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Maria Magdalene

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Maria Magdalene

Ein bürgerliches Trauerspiel in drei Akten

dtv,

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12 take-aways
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What's inside?

Die junge Klara hat’s nicht leicht: Die Mutter ist soeben gestorben, der Bruder ein vermeintlicher Dieb, und sie selbst schwanger von einem feigen Taugenichts ... ein bürgerliches Trauerspiel, das wahrlich traurig ist.

Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Realismus

Worum es geht

Selbstmord als einziger Ausweg

Obwohl anfänglich viele Theaterregisseure Hebbels Stück Maria Magdalene ablehnten, wurde es ein wichtiger Bestandteil des deutschen Literaturgutes und eines der bekanntesten Dramen des 19. Jahrhunderts. Die Geschichte dreht sich um die junge Klara, die schwanger wird, weil sie sich ihrem Verehrer aus Verzweiflung vor der Heirat hingegeben hat. Gefangen in der Enge intoleranter bürgerlicher Moralvorstellungen bleibt ihr am Ende nichts anderes übrig, als sich umzubringen. Das Stück ist in seiner trostlosen Ausweglosigkeit ungeheuer traurig, auch wenn sich die ganze Dramatik für heutige Leser vielleicht etwas zu tief unter einem Berg von Monologen versteckt. Obwohl Hebbel selbst Maria Magdalene noch als bürgerliches Trauerspiel bezeichnete, bricht es schon mit dessen eigentlicher Tradition: Der zentrale Konflikt liegt hier nicht mehr in der unüberwindbaren Schranke zwischen Bürgertum und Adel. Es sind vielmehr die standeseigenen Moral- und Wertvorstellungen des Bürgertums, die letztlich zur Tragödie führen, weil starr und unmenschlich an ihnen festgehalten wird. Deshalb markiert Maria Magdalene einen der Übergänge zur modernen Literatur: Nach Hebbel wurden die deutschsprachigen Bühnen von offen sozialkritischen Dramen erobert, in denen das Leid der einfachen Menschen angeprangert wird.

Take-aways

  • Friedrich Hebbel zählt zu den großen Dramatikern des 19. Jahrhunderts.
  • Maria Magdalene ist eines der wichtigsten bürgerlichen Trauerspiele.
  • Klara, Tochter des Tischlermeisters Anton, ist von ihrem Liebhaber Leonhard schwanger.
  • Ihr Bruder wird als vermeintlicher Dieb verhaftet, worauf ihre Mutter am Schock stirbt.
  • Klara sieht sich alleingelassen mit ihrem ehrverliebten und stolzen Vater.
  • Er gibt ihr zu verstehen, dass er sich umbringen werde, sollte sie ebenfalls Schande über die Familie bringen.
  • Auch von ihrer alten Jugendliebe, einem Sekretär, kann Klara keine Hilfe erwarten, denn dieser kommt nicht darüber hinweg, dass sie sich einem anderen Mann hingegeben hat.
  • Klara kann den engen bürgerlichen Moralgesetzen nicht entfliehen und setzt ihrem Leben ein Ende.
  • Der Titel des Werkes ist eine Anspielung auf die biblische Maria Magdalena, die reuige Sünderin.
  • Die Wahl des Namens Magdalene (statt Magdalena) war nicht wie ursprünglich gedacht ein Kniff des Autors, sondern lediglich ein Druckfehler.
  • In seinem Drama nimmt Hebbel die Moral- und Wertvorstellungen des Bürgertums aufs Korn und problematisiert sie.
  • Das Stück markiert den Übergang vom bürgerlichen Trauerspiel zum sozialen Drama.

