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Die Kartause von Parma

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Die Kartause von Parma

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Tragische Romanze und Meilenstein des realistischen Romans: Stendhals berühmte Lebensgeschichte des Fabrice del Dongo.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Realismus

Worum es geht

Politik und Liebe am Hof von Parma

Obwohl dieser Roman voller realistisch-historischer Anspielungen ist und sich durch die genaue Psychologie seiner Figuren auszeichnet, kann er auch einfach als eine der großen Liebesgeschichten der Weltliteratur gelesen werden. Der junge Fabrice del Dongo nimmt aus Begeisterung für Napoleon an der Schlacht von Waterloo teil, ohne dabei das blutige Chaos des Krieges wirklich zu überblicken. Er kehrt nach Italien zurück, studiert Theologie, ersticht im Duell einen Nebenbuhler und flieht aus dem Kerkerturm der Zitadelle von Parma. Bei all seinen Abenteuern kann er sich der unendlichen Liebe seiner Tante Gina ebenso sicher sein wie der Unterstützung durch ihren Galan, den Premierminister Mosca. Fabrice verliebt sich in die hochmoralische Clelia, mit der er jedoch erst spät, als er bereits Erzbischof ist, eine Beziehung beginnt, bevor er sein Leben im Kloster, eben in der titelgebenden Kartause, beschließt. Wegen der höfischen Kulisse und der Sprache ist dem Roman sein Alter von mehr als 150 Jahren zweifellos anzumerken. Doch das pralle Leben, mit dem das Buch gefüllt ist, und die überraschenden Wendungen der Handlung sorgen für Tempo und Unterhaltung; die Charaktere bleiben auch in ihren dramatischsten Liebeswallungen nachvollziehbar. Zu Recht gilt Die Kartause von Parma als einer der großen Romane des literarischen Realismus.

Take-aways

  • Stendhals Die Kartause von Parma ist einer der großen Romane des literarischen Realismus.
  • Der Autor verfasste den umfangreichen Text in gerade mal 52 Tagen.
  • Erzählt wird die Lebensgeschichte des Mailänder Adelssprosses Fabrice del Dongo.
  • Aus Begeisterung für Napoleon nimmt der kaum 18-Jährige an der Schlacht von Waterloo teil.
  • Zurück in Italien verliebt sich seine Tante Gina in Fabrice und kann bis an ihr Lebensende nicht mehr von ihm lassen.
  • Gina heiratet den reichen Fürsten Sanseverina und geht am Hof in Parma eine Beziehung mit dem Minister Mosca ein; sie will Fabrice zum Erzbischof machen.
  • Fabrice stürzt sich in zahllose Affären und tötet einen eifersüchtigen Nebenbuhler im Duell.
  • Im Gefängnis von Parma verliebt er sich in Clelia Conti, die Tochter des Kerkerkommandeurs.
  • Fabrice gelingt eine spektakuläre Flucht aus der Zelle, er kehrt als Erzbischof nach Parma zurück und beginnt eine Beziehung mit Clelia.
  • Nach ihrem Tod beschließt er sein Leben in einem Kloster, der titelgebenden Kartause von Parma.
  • Berühmt geworden ist Stendhals realistische Darstellung der Schlacht von Waterloo, bei der Fabrice vor lauter Detailwahrnehmung kaum das große Ganze mitbekommt.
  • Der Roman ist - bei allem Realismus - auch eine der großen Romanzen der Weltliteratur.

Zusammenfassung

Geburt im Zeichen der Republik

Der Einmarsch der französischen Truppen unter Napoleon im Jahr 1796 verändert das Leben der Mailänder Adelsfamilie del Dongo von Grund auf. Während der österreichtreue Marchese sich aufs Land flüchtet, nehmen seine Frau, die Marchesa, und seine 13-jährige Schwester Gina den jungen Offizier Robert als Gast in ihrem Palast auf. Sie finden Gefallen an der französischen Lebensfreude.

