Join getAbstract to access the summary!

Das Herz ist ein einsamer Jäger

Join getAbstract to access the summary!

Das Herz ist ein einsamer Jäger

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Traurige Menschen in einer trostlosen amerikanischen Kleinstadt in den 1930er Jahren – hört sich trist an, ist aber ein sehr berührender Roman.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Moderne

Worum es geht

Roman der Einsamkeit

Es ist eine trostlose Welt, in die Carson McCullers ihre Leser versetzt: eine Kleinstadt im Süden der USA Ende der 30er Jahre. Hier herrschen Armut, Enge und Diskriminierung. Die Menschen träumen von einer besseren Zukunft und können doch kaum etwas tun, um die triste Realität zu verändern. Schlimmer noch als die wirtschaftliche Lage ist die Einsamkeit: Die Menschen sehnen sich nach Nähe, können jedoch ihre Isolation nicht durchbrechen. Sinnbild für diese Beziehungslosigkeit ist der taubstumme John Singer, der sich nur in Gebärdensprache ausdrücken kann und eine fast zärtliche Zuneigung für den geistig beschränkten Spiros Antonapoulos hegt, denn nur mit ihm, der ebenfalls taubstumm ist, kann er kommunizieren. Als Antonapoulos stirbt, nimmt sich auch Singer das Leben. Carson McCullers ist mit ihrem Erstlingswerk eine beklemmende Studie menschlicher Einsamkeit gelungen. Der Roman hat auch starke politische und historische Bezüge, etwa die Auseinandersetzung mit Faschismus und Rassendiskriminierung. Als Parabel der Einsamkeit und Hoffnungslosigkeit geht das Buch auch heute noch jedem Leser unter die Haut.

Take-aways

  • Das Herz ist ein einsamer Jäger beschreibt die Schicksale mehrerer Menschen in einer Kleinstadt im Süden der USA Ende der 30er Jahre.
  • Zentrale Figur ist der Taubstumme John Singer, der mit dem ebenfalls taubstummen, geistig beschränkten Spiros Antonapoulos eine Wohnung teilt.
  • Als Antonapoulos in eine Anstalt eingewiesen wird, ist Singer allein und isoliert, weil sein Freund der Einzige war, mit dem er sich in Gebärdensprache unterhalten konnte.
  • Er zieht um und findet neue Freunde: das Mädchen Mick, den Kommunisten Jake Blount und den farbigen Arzt Dr. Copeland.
  • Sie alle hegen Sympathie für den sanften, freundlichen Taubstummen und teilen ihm ihre Gedanken und Wünsche mit.
  • Mick träumt von einer Karriere als Komponistin, wird aber am Ende Verkäuferin bei Woolworth, weil sie Geld verdienen muss, um ihre Familie zu unterstützen.
  • Der alte und kranke Dr. Copeland hat jahrelang um bessere Lebensbedingungen für die Farbigen gekämpft, ohne wirklich etwas erreicht zu haben.
  • Jake Blount versucht die Arbeiter für ihre Lage zu sensibilisieren, aber auch sein Kampf bleibt erfolglos.
  • Singer vermisst Antonapoulos sehr und besucht ihn regelmäßig, um sich mit ihm zu unterhalten. Als Antonapoulos stirbt, nimmt Singer sich das Leben.
  • Das Herz ist ein einsamer Jäger war der erste Roman der damals 23-jährigen Carson McCullers.
  • Das Buch machte die junge Autorin mit einem Schlag berühmt und blieb ihr erfolgreichstes Werk.
  • McCullers verknüpft in dem Buch zeitkritische Elemente mit einer beklemmenden Darstellung von Einsamkeit und Isolation.