Zusammenfassung

Dem Tod von der Schippe gesprungen

Die junge Klara kann sich endlich wieder des Lebens freuen: Soeben hat sich ihre Mutter von einer schweren Krankheit erholt. Sie feiert ihre Genesung, indem sie ihr Hochzeitskleid anzieht. Eine Novität, schließlich hat die Mutter bisher immer behauptet, ihr ehemaliges Brautkleid werde früher oder später zu ihrem Leichenkleid. Doch die trüben Gedanken sind mittlerweile vergessen, die Mutter ist dankbar, dass sie noch nicht sterben musste. Sie erklärt Klara, wie schrecklich der Tod sei und dass sie ihr ohnehin schon vorbildliches Leben künftig noch frommer und besser zu führen gedenke.

„Und wie die Männer sind! Die schämen sich ihrer Thränen mehr, als ihrer Sünden! Eine geballte Faust, warum die nicht zeigen, aber ein weinendes Auge?“ (Klara, S. 50)

Da tritt der Sohn Karl ins Zimmer und bittet die Mutter um Geld. Sie hat selbst nicht mehr als ein wenig Haushaltsgeld und kann ihm deshalb nicht einen einzigen Gulden zustecken. Karl versucht sie mit dem Argument zu überzeugen, dass für Klaras teures Kleid auch gespart worden sei; nun gebühre ihm gleiches Recht. Aber er muss unverrichteter Dinge wieder abziehen. Danach bespricht die Mutter mit Klara ihren Kummer um Karl. Sie macht sich große Vorwürfe: Vielleicht ist Karl heute verzogen, weil sie ihm als Kind nie etwas abschlagen konnte. Zudem zweifelt sie an seiner Liebe zu ihr, da sie ihn während ihrer Krankheit niemals weinen gesehen hat. Klara versucht die Mutter zu beruhigen, indem sie über das gelassene Benehmen der Männer im Allgemeinen und das ihres Vaters im Besonderen spricht, der zwar geweint habe, es jedoch nicht zugeben wollte.

„Und was Deinen Leonhard betrifft, so liebe ihn, wie er Gott liebt, nicht mehr, nicht weniger.“ (Mutter, S. 52)

Als das Gespräch auf Klaras Verehrer Leonhard kommt, wird sie einsilbig. Sie will ihrer Mutter nicht sagen, wieso Leonhard schon seit geraumer Zeit nicht mehr im Haus erschienen ist. Diese gibt ihr zu verstehen, dass sie Leonhard grundsätzlich mag, es aber lieber hätte, wenn er „etwas wäre“. Sie unternimmt zwar keinen Versuch, ihrer Tochter den Freund auszureden, gibt ihr jedoch den Rat mit auf den Weg, einen Mann nur so viel zu lieben, wie er Gott liebe, nicht mehr und nicht weniger. Ein Ratschlag, der für Klara bereits zu spät kommt.

Unheilvolle Träume

Als ihre Mutter das Haus verlässt und Richtung Kirche geht, blickt Klara ihr lange nach und besinnt sich auf einen Traum, den sie dreimal geträumt hat und der ihr die Mutter in einem Sarg zeigte. Unglücklicherweise verdichten sich die Unheil bringenden Vorzeichen, als Klara ihrer Mutter zusieht, wie diese mit dem Totengräber spricht und Blumen in ein Grab wirft, das dieser ausgehoben hat. Klara deutet an, dass der Tod der Mutter für sie unvorstellbare Konsequenzen hätte. Sie betet zu Gott, dankt ihm für seine Barmherzigkeit und wünscht sich, sie wäre katholisch und könnte ihm Opfergaben darbieten.

„Mein Tod wär’s, wenn ich nicht bald Dein Weib würde, aber Du kennst meinen Vater nicht!“ (Klara, S. 59)