„An der Spitze jener jungen Armee, die eben die Brücke von Lodi überschritten und der Welt bewiesen hatte, dass nach so vielen Jahrhunderten Cäsar und Alexander ein Nachfolger erstanden sei, zog der General Bonaparte am 15. Mai 1796 in Mailand ein.“ (S. 9)

Ein Jahr später, nach Abzug der Truppen, ist die Marchesa schwanger und ihr zweiter Sohn wird geboren: Fabrice del Dongo. Umhätschelt von den beiden Frauen wächst Fabrice auf dem Familienschloss in Grianta auf. Lesen und Schreiben lernt der Junge kaum, sein Interesse gilt stattdessen militärischen Dingen, dem Reiten und Exerzieren. Von seinem Hauslehrer Abbé Blanes übernimmt er einen Hang zum Aberglauben: Als er am Tag von Napoleons Rückkehr von der Insel Elba einen Adler fliegen sieht, bricht der junge Mann begeistert auf, um "seinem Kaiser" zu Hilfe zu eilen. Über die Schweiz reist er nach Paris, verfehlt Napoleon dort knapp und folgt auf eigene Faust den französischen Truppen, wobei er aufgrund seiner auffälligen Weltfremdheit unter Spionageverdacht im Gefängnis landet. Die Kerkermeisterin findet jedoch Gefallen an dem hübschen Jungen und verhilft ihm zur Flucht, während aus der Ferne bereits der Kanonendonner der Schlacht von Waterloo zu hören ist.

Reifeprozess im Schlachtgetümmel

Mit der Hilfe einer mütterlich besorgten Marketenderin kauft Fabrice vorbeiziehenden Soldaten ein Pferd ab. Das Tier gehörte früher einem General. Fabrice galoppiert auf ihm unbedarft durch den kriegerischen Tumult bis an die Seite des berühmten Marschalls Ney. Er versucht herauszufinden, ob er sich tatsächlich schon in der ersehnten Schlacht befindet, kann aber vor Aufregung den Gesamtzusammenhang des Krieges nicht erfassen. Er bemerkt nur die Details: Kanonenrauch und umherpfeifende Gewehrkugeln, einzelne Tote und Verletzte im Matsch. Er reitet hierhin und dorthin, kauft eine Flasche Schnaps, um sich bei den Soldaten beliebt zu machen, verpasst dann angetrunken den vorbeireitenden Napoleon. Sein schönes Pferd muss er trotz Protest an einen General abtreten. Obwohl Fabrice in seiner Orientierungslosigkeit wenig von der eigentlichen Schlacht mitbekommt, macht er doch einige einschneidende Erfahrungen: Er gewöhnt sich an den Anblick der Toten und Verletzten, erschießt einen preußischen Soldaten und wird schließlich selbst verwundet, als er sich den demoralisiert flüchtenden Franzosen in den Weg stellt.

Gesellschaft am Hof von Parma

Bei seiner Rückkehr nach Italien muss Fabrice feststellen, dass er als Anhänger Napoleons nun von der Mailänder Polizei gesucht wird. Sein eigener Bruder Ascanio hat ihn als Landesverräter angezeigt. Er schleicht sich nachts ins Schloss Grianta und versteckt sich tagsüber im Zimmer seiner Tante Gina. Auf einer heimlichen Landpartie lernt er die junge und bildhübsche Clelia Conti kennen, von der er sich jedoch sofort wieder verabschieden muss, um ins Piemont zu flüchten.

„Um diesen Racheplan in Frankreich verständlich zu machen, muss ich sagen, dass in Mailand, einem Lande, das von den unsern sehr weit entfernt ist, man noch aus Liebe in Verzweiflung gerät.“ (S. 36)