Zusammenfassung

Zwei Freunde

In einer Kleinstadt im Süden der USA teilen sich zwei taubstumme Männer eine Wohnung: der geistig beschränkte, dicke, etwas schlampige Spiros Antonapoulos und der intelligente John Singer, der immer viel Wert auf sein Aussehen legt. Antonapoulos arbeitet in einem Obstladen, Singer als Graveur bei einem Juwelier. Morgens machen sich die beiden gemeinsam auf den Weg zur Arbeit, abends holt Singer Antonapoulos wieder ab. Dann erzählt er dem Freund in Gebärdensprache alles, was er tagsüber erlebt hat und was ihn bewegt. Antonapoulos dagegen kommuniziert kaum, er interessiert sich hauptsächlich für Essen, Trinken und Schlafen. So gegensätzlich die beiden auch sind: Singer hängt sehr an Antonapoulos, denn dieser ist der einzige Mensch im Städtchen, mit dem er sich in Gebärdensprache unterhalten kann. Mit dem Mund zu sprechen, hat Singer zwar auch gelernt, aber er hat die Erfahrung gemacht, dass ihn seine hörenden Mitmenschen oftmals doch nicht richtig verstehen, deshalb verzichtet er lieber darauf. Zusammen mit Antonapoulos lebt er sehr zurückgezogen, andere Freunde haben die beiden nicht. Zehn Jahre wohnen sie so zusammen, da beginnt Antonapoulos sich zu verändern. Er wird aggressiv, stiehlt und benimmt sich überhaupt sehr sonderbar. Singer versucht, den Freund möglichst vor den Folgen seines Verhaltens zu bewahren. Mehrmals muss Antonapoulos zur Polizei, Singer geht jeweils mit und bezahlt alle Geldstrafen für ihn, obwohl er sich damit selbst finanziell ruiniert. Dennoch wird der Grieche eines Tages in eine Nervenheilanstalt gebracht. Nun ist Singer allein und hat niemanden mehr, dem er etwas erzählen kann. Das Leben in der einst gemeinsamen Wohnung ist ihm zuwider, deshalb gibt er sie auf und nimmt sich ein Zimmer bei Familie Kelly.

Neue Bekannte

Eines Tages trifft Singer in der Kneipe von Biff Brannon einen völlig betrunkenen, merkwürdig aussehenden Mann. Es ist Jake Blount, der vor zwei Wochen in der Stadt aufgetaucht ist und seitdem in Biffs Kneipe herumsitzt, isst und trinkt, ohne zu zahlen. Blount begeistert sich für die Ideen des Kommunismus. Er sieht, dass viele Menschen hart schuften müssen, nur um überleben zu können, und dass stattdessen ganz andere dadurch reich werden. Diese Ungerechtigkeit macht ihn wütend, und er möchte etwas ändern. Da Singer ihm offensichtlich zuhört, erzählt er auch diesem seine Theorien, zunächst ohne zu bemerken, dass sein Gegenüber taubstumm ist. Als Blount wenig später auf der Straße randaliert und von der Polizei zurück in die Kneipe gebracht wird, nimmt Singer ihn mit in sein Zimmer, lässt ihn dort übernachten und bietet ihm auch für die nächste Zeit Obdach an. Blount lehnt diesen Vorschlag jedoch ab und macht sich auf die Suche nach einer Arbeitsstelle. Schnell hat er Erfolg: Er soll auf einem Rummelplatz das Karussell bedienen. Auf dem Rückweg in die Innenstadt versucht Blount, ein paar Arbeiter zum Streik zu animieren, aber sie lachen ihn nur aus. Aus einem Gefühl der Einsamkeit heraus kehrt Blount zu Singer zurück und verbringt auch die folgende Nacht bei ihm. Blount sucht sich danach zwar eine eigene Wohnung, besucht aber Singer weiterhin regelmäßig. Die freundliche, nachdenkliche Art des Taubstummen zieht noch andere Menschen in seiner Umgebung an. Mick, die zwölfjährige Tochter der Kellys, der schwarze Arzt Dr. Copeland und Biff Brannon kommen öfters bei Singer vorbei. Weil er ihnen aufmerksam zuhört, fühlen sie sich von ihm verstanden und vertrauen ihm ihre Gedanken und Gefühle an.

