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Die Pickwickier

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Die Pickwickier

Diogenes Verlag,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Erfolgreicher Einstand eines literarischen Genies: In Charles Dickens’ DebĂŒtroman wimmelt es von kuriosen Gestalten.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Viktorianische Ära

Worum es geht

Straßenweisheiten fĂŒrs breite Publikum

Eigentlich sollte der junge und unbekannte Charles Dickens lediglich die Begleittexte zu den Zeichnungen des berĂŒhmten Illustrators Robert Seymour liefern. Doch dann kam alles anders: Nachdem das zweite Kapitel des geplanten Fortsetzungsroman fertiggestellt war, beging Robert Seymour Selbstmord. Dickens ĂŒbernahm selbstbewusst die FĂŒhrung des Projekts. Von Monat zu Monat veröffentlichte er ein weiteres Kapitel und reagierte dabei jeweils spontan auf den Geschmack des Lesepublikums. Beliebte Figuren bekamen grĂ¶ĂŸere Rollen, weniger beliebte wurden gestrichen. Der Erfolg war fĂŒr damalige VerhĂ€ltnisse beispiellos: Die Pickwickier geriet zu einem der ersten Bestseller der Literaturgeschichte und Dickens wurde zum berĂŒhmtesten Schriftsteller seiner Zeit. Der pfiffige Diener Sam Weller ist heute noch das Highlight in dem umfangreichen Schmöker. Seine auch als Wellerismen bezeichneten Straßenweisheiten haben kaum an Witz verloren.

Take-aways

  • Die Pickwickier ist Dickens’ erster Roman. Er machte ihn schlagartig berĂŒhmt.
  • UrsprĂŒnglich als Serienheft in monatlichen Fortsetzungen veröffentlicht, ist das Buch eher eine Episodensammlung als ein Roman im klassischen Sinn.
  • Inhalt: Mr. Pickwick und seine GefĂ€hrten unternehmen diverse Forschungsreisen in SĂŒdengland. Mit ihrer NaivitĂ€t und Weltfremdheit sind die Pickwickier, wie sie sich nennen, jedoch ein gefundenes Fressen fĂŒr alle Arten von BetrĂŒgern. Durch die Machenschaften zweier geldgieriger AnwĂ€lte landet Pickwick sogar vorĂŒbergehend in einem SchuldgefĂ€ngnis.
  • Der Figurenreichtum des Romans ist enorm: Mehr als 50 Charaktere werden namentlich genannt.
  • Dickens improvisierte die Handlung und ging auf die WĂŒnsche der Leser ein.
  • Der als Nebenfigur eingefĂŒhrte Schuhputzer Sam Weller kam so gut an, dass Dickens ihn als Gehilfen Pickwicks wieder auftauchen ließ und zu einer der Hauptfiguren machte.
  • Wellers launisch-sozialkritische Bemerkungen waren sehr beliebt, sodass neben dem Roman auch Sam-Weller-Zitatsammlungen veröffentlicht wurden.
  • Bei aller Heiterkeit nimmt die Beschreibung des SchuldgefĂ€ngnisses den dĂŒsteren Ton spĂ€terer Dickens-Werke voraus.
  • Die Pickwickier war einer der ersten Bestseller der Literaturgeschichte.
  • Zitat: „Die Sonne, die pĂŒnktliche Allerweltdienerin, war eben aufgegangen (...), als sich Mr. Samuel Pickwick, einer zweiten Sonne gleich, von seinem Lager erhob, das Fenster seines Schlafgemachs öffnete und auf die Welt zu seinen FĂŒĂŸen hinabblickte.“

Zusammenfassung

Die GrĂŒndung des Pickwick-Klubs

Der sĂŒdenglische Gelehrte Samuel Pickwick ist Verfasser der Spekulativen Untersuchungen ĂŒber die Quelle der Fischteiche von Hampstead nebst einigen Bemerkungen ĂŒber die Theorie des Froschsprungs. In seinem Freundeskreis gilt die Arbeit als Geniestreich, weshalb man sich im Mai 1817 entschließt, den Pickwick-Klub zu grĂŒnden. Zum Wohl von Wissenschaft und Allgemeinheit wollen Pickwick und seine Freunde Reisen durch England unternehmen und ihre Entdeckungen veröffentlichen. Mitglieder des Klubs sind neben Pickwick der Frauenliebhaber Tracy Tupman, der melancholische Hobbydichter Augustus Snodgraß und der begeisterte JĂ€ger Nathaniel Winkle.