Seine Tante Gina, die heimlich in Fabrice verliebt ist, hat sich inzwischen mit Graf Mosca angefreundet, dem Premierminister des Fürsten Ernesto IV. von Parma. Bei gemeinsamen Besuchen der Mailänder Scala verliebt sich Mosca in Gina. Er schmiedet einen Plan, wie er, selbst unglücklich verheiratet, sie zu sich nach Parma holen kann. Er organisiert eine Scheinehe zwischen ihr und dem steinreichen, aber betagten Herzog Sanseverina. Gina wird zur Herzogin und steht am Hof in Parma bald im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Der Fürst Ernesto, seine Frau und seine Mätresse sind beeindruckt von ihrer Schönheit und ihrem gesellschaftlichen Geschick. Auch mit Clelia Conti, die sich ebenfalls am Hof aufhält und die der Schönheit Ginas als Einzige Konkurrenz macht, freundet sie sich an. Für Fabrice, den sie gern in einer flotten Uniform gesehen hätte, kann die Herzogin jedoch nur eine geistliche Karriere bewirken. Graf Mosca macht den Vorschlag, ihn als Erzbischof von Parma einzusetzen. Fabrice fügt sich und gibt wehmütig seinen Traum vom ruhmreichen Soldatenleben auf. Für das dreijährige Theologiestudium zieht er nach Neapel.

Eifersüchteleien

Bei seiner Rückkehr nach Parma gewinnt Fabrice schnell die Gunst des amtierenden Erzbischofs Landriani. Der junge Adelige ist zu einem derart vornehmen und gewandten Mann herangereift, dass die Herzogin Sanseverina alle Vorsicht fahren lässt und in verliebter Begeisterung dem Grafen Mosca Grund zur Eifersucht gibt. Angeheizt wird die Situation vom Fürsten von Parma persönlich, der sich von Fabrice herausgefordert fühlt und Mosca in einem anonymen Brief von Fabrices vermeintlichem Liebesverhältnis mit seiner Tante berichtet. Zum Glück für den vor Eifersucht kranken Grafen Mosca beschränkt sich das Verhältnis auf Fabrices Seite auf rein freundschaftliche Zuneigung. Fabrice glaubt, prinzipiell zu keiner leidenschaftlichen Liebe fähig zu sein; er beginnt eine Affäre mit der Schauspielerin Marietta Valserra und zieht dadurch den Zorn ihres Kollegen und Liebhabers Giletti auf sich. Bei einem Wiedersehen mit seinem alten Hauslehrer Abbé Blanes sagt dieser ihm eine längere Gefangenschaft voraus.

Zwei Duelle

Es kommt zu einem Duell mit dem eifersüchtigen Giletti: Fabrice ersticht seinen Widersacher. Er flüchtet über die österreichische Grenze und trifft dort in einer Trattoria auf den Kutscher Ludovico, der ihm unauffällige Bauernkleider besorgt und ihn sicher nach Bologna bringt. In einem Briefwechsel mit dem Erzbischof Landriani, der ihn zum Generalvikar ernennen will, erfährt Fabrice von der Lage in Parma: Intriganten am Hof versuchen ihm Gilettis Tod als heimtückischen Mord in die Schuhe zu schieben und mit diesem Gerücht die Herzogin Sanseverina und den Grafen Mosca zu stürzen. Fabrice trifft Marietta wieder und beginnt ein sorgloses Leben in Bologna. Er begeistert sich für die berühmte Sängerin Fausta, der er heimlich zurück nach Parma folgt. Fabrice hofft für einen kurzen Moment, sich endlich leidenschaftlich verliebt zu haben, langweilt sich dann aber doch wieder. Vom eifersüchtigen Liebhaber Faustas, dem Grafen M., wird Fabrice irrtümlich für Fürst Ernesto gehalten und als solcher entführt. Er entkommt mit knapper Not, kehrt nach Bologna zurück und fordert den Grafen M. für die erlittene Schmach zum Duell heraus. Dabei versetzt Fabrice ihm einen Stich in die Brust.

Verurteilt zu zwölf Jahren Haft

In Abwesenheit wird Fabrice in Parma des Mordes an Giletti schuldig gesprochen. Die Herzogin Sanseverina versucht, sich bei Ernesto IV. für ihn einzusetzen und bringt den Fürsten dazu, sich von Mosca einen Gnadenerlass diktieren zu lassen. Aber mit ihrer selbstbewussten Art weckt sie den Herrscherstolz des Fürsten. Da Mosca unvorsichtigerweise nicht darauf bestanden hat, Fabrices generelle Unschuld erklären zu lassen, schickt Ernesto am nächsten Morgen zwar die Intrigantin Raversi, eine Gegnerin Fabrices, in die Verbannung, unterzeichnet dann aber doch das Urteil, das Fabrice für zwölf Jahre ins Gefängnis bringen soll.

