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Stützen der Gesellschaft

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Stützen der Gesellschaft

Schauspiel in vier Akten

Diogenes Verlag,

15 min read
12 take-aways
Text available

What's inside?

Ibsens gesellschaftskritisches Stück attackiert die verlogenen „Stützen der Gesellschaft“ und entlarvt ihre Moral als reinen Eigennutz.

Literatur­klassiker

  • Drama
  • Naturalismus

Worum es geht

Die hässliche Fratze der ehrenwerten Gesellschaft

Ibsen nimmt in diesem Drama die heuchlerische Moral der bürgerlichen Gesellschaft Ende des 19. Jahrhunderts aufs Korn: Im Lauf des Stücks erweisen sich die so genannten "Stützen der Gesellschaft" als Betrüger, die sogar sich selbst hinters Licht führen. Besonders Leben und Karriere des ersten Mannes am Platze, Konsul Bernick, sind auf ein Fundament aus Lügen gebaut. Als ihn die Gespenster seiner Vergangenheit immer mehr bedrängen, plant er sogar einen Mord, um seinen Ruf zu retten. Schließlich ist es seine Frau, bislang ein unterdrücktes Wesen, die diese Untat verhindern kann. Bernick versucht sich gesellschaftlich zu retten, indem er Teile der Wahrheit über sein Vorleben verkündet, und hält sich nun für rehabilitiert - doch Ibsen lässt den Schluss beunruhigend offen. Um diesen Handlungskern herum weben sich die Gedanken und Taten zahlreicher kleingeistiger Moralapostel. Einzige Rebellen und Hoffnungsträger sind in dieser Gesellschaft einige Frauen, ein Kind sowie die Arbeiterschaft, die gegen ihre Ausbeutung im Manchesterkapitalismus ankämpft. Ibsens erstes realistisches sozialkritisches Stück prangert die Wirtschaftsführer seiner Zeit an und ist damit bis heute aktuell: Je lauter sich die Mächtigen für das Allgemeinwohl einsetzen, desto egoistischer sind ihre Motive.

Take-aways

  • Stützen der Gesellschaft ist geballte Sozialkritik. Das Stück führt vor, welche Leichen die vermeintlich ehrenwerte Gesellschaft im Keller hat.
  • Der Reeder Konsul Bernick hat einen exzellenten Ruf in seinem Heimatort, er gilt als eine der Stützen der Gesellschaft.
  • Doch die Ankunft von Verwandten aus Amerika droht alte Sünden und Lebenslügen ans Tageslicht zu zerren.
  • Um seinen guten Ruf zu retten, schreckt der Konsul selbst vor einem Mordanschlag nicht zurück.
  • Er rechtfertigt dies vor sich, indem er auf das Allgemeinwohl verweist, wenn er weiterhin der erste Mann am Ort sei.
  • Er und seine Mitläufer nutzen ihre gesellschaftliche Stellung nur, um ihren Gewinn zu maximieren, reden dabei aber ständig von Moral und Allgemeinwohl.
  • Am Ende kommt die Wahrheit ans Licht; der Konsul scheint geläutert - doch eigentlich hat er seine Stellung vielleicht nur noch gefestigt.
  • Ibsen zeigt die Mechanismen der frühen bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft: Frauen werden gering geschätzt, und die Arbeiterschaft wird ausgebeutet.
  • Der historische Kern des Stücks waren verbrecherische Praktiken vieler Reeder, die mit seeuntüchtigen Schiffen hohe Versicherungssummen kassieren wollten.
  • Außerdem haben die norwegische Frauen- und Arbeiterbewegung Ibsen beeinflusst.
  • Der Autor lebte zu jener Zeit bereits nicht mehr in Norwegen und hatte sich von der dortigen nationalromantischen Literatur abgewendet.
  • Das Stück wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Es hat der aufkommenden sozialkritischen Literatur in Europa starke Impulse gegeben.

Zusammenfassung

Besuch aus Amerika

Im Haus des Konsuls Bernick in einer kleinen norwegischen Hafenstadt: Im Gartenzimmer sitzen einige Damen, unter ihnen auch die Konsulin, und beschäftigen sich mit Handarbeiten, die für Notleidende bestimmt sind. Der Hilfslehrer Rørlund liest aus einer erbaulichen Schrift vor. In diese Idylle tritt Aune, Vorarbeiter in Konsul Bernicks Werft. Er will in Bernicks Büro eintreten, wird aber von dessen Prokuristen Krap abgefangen: Aune solle sich mit den anstehenden Reparaturarbeiten auf der Werft mehr beeilen. Der Angesprochene rechtfertigt sich, pocht als Gewerkschaftler auf die Rechte der Arbeitnehmer und stemmt sich gegen die neuen, amerikanischen Arbeitsmethoden. Rørlund unterhält sich mit den Damen über den Verfall der Moral, besonders in Amerika. Alle sind sich einig, dass Konsul Bernick sehr gut daran getan hat, den Bau der Eisenbahnstrecke zu verhindern, die die kleine Stadt mit der großen Welt verbunden hätte. Nur die junge Dina Dorf stimmt nicht in den Chor der Entrüsteten ein.