„Die Sonne, die pĂŒnktliche Allerweltdienerin, war eben aufgegangen und begann mit ihren Strahlen den Morgen des dreizehnten Mais Eintausendachthundertsiebenundzwanzig zu erhellen, als sich Mr. Samuel Pickwick, einer zweiten Sonne gleich, von seinem Lager erhob, das Fenster seines Schlafgemachs öffnete und auf die Welt zu seinen FĂŒĂŸen hinabblickte.“ (S. 13)

Die erste Reise fĂŒhrt nach Rochester. Die Pickwickier lernen den erfolglosen Schauspieler Alfred Jingle kennen, der sich von den Herren durchfĂŒttern lĂ€sst und am Abend mit Tupman einen WohltĂ€tigkeitsball besuchen möchte. Da Jingle keinen Anzug besitzt, entleiht Tupman heimlich den blauen Frack seines Freundes Winkle, den der Wein schlĂ€frig gemacht hat. Auf dem Ball spannt Jingle dem Regimentsarzt Dr. Slammer die Tanzpartnerin aus, weshalb es am nĂ€chsten Morgen zu einer Verwechslung kommt: Der Besitzer des blauen Fracks wird zum Duell gefordert. Winkle glaubt, er habe den Arzt vielleicht im Weinrausch beleidigt und könne sich nur nicht daran erinnern, weshalb er die Forderung annimmt. Fast kommt es zum Schusswechsel, doch Dr. Slammer erkennt in letzter Sekunde, dass er den falschen Gegner vor sich hat und es sich um ein MissverstĂ€ndnis handeln muss.

Jingles erste Intrige

Die Pickwickier reisen weiter, um ihren Freund Mr. Wardle auf seinem Landsitz in Dingley Dell zu besuchen. Bemerkenswert ist Wardles fetter Dienstjunge Joe: Sobald es nicht ums Essen geht, schlÀft er ein, es sei denn, jemand zwickt ihn in die Waden.

„Er besaß hinreichend Scharfblick, um zu bemerken, dass sein keckes Benehmen dem schönen Gegenstande seiner WĂŒnsche keineswegs missfiel, und glaubte, annehmen zu dĂŒrfen, dass sie auch in dem Besitze des wĂŒnschenswertesten aller Erfordernisse, nĂ€mlich eines unabhĂ€ngigen Vermögens, sei.“ (ĂŒber Jingle und Rachael, S. 100)

Am ersten Morgen gehen die Herren zum KrĂ€henschießen. Winkle, der sich großspurig als JĂ€ger ausgegeben hat, kann nicht im Geringsten mit einem Gewehr umgehen und erwischt Tupman mit einem Streifschuss. Wardles altjĂŒngferliche Schwester Rachael ĂŒbernimmt die Pflege, und prompt verliebt sich Tupman in sie. Leider taucht Jingle auf und wirft ebenfalls ein Auge auf Rachael – da er sie fĂŒr sehr wohlhabend hĂ€lt. Als Tupman und Rachael vom fetten Joe bei einem Stelldichein im Garten erwischt werden, spinnt Jingle eine Intrige. Er erzĂ€hlt Tupman, dass Rachael die Liebe zukĂŒnftig geheim halten wolle und er sie zur Tarnung ignorieren und mit einer ihrer Nichten flirten solle. So geschieht es. Daraufhin brennt die eifersĂŒchtige Rachael mit Jingle in einer Postkutsche durch. Pickwick und Wardle verfolgen die beiden bis nach London und können eine Hochzeit nur verhindern, indem sie dem gierigen Jingle eine saftige Abfindung zahlen.

Ein Scherz auf Pickwicks Kosten

Bei der Verfolgung Jingles hat Pickwick den einfachen Stiefelputzer Sam Weller kennen gelernt. Er beschließt, ihn als persönlichen Gehilfen anzustellen. Als Pickwick seiner HaushĂ€lterin Mrs. Bardell erklĂ€rt, er werde den Unterhalt fĂŒr eine weitere Person zahlen, glaubt sie, er mache ihr einen Heiratsantrag.

„,Ah‘, sagte der kleine Mann, ,Sie sind ein Spaßvogel, wie ich merke.‘ ,Mein Ă€ltester Bruder litt an dieser Krankheit‘, entgegnete Sam. ,Vielleicht ist sie ansteckend.‘“ (S. 118)

Sam Weller ist zufrieden mit seiner neuen Position und begleitet die Pickwickier auf ihrem nĂ€chsten Ausflug nach Eatanswill, wo gerade Wahlen stattfinden. Nach einem turbulenten Wahltag werden die Herren auf ein KostĂŒmfest eingeladen, zu dem auch Jingle erscheint. Er gibt sich als reicher Gentleman aus, ergreift aber die Flucht, als er die Klubmitglieder bemerkt. Pickwick und Sam folgen ihm in die Stadt Bury, um zu verhindern, dass erneut jemand durch Jingles BetrĂŒgereien zu Schaden kommt.