„,Ich begreife sehr gut, dass ich nichts weiß’, sagte Fabrice, ,aber ich will kämpfen und ich bin fest entschlossen, dort hinzugehn, wo der weiße Rauch ist.’“ (S. 57)

Die Herzogin ist außer sich und beendet ihre Liebesbeziehung zum Grafen Mosca, dem sie die Mitschuld an Fabrices Verhaftung gibt. Mosca fühlt sich ebenfalls schuldig und besticht den obersten Richter Rassi, um Fabrices Freilassung zu erwirken. Er erreicht jedoch wenig.

Liebe hinter Gittern

Clelias Vater, der General Fabio Conti, ist Kommandeur des Gefängnisses von Parma und wohnt mit seiner Tochter selbst in der Zitadelle. Fabrice kann von seiner Zelle aus das Fenster ihres Zimmers sehen und verliebt sich in ihren Anblick. Er ist bald so glücklich, ihr nah zu sein, dass er seinen Gefängnisaufenthalt gar nicht als Strafe empfindet. Zum ersten Mal in seinem Leben hat er sich wirklich verliebt. Als man sein Zellenfenster mit einem Holzschirm verdeckt, sägt er mit der Feder seiner Uhr ein Guckloch hinein, um den Blickkontakt zu seiner Angebeteten zu halten, die ihrerseits jeden Mittag pünktlich am Fenster erscheint. Die beiden kommunizieren miteinander, indem sie sich einzelne Buchstaben auf die Hände oder auf Zettel schreiben, und es gelingt Fabrice, die Liebe der tugendhaften Clelia zu erringen.

„Er hörte neben sich einen heiseren Schrei: Zwei Husaren fielen, von Kugeln getroffen; und als er nach ihnen blickte, waren sie bereits zwanzig Schritt von der Eskorte entfernt. Was ihm entsetzlich schien, war ein blutüberströmtes Pferd, das sich auf der ungepflügten Erde in Krämpfen wand und dabei seine Beine in das eigene Eingeweide verstrickte: Es wollte den andern folgen.“ (über Fabrice, S. 66 f.)

Am Hof kommt es derweil zu einem Komplott. Die Anhänger der verbannten Marchesa Raversi wollen den Grafen Mosca endgültig stürzen und aus der Stadt vertreiben. Man will den Premierminister schwächen, indem man die Herzogin Sanseverina in die Verzweiflung treibt, und zu diesem Zweck wiederum soll Fabrice vergiftet werden. Der Fürst von Parma, der sich noch immer von der Herzogin herausgefordert fühlt, beauftragt Rassi mit dem Giftmord. Clelia erfährt von der drohenden Gefahr und kann Fabrice mit einiger Mühe dazu bringen, einer Flucht aus der Zitadelle zuzustimmen. Einen genauen Ausbruchsplan hat seine Tante schon entworfen.

Kerkerflucht und Fürstenmord

Auf einem Spaziergang lernt die Herzogin den gestrauchelten Dichter Ferrante Palla kennen. Er ist ein Anhänger der Revolution und muss sich deshalb mit seiner Familie im Wald verborgen halten; außerdem ist er seit langem heimlich in die Herzogin verliebt. Sie beschenkt ihn reichlich und versichert sich damit seiner Unterstützung: Als Rache für Fabrices Gefangenschaft plant sie einen Giftanschlag auf den Fürsten von Parma. Sie lässt Hanfseile in Fabrices Zelle schmuggeln und beauftragt Clelia, die Wachen betrunken zu machen. Fabrice gelingt unter großen akrobatischen Mühen die Flucht aus dem 60 Meter hohen Turm. Zusammen mit seiner Tante kann er sich in Locarno am Lago Maggiore in Sicherheit bringen, wo aber zur Enttäuschung der Herzogin die Stimmung zwischen den beiden gedämpft bleibt. Fabrice vermisst seine Zelle und die Nähe zu Clelia. Die Herzogin muss erkennen, dass er verändert aus der Gefangenschaft gekommen ist und sie fortan nur noch die zweite Frau in seinem Leben sein wird. Erbost gibt sie das Zeichen zum Mord an Ernesto IV. und erhält kurz darauf tatsächlich die Nachricht vom Tod des Fürsten. Gina Sanseverina und Fabrice kehren nach Parma zurück. Der Nachfolger von Ernesto IV. wird dessen Sohn, Ernesto V.

