbrennt die Schnipsel. Danach befiehlt er allen, Klaas aus dem Gedächtnis zu streichen und dessen Namen nie mehr zu nennen. In aufgewühltem Zustand geht der Vater kurz darauf aus dem Haus. Dann wird ihm in einem Anruf mitgeteilt, dass Nansen eine Ehrung erhalten soll. In seiner Eigenschaft als Dorfpolizist muss auch Jepsen bei der Feier dabei sein. Siggi sucht seinen Vater und findet ihn bei Nansens Hütte, wo er Skizzen des Malers verbrennt. Siggis Einwand, dass sich die Zeiten inzwischen geändert haben und Jepsen keine Bilder mehr vernichten darf, weist dieser entschieden zurück. Dann gehen sie zusammen zu Nansens Wohnhaus. Ein paar Vertreter der Besatzungsmacht überreichen dem Maler eine Urkunde über die Ehrenmitgliedschaft der Königlichen Akademie in London. Nansen wird auch über sein Leben während der Nazizeit befragt; Jepsen sitzt verlegen dabei.

Der Bilderdieb

Siggi geht nun auf das Gymnasium in Glüserup. Eines Tages, als er über seinen Hausaufgaben sitzt, dringt von draußen Lärm zu ihm: Die alte Mühle, in der er sein Versteck hat und wo er auch einige Bilder von Nansen aufbewahrt, brennt. Der Junge rennt zur Mühle und will hineinstürmen, obwohl sie schon lichterloh in Flammen steht. Zwei Männer halten ihn zurück. Siggi flüchtet sich daraufhin zu Nansen. Er ist so verstört, dass der Maler ihn bittet, sich in seinem Atelier erst einmal hinzulegen. Als er sich, von Nansen allein gelassen, dort ausruht, erscheint es Siggi, als würden an einem der Bilder Flammen züngeln. Um das Werk zu retten, nimmt er es aus dem Rahmen und versteckt es an seinem Körper. Als Nansen zurückkommt, bemerkt er das Fehlen des Bildes, macht Siggi aber keine Vorwürfe. Der Junge erzählt Nansen, dass er glaubt, sein Vater habe die Mühle angezündet, um weitere Bilder Nansens zu vernichten. Er fürchtet, dass der alte Jepsen den Verstand verloren hat und mit seinem Zerstörungswerk nicht mehr aufhören kann. Nansen versucht den Jungen zu beruhigen, doch in der Tat liegt die Vermutung nahe, dass Jepsen dank seiner Gabe des Zweiten Gesichts die Bilder in der Mühle aufspüren und in Brand setzen konnte.

Die Freuden der Pflicht

In seinem Drang, Nansens Bilder vor der Vernichtung zu retten, stiehlt Siggi immer mehr von ihnen, auch aus Ausstellungen. Eines Tages stellt der Maler seine Werke in Hamburg aus, und Siggi ist bei der Eröffnung anwesend. Als er sich mit einem Bild besonders eingehend beschäftigt, wird er von zwei Herren in grauen Mänteln unauffällig hinausgeführt. Sie wollen ihn verhören, doch Siggi kann flüchten. Er versteckt sich bei Klaas, der inzwischen in Hamburg wohnt, gerät jedoch noch am selben Tag mit dessen Mitbewohner Hansi in einen Streit, da sich dieser abfällig über Nansen äußert. Hansi schlägt Siggi bewusstlos. Als er wieder zu sich kommt, stehen die beiden Herren in Grau vor ihm und nehmen ihn fest. Jepsen bemerkt, dass sein Sohn zum Kunstdieb geworden ist und verstößt auch ihn aus der Familie.