Lebensträume

Mick lebt mit ihren Eltern und ihren fünf Geschwistern in einer Dreizimmerwohnung. Seit sich ihr Vater, Mr. Kelly, bei einem Unfall verletzt hat, kann er seinen Beruf als Tischler nicht mehr ausüben. So hält sich die Familie über Wasser, indem sie die Zimmer ihres Hauses an Pensionsgäste vermietet. Ab und zu kann der Vater auch etwas Geld verdienen, indem er Uhren repariert, doch kommt die Familie damit nicht weit. Mick leidet unter diesem Zustand. Sie ist sehr musikalisch und träumt davon, eines Tages eine berühmte Komponistin zu werden. Schon jetzt schreibt sie Kompositionen in ein Heft. Für Musikunterricht oder gar ein Klavier ist jedoch kein Geld da, nicht einmal für ein Radio. Das führt dazu, dass Mick sich nachts draußen herumtreibt, um Musik aus fremden Wohnungen zu hören. Singer ist der einzige Mensch, dem sie ihre Träume erzählt.

„Es gab in der Stadt zwei Taubstumme, die man stets beisammen sah. (...) Zwei sehr ungleiche Freunde waren es.“ (S. 5)

Auch Dr. Copeland hat ein Lebensziel: Er möchte die Situation seines Volkes verbessern, dafür sorgen, dass auch die Farbigen in Amerika menschenwürdig leben können und Zugang zu Bildung haben. Er selbst hat sich aus eigener Kraft hochgearbeitet. Als Arzt sieht er Armut und Elend in der schwarzen Bevölkerung jeden Tag. Unermüdlich versucht er die Menschen zu belehren, etwas zu verbessern, aber ohne Erfolg. Inzwischen ist er alt und leidet an Tuberkulose, geht aber weiterhin seinem Beruf nach. Auch seinen eigenen Kindern wollte er eine bessere Zukunft bieten. Von Anfang an versuchte er, sie entsprechend zu beeinflussen, sie für Bildung zu interessieren, ihren Ehrgeiz zu wecken. Dabei ging er jedoch so unerbittlich vor, dass die Kinder sich von ihm abwandten. Außerdem wurden seine Bemühungen von seiner Frau Daisy unterminiert, und die ständigen Konflikte zwischen den beiden führten zur Trennung. Inzwischen ist er seinen Kindern völlig entfremdet. Nur Tochter Portia kommt hin und wieder zu Besuch. Copelands Bemühungen waren vergeblich, alle vier Kinder haben es nicht weit gebracht und führen das übliche Leben der Schwarzen; Portia etwa ist Hausangestellte bei den Kellys. Eines Tages berichtet sie ihrem Vater, dass ihr Bruder Willie in Schwierigkeiten geraten ist: Er wurde in einer Kneipe in eine Schlägerei verwickelt und hat dabei seinen Kontrahenten fast umgebracht. Willie wird zu einem Dreivierteljahr Zwangsarbeit verurteilt.

„Singer wusste nie recht, wie viel der Freund von all dem, was er ihm erzählte, verstand. Aber das war nicht so wichtig.“ (S. 6)

Zum Erstaunen seiner Freunde ist John Singer eines Tages verschwunden, taucht aber kurze Zeit später wieder auf. Keiner erfährt, wo er gewesen ist: Er hat Antonapoulos in der weit entfernten Anstalt besucht und endlich einmal wieder mit jemandem reden können. Dass Antonapoulos kaum Interesse an Singers Mitteilungen zeigte, stört diesen wenig.

Der Winter

Eines Tages spielen Mick, ihr siebenjähriger Bruder Bubber und einige andere Kinder auf der Straße. Einer der Jungen hat ein Gewehr mitgebracht, und Bubber hantiert daran herum. Plötzlich läuft die vierjährige Baby Wilson die Straße hinunter. Mrs. Wilson, Babys Mutter ist sehr ehrgeizig und hat große Pläne mit ihrer Tochter: Sie strebt eine Filmkarriere für Baby an. Deshalb bekommt das Kind schon Ballettunterricht und ist immer herausgeputzt wie ein Püppchen. Heute trägt sie ein rosa Ballettkleidchen. Bubber ist von dem Anblick fasziniert und möchte Baby unbedingt aus der Nähe sehen. Er bittet sie, zu ihm herüberzukommen, aber Baby reagiert nicht. Da legt der Junge das Gewehr an und schießt. Baby wird am Kopf getroffen und liegt wie tot da. Später kommt die Nachricht, dass sie nur einen Schädelbruch erlitten hat, aber Bubber, im Glauben, einen Mord begangen zu haben, ist verschwunden. Erst Stunden später greift ihn seine Familie auf der Landstraße wieder auf. Nach diesem Erlebnis ist der Junge völlig verändert, ernst und in sich gekehrt. Mrs. Wilson macht den Kellys ein Angebot: Sie wird auf eine Anzeige verzichten, wenn die Familie für alle Ausgaben aufkommt, die durch die Verletzung entstehen. Die Kellys gehen darauf ein, obwohl die Forderungen von Mrs. Wilson ihre finanziellen Möglichkeiten weit übersteigen.