Als Leonhard ihr kurze Zeit später einen Besuch abstattet, zeigt ihm Klara erst einmal die kalte Schulter. Sie ist wütend auf ihn, weil er sie mit seiner Eifersucht zu Zärtlichkeiten gedrängt hat: Als Klara bei einem Fest, das sie zusammen mit Leonhard besuchte, ihre kürzlich ins Städtchen zurückgekehrte Jugendliebe etwas zu lange anschaute, wurde sie von Leonhard mit Vorwürfen überschüttet. Er stellte sie im Eifer vor die Wahl, sich zwischen den beiden Männern zu entscheiden, und nötigte sie mehr oder minder dazu, mit ihm zu schlafen, um ihm ihre Liebe zu beweisen. Diesen Liebesdienst bereut Klara nun bitter. Sie ist davon überzeugt, dass ihre Mutter nur wegen ihrer Sündhaftigkeit krank geworden ist, obwohl selbstverständlich niemand von ihrem Fehltritt weiß. Leonhard erzählt ihr, dass er ihren Vater um ihre Hand bitten möchte. Obwohl Klara Leonhard nicht liebt und ihn im Grunde abscheulich findet, weiß sie, dass sie ihn wegen ihrer Schwangerschaft heiraten muss.

Eine Familientragödie

Klaras Vater, Tischlermeister Anton, ist nicht gerade erfreut, Leonhard als Besucher in seinem Haus vorzufinden. Er mag ihn nicht sonderlich, obwohl Leonhard jetzt immerhin eine akzeptable Partie für seine Klara wäre, da er vor Kurzem zum Kassierer aufgestiegen ist. Der Vater ist ein kauziger, selbstgerechter Mann, dem der gute Ruf seiner Familie, allen voran sein eigener, über alles geht. Gerne gibt er zum Besten, dass er sich von ganz unten hochgearbeitet hat, dass er Moral und Sitte hochhält und für eine tugendhafte, ehrliche Lebensweise steht. Auch Leonhard bekommt von Meister Anton einen langen Vortrag über seine Wertvorstellungen und seine Lebensweise zu hören, eine Rede, die der junge Mann nur ungern über sich ergehen lässt, denn den Vater kann er nicht leiden. Während der langen Tirade kommt Meister Anton auch auf seinen Sohn Karl zu sprechen, der seiner Meinung nach völlig missraten ist und dem er alle Schandtaten zutraut.

„Sieh Er, ich ging betrübt und niedergeschlagen zu Hause, wie Einer, dem die Ernte verhagelt ist, denn Kinder sind wie Aecker, man sä’t sein gutes Korn hinein, und dann geht Unkraut auf.“ (Vater, S. 68)

Als die Mutter hinzukommt, verteidigt sie ihren Sohn vehement. Es sei gerade die Strenge und sture Härte Meister Antons, die Karl aus dem Haus treibe. Mitten in den Disput hinein treten plötzlich zwei Gerichtsdiener, die mit hämischer Miene verkünden, Karl habe Juwelen gestohlen. Er sei schon verhaftet und sie müssten nun im Haus nach dem Diebesgut suchen. Der Vater gibt sich teilnahmslos. Einen Diebstahl traut er seinem Sohn allemal zu und er hegt keinerlei Zweifel, dass Karl der Schuldige ist. Die Mutter hingegen kann den Schock nicht verwinden, den die schreckliche Nachricht bei ihr ausgelöst hat: Sie fällt tot um. Davon völlig ungerührt fahren die zwei Gerichtsdiener mit ihrer Fahndung nach dem Schmuck fort. Leonhard verschwindet, überzeugt davon, dass ihm die Affäre mit Karl zum Vorteil gereichen werde.

Allein mit dem Vater

Klaras ohnehin schon prekäre Lage hat sich mit diesen Ereignissen weiter zugespitzt: Die Mutter ist gestorben und ihr Bruder Karl im Gefängnis. Als würde sie noch nicht genug leiden, erhält sie von Leonhard einen Brief. Er spricht ihr seine Anteilnahme am Tod ihrer Mutter aus und teilt ihr gleichzeitig mit, dass er sie nun keinesfalls mehr heiraten könne und seinen Antrag zurückziehe. Als Kassierer des Ortes könne er es sich aus Karrieregründen nicht erlauben, mit der Schwester eines Verbrechers zu verkehren. Für Klara kommt diese Meldung einer Katastrophe gleich: Schließlich kann sie ihrem Vater die Schwangerschaft nicht beichten. Dieser ist schon so mutlos und entehrt von Karls beschämendem Vergehen, dass er mit Selbstmord droht, sollte auch noch seine Tochter ihm Schande bereiten. Klara ist verzweifelt. Ganz allein soll sie die Fehler ihres Bruders mit moralischer Tugendhaftigkeit und einem rechtschaffenen Lebenswandel ausgleichen. Unverstanden und von den anklagenden Reden des Vaters in die Ecke gedrängt, verspricht sie ihm, niemals Schande über ihn zu bringen.