„Klaas erhielt Hausverbot: Hört gut zu! Solange ich lebe, wird er sein Elternhaus nicht mehr betreten, und uns wurde untersagt, den Namen von Klaas zu denken oder auszusprechen.“ (S. 307)

In der Besserungsanstalt arbeitet Siggi viele Monate an seinem Aufsatz über „Die Freuden der Pflicht“. Inzwischen interessiert sich der junge Psychologe Mackenroth für den Fall und schreibt über Siggi seine Diplomarbeit. Als der Häftling eines Tages um Nachschub an Papier und Tinte bittet, wird er zu Direktor Himpel zitiert. Dort warten einige Psychologen auf ihn, denen Himpel Siggis sonderbaren Eifer schildert. Dann bietet er Siggi an, dass er die Arbeit nun abbrechen darf, aber dieser lehnt ab: Schließlich habe Himpel seinerzeit gemeint, Siggi dürfe die Länge der Arbeit selbst bestimmen. Er bekommt, was er verlangt hat, und schreibt weiter. Als einige andere Jungen einen Fluchtversuch planen und ihn mitnehmen wollen, lehnt er ab, denn seine Arbeit ist noch nicht fertig. Selbst als er den Text endlich abgeschlossen hat, gibt er ihn nicht gleich ab, sondern bleibt noch einige Tage in seiner Zelle. Schließlich lässt ihn Direktor Himpel erneut zu sich rufen. Er erklärt Siggi, dass der Aufsatz nun beendet sein müsse, denn in zehn Tagen werde er vorzeitig entlassen. Davon ist Siggi jedoch gar nicht begeistert, denn er hat keine Ausbildung, und nach Rugbüll kann er ebenfalls nicht zurück. Doch der Direktor lässt sich nicht erweichen: Siggi wird in eine ungewisse Zukunft entlassen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Rahmenhandlung des Romans spielt Anfang der 1950er Jahre in einer Anstalt für schwer erziehbare Jugendliche. Darin eingebettet sind die Kindheitserinnerungen des Ich-Erzählers Siggi Jepsen, der seine Strafarbeit zum Anlass nimmt, seine Erlebnisse ab dem Jahr 1943 aufzuschreiben. Siggis Niederschrift wird immer wieder durch Einschübe der Rahmenhandlung unterbrochen. Seine Erinnerungen sind bruchstückhaft, er beschreibt einzelne Szenen sehr ausführlich, lässt aber dazwischen große Lücken. Auffällig ist, dass Siggi einige wichtige Szenen, wie etwa seine Kunstdiebstähle und die Reaktion des Vaters darauf, weitgehend ausblendet. Eine zusätzliche Perspektive auf die Handlung bieten die Texte des Psychologen Mackenroth, der aus wissenschaftlicher Sicht versucht, den Fall Siggi Jepsen und die Vorgeschichte aufzurollen. Hier werden Informationen ergänzt, die Siggi selbst ausspart. Siggis Sprache ist, seinem Alter entsprechend, oft flapsig und voller Übertreibungen, zugleich aber auch kunstvoll und poetisch. Er beschreibt sehr bildhaft und detailgenau und versteht es gut, Stimmungen wiederzugeben. Einige Passagen formuliert er als reine Dialoge, wie Szenen eines Theaterstücks.

Interpretationsansätze

  • Ein zentrales Element des Romans ist der Konflikt zwischen dem Polizeiposten Jepsen und dem Maler Nansen sowie deren unterschiedliche Auffassung von Pflichterfüllung. Während sich das normative Pflichtbewusstsein Jepsens auf die Umsetzung der bestehenden Gesetze bezieht, stellt das moralische Pflichtbewusstsein Nansens den Menschen in den Vordergrund. Für Nansen existieren universelle Werte, die es unabhängig von aktuellen Gesetzen zu befolgen gilt.
  • Siggi erlebt diese Auseinandersetzung als einen Konflikt zweier Vaterfiguren. Mit der Zeit wendet er sich immer mehr von seinem leiblichen Vater Jepsen ab, der ihm kalt und herzlos erscheint, und nähert sich Nansen an, der für ihn das Gute im Menschen verkörpert und einen Vaterersatz darstellt.
  • Bei Siggi wie auch bei seinem Vater ist ein fehlendes Unrechtsbewusstsein festzustellen: Siggi schreibt in seinem Bericht kaum über die Bilderdiebstähle. Und sein Vater entschuldigt – wie viele Deutsche nach der Nazizeit – seinen eifrigen Dienst im Unrechtsregime einfach mit dem Hinweis, es sei nun mal seine Pflicht gewesen.
  • Siggis Eltern, beide Anhänger des Nationalsozialismus, ändern ihre Einstellung nach dem Krieg nicht, und auch in der Anstalt werden genau die Prinzipien vermittelt, die Siggis Vater vertritt und während der NS-Zeit ausleben konnte. So hat sich nach dem Krieg in den Köpfen der Menschen wenig verändert, eine Vergangenheitsbewältigung findet nicht statt.
  • Diese Vergangenheitsbewältigung leistet allein Siggi mit seinem Aufsatz. Für ihn hat das Schreiben eine therapeutische Funktion: Er nimmt die Strafarbeit zum Anlass, bedrückende Erinnerungen an seine Familie und die Zeit des Zweiten Weltkriegs niederzuschreiben und so die Vergangenheit zu verarbeiten. Es wird klar, dass Siggis Kindheitserlebnisse die Ursache dafür sind, dass er kriminell wurde und nun in der Anstalt inhaftiert ist.