„Nie in seinem Leben hatte er an dem Sinn seiner Arbeit gezweifelt. Er hatte immer gewusst, dass er dazu berufen sei, sein Volk aufzuklären.“ (über Dr. Copeland, S. 67)

Zu Weihnachten veranstaltet Dr. Copeland ein Fest für seine Patienten, die Schwarzen des Viertels. Ausnahmsweise hat er auch einen Weißen eingeladen: John Singer, weil der als Einziger ihn nicht abwertend behandelt und Copeland sich von ihm verstanden fühlt. Auf dem Fest versucht der Arzt, den Anwesenden die Ideen des Kommunismus näherzubringen, um ihnen die Augen für ihre miserable Lage zu öffnen.

„Mick Kelly, Jake Blount und Doktor Copeland saßen in dem stillen Zimmer und erzählten - denn sie spürten, dass der Taubstumme sie immer verstehen würde, was sie ihm auch sagen wollten. Vielleicht verstand er sogar noch mehr.“ (S. 84)

Singer vermisst Antonapoulos noch immer. Er hat zwar seine Freunde, kann sich ihnen aber kaum mitteilen. Abends läuft er durch die Straßen, einmal bis vor das Haus, in dem er mit Antonapoulos lebte. Er sieht hinauf zu den Fenstern, aber dort wohnt längst jemand anders. Die Sehnsucht nach dem einstigen Gefährten wird so groß, dass er ihm eines Nachts einen langen Brief schreibt, obwohl er weiß, dass er diesen Brief nie abschicken wird, denn Antonapoulos kann gar nicht lesen. Schließlich nimmt er gar spontan zwei Tage Urlaub und fährt zu Antonapoulos. Dieser begegnet dem Besuch mit Gelassenheit, aber Singer ist glücklich und redet den ganzen Tag in Gebärdensprache mit ihm.

Veränderungen

Micks Familie hat nun kein Geld mehr. Um das geforderte Schmerzensgeld für Baby Wilson zu zahlen, haben die Kellys ihr Haus verkauft und wohnen nun selbst als Mieter dort. Die älteren Kinder Bill, Etta und Hazel verdienen mit Nebenjobs etwas Geld, aber es reicht nicht: So gibt es für die Familie oft nicht einmal mehr genug zu essen. Mick träumt weiter von Musik und schwärmt für John Singer.

„Gott war stumm - vielleicht erinnerte Mister Singer sie deshalb an ihn.“ (über Mick, S. 105)

Dr. Copeland und Portia machen sich Sorgen: Von Willie kommen keine Briefe mehr aus dem Arbeitslager. Sechs Wochen später erhalten sie Nachricht von einem Mitgefangenen: Weil zwei andere Insassen, mit denen Willie zusammenarbeiten musste, aufsässig wurden und fliehen wollten, sperrte man alle drei in eine eiskalte Zelle. Willie erfroren beide Füße und mussten amputiert werden. Dr. Copeland weiß, dass er als Farbiger wenig Möglichkeiten hat, sich zu wehren. Deshalb hat er Konflikte mit Weißen bisher immer vermieden, aber diesmal will er etwas tun und entschließt sich, einen Richter aufzusuchen. Doch im Gerichtsgebäude wird er von einem Sheriff abgefangen, der sich über ihn lustig macht, ihn provoziert und ihn schließlich über Nacht einsperren lässt. Ohne etwas erreicht zu haben, kehrt Dr. Copeland am nächsten Tag nach Hause zurück. Als Jake Blount von Willies Schicksal hört, ist er empört - und wittert eine Chance: Wenn Willie bereit wäre, seine Geschichte öffentlich zu erzählen, könnte er, Blount, vielleicht eher Menschen für seine politischen Ideen gewinnen. Ein Besuch Jakes bei Dr. Copeland endet aber nur in einer fruchtlosen Diskussion. Beide möchten die Gesellschaft verändern, aber ihre Lösungsansätze sind unterschiedlich, und letztlich ist Jake das Schicksal der Schwarzen gleichgültig.