„Gegen Deinen Sohn, das muß ich Dir sagen, bist Du nur ein halber Vater.“ (Mutter, S. 80)

Auch Tage später hat sich an der drückenden Stimmung im Haus des Tischlermeisters nichts geändert. Karl ist noch immer in Haft, was dem Vater schwer zu schaffen macht. Er fühlt sich bloßgestellt und sieht die Familienehre in den Schmutz gezogen. Trotz Klaras mehrfach vorgebrachten Beteuerungen, dass Karl unschuldig sei, ist Meister Anton fest von der Schuld seines Sohnes überzeugt. Der Druck auf Klara, den Vater nicht auch noch unglücklich zu machen, wird immer größer.

Erleichterung und eine alte Liebe

Kaum hat ihr Vater das Haus verlassen, um sich abzureagieren, bekommt Klara Besuch vom Kaufmann Wolfram, dem Herrn, dem die Juwelen gestohlen worden sind. Zerknirscht muss er ihr gestehen, dass es seine eigene, leicht übergeschnappte Frau war, die den Schmuck entwendet hat. In Klara regen sich verschiedene Gefühle: Bedauern, weil die Mutter wegen einer solchen Lappalie gestorben ist, und Erleichterung darüber, dass ihr Bruder unschuldig ist. Gleichzeitig wird ihr bewusst, dass nun sie allein die Familienehre beschmutzen wird.

„Der Mensch muß, was er mit schwerer Mühe im Schweiß seines Angesichts erwirbt, ehren, es hoch und werth halten, wenn er nicht an sich selbst irre werden, wenn er nicht sein ganzes Thun und Treiben verächtlich finden soll.“ (Vater, S. 81)

An ihrer Verzweiflung ändert sich auch nichts, als ihre alte Jugendliebe im Haus erscheint. Jahrelang hat er sich nicht bei Klara gemeldet, um sein Studium zum Sekretär so schnell wie möglich abzuschließen. Nun möchte er Klara heiraten und bittet sie, ihr Eheversprechen gegenüber Leonhard aufzulösen. Doch für Klara kommt der Antrag zu spät: Wegen der Schwangerschaft fühlt sie sich gezwungen, Leonhard zu heiraten. Als sie dem Sekretär ihre ausweglose Situation zu verstehen gibt, wendet er sich enttäuscht von ihr ab. Er ist wütend und in seiner Mannesehre gekränkt. Er plant, Leonhard, den er weit unter seinem eigenen gesellschaftlichen Rang einstuft, zum Duell zu fordern.

Leonhards Abfuhr

Nun, da sie nicht mehr die Schwester eines Diebes ist, versucht die verzweifelte Klara, die Familienehre und das Leben des Vaters zu retten. Sie fleht Leonhard an, sie zur Frau zu nehmen. Doch dieser hat während der letzten acht Tage bereits seine Netze anderweitig ausgeworfen und ist im Begriff, eine für ihn lukrative Ehe mit einem Mädchen zu schließen, das er auch bereits geschwängert hat. Kalt weist er Klara ab. Selbst ihr Versprechen, sich ihm in jeglicher Weise zu unterwerfen, erweicht sein Herz nicht, genauso wenig wie ihr Vorschlag, ihm eine spätere Scheidung zu ersparen, indem sie sich umbringt. Ihre Befürchtung, der Vater werde Hand an sich legen, sollte sie ein uneheliches Kind bekommen, weist er lapidar ab: Der Vater werde sich schon an den Gedanken gewöhnen.

