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Gefährliche Liebschaften

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Gefährliche Liebschaften

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Die teuflischste Intrige der Weltliteratur, ausgeheckt von zwei Pariser Salonlöwen.

Literatur­klassiker

  • Briefroman
  • Aufklärung

Worum es geht

Die böseste Intrige der Weltliteratur

Heftige Empörung löste der Roman bei seinem Erscheinen aus - kein Wunder, hielt er doch einer lasterhaften Gesellschaft den Spiegel vor. Die beiden Adligen Marquise von Merteuil und Vicomte von Valmont haben sich ein gefährliches Spiel ausgedacht. Die Regeln kennen nur sie beide, ihre Opfer umgarnen sie mit Schmeichelei und Verstellung. Das raffinierte Spiel aus abgefeimter List und Tücke endet in einem fulminanten Finale, als der gesamte Briefwechsel der Akteure an die Öffentlichkeit gelangt und die teuflischen Intrigen aufgedeckt werden. Der Autor Choderlos de Laclos breitet den Mikrokosmos der dekadenten Adelswelt minutiös vor dem Leser aus und schlägt dabei je nach Briefverfasser verschiedene Töne an. In dieser Welt gelten die alten Werte nichts mehr, der Sittenzerfall droht; ihm wollte Laclos mit dem Buch Einhalt gebieten. Die Darstellung der rücksichtslosen Libertins soll dem Leser die Gefahr in ihrer ganzen Abscheulichkeit vor Augen zu führen - erreicht allerdings mitunter das genaue Gegenteil, denn das Böse kann einen hier auch faszinieren und in seinen Bann schlagen. Deshalb verschlangen Generationen von Lesern diesen Roman, deshalb wurde er aber auch immer wieder verboten. Die Ambivalenz des Stoffs reizte zahlreiche Dramaturgen und Regisseure zur Nachahmung.

Take-aways

  • Gefährliche Liebschaften ist einer der abgründig-faszinierendsten Romane der Weltliteratur und war gleich nach seiner Veröffentlichung ein Bestseller.
  • Darin wird in 176 Briefen die Sittenlosigkeit des französischen Adels am Vorabend der Französischen Revolution bis ins Detail beschrieben.
  • Die Hauptakteure Vicomte von Valmont und Marquise von Merteuil instrumentalisieren naive und unbescholtene Menschen allein um der Macht willen.
  • Die junge Cécile wird Opfer eines abgekarteten Spiels: Valmont verführt sie, damit die Marquise Céciles zukünftigen Ehemann lächerlich machen kann - aus Rache.
  • Gleichzeitig versucht Valmont, auch die tugendhafte Frau von Tourvel zu erobern.
  • Nachdem ihm das gelungen ist, legt er diesen Sieg wie eine Trophäe der Merteuil zu Füßen, die ihn aber zurückweist.
  • Als Frau von Tourvel erfährt, dass Valmont sie betrogen hat, stirbt sie aus Gram.
  • Der Musiklehrer Danceny liebt Cécile und tötet Valmont bei einem Duell, als er von dessen Machenschaften erfährt.
  • Vor seinem Tod übergibt Valmont Danceny den gesamten Briefwechsel, und die Intrige fliegt auf.
  • Die Merteuil, von der Gesellschaft geächtet und von einer Krankheit entstellt, flieht aus Paris und lässt einen riesigen Schuldenberg zurück.
  • Das Buch ist von einiger Brisanz: Sämtliche Moralbegriffe werden in Frage gestellt, die Täter nur begrenzt zur Rechenschaft gezogen, die Opfer nicht gerächt.
  • Der Roman wurde mehrfach verfilmt; am bekanntesten ist die Version von Stephen Frears mit Glenn Close, John Malkovich und Michelle Pfeiffer.