„,Glauben Sie, dass es bedeutend teurer kĂ€me, zwei Personen zu erhalten, als eine einzige?‘ ,Ach Gott, Mr. Pickwick‘, rief Mrs. Bardell aus, bis an den Rand ihrer Haube errötend, da sie in den Augen ihres Mieters ein heiratslustiges Blinzeln zu bemerken glaubte. ,Ach Gott, Mr. Pickwick, was ist das fĂŒr eine Frage?‘“ (S. 145)

Im Gasthof in Bury lernt Sam Hiob Trotter kennen, Jingles Bediensteten. Trotter erzĂ€hlt, sein Herr sei wiederum als Heiratsschwindler unterwegs und wolle eine junge Frau entfĂŒhren. Er als Diener habe moralische Bedenken und wolle Pickwick nachts in das Haus der Braut einlassen. So könne man Jingle auf frischer Tat ertappen. Leider entpuppt sich die Sache als Scherz auf Pickwicks Kosten: Dieser klettert um Mitternacht ĂŒber die ihm beschriebene Mauer, schleicht sich durch einen Garten, klopft an die HintertĂŒr eines Hauses – und muss sich dann vor wildfremden Menschen rechtfertigen, die von einem Brautraub nichts wissen. Pickwick schwört empört, Jingle nicht noch einmal entkommen zu lassen.

Ärger in Ipswich

In London braut sich neues Unheil zusammen. Mrs. Bardell hat die AnwĂ€lte Dodson und Fogg beauftragt, eine Klage wegen NichterfĂŒllung eines Eheversprechens einzureichen. Pickwick besucht in Begleitung Sams die Anwaltskanzlei, wo er feststellen muss, dass er gegen die geldgierigen Advokaten nichts ausrichten kann.

„Wenn de jejen die funfzig kommst und Neijungen fĂŒhlst, dir mit irjend ne Person zu verheiraten, jleichviel, wer et is, so schließe dir in ne Kammer ein, wenn de eene hast, und verjifte dir unverzĂŒchlich.“ (Mr. Weller zu Sam, S. 278)

Inzwischen ist Jingle in Ipswich gesehen worden. Dorthin gereist, verlĂ€uft sich Pickwick nachts im Gasthaus: Er legt sich in das falsche Bett und erschreckt damit die eigentliche Bewohnerin des Zimmers, Miss Witherfield, zu Tode. Der zukĂŒnftige BrĂ€utigam der Dame ist am nĂ€chsten Tag außer sich vor Eifersucht, weshalb Miss Witherfield fĂŒrchtet, es könnte zu einem Duell zwischen ihm und Pickwick kommen. Sie erstattet Anzeige beim BĂŒrgermeister. Pickwick soll verhaftet werden, doch er erklĂ€rt, dass er nur nach Ipswich gekommen sei, um dem BetrĂŒger Jingle das Handwerk zu legen, der sich zurzeit unter falschem Namen dort herumtreibe. Der BĂŒrgermeister ist entsetzt: Genau dieser Mensch plant, seine Tochter zu heiraten! Er lĂ€sst Jingle im hohen Bogen aus seinem Haus werfen.

„Eine junge Frau mit einem Kind auf den Armen, das vor Magerkeit und Elend kaum kriechen zu können schien, ging mit ihrem Manne, der keinen anderen Platz hatte, um ihren Besuch zu empfangen, den Gang auf und ab. Als sie an Mr. Pickwick vorbeikamen, konnte er die Frau bitterlich schluchzen hören, und einmal brach sie in ein so heftiges Jammern aus, dass sie sich an der Wand halten musste, indes der Mann das Kind in seine Arme nahm und sie zu beruhigen versuchte.“ (S. 488)

Sam Weller, der sich in Mary, das hĂŒbsche StubenmĂ€dchen des BĂŒrgermeisters, verliebt hat, reist nach Dorking, um seinen Vater Tony Weller zu besuchen. Die Stimmung ist gereizt, da sich Sams Stiefmutter Susanne mit dem zwielichtigen Prediger Stiggins angefreundet hat, der sich im Haushalt durchschnorrt und Mr. Weller auf die Nerven geht. Vater und Sohn fĂŒllen Stiggins wĂ€hrend einer Kutschfahrt mit Grog ab, woraufhin sich der Prediger auf einer Versammlung von Alkoholabstinenzlern bis auf die Knochen blamiert.