„Eine Negerfamilie zog in das letzte Haus einer der armseligen Straßen und rief damit eine solche Empörung hervor, dass die Nachbarn das Haus niederbrannten und den Schwarzen erschlugen. Aber das waren nur Zwischenfälle.“ (S. 174)

Micks Freundschaft mit dem zwei Jahre älteren Nachbarsjungen Harry vertieft sich. An einem Sonntag fahren sie zusammen zum Baden an einen See. Dabei kommt es zum sexuellen Kontakt zwischen den beiden. Der grüblerische Harry ist über sein eigenes Verhalten entsetzt - und weiß sich nicht anders zu helfen als durch Flucht: Noch am gleichen Tag verschwindet er und sucht sich Arbeit in einer anderen Stadt. Mick sieht ihn nicht mehr wieder. Zu Hause bei den Kellys herrscht weiterhin Mangel, umso mehr, als Etta längere Zeit krank ist und deshalb ihre Stelle verliert. Auch für die medizinische Behandlung hat die Familie kein Geld. Micks Vater versucht es mit Reklame für seine Reparaturen, aber auch das bleibt ohne Erfolg. Eines Abends kommt Hazel mit der Nachricht nach Hause, bei Woolworth wäre eine Stelle als Verkäuferin frei. Unversehens steht die Frage im Raum, ob Mick nicht von der Schule abgehen und auf diese Weise Geld verdienen könnte. Eigentlich ist die Familie dagegen, aber Mick spürt, wie sehr dieser Zusatzverdienst allen gelegen käme. In einer plötzlichen Begeisterung verspricht sie, sich zu bewerben. Schon kurz darauf kommen ihr Zweifel, aber nun glaubt sie, nicht mehr zurück zu können. Also bewirbt sie sich und erhält die Stelle auch.

Singers Tod und andere Abschiede

Im Sommer fährt Singer wieder zu Antonapoulos. Er freut sich sehr auf den Freund, denn seine anderen Bekannten bleiben ihm fremd, oft versteht er sie auch gar nicht. Wehmütig denkt er an seine Zeit mit Antonapoulos zurück und verklärt sie in der Erinnerung immer mehr. Nach einer langen Bahnfahrt kommt er endlich in der Anstalt an - und erfährt dort, dass das ersehnte Wiedersehen nicht stattfinden wird, denn Antonapoulos ist tot. Ziellos läuft Singer durch die fremde Stadt. In einem Lokal trifft er auf drei Taubstumme, die sich in Gebärdensprache unterhalten. Sie nehmen Singer in ihren Kreis auf, aber dieser reagiert kaum, sodass sie schließlich ohne ihn weitergehen. Abends tritt er die Rückreise an, kehrt in sein Zimmer zurück und erschießt sich.

„Er war wie ausgesetzt in einem fremden Land, war mutterseelenallein.“ (über Singer, S. 179)

Seit Mick arbeiten geht, hat sie keine Zeit mehr für ihre Musik, auch die angefangenen Kompositionen beendet sie nicht. Dr. Copeland ist inzwischen so krank, dass Portia ihn gegen seinen Willen zu Verwandten bringt. Dort soll er gepflegt und betreut werden. Nun muss er das Haus aufgeben, das er einmal zusammen mit seiner Familie bewohnt hat. Und er muss sich eingestehen, dass sein jahrelanger Kampf um bessere Lebensbedingungen für die Farbigen umsonst war; er muss aufgeben, ohne etwas erreicht zu haben.

„Er gewöhnte sich so an ihre Lippen, dass er jedes ihrer Worte verstand. Und nach einiger Zeit wusste er von vornherein, was jeder sagen wollte, denn der Sinn war immer derselbe.“ (über Singer und seine Besucher, S. 180)

Jake Blount wird auf dem Rummelplatz in eine Schlägerei verwickelt, bei der es Tote gibt. Weil er Angst hat, in Schwierigkeiten zu geraten, verlässt er die Stadt noch am selben Tag.