Zusammenfassung

Gefährliche Intrige

Cécile Volanges, Tochter aus adligem Hause, wurde von ihrer Mutter Frau von Volanges kürzlich aus dem Kloster genommen, wo sie viele Jahre verbrachte, um eine tadellose Erziehung zu genießen und später eine tugendhafte Gattin zu sein. Sie schreibt einen Brief an Sophie Carnay, ihre Freundin im Kloster, und erzählt vom mondänen Leben in den Pariser Salons. Cécile ahnt nicht, welche Gefahr ihr droht: Die Marquise von Merteuil beschreibt in einem Brief an den Vicomte von Valmont, wie sie Cécile für ihre Zwecke instrumentalisieren will. Das Mädchen soll nämlich den Grafen Gercourt heiraten, einen ehemaligen Geliebten der Merteuil; diesem aber will sie die Braut defloriert übergeben, um sich an ihm zu rächen und ihn dem gesellschaftlichen Spott auszusetzen. Helfen soll ihr dabei der Vicomte von Valmont. Dieser war ebenfalls einst ihr Geliebter, und er versucht, ihre Gunst wiederzuerlangen. Dafür verlangt sie von ihm einige Beweise seiner Liebe, wie beispielsweise die Verführung der jungen Cécile. Dies sei ihm ein Leichtes, versichert er ihr in einem Antwortbrief, ihm stünde aber der Sinn nach größeren Herausforderungen, denn er wolle eine tugendhafte Festung erobern: die verheiratete Präsidentin von Tourvel, eine fromme und sittsame Frau. Valmont ist geradezu besessen von dem Gedanken an sie.

Valmont geht zum Angriff über

Valmont beginnt seinen Eroberungsfeldzug auf dem Land, wo er sich bei seiner Tante Frau von Rosemonde einquartiert. Dort weilt auch Frau von Tourvel. Detailreich schildert er sie in seinen Briefen an die Merteuil, erzählt von ihren edlen Eigenschaften, wie heiter, naiv und ehrlich sie sei und so völlig anders als die koketten Städterinnen. Eine gänzlich unverdorbene Seele, die seinen Machtinstinkt bis aufs Äußerste reizt. Allein schon die Vorfreude, sie in tiefste Selbstzweifel zu stürzen, bereitet ihm größte Lust. Andererseits lässt er sich zu dem Geständnis hinreißen, dass Frau von Tourvel ihm seine Jugend wiedergegeben habe. Dies ist es auch, was die Merteuil misstrauisch macht: Sie wähnt ihn bereits in den Banden der Liebe, verblendet von einem banalen Gefühl. Derweil ist Frau Tourvel nicht untätig und berichtet der Mutter von Cécile, Frau von Volanges, von ihrer Bekanntschaft mit Valmont. Sie schwärmt von ihm in den höchsten Tönen und verteidigt ihn gegen den schlechten Ruf, der ihm vorauseilt. Sie selbst glaubt sich vor seinen Verführungskünsten sicher, predigt ihm Strenge und ruft ihn zur Umkehr auf. Die Warnungen der Frau von Volanges, Valmont sei ein Wüstling, der mit falscher Zunge spreche und Liebenswürdigkeit nur heuchle, der keinen Schritt mache ohne bestimmte Absichten, schlägt sie in den Wind.

Liebeshändel in Stadt und Land

In der Stadt verliebt sich Cécile in ihren Musiklehrer Danceny und er sich in sie. Die beiden finden aber keinen Weg zueinander, und so schmachtet jeder allein. Danceny wird vor lauter Liebeskummer todunglücklich, bis er - ermutigt von der Marquise von Merteuil - eines Tages im Harfenkasten von Cécile einen kleinen Liebesbrief versteckt. Diese ist außer sich, als sie ihn entdeckt, weiß gar nicht, was sie denken, geschweige denn wie sie sich verhalten und ob sie diesen Brief beantworten soll. Dennoch obsiegt letzten Endes ihr Wunsch, ihren Verehrer glücklich zu sehen, und ein heimlicher Briefwechsel wird aufgenommen. Irgendwann aber hält Cécile diese Heimlichkeit nicht mehr aus, und in ihrer Seelenpein vertraut sie sich ausgerechnet der Merteuil an. Die fordert sie auf, ihr den gesamten Briefwechsel zu zeigen.