Verlorener Prozess und geglĂŒcktes Rendezvous

In der Auseinandersetzung mir Mrs. Bardell kommt es zum Prozess. Pickwick wird verurteilt und soll 750 ÂŁ Strafe zahlen. Da jedoch offensichtlich ist, dass die AnwĂ€lte Dodson und Fogg den Fall vorsĂ€tzlich bis vors Gericht getrieben haben, um an ihre Provision zu kommen, kĂŒndigt der zornige Pickwick an, er werde sich lieber ins SchuldgefĂ€ngnis werfen lassen, als diesen Gaunern ihren Gewinn zu zahlen.

„,Guter Mensch‘, sagte Jingle und fasste seine Hand mit abgewandtem Gesicht. ,Undankbarer Schurke – kindisch zu jammern – kann’s nicht lassen – böses Fieber – schwach – krank – hungrig. Alles wohl verdient, aber viel gelitten – sehr viel.‘“ (Jingle zu Pickwick, S. 504)

Bevor es so weit ist, unterstĂŒtzt er jedoch seinen Freund Winkle bei einem amourösen Abenteuer in Bristol. Winkle hat in Dingley Dell die schöne Arabella Allen kennen gelernt. Deren Bruder Benjamin Allen möchte allerdings, dass Arabella den verlotterten Chirurgen Bob Sawyer heiratet. Da Benjamin ahnt, dass seine Schwester ihr Herz anderweitig vergeben hat, hĂ€lt er sie hinter einer hohen Gartenmauer versteckt. Pickwick, Sam und Winkle machen sich auf nĂ€chtliche Geheimmission: Sam hilft Winkle ĂŒber die Gartenmauer, wĂ€hrend Pickwick Schmiere steht – mit einer derart hellen Laterne, dass er von fern fĂŒr einen Kometen gehalten wird und die drei vor einem herbeieilenden Wissenschaftler flĂŒchten mĂŒssen. Winkle erzĂ€hlt, sein Stelldichein mit Arabella sei dennoch ein Erfolg gewesen.

Ein Wiedersehen im GefÀngnis

Pickwick macht Ernst: Er zahlt keinen Cent an Dodson und Fogg. Bei seiner RĂŒckkehr nach London lassen die AnwĂ€lte ihn deshalb in das SchuldgefĂ€ngnis in der Fleet Street werfen. Die Mitinsassen saufen und rauchen, die RĂ€ume sind verdreckt. Pickwick ist einsam und unglĂŒcklich. Er beschließt, sich gegen ein Bestechungsgeld ein Einzelzimmer zu mieten. Gutherzig besichtigt er auch den GefĂ€ngnisflĂŒgel, in dem die Armen untergebracht sind. Dort trifft er einen alten Bekannten: Jingle. Der Schwindler ist halb verhungert und so verzweifelt, dass Pickwick ihm verzeiht. Damit auch Jingle und sein Diener Hiob Trotter sich im GefĂ€ngnis ein besseres Leben leisten können, sorgt Pickwick fĂŒr finanzielle UnterstĂŒtzung.

„Ich habe niemals jehört oder in JeschichtsbĂŒchern gelesen oder auf JemĂ€lden was jesehen von Engeln mit engen Hosen und Gamaschen (...), aber (...) er is trotzdem n echter und vollkommener Engel (...)“ (Sam ĂŒber Pickwick, S. 538)

Da Pickwick nicht möchte, dass Sam sich im GefĂ€ngnis aufhalten muss, entlĂ€sst er ihn aus seinem Dienst. Der treue Sam jedoch geht zu seinem Vater, leiht sich 25 ÂŁ, kĂŒndigt an, das Geld niemals zurĂŒckzahlen zu wollen, und bittet darum, angezeigt zu werden. Mr. Weller kommt dem Wunsch amĂŒsiert nach. Daraufhin wird Sam ebenfalls ins Fleet-GefĂ€ngnis gesteckt, wo ihn der gerĂŒhrte Pickwick wieder in seine Dienste nimmt.