Historischer Hintergrund

Der Nationalsozialismus und die Kunst

Nach einer politisch sehr unruhigen Zeit kamen 1933 in Deutschland Adolf Hitler und mit ihm die Nationalsozialisten an die Macht. Sie zerstörten die junge Demokratie in Deutschland und errichteten eine Schreckensherrschaft. Das Parlament wurde ausgeschaltet, die Grundrechte hatten keine Geltung mehr. Entscheidend für die Politik der Nationalsozialisten war ihre Rassenideologie: die Vorstellung, dass die nordische, „arische“ Rasse allen anderen überlegen sei. Angehörige ethnischer Minderheiten, vor allem Juden, wurden unterdrückt, in Konzentrationslager verschleppt und ermordet. Ebenso brutal gingen die Nationalsozialisten mit ihren politischen Gegnern um, etwa den Kommunisten.

Aber nicht nur politisch versuchten die Nazis ihre uneingeschränkten Machtansprüche durchzusetzen. In Kunst und Kultur beanspruchten sie eine ebenso unbegrenzte Gültigkeit ihrer Ideologie. Auch die Kunst sollte „arisch“ sein: Sie musste von „reinrassigen“ Deutschen stammen und die Ideologie des Nationalsozialismus verherrlichen. In der Malerei galten alle neueren Kunstrichtungen als unerwünscht. Wer den Normen der Nazis nicht entsprach, wurde unterdrückt und verfolgt. 1933 wurden symbolisch Bücher jüdischer, kommunistischer und anderer missliebiger Schriftsteller verbrannt. 1937 fanden in München zeitgleich zwei Ausstellungen statt: Die „Große Deutsche Kunstausstellung“ zeigte, was sich die Nationalsozialisten unter arischer Kunst vorstellten. In der Ausstellung „Entartete Kunst“ wurden dagegen Bilder gezeigt, die aus Sicht der Nationalsozialisten nicht würdig waren, überhaupt als Kunst zu gelten, so etwa Beispiele neuerer Kunstströmungen, Werke jüdischer Maler oder positive Darstellungen von Farbigen, Juden oder Behinderten. Sie wurden zusammen mit Bildern von Geisteskranken ausgestellt, um die Künstler herabzuwürdigen. In der Folgezeit wurden die Werke „entarteter“ Künstler aus den Museen entfernt und beschlagnahmt. Viele dieser Bilder wurden vernichtet, etliche aber auch ins Ausland verkauft. Die betroffenen Künstler waren in ihrer Tätigkeit stark eingeschränkt, manche entschieden sich für die Emigration.

1939 löste der Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen den Zweiten Weltkrieg aus, den größten und verlustreichsten Krieg der Geschichte. In den ersten Jahren waren die Deutschen noch erfolgreich, doch etwa ab 1942 wendete sich das Blatt. Als die Niederlage unabwendbar war und sich bereits alliierte Soldaten im Land befanden, wurden im so genannten „Volkssturm“ noch Jugendliche und alte Männer aufgeboten, um einen letzten Widerstand zu leisten. Doch die Niederlage war nicht mehr aufzuhalten: Nach dem Selbstmord Adolf Hitlers kapitulierte Deutschland am 8. Mai 1945 vor den Siegermächten Amerika, England, Frankreich und Russland. Der Zweite Weltkrieg und die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten waren vorbei.