„Diese geschönte und gelackte Außenseite der großen Gesellschaften, - was verbirgt sich dahinter? Nur Leere und Zerfall. Bar jeder Moral. Mit einem Satz, - die große Gesellschaft ist ein mit Talmi getarntes Massengrab.“ (Assessor Rørlund, S. 11)

Hilmar Tønnesen gesellt sich dazu, der Cousin von Frau Bernick. Er berichtet, dass im Büro des Konsuls gestritten wird - offenbar doch wieder über das Eisenbahnprojekt. Die Damen geraten deswegen in Unruhe. Tønnesen provoziert Rørlund, indem er sich über den Titel des Buchs lustig macht: "Die Frau als Dienerin der Gesellschaft". Der 13-jährige Sohn des Hauses, Olaf Bernick, tritt auf und wird von Tønnesen zurechtgewiesen, er solle doch aufhören, mit dem Spielzeuggewehr herumzufuchteln, lieber ein richtiges Gewehr nehmen und wie ein echter Mann nach Amerika reisen. Olaf ist Feuer und Flamme, zumal er dort ja auch seine Tante und seinen Onkel besuchen könnte. Schnell wird das Thema gewechselt. Man spricht über die gute alte Zeit, als es noch Kunst, Theater und rauschende Feste gab.

„Durch den täglichen Umgang mit mir ist sie eine andere geworden. Als Mensch muss man lernen, seine Ansprüche herabzusetzen, wenn man sein Bestes geben will in der Gesellschaft. Mit der Zeit hat Betty das eingesehen; deshalb ist unser Haus jetzt ein Vorbild für unsere Mitbürger.“ (Konsul Bernick, S. 70)

Als die Rede auf eine Schauspieltruppe kommt, die damals "schlimme Dinge" angestellt habe, wird Dina hinausgeschickt. Es stellt sich heraus, dass Konsulin Bernicks jüngerer Bruder Johan nach Amerika verschwinden musste, weil er offenbar ein Verhältnis mit Dinas Mutter hatte. Er arbeitete damals im Kontor der alten Frau Bernick, des Konsuls Mutter. Dinas Mutter gehörte zu einer Schauspieltruppe, die die Stadt besuchte. Ihr Mann ertappte sie mit Johan in flagranti. Johan soll außerdem die Kasse der alten Frau Bernick geplündert haben. Dinas Mutter starb später, sie selbst wurde von Bernicks aufgenommen - ein Sorgenkind, da es ja nicht aus gutem Stall kam. Frau Bernicks Halbschwester, Lona Hessel, eine unabhängige Dame und Schriftstellerin, ging damals ebenfalls nach Amerika, wobei es auch um sie einen Skandal gab: Als der Konsul seine Verlobung mit Betty Tønnesen, seiner jetzigen Frau, verkündete, gab Lona Hessel ihm eine Ohrfeige. Offenbar hatte sie sich selbst Chancen auf eine Heirat mit dem ehrenwerten Konsul ausgerechnet. Dina kehrt aus der Küche zurück, bleibt aber abseits. Rørlund will sie holen, doch sie wehrt sich: Sie höre doch, dass man über sie, "die Unmoralische", tuschele. Sie gesteht Rørlund ihre Zuneigung und kritisiert, dass er sich nicht zu ihr bekenne. Er erwidert, er könne das mit Rücksicht auf seine Stellung als "moralische Stütze der Gesellschaft" nicht tun.