Eingeschränkter Freiheitswille

Die Herzogin beginnt den neuen Fürsten bei gemeinsamen Theaterspielen zu umgarnen, was ihr zugute kommt, als Richter Rassi dem Dichter Ferrante und damit ihrer eigenen Verwicklung in den Mord auf die Spur zu kommen droht. Sie bringt Ernesto V. dazu, die entsprechenden Untersuchungsakten in den Kamin zu werfen. Die Herzogin plant, mit Hilfe des Grafen Mosca das Gerichtsverfahren gegen Fabrice wieder aufzunehmen und ihn endlich freisprechen zu lassen. Ihr Neffe hat jedoch ganz andere Sorgen: Clelia plagt sich mit Gewissensbissen, da sie mit ihrer Beihilfe zu Fabrices Flucht den Ruf ihres für die Zitadelle zuständigen Vaters ruiniert hat. Sie gibt daher dem langen Drängen ihres Vaters nach und erklärt sich bereit, den wohlhabenden Marchese Crescenzi zu heiraten - woraufhin sich Fabrice vor lauter Liebeskummer wieder in seine Zelle gegenüber von ihrem Fenster sperren lässt.

„Fabrice lief in das erzbischöfliche Palais; er war dort einfach und bescheiden; das war ein Ton, den er nur zu leicht traf; hingegen musste er sich anstrengen, um den großen Herrn zu spielen.“ (S. 254)

Erneut kursieren Gerüchte von einem geplanten Giftmord. Clelia eilt zu ihrem Geliebten in die Zelle und kann den Verführungskünsten des vermeintlich Sterbenden nicht lange widerstehen. Auch die Herzogin Sanseverina gerät in Panik und kauft ihren Neffen beim Fürsten mit dem Versprechen zum Beischlaf frei. Fabrice wird entlassen und tritt endlich seine Stelle als Generalvikar an. Sämtliche politischen Gegner werden in die Verbannung geschickt.

Die Kartause von Parma

Um ihren Vater bei Hof wieder salonfähig zu machen, muss Clelia die versprochene Hochzeit mit dem Marchese Crescenzi tatsächlich vollziehen. Fabrice und sie begegnen sich auf der Geburtstagsgesellschaft der Fürstenwitwe wieder, Clelia schenkt ihm ihren Fächer. Die beiden beginnen, ihre Trennung still zu ertragen. Ihre ungebrochen zarte Verbindung erträgt jedoch die Herzogin nicht. Sie muss ihre pikante Zusage an Ernesto V. erfüllen und verlässt Parma anschließend gemeinsam mit dem zurückgetretenen Grafen Mosca. Die beiden heiraten und ziehen nach Neapel. Fabrice beginnt in Parma zu predigen und erobert mit seiner melancholischen Art die Frauenherzen. Auch Clelia kommt zu ihm in die Messe, und die Affäre flammt noch einmal auf. Der gemeinsame Sohn Sandrino wird geboren, stirbt jedoch nach kurzer Krankheit, und auch Clelia, die bei der Heiligen Madonna geschworen hat, Fabrice nicht mehr zu sehen, wird von ihren Schuldgefühlen dahingerafft. Fabrice selbst zieht sich in ein Kloster zurück: die Kartause von Parma, in der er ein Jahr später stirbt.