„Faß’ die Hand der Todten und schwöre mir, daß Du bist, was Du sein sollst!“ (Vater, S. 87)

Zu guter Letzt bietet Leonhard Klara an, den Vater selbst über die Schwangerschaft zu informieren. Er kommt auf die Idee, Meister Anton als Verantwortlichen für die geplatzte Hochzeit hinzustellen – schließlich könne er seinem zukünftigen Schwiegersohn keine Mitgift anbieten. Entschieden weist Klara Leonhards Angebot ab. Für sie steht fest, dass ihr Vater ihre Schwangerschaft niemals akzeptieren würde. Sie sieht nur noch eine Möglichkeit, ihn vom Selbstmord abzuhalten: ihren eigenen Tod. Im Gehen teilt sie Leonhard mit, dass sie sich lieber selbst umbringt und die ganze Schuld auf sich nimmt, als das Leben ihres Vaters zu gefährden und für immer unglücklich zu sein. Klaras Worte machen schließlich dennoch Eindruck auf ihn. Er kommt zum Entschluss, sie doch zu heiraten. Bevor er ihr aber nachgehen kann, um ihr seine Entscheidung mitzuteilen, tritt ihm der Sekretär entgegen, der ihn zum Duell auffordert.

Klaras Tod

Zu Hause angekommen trifft Klara auf den frisch aus dem Gefängnis entlassenen Karl. Er ist wütend über die ihm widerfahrene Ungerechtigkeit und wird noch zorniger, als er den Brief liest, den Leonhard seiner Schwester vor Tagen geschrieben hat. Er verspricht ihr, Leonhard für seine Kleinmütigkeit bezahlen zu lassen, und teilt ihr auch gleich seine weiteren Rachepläne mit: Er hat vor, den Gerichtsdiener, aufgrund dessen arroganter Hartherzigkeit seine Mutter gestorben ist, umzubringen und danach zu verschwinden. Er plant, als Matrose anzuheuern, um seiner beengenden Umgebung und dem Vater, der sowieso nichts von ihm hält, zu entfliehen.

„Der Junge wird so wenig rein aus diesem Prozeß hervorgehen, wie Deine Mutter lebendig aus ihrer Gruft.“ (Vater, S. 95)

Klara befindet sich auf den Weg zum Brunnen, um Wasser für ihren Bruder zu holen, als Meister Anton nach Hause kommt. Gerade als die beiden über Karls Pläne sprechen, auf See zu gehen, tritt der Sekretär ein, atemlos und aus der Brust blutend. Er teilt Meister Anton und Karl mit, dass er Leonhard erschossen habe. Nun versucht er dem Vater das Versprechen abzuringen, Klara nicht zu verstoßen, was immer auch geschehen möge. Dem Vater wird mit einem Mal bewusst, was mit Klara los ist. Doch er bleibt stur und wiederholt die Drohung, er werde sich umbringen, sollte nochmals Schande über die Familie gebracht werden. Da kommt die Botschaft, dass Klaras zerschmetterter Körper im Brunnen entdeckt worden ist.

„Er oder der Tod! Wundert’s wen, daß ich ihn wähle? Ich thät’s nicht, dächt’ ich an mich allein!“ (Klara über Leonhard, S. 107)

Meister Anton muss die bitteren Vorwürfe des Sekretärs über sich ergehen lassen. Schließlich sei er mit seiner kleinbürgerlichen Angst vor dem Geschwätz der Nachbarn schuld daran, dass Klara sich umgebracht habe. Auch er, der Sekretär, sei nicht schuldlos an Klaras Selbstmord, denn er habe, anstatt ihr Rückhalt zu bieten und sie zu unterstützen, einzig daran gedacht, seinen Kontrahenten auszuschalten. Doch die Worte des Sekretärs bringen den Vater nicht zur Einsicht, im Gegenteil: Er ist der Meinung, Klara habe ihm mit ihrem Freitod nichts erspart. Schließlich habe jeder ihren Selbstmord mitbekommen, was die Schande nur noch vergrößere. Von der ganzen Familie verlassen, völlig allein zurückbleibend, muss sich der Vater eingestehen, dass er die Welt nicht mehr versteht.