„Wir glauben den Leser aufmerksam machen zu müssen, dass wir ungeachtet des Titels des Buches und dessen, was der Sammler dieser Briefe in seiner Vorrede darüber versichert, für die Echtheit dieser Sammlung nicht gutstehen und dass wir selbst gewichtige Gründe haben, anzunehmen, dass das Ganze nur ein Roman ist.“ (Vorbemerkung des Herausgebers, S. 5)

Inzwischen spinnt Valmont auf dem Land seine Fäden weiter. Er hilft armen Dörflern - und wundert sich dabei in seinem Zynismus über das Gefühl, wie schön es ist, anderen Gutes zu tun -, weil er will, dass diese Tat der Präsidentin zu Ohren kommt und ihr Herz empfänglich macht für die Liebesgeständnisse in seinen zukünftigen Briefen. Zwar wird Frau Volanges nicht müde, in ihren Briefen an die Präsidentin die Falle aufzuzeigen, die ihr Valmont stellt - sie merkt aber nicht, wie gleichzeitig ihre eigene Tochter in die Fänge der Marquise von Merteuil gerät, über die sie wiederum voll des Lobes ist: Die Marquise sei eine äußerst talentierte Wagenlenkerin, die den Wagen geschickt zwischen Abgrund und Fels zu steuern vermöge. Sie allein könne Valmont Paroli bieten, wohingegen die Gesellschaft ihn wegen seiner schändlichen Taten nicht etwa ächte, sondern weiterhin in ihren Salons dulde.

Das Verderben nimmt seinen Lauf

Cécile, so die Merteuil an Valmont, habe keinen Charakter und keine Grundsätze, sie sei einfach strukturiert und leicht formbar; daher müsste doch ihr Rachefeldzug ein Leichtes sein. Sie fordert Valmont auf, sich bei Danceny einzuschmeicheln und ihn anzuspornen, mit Cécile ein heimliches Verhältnis zu beginnen. Das trifft sich gut, denn Valmont hat der Präsidentin versprechen müssen, sofort abzureisen, da sie ihn nicht mehr sehen will. Er hat erfahren, dass ihn die Mutter von Cécile bei der Präsidentin angeschwärzt hat, weshalb er sich an ihr gerne persönlich durch die Deflorierung ihrer Tochter rächen möchte, sollte die Sache mit Danceny keinen Erfolg zeigen. Und danach sieht es auch aus: Denn jenen gar zu einfachen Plan vereitelt die perfide Drahtzieherin Merteuil, indem sie der Mutter Céciles als deren Vertraute von einem heimlichen Briefwechsel zwischen den jungen Leuten erzählt, den sie ja selbst kurz zuvor angeregt hat. Frau von Volanges durchsucht daraufhin den Schreibtisch ihrer Tochter und findet die Liebesbeweise. Danceny darf von nun an das Haus nicht mehr betreten. Die Marquise von Merteuil arrangiert für Frau von Volanges und ihre Tochter eine Reise aufs Land - ausgerechnet zur Tante Valmonts - und hofft, damit gleichzeitig die Sehnsucht Dancenys anzustacheln. Danceny weiß sich in seiner Verzweiflung nicht anders zu helfen, als sich seinerseits ganz Valmont anzuvertrauen und darauf zu bauen, dass es diesem gelingen wird, dort auf dem Land ein heimliches Treffen zwischen den beiden Liebenden zu arrangieren. Doch stattdessen wird er hingehalten.

Taktiken der Verführung

In ihrer Doppelrolle - einerseits als Tröster, andererseits als Verführer und Zerstörer - gefallen sich die beiden Intriganten ganz wunderbar, und sie breiten voreinander ihre jeweiligen Strategien aus.