Zum Text

Aufbau und Stil

In Das Herz ist ein einsamer Jäger stellt Carson McCullers die Schicksale mehrerer Menschen, die alle in derselben Stadt leben, nebeneinander. Der taubstumme John Singer ist dabei die zentrale Figur, weil er alle anderen Protagonisten kennt und in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielt. Dementsprechend wird er auch als Erster vorgestellt, und kurz nach seinem Tod endet der Roman. Singers Vorgeschichte wird gleich zu Beginn in aller Kürze erzählt, die eigentliche Handlung erstreckt sich über etwas mehr als ein Jahr: vom Mai 1938 bis zum 21. August 1939, dem Tag, an dem Dr. Copeland und Jake Blount die Stadt verlassen. Der Roman ist in drei Teile von sehr unterschiedlicher Länge gegliedert: Teil eins führt alle wichtigen Personen ein, der zweite Teil umfasst die weitere Handlung bis zum Tod Singers, während der extrem kurze dritte Teil als eine Art Abgesang nur noch die Ereignisse des 21. August beschreibt. McCullers schildert die Entwicklungen im Leben der Protagonisten parallel, wechselt dabei immer wieder Schauplätze und Perspektiven. Der Ton des Romans ist umgangssprachlich, bisweilen auch vulgär. Manche Passagen - etwa das Streitgespräch zwischen Jake Blount und Dr. Copeland oder Biff Brannons Schlussbetrachtungen - bewegen sich hart an der Grenze zum Pathos.

Interpretationsansätze

  • Gestörte Kommunikation ist ein zentrales Thema des Romans: Resignation, Verschlossenheit und gesellschaftliche Schranken hindern die handelnden Personen daran, sich mitzuteilen - und ausgerechnet der an sich sehr kommunikative John Singer ist taubstumm und kann sich nur in der Gebärdensprache ausdrücken. Lediglich ihm gegenüber können sich die anderen Personen öffnen. Aber diese Kommunikation bleibt einseitig, denn Singer kann kaum antworten und versteht oft gar nicht, was ihm die anderen erzählen.
  • Ebenso einseitig verlaufen die Liebesbeziehungen im Roman: Singers innige Zuneigung zu Antonapoulos wird nicht erwidert, die aufkeimende Liebe zwischen Mick und Harry findet durch Harrys Flucht ein jähes Ende, und Mick behält ihre Schwärmerei für Singer ebenso für sich wie Biff seine Vorliebe für Mick.
  • John Singer fungiert als eine Art Erlöserfigur: Die anderen erzählen dem stummen, freundlichen Singer ihre geheimsten Wünsche und Träume, sie fühlen sich von ihm verstanden und akzeptiert, nur weil er sie reden lässt. Ihnen geht es nach den Gesprächen besser, sie sind befreit, Singer selbst findet jedoch keine Erlösung aus seiner Isolation. Er sieht am Ende keinen anderen Ausweg als den Selbstmord.
  • Auch die anderen Personen des Romans sind zum Scheitern verurteilt. Sie müssen ihre Lebensträume letztlich aufgeben und vor der harten Wirklichkeit resignieren. Die kommunistische Utopie von Gleichheit und Gerechtigkeit kommt zwar immer wieder zur Sprache, aber sie findet bei den Menschen keine Resonanz. So vermittelt der Roman eine durchweg pessimistische Weltsicht: Das Dasein ist ein harter Überlebenskampf, in dem kein Platz für Träume und Gefühle bleibt.

Historischer Hintergrund

Die USA zwischen den Weltkriegen

Die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg brachte für die USA zunächst einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Technische Neuerungen und die zunehmende Rationalisierung der Produktion ließen die Industrie boomen und die Börsenkurse steigen. Die Regierung unterstützte diese Entwicklung, indem sie sich von Eingriffen in die Wirtschaft möglichst zurückhielt. Die immer drängenderen Probleme jener Zeit - Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, tiefe Preise für Agrarprodukte und dadurch eine wachsende Verarmung der Landbevölkerung - blieben unbeachtet.