Zum Text

Aufbau und Stil

Maria Magdalene ist eine Tragödie in drei Akten. Im ersten werden die charakterlichen Eigenschaften der Figuren herausgestellt sowie eine Ansammlung von Schwierigkeiten (Tod der Mutter, Karls Diebstahl, Klaras Schwangerschaft) eingeführt, die letztlich zur Tragödie führen. Im zweiten Akt zeichnet sich in fast schon monologisch anmutenden Gesprächen die Unmöglichkeit einer Einigung zwischen Vater und Tochter ab. Klaras Selbstmord im dritten Akt kann der Leser aufgrund vielfacher Andeutungen schon vom ersten Akt an vorausahnen. Obwohl Hebbel es sich zum Ziel gesetzt hat, seine Tragödie auf das Wesentliche zu beschränken, ist ihm das nicht immer gelungen: Seine Figuren mögen tatsächlich frei sein von effekthascherischen und entfremdenden charakterlichen Eigenheiten. Aber die sprachliche Umsetzung hätte doch ein paar Straffungen vertragen können. Die Satzkonstruktionen sind von Parenthesen (Einschüben) durchdrungen und kommen mitunter schwerfällig daher: „Und wie der Unglückliche, den ein Wurm gestochen hat, nicht gescholten wird, wenn er sich in Schauder und Ekel die Adern öffnet, damit das vergiftete Leben schnell ausströmen kann, so wird die ewige Gnade sich vielleicht auch mein erbarmen, wenn sie Dich ansieht, und mich, was Du aus mir gemacht hast, denn warum könnt’ ich’s thun, wenn ich’s nimmer, nimmer thun dürfte?“ (Klara zu Leonhard).

Interpretationsansätze

  • Anders als in früheren bürgerlichen Trauerspielen, beispielsweise Schillers Kabale und Liebe, entsteht der tragische Konflikt in Maria Magdalene nicht aufgrund sozialer Unterschiede, sondern vielmehr aus den bürgerlichen Wertvorstellungen selbst.
  • Hebbels Stück markiert nicht nur das Ende der traditionellen Trauerspiele, sondern bildet gleichzeitig den Auftakt zu einer neuen Richtung in der deutschen Literatur: dem sozialen Drama.
  • Obwohl der Autor die Problematik der bürgerlichen Welt thematisiert, verurteilt er keine der handelnden Personen in Bausch und Bogen: Alle Figuren haben „ein bisschen Recht“.
  • Maria Magdalene ist voller Traumsymbolik: Klara träumt vom nahen Tod ihrer Mutter, Vater Anton von der Schwangerschaft seiner Tochter.
  • Die Todesmetaphorik zieht sich wie ein roter Faden durch das Stück: Angefangen beim Braut- bzw. Leichenkleid, das die Mutter im ersten Akt anzieht, über im Voraus ausgehobene Gräber und Todesträume bis hin zum allgegenwärtigen Selbstmordgedanken.
  • Dem gewaltsamen Tod seiner Tochter zum Trotz ist der Vater weder zu Einsicht noch zu Gefühlen fähig. Ihm bleibt nur die pragmatische Feststellung: „Ich verstehe die Welt nicht mehr!“ Damit steht er stellvertretend für den bürgerlichen Familienvater an sich.
  • Der Name des Stücks bezieht sich auf die biblische Figur Maria Magdalena: einerseits Sinnbild der reuigen Sünderin, andererseits diejenige, die den Jüngern von Jesu Auferstehung berichtet. Und schließlich ist sie eine der wenigen Frauen, vielleicht sogar die einzige Frau in der Bibel, die nicht als „Mutter von bzw. Frau von XY“ aufgeführt wird, sondern als eigenständige Person.