„Erobern, das ist unsere Bestimmung, und man muss ihr folgen: Vielleicht treffen wir uns am Ende dieser Carriere wieder.“ (Valmont an Merteuil, S. 18)

Für die Marquise gelten nur Begriffe wie "siegen" oder "unterliegen", Männer sind lediglich Spielzeuge ihrer Launen, ja sie will sich als weiblicher Don Juan über das männliche Geschlecht erheben. Sie sieht sich als Stellvertreterin aller Frauen und fordert zum Kampf der Geschlechter heraus, damit die Frauen ihre Unabhängigkeit erreichen. Ihr eigenes Leben führt sie als leuchtendes Beispiel an: Sie selbst sei Herrin ihrer Emotionen und lasse sich nicht von ihnen dominieren. Die Liebe und ihre Freuden kenne sie zwar durchaus, sie wolle sie aber nicht nur genießen, sondern sie ergründen und dann als Waffen einsetzen. Das Jonglieren mit verschiedenen Masken gelinge ihr ausgezeichnet, schließlich sei es stets ihr Ziel gewesen, die Kunst der Verstellung zu beherrschen, um andere zu täuschen. Die Merteuil betrügt all ihre Liebhaber, von denen jeder glaubt, er sei der einzige. Sie bestimmt die Regeln, nach denen gespielt wird. Sie ist stolz darauf, ihre Waffen - Verstellung, Verführung, Verstoßung und Demütigung - ebenso sicher zu führen wie ein Mann. Dem Geheimnis eines jeden komme sie auf die Schliche und wisse es für sich zu nutzen.

„Sie kennen doch die Präsidentin von Tourvel, ihre Frömmigkeit, ihre eheliche Treue und ihre strengen Grundsätze. Das ist mein Gegner und ein Feind meiner würdig, und das ist das Ziel, das ich erreichen will.“ (Valmont an Merteuil, S. 19)

Valmont bleibt hinter dieser perfiden Taktik kaum zurück: Er beschreibt, wie er die Bühne im Haus seiner Tante vorbereitet, wie er Freundschaft vorgaukelt und sich somit die Zuneigung von Cécile erschleicht; er weist den Akteuren ihren eng gesteckten Handlungsspielraum zu und löst Reaktionen aus, die den Beweis seiner Macht über andere liefern sollen. Es geht ihm einzig und allein darum, Frauen zu besitzen oder zu verderben - oder beides gleichzeitig.

Liebe verblendet

In ihren Briefen an Valmont gesteht die Präsidentin von Tourvel fatalerweise, dass sie innere Kämpfe auszufechten hat. Nichts anderes hat dieser ja beabsichtigt. Siegesgewiss entjungfert er nun ganz en passant die kleine Cécile, die nichts Besseres weiß, als Trost bei der Marquise von Merteuil zu suchen. Céciles Mutter ist entsetzt über den Zustand ihrer Tochter und bittet ebenfalls um den Beistand der Marquise, die sich einmal mehr in ihrer Rolle als Drahtzieherin bestätigt fühlt. Das Selbstbewusstsein Valmonts erleidet einen empfindlichen Dämpfer, als die Präsidentin auf keinen seiner Annäherungsversuche auch nur im Geringsten eingeht, sondern stattdessen in aller Heimlichkeit abreist und sich ihm entzieht. In der Ferne versucht sie zur Ruhe zu kommen, muss sich aber ihre Liebe zu Valmont eingestehen und vertraut sich dessen Tante an.

„Er würde mich perfid nennen, und dieses Wort hat mir immer Spaß gemacht; nach dem Worte ‚Grausame’ ist es das süßeste Wort für das Ohr einer Frau, und weniger schwierig, es sich zu verdienen.“ (Merteuil an Valmont, S. 22)

Damit es der Merteuil unterdessen in Paris nicht gar so langweilig wird, beschließt sie, ihrem derzeitigen Liebhaber den Laufpass zu geben und sich den jungen Danceny gefügig zu machen, was ihr leicht und schnell gelingt. Schon bald beschreibt Danceny in seinen Briefen an Cécile, wie anbetungswürdig diese Frau sei, in der er ja auch die beste Freundin seiner Geliebten vermutet. Er hat zwar immer noch Gefühle für Cécile, schreibt aber dessen ungeachtet die empfindsamsten Liebesgeständnisse an die Marquise.

Kapitulation und Vernichtung

Frau von Tourvels Beichtvater, Pater Anselm, soll ihr Valmonts Briefe zustellen und ein heimliches Treffen arrangieren, weil Valmont Besserung gelobt und sich bekehren lassen will. Die Präsidentin erliegt dem Betrug, empfängt ihn und wird schließlich "erobert", indem Valmont ihr mit Selbstmord droht, sollte sie ihn nicht erhören.