Mrs. Bardells spÀte Reue

Auf einem seiner nĂ€chtlichen SpaziergĂ€nge durch das GefĂ€ngnis erlebt Pickwick eine weitere Überraschung: Er begegnet seiner ehemaligen HaushĂ€lterin Mrs. Bardell. Auch sie ist von den AnwĂ€lten Dodson und Fogg ins SchuldgefĂ€ngnis geworfen worden, da sie die Prozesskosten nicht hat zahlen können und die gierigen AnwĂ€lte aufgrund von Pickwicks Störrigkeit bisher leer ausgegangen sind. Mrs. Bardell nimmt die Klage zurĂŒck und erklĂ€rt, sie habe sich lediglich von den AnwĂ€lten bis vor Gericht treiben lassen. WĂŒrde Pickwick nun die Prozesskosten ĂŒbernehmen, wĂ€ren sie beide frei. Seine Entscheidung wird von einem zweiten Vorfall beeinflusst: Winkle und Arabella besuchen ihn im GefĂ€ngnis. Sie haben heimlich geheiratet, wissen aber nicht, wie sie diese Neuigkeit Arabellas jĂ€hzornigem Bruder mitteilen sollen. Es gebe nur einen Menschen, der Benjamin schonend von der Ehe in Kenntnis setzen könne. Pickwick willigt ein und verlĂ€sst – samt Sam – das GefĂ€ngnis.

Eine weitere Eheschließung

Benjamin Allen und Bob Sawyer sitzen wie so oft bei einem Bier zusammen. Benjamin erzĂ€hlt, dass Arabella bei ihrer Heirat ein Vermögen ĂŒberschrieben bekomme. Er drĂ€ngt seinen Freund, ihr noch einmal ausdrĂŒcklich einen Antrag zu machen, und Bob stimmt zu, obwohl sie beide bereits vermuten, dass es einen Kontrahenten gibt. Sie wĂŒrden diesem – ohne zu wissen, um wen es sich handelt – am liebsten den Hals umdrehen. Entsprechend aufgebracht reagieren sie, als Pickwick zu Besuch kommt und verkĂŒndet, sein Freund Winkle habe Arabella geehelicht. Es braucht einiges diplomatisches Geschick – und eine Flasche starken Schnaps –, bis Benjamin und Bob sich beruhigen und auf das GlĂŒck des Paares anstoßen.

„Wenn ich nur wenig Gutes getan habe, so glaube ich doch, noch weniger Böses getan zu haben, und hoffe, dass meine sĂ€mtlichen Abenteuer mir an meinem Lebensabend nur eine Quelle angenehmer und ergötzlicher Erinnerungen sein werden.“ (Pickwick, S. 645)

Sam erhĂ€lt die Nachricht, dass seine Stiefmutter ĂŒberraschend an einem Schnupfen verstorben ist. Er fĂ€hrt zu seinem Vater nach Dorking, wo am selben Tag bereits die Beerdigung stattgefunden hat. So sehr der alte Weller die Frau zu Lebzeiten verflucht hat, vermisst er sie jetzt doch. Als der schnorrende Prediger Stiggins auftaucht, um herauszufinden, ob ihm die Verstorbene etwas hinterlassen hat, verpasst ihm Mr. Weller eine gehörige Tracht PrĂŒgel. Wie sich herausstellt, war die Tote tatsĂ€chlich recht wohlhabend. Ihr gesamtes Hab und Gut hat sie Sam und seinem Vater vermacht.

Das glĂŒckliche Ende des Pickwick-Klubs

Pickwick löst Jingle und Hiob Trotter aus dem SchuldgefĂ€ngnis aus. Jingle bekommt eine Arbeit in der englischen Kolonie Demerara in SĂŒdamerika, und Trotter folgt ihm, weil er sich von seinem einzigen Freund in der Welt nicht trennen will. Beide MĂ€nner sind Pickwick zutiefst dankbar fĂŒr seine Hilfe und bereuen ihre frĂŒheren BetrĂŒgereien. Aus Dingley Dell reist Mr. Wardle an. Er ist sehr aufgebracht, da Emilie, seine Tochter, Snodgraß heiraten will. Der sorgende Vater lĂ€sst sich jedoch von Pickwick beruhigen, und spĂ€ter sitzen die Klubmitglieder und die gesamte Familie Wardle bei einem Wein mit dem neuen Liebespaar glĂŒcklich vereint beisammen.