„Du bist der reichste und mächtigste Mann der Stadt; überall setzt du deinen Willen durch, du bist sozusagen unfehlbar, deine Familie ist eine Musterfamilie, dein Verhalten ist ein Musterverhalten. Aber du und diese ganze Herrlichkeit, ihr seid auf Sand gebaut.“ (Lona Hessel, S. 71)

Die Kaufleute Sandstad und Vigeland, Großhändler Rummel und Konsul Bernick treten auf und besiegeln ihren Entschluss, die Eisenbahn zu bauen. Alle anderen sind überrascht. Bernick erklärt, diese Maßnahme bringe wirtschaftlichen Aufschwung, und gegen die moralischen Anfechtungen der großen Welt sei die Stadt gefeit, insbesondere durch die wohltätige Arbeit der Frauen. Bernick erhält ein Telegramm vom Reeder des amerikanischen Schiffs "Indian Girl", das bei ihm in der Werft zur Reparatur ist: Es sollen nur die allernötigsten Arbeiten durchgeführt werden, um rasch wieder in See stechen zu können. Der Konsul entrüstet sich, dass das Leben der Seeleute so aufs Spiel gesetzt werde. Derweil hat ein anderes Schiff angelegt, Zirkusleute und Matrosen kommen die Straße herauf. Die Gesellschaft bei Bernicks beäugt die Leute abschätzig. Plötzlich tritt eine Frau herein und wird von Frau Bernick als ihre Halbschwester Lona erkannt. Unbekümmert begrüßt Lona alle und macht Scherze, aber der Empfang ist frostig: Ihre Aussage, dass auch Johan mit ihr gekommen sei, beunruhigt den Konsul. Lona kündigt an, bei der nächsten Lesung erbaulicher Schriften des Herrn Assessors dabei sein zu wollen: zum "Auslüften".

Die Fassade bröckelt

Das Ehepaar Bernick ist beunruhigt: Was will der "amerikanische" Besuch wirklich? Frau Bernick schämt sich ihrer missratenen Geschwister. Der Konsul hat Angst vor schlechter Presse. Er droht seinem Vorarbeiter Aune mit Rauswurf, wenn dieser die "Indian Girl" nicht in Rekordzeit repariert, denn die fremden Seeleute marodieren in der Stadt, und die Presse macht Bernick dafür verantwortlich. Aune gibt klein bei. Dina hat sich inzwischen mit Rückkehrer Johan angefreundet, was Bernick gar nicht gern sieht. Sie träumt davon, nach Übersee zu gehen - weg von den "Moralischen" in der Kleinstadt.

„Lona Hessel: Und ihr nennt euch Stützen der Gesellschaft! - Konsul Bernick: Die Gesellschaft hat keine besseren.“ (S. 84)

Einmal mit Johan alleine, bedankt sich Bernick überschwänglich, dass er ihm diese seine Existenz ermöglicht habe. Denn wie sich jetzt herausstellt, war es eigentlich Bernick, der ein Verhältnis mit Dinas Mutter gehabt hat. Johan nahm damals die Schuld auf sich und ermöglichte dem Konsul dadurch die Festigung seines guten Rufs und vor allem die Hochzeit mit Betty Tønnesen. Der Konsul brüstet sich, auch seine mittellose Schwester Martha bei sich aufgenommen zu haben, der es an nichts fehle; allein stehende Frauen benötigten ja auch nichts. Johan trifft Martha kurz darauf im Garten. Sie wirft ihm seine Verfehlungen vor. Offenbar hat Bernick in der Familie nichts dafür getan, ihn zu rehabilitieren. Darüber gerät Johan ins Grübeln. Kurz darauf kommt es zur Aussprache zwischen Lona und dem Konsul. Er will sie um Verzeihung bitten. Sie ist voller Bitterkeit: Er habe ihr damals die hübsche Schauspielerin, Dinas Mutter, vorgezogen, und danach Betty mit ihrem reichen Erbe. Der Konsul gibt zu, dass er seine Frau anfangs nicht geliebt habe. Er benötigte ihr Geld, denn seine Mutter hatte die Firma heruntergewirtschaftet. Inzwischen liebe er Betty aber. Er habe das alles aus Rücksicht auf die Firma und die Mitarbeiter getan. Betty habe gelernt, sich nach seinen Bedürfnissen zu richten. Nun sei sein Haus ein Vorbild für die Mitbürger. Lona bezichtigt ihn der mehrfachen Lüge und fragt, wie er 15 Jahre damit habe leben können.

„Behalte dein Geld, und gib mir stattdessen meinen guten Namen wieder.“ (Johan zu Konsul Bernick, S. 89)

Kurz darauf kommt es zum Eklat: Assessor Rørlund verlangt vom Konsul, eine Verbindung zwischen Dina und Johan zu verhindern. Der Konsul versucht sich dem zu entziehen. Rørlund konfrontiert Dina, als diese zusammen mit Johan auftaucht, mit dessen vergangenen "Untaten". Allgemeines Entsetzen - doch der Konsul, der es besser weiß, schweigt und spricht Johan nicht von seiner angeblichen Schuld frei. Die Kaufleute rufen nach dem Konsul; ihr Eisenbahnprojekt hänge am seidenen Faden, weil die Presse gegen sie hetze, und sie bräuchten nun "sein ganzes moralisches Gewicht".