„Seien wir aufrichtig: In unseren Arrangements, die ebenso kalt wie frivol sind, ist das was wir Glück nennen kaum ein Vergnügen.“ (Valmont an Merteuil, S. 25)

Für Valmont ist es ein Sieg auf ganzer Linie, zwar durch einen anstrengenden Feldzug teuer erkauft, doch schließlich durch geschicktes Taktieren zu seinen Gunsten entschieden. Nun möchte er zum Dank für diesen Sieg, den er der Merteuil wie eine Trophäe zu Füßen legt, wieder von ihr als Liebhaber begünstigt werden. Diese aber bleibt stolz, sie bezichtigt ihn, in die Präsidentin verliebt zu sein, und weigert sich, ihrerseits ein weiteres Opfer in seinen Eroberungsfeldzügen zu sein. So einfach sei sie nicht zu haben, so leicht unterwerfe sie sich ihm nicht. Sie verkündet ihre Unabhängigkeit und beschwört damit seinen Zorn herauf.

„Aber Valmont ist nicht so; sein Betragen ist das Resultat seiner Prinzipien. Er versteht genau auszurechnen, was sich ein Mensch erlauben darf, ohne sich zu kompromittieren; und um ohne Gefahr grausam und böse zu sein, suchte er sich die Frauen zum Opfer.“ (Frau von Volanges an Präsidentin von Tourvel, S. 29)

Die Präsidentin indes ist vor lauter Schuldbewusstsein unfähig zu denken, geschweige denn zu handeln. Ihren Fehltritt gesteht sie der Tante des Vicomte, gleichzeitig spricht sie von Verderben und Untergang. Andererseits stellt sie in ihren Briefen nun die Liebe über alles, auch über die Reue, die sie empfindet. Noch immer glaubt sie an die reine Liebe, redet sich ein, es gebe eine unbefleckte Vereinigung der Körper. Sie will sich nur noch der Liebe widmen und sich dabei gerne für das Glück des anderen opfern. Solange Valmont glücklich sei, so schreibt sie an Frau von Rosemonde, sei alles andere unwichtig oder verwandle sich in reines Vergnügen. Frau von Rosemonde versucht die Präsidentin mit allgemeinen Erläuterungen zur Liebe und den Gefühlen zwischen Mann und Frau zu trösten, weiß aber letzten Endes keinen wirklichen Rat. Sie warnt vor dem Glück, das nichts anderes als eine Schimäre sei, und vor den Hoffnungen, an die man sich hänge, wenn sie schon verloren seien. Als die Präsidentin erfährt, dass Valmont sie mit einer Kurtisane betrügt, vergibt sie ihm noch. Als ihr aber bewusst wird, welch böses Spiel er mit ihr treibt, gibt sie sich der völligen Verzweiflung hin, sucht Zuflucht in einem Kloster und stirbt vor lauter Gram.