Sam und sein Vater haben insgesamt mehr als 1000 ÂŁ geerbt. Da Mr. Weller als einfacher Kutscher mit so viel Geld nichts anzufangen weiß, will er es Pickwick ĂŒberlassen. Dem jedoch fĂ€llt ein hervorragender Verwendungszweck fĂŒr die Erbschaft ein. Er will Sam aus seinem Dienst entlassen und ihm ein kleines GeschĂ€ft kaufen, damit dieser sein eigenes Auskommen hat und das DienstmĂ€dchen Mary heiraten kann. Sam ist aber eine zu treue Seele: Nie und nimmer will er Pickwick alleinlassen. Die Sache ist mit Mary bereits abgesprochen. Sam bleibt im Dienst, und sie liebt ihn, auch ohne dass sie verheiratet sind.

Der Pickwick-Klub wird schließlich aufgelöst. Pickwick fĂŒhlt sich zu alt fĂŒr die stĂ€ndigen Reisen. Er kauft sich ein Haus außerhalb Londons, in das er mit Sam und Mary einzieht. Zur Einweihungsparty wird die Hochzeit von Emilie und Snodgraß gefeiert, und Pickwick hĂ€lt eine gefĂŒhlvolle Rede, in der er seinen gerĂŒhrten Freunden noch einmal dafĂŒr dankt, dass sie ihn auf so vielen Abenteuern begleitet haben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Die Pickwickier ist ein Episodenroman. Eine durchgĂ€ngige Handlungsentwicklung sucht der Leser vergeblich, stattdessen finden sich locker aneinandergereihte, oft voneinander unabhĂ€ngige Anekdoten. Die Pickwickier erinnert an den Schelmenroman des 16. Jahrhunderts, vor allem an dessen berĂŒhmtesten Vertreter Don Quijote: In die Haupthandlung eingeschoben sind zahlreiche kleine Geschichten, die den Klubmitgliedern von ihren meist zufĂ€lligen Reisebekanntschaften erzĂ€hlt werden. Der Ton des Romans ist – insbesondere fĂŒr ein Buch von Dickens – sehr heiter und leicht. Lediglich in den eingeschobenen Anekdoten und in den GefĂ€ngniskapiteln am Ende des Romans klingt die dĂŒstere AtmosphĂ€re an, von der die spĂ€teren Werke des Autors geprĂ€gt sind. Das Personal ist mehr als nur beachtlich: Über 50 Figuren werden namentlich vorgestellt. Fast alle Charaktere sind satirisch verfremdet, in manchen FĂ€llen ist beißende Sozialkritik das Ergebnis. AuffĂ€llig ist aber auch die menschliche WĂ€rme, mit der Dickens seine Figuren zeichnet. So fragwĂŒrdig und verwerflich ihre Handlungen teilweise sein mögen, als Leser ist man geneigt, selbst dem grĂ¶ĂŸten Bösewicht zu verzeihen.

InterpretationsansÀtze

  • Der Roman kontrastiert NaivitĂ€t und Intrigantentum: Die Pickwickier laufen wie Kinder durchs Leben, allen voran ihr AnfĂŒhrer und Namensgeber. Als Pickwick die ohnmĂ€chtige Mrs. Bardell in den Armen hĂ€lt, ĂŒbersieht er die Zweideutigkeit der Situation vollkommen. Er durchschaut die bösen Absichten anderer nicht und fĂ€llt deshalb auf Jingle und die AnwĂ€lte herein. Wie ein Kind wird Pickwick auch von Sam an der Hand genommen, als er sich im Gasthaus verlĂ€uft.
  • FĂŒr Pickwick sind Gerechtigkeit und Moral Naturgesetze. Er muss ins GefĂ€ngnis, weil er sich weigert, die ihm zu Unrecht auferlegte Strafsumme zu zahlen. Da er zunĂ€chst vorhat, seine Meinung niemals zu Ă€ndern, muss er von einer lebenslĂ€nglichen Haft ausgehen. Trotzdem hat er gute Laune, als er das GefĂ€ngnis betritt: Er hat sich nichts vorzuwerfen, es gibt fĂŒr ihn keine andere Möglichkeit, sich zu verhalten.
  • Wie in anderen Dickens-Romanen steht das GefĂ€ngnis fĂŒr die Schattenseiten einer vordergrĂŒndig glĂŒcklichen Gesellschaft. Hier herrschen Alkoholismus, Hunger, Missgunst und Korruption. Pickwick verliert in dieser Umgebung all seine Lebensenergie. Mit einem scheinbar unverwĂŒstlichen Glauben an das Gute im Menschen zieht er in das GefĂ€ngnis ein, verlĂ€sst es aber mĂŒde und ernĂŒchtert.
  • Mit der Gerichtsszene nimmt Dickens einen Albtraum der Moderne vorweg. Pickwick wird verurteilt, ohne nachvollziehen zu können, warum oder wofĂŒr. Ein alltĂ€glicher Brief etwa, in dem er seiner HaushĂ€lterin mitteilt, was er zu essen wĂŒnscht, wird zum Beweis seiner Schuld hochstilisiert. Eine Situation, wie sie spĂ€ter die Hauptfiguren in Kafkas Prozess oder Hitchcocks Der unsichtbare Dritte durchleben.
  • Ein zentrales Motiv des Romans ist die Vergebung. Obwohl Jingle ihm ĂŒbel mitgespielt hat, verzeiht Pickwick dem BetrĂŒger schließlich und ermöglicht ihm sogar ein neues Leben. Damit ist die NaivitĂ€t letztlich der Intrige ĂŒberlegen: Jingle ist von Pickwick abhĂ€ngig, nicht umgekehrt*