Zum Text

Aufbau und Stil

"Ich verabscheue den geschraubten Stil, und ich will Ihnen gestehen, dass ein guter Teil der Kartause nach dem ersten Diktat gedruckt worden ist", schrieb Stendhal einmal. Diese Spontaneität ist dem Text anzumerken, zumal Stendhal die immerhin 700 Romanseiten in der Rekordzeit von nur sieben Wochen zu Papier brachte. Nicht nur sind die Sätze vergleichsweise knapp formuliert, oft in ironisch-trockenem Ton, sondern auch zuweilen etwas holprig aneinander gereiht. Auf der Handlungsebene erwartet den Leser ein rasanter Ritt: Der Autor führt zahlreiche Figuren ein, die z.T. für die weitere Geschichte kaum von Bedeutung sind. Die Handlung nimmt überraschende Wendungen und springt von einem Ort zum anderen, um dort der Entwicklung dieser oder jener Hauptfigur zu folgen. Typisch für die Kartause ist der innere Monolog, mit dem die Figuren inmitten des dramatischen Geschehens ihre Gefühle und Gedanken zu ordnen versuchen. Stendhal war ein großer Bewunderer der komischen Opern von Rossini und Mozart, an deren Arien diese Monologe in Stil und Tempo erinnern. Er lässt in seinem Roman komplexe Charaktere aufeinander prallen, möchte seinen Lesern die entstehenden psychologischen Spannungen aber möglichst leicht verständlich machen und nicht hinter einem blumigen Stil verstecken. Aus heutiger Sicht mit Erfolg: Während andere Autoren des 19. Jahrhunderts inzwischen schwülstig wirken, ist Die Kartause von Parma trotz ihres beachtlichen Umfangs ein Schmöker mit gehörigem Schwung, in den sich mit etwas Zeit prima hineinfinden lässt.

Interpretationsansätze

  • Eine berühmte Szene des Romans ist Fabrice del Dongos Verwirrung in der Schlacht von Waterloo. Er nimmt teil an einem großartigen historischen Ereignis, bekommt aber kaum etwas davon mit. Stendhal zeigt, wie die Geschichte im Moment ihres Entstehens für den Einzelnen gar nicht auf einen Blick zu erfassen ist. Zugleich wird die Romanfigur in ihrer Verwirrung für den Leser als realistische Person umso nachvollziehbarer.
  • Für Stendhal sind alle Figuren gefangen im gesellschaftlichen Gefüge ihrer Zeit; darin besteht der Realismus des Romans. So erklären sich auch die z.T. seltsamen Entscheidungen der Figuren: Mosca vermittelt seiner geliebten Gina eine Geldheirat mit einem betagten Fürsten; Fabrice wird Bischof, obwohl er vom ruhmreichen Soldatenleben träumt; und die moralische Clelia lässt sich auf eine Affäre mit dem Geistlichen Fabrice ein.
  • Balzac meinte, dass Die Kartause von Parma der Roman sei, den Machiavelli geschrieben hätte, wenn er im 19. Jahrhundert in Italien gelebt hätte. Denn so wie nach Machiavelli der politische Zweck die Mittel heiligt, erfüllen auch die Romanfiguren oft eher realpolitische Ansprüche als die ihrer persönlichen Moralvorstellungen.
  • Besonders der Graf Mosca ist in seiner innerlichen Zerrissenheit eine äußerst moderne literarische Figur: Für die Vernachlässigung seiner Moralvorstellungen zahlt er einen hohen Preis und spielt ständig mit dem Gedanken, seinen Ministerposten und das amoralische Hofleben hinter sich zu lassen.
  • Bei allem Realismus ist Die Kartause von Parma als tragische Romanze auch Stendhals Kommentar zur Gefühlskälte der Politik. Gina Sanseverina wird mit einem Adelstitel geboren und heiratet reich, sie durchschaut die Männer und die Politik, versteht zu bezaubern und zu kämpfen. Nur das, woran ihr am meisten liegt, kann sie nicht für sich gewinnen: Fabrices Liebe. Alle politische Macht nutzt ihr nichts zum persönlichen Glück.