Fragwürdige Rache

Ein anderes Spiel ist aber noch lange nicht zu Ende: dasjenige zwischen der Merteuil und Valmont. Als Valmont in Paris vergebens auf eine Einladung der Merteuil wartet, sucht er sie ungeduldig auf und findet sie in den Armen Dancenys. Daraufhin führt er Danceny die negativen Seiten der Marquise vor Augen und zeigt ihm die Vorzüge der viel jüngeren Cécile auf. Schnell überzeugt, will dieser sich sofort von der Merteuil trennen. Sie aber berichtet ihm aus Rache von allen Machenschaften Valmonts, woraufhin Danceny diesen zum Duell fordert und tötet. Noch auf dem Sterbebett überreicht Valmont Danceny den gesamten Briefwechsel, der den Machtwillen, den Sadismus und die grausame Eitelkeit der Marquise enthüllt. Als diese an Blattern erkrankt, die sie völlig entstellen, einen Prozess und damit ihr gesamtes Vermögen verliert und gesellschaftlich geächtet wird, flieht sie eines Nachts aus Paris. Nachdem Cécile vom Tod Valmonts erfahren hat und davon, wie übel man ihr mitgespielt hat, zieht sie sich aus Scham umgehend in ein Kloster zurück. Das Schlusswort hat Frau von Volanges: Das Böse habe man zwar erkannt, aber nichts dagegen ausrichten können; die Opfer bleiben letzten Endes ohne Trost.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Authentizität vorgaukelnde Briefroman war im Frankreich der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sehr beliebt, z. B. Julie oder Die neue Héloïse von Jean-Jacques Rousseau, worauf Choderlos de Laclos in seinem Vorwort zu Gefährliche Liebschaften anspielt. Solche Vorworte waren ein bewährtes Mittel, die mitunter anstößigen, ja skandalösen Inhalte der Briefromane scheinbar zu legitimieren. Raffiniert arrangiert Laclos die 176 Briefe und variiert die unterschiedlichen Stilebenen und Tonlagen der verschiedenen Schreiber: Céciles naive Ergüsse kontrastieren mit den tugendhaften Ermahnungen der Präsidentin ebenso wie mit der rational kalkulierenden Sprache der Marquise und des Vicomte. Durch die im Brief gegebene Unmittelbarkeit des Schreibens wird der Leser direkt in das Geschehen mit einbezogen, er ist den Protagonisten stets einen Schritt voraus und von vornherein eingeweiht in die abgefeimten Pläne der zynischen Akteure. Da Briefe von zahlreichen Personen vorliegen, vervielfacht sich die Perspektive, denn die gleichen Ereignisse werden oft von mehreren Schreibern erzählt. Dem Leser werden so in direkter Abfolge "unterschiedliche Wahrheiten" präsentiert, sodass er zur Selbstreflexion angeregt wird: Was ist denn nun Wahrheit und was Lüge, was ist ernst gemeint und was nur geheuchelt? Die Briefe werden z. T. gezielt als Instrumente in der Verführungsstrategie eingesetzt, um Menschen zu manipulieren und zu ruinieren. Damit wird gleichzeitig das Grundvertrauen in das Wort, in die Sprache erschüttert.

Interpretationsansätze

  • Die Sittenlosigkeit des französischen Adels am Vorabend der Revolution von 1789 wird im Roman in ihrem ganzen Ausmaß gezeigt - und rechtfertigt die Umwälzung der Gesellschaft, um Moral und Tugend wieder zu ihrem Recht zu verhelfen. Laclos ruft nicht zur Revolution auf, sondern hofft, dass diese korrupte Welt des Adels an sich selbst zugrunde gehen wird.
  • Das Thema Vernunft vs. Gefühl spielt eine wichtige Rolle: Die Vernunft kann sich eiskalt kalkulierend gegen den Menschen richten. Ahnungslose und offenherzige Menschen schützt sie nicht, diese erscheinen vielmehr als prädestinierte Opfer. Die rückhaltlose Hingabe an die Gefühle hingegen kann ebenfalls gefährlich und verhängnisvoll sein.
  • Das ausgeklügelte Arrangement der Briefe führt zur Vielstimmigkeit des Werkes; darin übertrifft dieser Roman fast alle Briefromane seiner Zeit. Die Wahrheit ist nicht absolut, nicht objektiv, sondern komplex und subjektiv.
  • Den beiden Hauptintriganten des Romans geht es vor allem um eins: Macht. Das Wissen über Menschen und Sachverhalte wird von ihnen eingesetzt, einzig um Macht zu erringen und andere zu vernichten. Letzten Endes siegt nur der, der rücksichtslos und berechnend agiert. Doch der Roman zeigt auch: Wenn sich die Mächtigen gegeneinander wenden, ist eine Katastrophe für alle Beteiligten die Folge.
  • Die Faszination des Bösen wird im Roman überdeutlich: Der Autor verwendet auffällig viel Sorgfalt darauf, die beiden Intriganten in ihrer ganzen Bösartigkeit auszuleuchten, während die willenlosen Opfer merkwürdig unscharf bleiben. List und Heimtücke scheinen viel heller auf und wirken verführerischer als Tugend und Moral.