Mit einem Schlag fand der Glaube an einen ewig weitergehenden Fortschritt ein Ende, als im Oktober 1929 die New Yorker Börse zusammenbrach, was nicht nur in den USA, sondern weltweit eine Wirtschaftskrise auslöste. Die Arbeitslosigkeit stieg in den USA bis 1933 auf 25 %, Millionen lebten in Armut. Wieder traf es die Landbevölkerung am härtesten, diejenigen, die zuvor schon arm gewesen waren und nun geradezu verelendeten. Eine Folge der Krise war die politische Radikalisierung. Aus der Erfahrung heraus, welche Auswirkungen ein unregulierter Kapitalismus nach sich ziehen kann, begeisterten sich viele Menschen für die Ideen des Kommunismus. Auch faschistische Gruppierungen hatten Zulauf. Dazu kam eine rigorose Unterdrückung der farbigen Bevölkerung; in den Südstaaten führte der Ku-Klux-Klan seinen Terrorfeldzug gegen Schwarze, Juden und Katholiken.

Ab 1933 unternahm der neue Präsident Franklin D. Roosevelt den Versuch, die Wirtschaft durch staatliche Eingriffe zu sanieren, etwa durch öffentliche Baumaßnahmen, eine Landwirtschaftsreform oder die Abwertung des Dollars. Zunächst zeigten diese Maßnahmen auch Erfolg, aber ab 1937 kam es erneut zu einer Rezession, die erst mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg überwunden wurde.

Entstehung

Carson McCullers und ihr Mann Reeves McCullers hatten einen gemeinsamen Lebenstraum: Sie wollten beide als Schriftsteller tätig sein. Zum Zeitpunkt ihrer Heirat im Jahr 1937 hatte Carson erst eine einzige Erzählung veröffentlicht, und Reeves war gerade aus der Armee entlassen worden und hatte noch keinen literarischen Erfolg vorzuweisen. Die Zukunftspläne des Paares sahen so aus: Immer ein Jahr lang sollte einer der beiden arbeiten und Geld verdienen, während der andere Zeit hatte, sich der Schriftstellerei zu widmen. Es war Carson, die mit dem Schreiben anfangen durfte, und so begann sie ihren ersten Roman, der zunächst den Titel The Mute (Der Stumme) trug. Nach Ablauf des vereinbarten Jahres war das Werk noch nicht fertig. Zugleich mangelte es Reeves an literarischer Inspiration. Carson schrieb also weiter an ihrem Roman und beendete ihn 1939. Sie verarbeitete darin ihre Beobachtungen der Welt, in der sie selbst aufgewachsen war: eine Kleinstadt im Süden der USA, geprägt von Diskriminierung, Armut und Enge. Vor allem in der literarischen Gestalt der Mick Kelly ist Carson McCullers selbst zu erkennen: Auch sie war ein sehr musikalisches Kind und träumte von einer Karriere als Pianistin. Ihr eigener Vater war Juwelier und Uhrmacher, Berufe, die im Roman John Singer und Vater Kelly ausüben.

Als McCullers das Manuskript bei einem Verlag einreichte, forderte dieser zunächst tiefgreifende Änderungen, aber die Autorin lehnte ab. Schließlich wurde der Text unverändert veröffentlicht. Nur für den Titel ließ sich der Verlagslektor etwas anderes einfallen: aus The Mute wurde The Heart Is a Lonely Hunter (Das Herz ist ein einsamer Jäger), nach einer Zeile aus einem Gedicht von William Sharp.

Wirkungsgeschichte

Als der Roman im Mai 1940 erschien, war Carson McCullers gerade 23 Jahre alt und in der literarischen Welt noch völlig unbekannt. Das änderte sich mit dem Erscheinen des Buches jedoch rasch. Der Roman war sofort ein großer Erfolg, die junge Autorin wurde mit einem Schlag berühmt und als literarisches Wunderkind gefeiert. McCullers selbst bezeichnete ihr Werk als "eine ironische Parabel über den Faschismus, die mehr die geistige als die politische Seite des Phänomens darstellt". Dabei geht die Bedeutung des Romans über seine historische und politische Komponente weit hinaus. Unter anderem wurde das Werk auch von der feministischen Bewegung gerühmt. Die erste deutsche Ausgabe erschien 1950.