Historischer Hintergrund

Europa unter dem Einfluss Napoleons

Die politische und soziale Entwicklung Frankreichs und Italiens am Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts war verknüpft mit dem Namen eines Mannes: Napoleon Bonaparte. Als Napoleon 1796 die norditalienischen Gebiete eroberte, konnte er sich der Sympathie der italienischen Bevölkerung sicher sein, die sich mit der österreichischen Fremdherrschaft nie hatte abfinden können. Nach der Schlacht von Waterloo und Napoleons endgültiger Abdankung im Jahr 1815 wurden die norditalienischen Staaten dann zwar an Österreich zurückgegeben, die freiheitlichen und patriotischen Ideale der Französischen Revolution hatten sich im Bewusstsein der Italiener jedoch festgesetzt. Bis zur Einigung Italiens im Jahr 1861 sollte keine Ruhe mehr im Land einkehren.

In Frankreich kam es nach der Revolution von 1789 ebenfalls zu einer langen Periode des Umbruchs. Napoleon führte nach seinem Putsch im Jahr 1799 die Monarchie wieder ein, setzte aber gleichzeitig Reformen im Bildungs- und Verwaltungswesen durch und schrieb sein zu wesentlichen Teilen noch heute gültiges Gesetzbuch, den Code civil. Dass er bei Bevölkerung und Intellektuellen gleichermaßen beliebt war, lag zudem an seiner eindrucksvollen Persönlichkeit, seinem Durchsetzungsvermögen und seinem militärischen Geschick. Nach seinem Sturz 1815 versuchten Ludwig XVIII. und später Karl X., die vorrevolutionären Zustände wiederherzustellen, verstrickten sich aber in eine von Korruption und Repression geprägte Politik, die mit der Julirevolution und der erneuten Machtergreifung des Bürgertums 1830 endgültig ihr Ende fand.

Entstehung

Stendhal wurde nach der Julirevolution von 1830 zum französischen Konsul in der italienischen Hafenstadt Civitavecchia ernannt, wo er sich unterfordert fühlte und langweilte. Er unternahm regelmäßig Ausflüge nach Rom und ließ sich dort 1832 Abschriften einer alten Stadtchronik anfertigen. Dieser Chronik entstammen die realen Vorbilder einiger der späteren Romanfiguren: Fabrice del Dongo beispielsweise ist angelehnt an Papst Paul III., der ebenfalls als junger Mann im Streit einen eifersüchtigen Nebenbuhler erstach und dafür in der Engelsburg in Rom inhaftiert wurde. Waghalsig wie Fabrice im Roman rettete sich auch der spätere Papst an einem Seil über die Kerkerwand ins Freie. Ebenso eng an die Realität angelehnt sind die Schauplätze der Kartause von Parma. Stendhal kannte nicht nur die italienischen und schweizerischen Städte, in denen der Roman spielt, sondern besuchte auch das Schlachtfeld von Waterloo südlich von Brüssel. Als ihm ein unbefristeter Urlaub als Konsul gewährt wurde, verließ Stendhal Italien und stürzte sich in Paris in verschiedene literarische Projekte, von denen das aufwändigste die Kartause war, an der er im Jahr 1838 schrieb. Aus Angst, bald nach Civitavecchia zurückkehren zu müssen und den Roman nicht beenden zu können, arbeitete Stendhal bis zu 15 Stunden am Tag. Nach Fertigstellung einer ersten Version des Waterloo-Kapitels schrieb er den restlichen Roman vom 4. November bis zum 26. Dezember desselben Jahres - in der atemberaubend kurzen Zeit von 52 Tagen.