Historischer Hintergrund

Die Aufklärung in Frankreich

Die Schwächung der Aristokratie durch den absolutistischen Herrscher Ludwig XIV. im Zusammenspiel mit der Unzufriedenheit des Bürgertums, das von der politischen Macht ausgeschlossen war, führte zu den gesellschaftlichen Unsicherheiten, die eine der Grundlagen der Französischen Revolution von 1789 bildeten. Die literarische Produktion erreichte gerade in dieser Zeit einen Höhepunkt. Zu den Vorläufern und Wegbereitern der Revolution gehörten u. a. die Aufklärer Montesquieu, Voltaire und Rousseau, alles Autoren, die auch Choderlos de Laclos maßgeblich beeinflussten. Montesquieu sah die Freiheit des Einzelnen nur dann gewährleistet, wenn das politische System frei von Willkür sei und aus der Geschichte des Landes entstehe. Voltaire erhoffte sich eine Verbesserung des Menschen durch die Entwicklung seiner Vernunft. Rousseau positionierte sich auf der Kehrseite der Aufklärung in Frankreich: Während Montesquieu und Voltaire sowie die Enzyklopädisten um Diderot die Vernunft seiner Meinung nach überschätzten, sah Rousseau in den Künsten und der Wissenschaft eine Bedrohung für die Gesellschaft, denn nur im Naturzustand herrsche das Paradies. Rousseau zufolge ist der Mensch von Natur aus gut und wird erst durch die Gesellschaft verdorben.

Die Aufklärung insgesamt verpflichtete sich der Suche nach Wahrheit und wandte sich gegen höfische Verhaltenskodizes, gegen Rhetorik und Verstellung. Das Verhältnis von Vernunft und Natur war ein wichtiges Thema im Zeitalter der Aufklärung, und in diesem Spannungsfeld ist auch das literarische Werk des Choderlos de Laclos angesiedelt. In seinem Roman Gefährliche Liebschaften wird zum einen die Vernunft missbraucht, um andere Menschen zu unterdrücken, gar zu zerstören; zum anderen ist es gerade die Naivität und Unerfahrenheit (gewissermaßen ihr Naturzustand), die junge Menschen in die Hände ihrer Peiniger treibt.

Entstehung

Laclos schrieb an den Gefährlichen Liebschaften, als er auf der Insel Aix vor der Westküste Frankreichs Befestigungsanlagen erweitern musste, die von Vauban, dem größten französischen Militärarchitekten, errichtet worden waren. Allerdings konnte er sich mit seinen Vorschlägen nicht gegen seine Vorgesetzten durchsetzen und verlieh seinem Missmut in seinen Schriften Ausdruck. Derselbe Missmut inspirierte den Offizier und Literaten zu dem Roman Gefährliche Liebschaften: Er artikulierte seinen Widerstand gegen die Obrigkeit bzw. gegen die festgefahrenen Verhältnisse, die keine Neuerung zuließen. Laclos wollte aufzeigen, wie sittenlos und verdorben dieser Hochadel war, der ihm und seinesgleichen die beruflichen Aufstiegschancen verwehrte. Dennoch wäre es zu kurz gegriffen, wollte man Laclos einzig persönliche Ressentiments unterstellen, die ihn zu diesem Roman antrieben. Als ambitionierter Aufklärer war es ihm ein ebenso großes Anliegen, individuelle Ungerechtigkeiten in einen größeren gesellschaftlichen Rahmen zu stellen und diesen zu hinterfragen. Er wollte die Leser vor der Unmoral und den Unsitten warnen und sie anhand der negativen Beispiele eines Besseren belehren. Im Vorwort des Romans schreibt er, dass die Briefe aufrütteln sollen: "Mich dünkt, man erweist der Sittlichkeit einen Dienst, wenn man die Mittel bekannt gibt, deren sich die Sittenlosen bedienen, um die Sittlichen zu verderben." Gleichzeitig ist er sich der Gefahr wohl bewusst, den solch ein Briefwechsel für junge Gemüter haben kann: "Der Missbrauch des Guten ist dem Guten sehr nahe."