Der Schein muss gewahrt werden - um jeden Preis

Prokurist Krap teilt dem Konsul mit, dass Schiffsbaumeister Aune offenbar Sabotage betreibt: Die "Indian Girl" sei so schlecht repariert worden, dass sie es nicht bis Amerika schaffen werde. Der Konsul will erst Beweise sehen, bevor er Aune anzeigt - sein eigener, tadelloser Ruf darf auf keinen Fall beschädigt werden. Hilmar Tønnesen erzählt dem Konsul, dass die Presse plant, eine skandalöse Geschichte breitzutreten: Offenbar habe ein unbekanntes ausländisches Unternehmen Wind von den Plänen für den Eisenbahnbau bekommen und lasse nun das Land entlang der Strecke aufkaufen, wahrscheinlich um damit zu spekulieren.

„Diese ganze Wohlanständigkeit ist mir zuwider!“ (Dina, S. 110)

Lona Hessel kommt, und der Konsul will ihr jetzt die ganze Wahrheit erzählen: Johan hat damals gar kein Geld aus der Kasse seiner Mutter gestohlen. Das war nur ein Gerücht, welches Bernick aber sehr zupass kam, um zu vertuschen, dass die Firma zahlungsunfähig war. Johan kommt hinzu und sagt dem Konsul, die Wahrheit müsse nun öffentlich ausgesprochen werden, damit er Dina heiraten und hier im Ort mit ihr leben könne. Der Konsul bekniet ihn: Gerade jetzt sei es ihm unmöglich, seine moralische Überlegenheit zu gefährden. Er selbst habe die Grundstücke entlang der geplanten Eisenbahnstrecke heimlich gekauft. Seinen Mitbürgern gegenüber werde das als großes Wagnis gelten, das er für die Gemeinschaft auf sich genommen habe: Schließlich sei er der Einzige, der ein solch großes Geschäft führen könne; wenn alle mitgemischt hätten, würde das Unternehmen verpfuscht. Doch Johan will jetzt endlich seinen guten Namen wiederhaben. Er entscheidet spontan, am nächsten Tag mit der "Indian Girl" nach Amerika zu fahren, seine Farm zu verkaufen und dann wiederzukommen, um reinen Tisch zu machen. Der Konsul wehrt sich; er will alles abstreiten. Johan jedoch setzt ihn mit Briefen unter Druck, in denen die Wahrheit steht, und stürmt hinaus.

„Diese erbarmungslosen Sitten und Gewohnheiten, sie sind der Zwang, unter dem wir hier leiden.“ (Martha Bernick, S. 110)

In dem Moment erscheint Prokurist Krap. Für ihn ist klar, dass Schiffsbaumeister Aune auf der "Indian Girl" gepfuscht hat. Der Konsul aber sagt, er vertraue Aune und damit sei für ihn der Fall erledigt. In diesem Moment tritt Kaufmann Vigeland auf und berichtet, dass es für den nächsten Tag eine Sturmwarnung gebe. Als Assessor Rørlund erscheint, spricht der Konsul ihn auf Fragen der Moral an: Sei es nicht manchmal im Dienste einer größeren Sache gerechtfertigt, ein einzelnes Menschenleben zu opfern? Plötzlich kommt Johan wieder herein; er teilt dem Assessor mit, dass er Dina heiraten will. Der Hilfslehrer ruft daraufhin Dina und alle Frauen zusammen und verkündet - gegen Dinas Willen -, sie sei seine Braut. Damit sind Johans Pläne hinfällig. Er sagt dem Konsul, nun werde er erst recht wieder zurückkehren - um sich an allen hier zu rächen. Der Konsul erhält eine weitere Sturmwarnung, aber er bestimmt: Die "Indian Girl" soll auslaufen.

Reinigendes Gewitter

Die Gesellschaft des Ortes hat hinter Konsul Bernicks Rücken ein großes Fest für ihn arrangiert. Als er davon erfährt, wehrt er sich dagegen; er will auch keine Ansprache halten. Doch Großhändler Rummel macht ihm klar, dass er es der Stadt schuldig sei: Die Gegner der Eisenbahnplanung müssten zum Schweigen gebracht werden. Zur gleichen Zeit wird die "Indian Girl" zum Auslaufen klargemacht. Bernick ist sehr nervös. Plötzlich erscheint Johan und läuft Dina in die Arme, die reisefertig ist: Sie wolle mit ihm gehen, denn sie liebe den Assessor nicht und würde in diesem angeblich so moralischen Ort ersticken. Dina will Johan heiraten, aber sie will auf eigenen Beinen stehen und kein "Ding" sein, "das man einfach so nimmt". Johan und Dina laufen zum Schiff.