Historischer Hintergrund

Vormärz

Vormärz nennt man den Zeitabschnitt der deutschen Geschichte zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848. Bezeichnend für diese Periode sind die inneren Unruhen und Bewegungen, die Deutschland aufwühlten und die von den Machthabern mit Gewalt niedergehalten wurden. Die monarchistisch-konservativen Politiker des Deutschen Bundes versuchten an dem System Fürst Metternichs festzuhalten und wollten jegliche Einmischung des Bürgertums in die Politik vermeiden. Die Konsequenzen dieser starren politischen Haltung waren eine nur langsam beginnende Industrialisierung und ein immer stärker anschwellendes Massenelend. Nationale und liberale Kräfte aus den Rängen des Bildungs- und Besitzbürgertums verlangten nach mehr Rechten, so z. B. nach freier Meinungsäußerung oder der Befreiung der Bauern aus der Leibeigenschaft. Diese Forderungen, auf die die Machthaber nicht eingingen, führten schließlich zur Märzrevolution von 1848.

Auch literarisch war die Vormärzbewegung von Bedeutung: Aus verschiedenen Schriftstellern, u. a. Georg Büchner und Heinrich Heine, setzte sich eine Gruppe namens „das Junge Deutschland“ zusammen. Sie wehrte sich gegen die restaurative und reaktionäre Politik und trat für Demokratie und Gleichheit ein. Die Werke dieser Autoren wurden 1835 vom Bundestag, dem obersten Organ des Deutschen Bundes, verboten.

Entstehung

Wie seinem Tagebuch entnommen werden kann, spielte Friedrich Hebbel längere Zeit mit dem Gedanken, ein bürgerliches Trauerspiel zu verfassen. Er beschäftigte sich ausgiebig mit den Dramen von Gotthold Ephraim Lessing und Jakob Michael Reinhold Lenz, bevor er 1843 während Aufenthalten in Kopenhagen und Paris sein Stück Maria Magdalene vollendete. Die Umstände, unter denen Hebbel seine Tragödie verfasste, hatten eine eigene Tragik: Er wohnte zeitweilig in einer kleinen und ungeheizten Wohnung in Kopenhagen, in der er sich eine rheumatische Erkrankung zuzog. Zudem starb sein dreijähriger Sohn Max, den er zusammen mit Elise Lensing hatte, ein Ereignis, das Hebbels Schaffensdrang hemmte.

Das Gerüst für sein Stück und Anregungen für sein Figureninventar entnahm Hebbel seiner eigenen Lebensgeschichte: 1836 wohnte er in München bei einem Tischlermeister namens Anton Schwarz. Mit dessen Tochter Josepha unterhielt er ein Liebesverhältnis. Natürlich wollte Hebbel aber weit mehr als eine Geschichte über eine Liebelei verfassen. Seine Idee war es, eine Tragödie zu schreiben, die, ganz ohne die herkömmlichen Standeskonflikte, nur in sich selbst ruhte. Er wollte zeigen, dass Tragödien auch in einfachsten Kreisen stattfinden können – und zwar ohne den Protagonisten Charaktereigenschaften anzudichten, die sie von ihrer Umwelt entfremden. Zeitgenossen wie Gottfried Keller kritisierten jedoch Hebbels „verkünstelte und verzwickte Motivation“.

Wirkungsgeschichte

Als Hebbel sein neues Stück der Schauspielerin Auguste Stich-Crelinger schickte, damit sie ihm ihre Meinung sagen möge, hoffte er, sie würde, wie schon bei seinem Erstling Judith, die Hauptrolle übernehmen. Wie brüskiert war Hebbel, als Stich-Crelinger ihm zur Antwort gab, das Stück sei ganz und gar unmöglich. Grund ihrer Empörung war die Tatsache, dass die Protagonistin Klara mit einem unehelichen Kind schwanger ist. Im Folgenden brach die Diskussion los, inwiefern diese Unsittlichkeit überhaupt theatertauglich sei. Als Maria Magdalene zwei Jahre nach der Entstehung endlich aufgeführt wurde, kam das Stück beim Publikum nicht besonders gut an. Wiederum störten sich die Damen und Herren der feinen Gesellschaft an der verführten und sündigen Heldin. Auch die folgenden Aufführungen bescherten dem Drama keinen durchschlagenden Erfolg.