Historischer Hintergrund

Viktorianische Beschaulichkeit

Wohlhabende Herren konnten zu Beginn des Viktorianischen Zeitalters ein unbeschwertes Leben fĂŒhren. Die Regierungszeit Königin Viktorias (1837–1901) verlief friedlich; es gab zwar kleine KĂ€mpfe im Ausland, etwa wĂ€hrend der Krimkrise, aber in England war davon wenig zu spĂŒren. Die Eisenbahn wurde gerade erst gebaut; es waren die letzten Jahre, in denen Kutschfahrten durch die idyllische Landschaft noch ĂŒblich waren. Die gehobene Mittelschicht profitierte vom wirtschaftlichen Aufschwung infolge der industriellen Revolution, musste jedoch selbst in den Fabriken und Bergwerken nicht Hand anlegen. Großbritannien hatte einen erheblichen technologischen Vorsprung vor den anderen europĂ€ischen LĂ€ndern, und gerade deshalb konnten die besser gestellten Kreise es sich leisten, die guten alten Zeiten nostalgisch zu verklĂ€ren.

Ähnlich beschaulich war das bĂŒrgerliche Frauenbild der Zeit: Die Frau sollte heiraten, Kinder gebĂ€ren, fĂŒr ihren Ehemann sorgen und dabei ein hochgeistiges Wesen bleiben. Schon die Arbeit außerhalb des Haushalts galt als unschicklich. Sprichwörtlich geworden ist die viktorianische Doppelmoral: Ausgerechnet in diesem hypermoralischen Zeitalter florierte die Prostitution wie niemals zuvor.

Alles andere als idyllisch war die Ära fĂŒr die englische Unterschicht: Die Löhne waren gering, die Arbeitstage dauerten bis zu 16 Stunden, und selbst fĂŒnfjĂ€hrige Kinder wurden zur Arbeit gezwungen.

Entstehung

Die Idee zu den Pickwickiern stammte ursprĂŒnglich von Dickens’ Verleger Edward Chapman, der eine Zusammenarbeit des Autors mit dem damals sehr erfolgreichen Illustrator Robert Seymour plante. Seymours humoristische Alltagszeichnungen und Karikaturen sollten in monatlicher Fortsetzung veröffentlicht werden; was noch fehlte, war ein Autor, der möglichst unterhaltsame Begleittexte zu den Bildern liefern konnte. Der junge Charles Dickens, der gerade mit einer Kurzgeschichtensammlung auf sich aufmerksam gemacht hatte, bekam den Job. Das erste Monatsheft erschien im MĂ€rz 1836; der Fortgang der Geschichte wurde in der Folge improvisiert. Dickens fĂŒhrte von Monat zu Monat neue Figuren ein und ließ andere nach ihrem ersten Auftritt verschwinden, je nachdem, wie gut die vorherige Folge beim Publikum angekommen war.

Am 20. April 1936, noch bevor das zweite Romanheft veröffentlich worden war, beging Robert Seymour Selbstmord. Dickens erklĂ€rte spĂ€ter im Vorwort zur Gesamtausgabe der Pickwickier, dass der Illustrator von sich aus keine Ideen zum Inhalt der Geschichte beigetragen, sondern ausschließlich auf die Vorgaben des Autors reagiert habe. Seymour sei verstorben, als erst 48 Seiten des Textes geschrieben worden seien. Dieser Anspruch Dickens’ auf die alleinige Urheberschaft der Geschichte ist zweifelhaft, da sehr wohl Zeichnungen Seymours existieren, die Handlungsmomente aus spĂ€teren Kapiteln darstellen. Unstrittig ist allerdings, dass der Roman erst nach Seymours Tod der sensationelle Erfolg wurde, als der er in die Literaturgeschichte einging.