Entstehung

Für seine Darstellung des Malers Max Ludwig Nansen hatte Siegfried Lenz ein reales Vorbild: Emil Nolde, der mit bürgerlichem Namen Hans Emil Hansen hieß. Nolde, ein Vertreter des Expressionismus, wurde 1867 geboren und lebte lange Zeit im nördlichen Schleswig-Holstein, wo auch der Roman Deutschstunde spielt. Obwohl Nolde durchaus mit dem Nationalsozialismus sympathisierte, galten seine Werke während der Nazizeit als entartet, einige von ihnen wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt. Nolde durfte seine künstlerische Tätigkeit in dieser Zeit nicht ausüben. Aus Protest malte er kleine Aquarelle, die er als „Ungemalte Bilder“ bezeichnete. Erst nach Kriegsende wurde Nolde als Maler wieder anerkannt. Mit den beiden Vornamen Max und Ludwig, die Lenz seinem Maler gibt, erinnert er außerdem an zwei weitere wichtige Vertreter des Expressionismus: Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner.

Auch einige autobiografische Details finden sich in der Deutschstunde: Als Kind und junger Mann hat Lenz die Herrschaft der Nationalsozialisten erlebt. Er ist nur sieben Jahre älter als Siggi, der Protagonist des Romans, dem er überdies seinen eigenen Vornamen gegeben hat. Wie Siggi ist Lenz in einer Beamtenfamilie aufgewachsen, wie Asmus Asmussen leistete er seinen Kriegsdienst in der Marine, und wie Klaas desertierte er kurz vor dem Ende des Krieges.

Wirkungsgeschichte

Siegfried Lenz hatte sich schon mit seinen ersten Werken einen Namen gemacht, aber der Roman Deutschstunde, der 1968 erschien, war mit Abstand sein größter Erfolg. Dabei waren die Kritiker von Anfang an gespalten: Einige warfen dem Werk mangelnde literarische Qualität vor. Lenz’ detailgenaue Erzählweise wurde von manchen ebenso sehr bemängelt, wie sie von anderen gelobt wurde. Auch dass er versuchte, die Zeit des Nationalsozialismus aus der Sicht eines Kindes und am Beispiel des alltäglichen Lebens auf dem Land zu schildern, stieß nicht nur auf Zustimmung. Dennoch fand der Roman viele begeisterte Leser und verhalf seinem Autor auch international zum Durchbruch. Deutschstunde wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und 1971 unter der Regie von Peter Beauvais verfilmt.

Über den Autor

Siegfried Lenz wird am 17. März 1926 im ostpreußischen Lyck geboren, sein Vater ist Zollbeamter. 1943 legt er das Notabitur ab und wird danach zur Marine eingezogen. Als einer seiner Kameraden wegen Auflehnung erschossen wird, desertiert Lenz kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs und gerät in englische Kriegsgefangenschaft. Nach dem Krieg beschließt er, Lehrer zu werden und studiert in Hamburg Philosophie, Anglistik und Literaturwissenschaft. Doch bald schon bricht er das Studium ab und wendet sich dem Journalismus zu. Zunächst ist er Volontär bei der Zeitung Die Welt, 1950/51 arbeitet er dort als Redakteur. In dieser Zeit erscheint sein erster Roman Es waren Habichte in der Luft. Das Buch ist so erfolgreich, dass Lenz sich zu einem Leben als freier Schriftsteller entschließt. Im Lauf der Jahre veröffentlicht er zahlreiche weitere Werke, darunter der Erzählband So zärtlich war Suleyken (1955), die Romane Heimatmuseum (1978) und Exerzierplatz (1985) sowie die Theaterstücke Zeit der Schuldlosen (1961) und Das Gesicht (1964). Sein größter Erfolg wird der Roman Deutschstunde (1968). Ein wichtiges Thema in Lenz’ Werk ist die Auseinandersetzung mit der jüngeren deutschen Geschichte. Entsprechend engagiert er sich auch politisch: Zusammen mit Günter Grass begleitet er den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt im Jahr 1970 zur Unterzeichnung des deutsch-polnischen Vertrags nach Polen. Siegfried Lenz wird mit zahlreichen Preisen und Ehrungen gewürdigt. Unter anderem erhält er 1984 den Thomas-Mann-Preis und 1988 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Er ist außerdem Ehrenbürger seiner Heimatstadt Hamburg und des Landes Schleswig-Holstein. Siegfried Lenz stirbt im Alter von 88 Jahren am 7. Oktober 2014 in Hamburg. 

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