Nach diesen ersten Misserfolgen bemühte sich Hebbel, seine Tragödie auf die Bühne des Wiener Hofburgtheaters zu bringen. Doch es dauerte weitere Jahre, bis das Stück 1848 endlich in Wien aufgeführt wurde. Nun war es sofort ein Publikums-, wenn auch kein Kritikererfolg. Nach einigen Inszenierungen in Wien verschwand Maria Magdalene für ein halbes Jahrhundert von der Bildfläche bzw. aus den Schauspielhäusern, bis das Drama in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zuge der „Hebbel-Renaissance“ wieder auf deutsche Theaterbühnen gebracht wurde. Bis heute ist Maria Magdalene Hebbels meistgespieltes und auch meistdiskutiertes Trauerspiel. Es wurde mehrfach fürs Fernsehen verfilmt und wird auch heute noch auf vielen Bühnen neu inszeniert.

Über den Autor

Friedrich Hebbel wird am 18. März 1813 als erstes Kind eines Maurers und einer Schustertochter in Wesselburen im damals unter dänischer Herrschaft stehenden Norderdithmarschen geboren. Friedrich wächst in sehr ärmlichen Verhältnissen auf. Er ist 14 Jahre alt, als der Vater stirbt, fortan betätigt er sich als Schreiber und Laufbursche. Schon im Alter von 15 Jahren veröffentlicht er im Lokalblatt seines Städtchens sein erstes Gedicht. Acht Jahre später beginnt er mit dem Schreiben eines Tagebuches. Dieses gibt er bis zu seinem Tod nicht auf; so bleiben der Nachwelt tiefe Einblicke in das Wesen des Autors. Die Schriftstellerin Amalia Schoppe holt den 22-Jährigen nach Hamburg – für Hebbel das Tor zur weiten Welt. 1840 ist ein wichtiges Jahr für ihn: Sein Erstlingsdrama Judith wird aufgeführt, er schreibt die Tragödie Genoveva, und seine neun Jahre ältere Geliebte, die Näherin Elise Lensing, die ihn lange als Einzige finanziell unterstützt, gebiert ihm das erste von zwei unehelichen Kindern: den gemeinsamen Sohn Max. Im Oktober des Jahres 1843 stirbt dieser, und im Dezember des gleichen Jahres beendet Hebbel die Arbeit an der Tragödie Maria Magdalene. Er erkrankt an Rheumatismus. Glücklicherweise wird ihm vom dänischen König ein Reisestipendium gewährt, das ihn schließlich nach Wien führt, wo er von vermögenden Gönnern wohlwollend aufgenommen und unterstützt wird. Maria Magdalene schafft es nach einigen Anfangsschwierigkeiten bis auf die Bühne des Burgtheaters Wien. Hebbel führt ein aktives Leben, das ihm sowohl viele Höhen als auch einige Tiefen beschert. Nach einem schroffen Bruch mit Elise Lensing heiratet er 1846 die Burgschauspielerin Christine Enghaus, die die Hauptrolle bei der Premiere seines Stücks Herodes und Mariamne in Wien übernimmt. Seine Reisen führen Friedrich Hebbel u. a. nach Wien, Rom, Paris, München und London, wo er an seinen Dramen, etwa einer Fassung der Nibelungen, an seinen Gedichten und seinen Novellen arbeitet. Er lernt bedeutende Zeitgenossen wie Arthur Schopenhauer oder Eduard Mörike kennen. Nach langer Krankheit stirbt Friedrich Hebbel am 13. Dezember 1863 in Wien.

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