Wirkungsgeschichte

Gefährliche Liebschaften löste gleich nach seinem Erscheinen im Jahr 1782 einen Skandal aus. Die erste Auflage war innerhalb von vier Wochen vergriffen, acht weitere sollten noch im selben Jahr folgen. Ein Jahr später lag der Roman auf Deutsch vor, und Raubdrucke wurden in ganz Europa verkauft. Gierig stürzten sich die Pariser auf dieses Sittenbild des verdorbenen französischen Hochadels, wenngleich die Darstellung der Intrigen schockierte. Man rätselte, wer hinter den Figuren stecken mochte, und verdächtigte den Autor, sich in Valmont selbst verewigt zu haben. Andererseits las man den Roman als Kritik an den Missständen, am Müßiggang in den Pariser Salons, an der Verdorbenheit der Aristokratie. Gefährliche Liebschaften wurde in den nachfolgenden Jahrzehnten indes oftmals nicht als Warnung verstanden, sondern gerade als unmoralischer Text gerne gelesen. Die vermeintliche Sittenlosigkeit des Romans führte dazu, dass er von Anfang bis Mitte des 19. Jahrhunderts verboten war. Laclos’ Haltung zu seinen Protagonisten, insbesondere zu den Verführern, macht den Roman ambivalent in seiner Aussage, weshalb er nach wie vor spannend ist, unabhängig von seinem historischen Kontext. Zahlreiche Dramatisierungen und Nachdichtungen sowie insgesamt fünf Verfilmungen - u. a. von Stephen Frears (Gefährliche Liebschaften, 1988) und Milos Forman (Valmont, 1989) - bestätigen dies. 1999 wählten die Mitglieder der Académie Goncourt zwölf Bücher als die wichtigsten Grundlagenwerke der französischen Literatur aus; Gefährliche Liebschaften belegte bei dieser Wahl den ersten Platz. Im Zeitalter der elektronischen Kommunikation könnte man meinen, Briefromane gehörten eindeutig der Vergangenheit an und seien anachronistisch, doch Beispiele aus der neueren Literatur (Feridun Zaimoglu, Liebesmale, scharlachrot) beweisen das Gegenteil. Zudem finden jüngst abgewandelte Formen wie E-Mail- und SMS-Romane Eingang in die zeitgenössische Literatur.

Über den Autor

Pierre Ambroise François Choderlos de Laclos wird am 18. Oktober 1741 in Amiens als Sohn eines Regierungsbeamten geboren, der erst kurz zuvor in den Adelsstand erhoben wurde. Mit 19 Jahren tritt Laclos in die Königliche Militärakademie ein und beginnt eine Ausbildung zum Artillerieoffizier. 1763 wird er nach dem Siebenjährigen Krieg in den Nordwesten Frankreichs versetzt, wo er seine ersten literarischen Arbeiten anfertigt. 1777 wird die Oper Ernestine in Paris aufgeführt, zu der er das Libretto verfasst hat. Als er beauftragt wird, auf der Insel Aix vor der Westküste Frankreichs die Befestigungsanlagen auszubauen, beginnt er vermutlich aus Frust über seine als Strafversetzung empfundene Aufgabe an seinen Aufzeichnungen zu dem Roman Gefährliche Liebschaften. 1782 wird der Roman veröffentlicht und hat sogleich einen unerwarteten Erfolg. Noch im selben Jahr lernt er seine spätere Frau Marie-Soulange Duperré kennen und beginnt mit einem weiteren literarischen Werk, Über die Erziehung der Frau. Im Zuge der Französischen Revolution von 1789 tritt auch er dem Club der Jakobiner bei, einer politischen Vereinigung, die sich während und nach der Revolution für radikale Demokratie und für das einfache Volk einsetzt. Die Urheberschaft einiger revolutionärer Schriften wird Laclos zugeschrieben. 1792 wird er zum Kommissar der Exekutive ernannt, ein Jahr später allerdings zusammen mit dem Herzog von Orléans verhaftet. Der Sturz Robespierres sorgt schließlich für seine Freilassung; für ihn hat Laclos zuvor auch Reden geschrieben. 1799 wird Laclos General Napoleons und nimmt an verschiedenen Militäraktionen teil, bevor er am 5. September 1803 im italienischen Tarent an einer Darminfektion stirbt.

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