Wirkungsgeschichte

Die zeitgenössische Leserschaft konnte so wenig mit Stendhals Veröffentlichungen anfangen, dass er selbst einmal lakonisch über einen seiner Misserfolge bemerkte: "Nur dem Autor hat das Buch gefallen." Das änderte sich jedoch 1839 mit Erscheinen von Die Kartause von Parma. Zum Erfolg dieses Werkes trug die Aufmerksamkeit bei, die es zunächst bei seinen Schriftstellerkollegen erregte: Honoré de Balzac zeigte sich in der Revue Parisienne begeistert und empfahl - irritiert von Stendhals improvisationsartigem Prosagalopp - lediglich einige Straffungen und stilistische Überarbeitungen. Gustave Flaubert hingegen fand Stendhals Werk "schlecht geschrieben und bezüglich der Charaktere und Absichten unverständlich". In Deutschland wurde der eigenwillige Franzose zuerst von Goethe entdeckt, dem es die psychologische Genauigkeit Stendhals angetan hatte, dann von Nietzsche, dem die freigeistigen Ansichten imponierten. Besonders berühmt wurde die Kriegsszene, in der Fabrice, ohne selbst viel davon mitzubekommen, mitten durch die Schlacht von Waterloo reitet. Leo Tolstoi gab unumwunden zu, dass er Stendhal wie kaum einem anderen verpflichtet sei: "Ich verdanke ihm die Kenntnis des Krieges. Wer vor ihm hat den Krieg auf diese Weise geschildert, das heißt so, wie er wirklich ist?"

Dass es Stendhal gelang, die persönliche Verfassung des einzelnen Menschen in Abhängigkeit von seiner Situation sowie den jeweiligen gesellschaftlichen Umständen darzustellen, war neu und machte als sozialer Realismus im Roman Schule. Der Autor selbst war fest überzeugt von seinem literarischen Schwergewicht und rechnete damit, nach seinem Tod noch sehr an Ansehen zu gewinnen. Er sollte Recht behalten: Seine Werke sind in alle bedeutenden Sprachen übersetzt und erfreuen sich heute noch großer Beliebtheit.

Über den Autor

Stendhal wird als Henri Beyle am 23. Januar 1783 in Grenoble geboren. Sein Pseudonym legt er sich 1814 in Anlehnung an den Geburtsort des Archäologen und Kunsthistorikers Johann Joachim Winckelmann zu. Die Enge seiner Heimatstadt und die jesuitische Erziehung seines Vaters sind ihm verhasst. Im jungen Alter von 17 Jahren zieht es ihn zunächst nach Paris. Er möchte dort möglichst ein zweiter Molière werden. Seine Dramenprojekte scheitern jedoch, er lebt als Bohemien und entdeckt seine große Lust an amourösen Affären. Durch Vermittlung seiner Cousins wird Stendhal 1800 Offizier in Napoleons Italienfeldzug und bringt es 1807 bis zum hohen Verwaltungsbeamten in Braunschweig. Auch am Russlandfeldzug nimmt er teil. Er erlebt das Scheitern der Grande Armée, kann nach Napoleons Abdankung im Paris der Restauration nicht mehr Fuß fassen und entdeckt Italien als seine zweite Heimat. Er geht nach Mailand und versucht sich weiterhin erfolglos als Schriftsteller, bis man ihn 1821 wegen seiner liberalen Gesinnung aus dem von Österreich beherrschten Italien ausweist. Zurück in Paris hofft er nach der Julirevolution 1830 auf einen neuen Posten im Staatsdienst, wird aber nur Konsul im kleinen italienischen Hafenstädtchen Civitavecchia. Zeitgleich wird sein Roman Le Rouge et le Noir (Rot und Schwarz) veröffentlicht, der wieder ohne große Resonanz bleibt und Stendhal zu seiner berühmt gewordenen Voraussage verleitet, man werde ihn 1880 zu lesen beginnen, und ab 1930 werde er weltberühmt sein. Den beginnenden Siegeszug seines letzten Romans, La Chartreuse de Parme (Die Kartause von Parma), erlebt Stendhal 1840 noch mit, ebenso Balzacs wohlwollende Besprechung in der Revue Parisienne. Im folgenden Jahr erleidet er jedoch seinen ersten Schlaganfall, ein Jahr später einen zweiten; er stirbt am 23. März 1842. Stendhal wird auf dem Friedhof von Montmartre, nicht wie er es sich immer gewünscht hat in Italien, beigesetzt.

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