Wirkungsgeschichte

Der Erfolg der monatlich erscheinenden Fortsetzungsheftchen war im Publikationsgewerbe ein bis dahin beispielloses PhĂ€nomen. Die Pickwickier entwickelte sich nicht nur zu einem Bestseller, sondern zog eine wahre Hysterie nach sich. Illegale Kopien der Hefte machten auf dem Schwarzmarkt die Runde, die beliebtesten Szenen wurden als TheaterstĂŒck aufgefĂŒhrt, es gab BĂŒcher mit den gesammelten Sam-Weller-Zitaten und andere Fanartikel. Sam Weller gilt in der Literaturgeschichte als die Figur, durch die Charles Dickens berĂŒhmt wurde. Obwohl Sam ursprĂŒnglich fĂŒr den weiteren Romanverlauf gar nicht eingeplant war, reagierte Dickens auf die Begeisterung seines Lesepublikums und rĂ€umte dem Diener eine immer zentralere Rolle ein. Mit seinem Cockney-Akzent und seiner Weltsicht, die typisch war fĂŒr die Londoner Unterschicht, gab Sam Weller dem Roman einen neuen, sozialkritischen Aspekt, dem Dickens fĂŒr den Rest seiner Autorenkarriere treu bleiben sollte. Die fĂŒr Sam Weller typischen SprĂŒche, so genannte Sagworte (z. B. „Alles Gute kommt zurĂŒck, sagte der Seemann, als er in den Wind spuckte.“), werden noch heute als Wellerismen bezeichnet.

Medizinische BerĂŒhmtheit erlangte der fettleibige Dienstjunge Joe, der im Roman durch seinen ungezĂŒgelten Appetit und seine MĂŒdigkeit auffĂ€llt. In Anlehnung an die Figur versteht man unter dem Pickwick-Syndrom heute eine hochgradige Fettsucht, die die LungentĂ€tigkeit beeinflusst und eine ausreichende Sauerstoffaufnahme im Schlaf verhindert. Der Patient ist tagsĂŒber unerholt und neigt – wie Joe – zu anfallartigen SchlafzustĂ€nden.

Über den Autor

Charles Dickens wird am 7. Februar 1812 in Landport bei Portsmouth als eines von acht Kindern eines Marinezahlmeisters geboren. Weil die Familie ĂŒber ihre VerhĂ€ltnisse lebt und der Vater Schuldscheine nicht einlösen kann, kommt sie in ein SchuldgefĂ€ngnis. Der zwölfjĂ€hrige Charles wird Hilfsarbeiter in einer Fabrik, um selbst seinen Unterhalt bestreiten zu können. Die Erlebnisse der Kinderarbeit traumatisieren den Jungen und prĂ€gen spĂ€ter einen Großteil seines literarischen Werks. Als die Familie aufgrund einer Erbschaft des Vaters wieder freikommt, kann Charles Dickens seine Schulausbildung fortsetzen. Mit 15 Jahren wird er Schreiber in einem AnwaltsbĂŒro. Bald darauf steigt er zum Gerichts- und Parlamentsreporter auf. 1836 heiratet er Catherine Hogarth, die Tochter eines Journalistenkollegen. Als er 1836/37 seine Episodenreihe The Pickwick Papers (Die Pickwickier) veröffentlicht, erlangt er schnell in ganz England BerĂŒhmtheit. Der nachfolgende Fortsetzungsroman Oliver Twist (1837/38) festigt seine PopularitĂ€t. Er gibt mehrere Zeitschriften heraus und verfasst Kurzgeschichten und Romane. 1849/50 arbeitet Dickens an David Copperfield, einem Werk, das stark autobiografische ZĂŒge trĂ€gt. Nach 1852 erscheinen seine großen SpĂ€tromane Bleak House (Bleakhaus), Hard Times (Schwere Zeiten) und Great Expectations (Große Erwartungen). 1858 trennt sich Dickens von seiner Frau, mit der er inzwischen zehn Kinder hat. Gegen Ende seines Lebens unternimmt er ausgedehnte Lesereisen in Europa und Amerika. Weil sich seine Gesundheit zunehmend verschlechtert, erwirbt er 1868 den Landsitz Gad’s Hill Place bei Rochester. Am 9. Juni 1870 stirbt er dort an einem Schlaganfall. Als Schriftsteller von nationaler Bedeutung wird er in der Dichterecke der Westminster Abbey beigesetzt.

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