Das Herz ist ein einsamer Jäger zählt bis heute zu den bekanntesten Werken von Carson McCullers. Ihr früher Ruhm als Autorin brachte McCullers auch Literaturpreise ein: 1942 wurde sie mit dem Guggenheim Foundation Award ausgezeichnet, ein Jahr später mit dem Literaturpreis der American Academy of Arts & Letters. 1968 wurde Das Herz ist ein einsamer Jäger unter der Regie von Robert Ellis Miller verfilmt.

Über den Autor

Carson McCullers wird am 19. Februar 1917 als Lula Carson Smith in der Kleinstadt Columbus in Georgia geboren. Schon früh zeigt sich ihre besondere musikalische Begabung. Die Mutter sieht in Carson ein Wunderkind und träumt von einer Karriere ihrer Tochter als Pianistin. Carson selbst könnte sich auch vorstellen, Schriftstellerin zu werden, schlägt aber zunächst den von der Mutter vorgegebenen Weg ein. Mit 17 geht sie nach New York, um Musik zu studieren. Leider kommt ihr schon nach wenigen Tagen das gesamte Geld abhanden, das ihr die Eltern für die Ausbildung mitgegeben haben. Damit ist der Traum von der Karriere als Pianistin beendet, denn Carson bleibt nun nichts anderes übrig, als selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Ganz will sie die Kunst aber nicht aufgeben und denkt nun wieder an die Schriftstellerei. Also verdient sie tagsüber Geld mit verschiedenen Aushilfsjobs und belegt abends Kurse in kreativem Schreiben an der New Yorker Universität. 1936 erscheint ihre erste Erzählung Wunderkind in der renommierten Literaturzeitschrift Story. Ein Jahr später heiratet Carson Reeves McCullers. Den beiden ist wenig Glück beschieden: Bereits 1940 trennen sie sich wieder, 1941 folgt die Scheidung - und vier Jahre später geben sie einander erneut das Jawort. Aber die Differenzen bleiben, auch dieser zweite Versuch endet unglücklich. Reeves McCullers versucht gar, seine Frau zum gemeinsamen Selbstmord zu überreden. Als ihm dies nicht gelingt, nimmt er sich 1953 allein in einem Pariser Hotelzimmer das Leben. Neben der glücklosen Ehe bestimmt Carson McCullers' fragile Gesundheit immer mehr ihr ganzes Leben. Bereits als Jugendliche leidet sie unter Rheuma, und schon bevor sie 30 ist, hat sie zum ersten Mal einen Schlaganfall, dem weitere folgen. Mit 31 Jahren ist sie halbseitig gelähmt, ein Jahr später unternimmt sie einen Selbstmordversuch und wird in eine Klinik eingewiesen. Ab 1961 ist sie ganz auf den Rollstuhl angewiesen, ehe sie schließlich, nach einem weiteren Schlaganfall, am 29. September 1967 in Nyack im Norden des Staates New York stirbt. Neben The Heart Is a Lonely Hunter (Das Herz ist ein einsamer Jäger, 1940) gehören die Romane The Ballad of the Sad Cafe (Die Ballade vom traurigen Café, 1951) und Clock Without Hands (Uhr ohne Zeiger, 1961) zu ihren wichtigsten Werken.

Hat Ihnen die Zusammenfassung gefallen?

Buch oder Hörbuch kaufen

Diese Zusammenfassung eines Literaturklassikers wurde von getAbstract mit Ihnen geteilt.

Wir finden, bewerten und fassen relevantes Wissen zusammen und helfen Menschen so, beruflich und privat bessere Entscheidungen zu treffen.

Für Sie

Entdecken Sie Ihr nächstes Lieblingsbuch mit getAbstract.

Zu den Preisen

Für Ihr Unternehmen

Bleiben Sie auf dem Laufenden über aktuelle Trends.

Erfahren Sie mehr

Studenten

Wir möchten #nextgenleaders unterstützen.

Preise ansehen

Sind Sie bereits Kunde? Melden Sie sich hier an.

Kommentar abgeben

Mehr zum Thema

Verwandte Kanäle