„Lona, ich bin unerträglich einsam in dieser bornierten, kläglichen Gesellschaft (...) Weißt du, was wir sind, als Stützen der Gesellschaft? Nur Werkzeuge der Gesellschaft, nicht mehr und nicht weniger.“ (Konsul Bernick, S. 115)

Konsul Bernick klagt, er könne jetzt nicht vor die Menge treten. Er gesteht Lona Hessel, dass er es jetzt bereue, sie damals verlassen zu haben. Sie erklärt ihm, dass er seine Frau nie wie einen ebenbürtigen Menschen behandelt, sondern sie immer klein gehalten habe. Bernick erkennt seine eigene Verlogenheit. Lona berichtet ihm, dass sich Johan und Dina eingeschifft haben - auf der "Palme"! Daraufhin rennt Bernick mit dem Ausruf "Umsonst!" zu Krap mit dem Befehl, die "Indian Girl" aufzuhalten - aber sie ist schon auf hoher See. Lona zerreißt vor Bernicks Augen die kompromittierenden Briefe als Zeichen, dass sie ihn nicht mehr bloßstellen will. Bernick ist erschüttert. Hilmar Tønnesen erscheint mit der Nachricht, der kleine Olaf sei auf der "Indian Girl". Der Konsul bricht fast zusammen. Seine Geschäftsfreunde beruhigen ihn: Das Schiff sei doch gerade erst in seiner guten Werft repariert worden ... Die Festgesellschaft nähert sich, die Freunde reden auf Bernick ein, er müsse auftreten. In dem Moment erscheint die Konsulin, die Olaf auf eigene Faust vom Schiff geholt hat; sie hat seine Flucht geahnt. Baumeister Aune ist mit ihr aufs Meer gefahren und hat das Schiff aufhalten lassen. Der Konsul ist sehr erleichtert und erklärt, er wisse nun, was er bei seiner Rede zu sagen habe.

„Wie konntet ihr das alles über mich bringen? Jetzt ist es geschehen. Jetzt muss ich vorwärts. Keiner von euch soll mich vernichten!“ (Konsul Bernick, S. 116)

Zunächst hält Assessor Rørlund eine Lobrede auf den Konsul und überreicht ihm im Namen der anderen "Stützen der Gesellschaft" Geschenke. Konsul Bernick bedankt sich - und überrascht alle mit der Ankündigung, dass er die Wahrheit erzählen wolle. Er bekennt, dass er selbst das Land entlang der geplanten Eisenbahntrasse heimlich gekauft hat. Seine Geschäftsfreunde streiten alles ab, als er sagt, sie seien eingeweiht gewesen. Bernick schlägt der Menge vor, das Land für alle freizugeben - aber er stelle sich gerne als kompetenter alleiniger Verwalter zur Verfügung. Dann berichtet er von Johans Unschuld: Er selbst sei vor 15 Jahren der Schuldige gewesen. Den Anschlag auf das Leben Johans und der Besatzung der "Indian Girl" verschweigt er aber. Rørlund stellt fest, Dina sei seiner unwürdig gewesen, wenn sie so weggelaufen sei. Hilmar Tønnesen fragt sich, wie unter solchen Umständen die Fahne der Idee noch hochzuhalten sei. Die Konsulin verzeiht ihrem Mann; sie sieht nun neue Hoffnung für ihre Ehe. Auch er ist glücklich; Lona habe ihm die Augen geöffnet. Er dankt ihr dafür. Der Konsul verspricht seinem Sohn Olaf, ihn ab sofort als Menschen mit eigenen Zielen zu respektieren. Zu Aune sagt er, dass er ihn nicht entlassen werde, weil er die "Indian Girl" gestoppt habe - im Gegenteil, er solle das Schiff erst einmal gründlich überholen. Er, der Konsul, sei nun endlich zur Besinnung gekommen. Die Frauen, so meint er nun, seien die wahren Stützen der Gesellschaft. Doch Lona widerspricht: Wahrheit und Freiheit seien es.

Zum Text

Aufbau und Stil

Stützen der Gesellschaft ist in vier Akte eingeteilt. Alle Szenen spielen im oder am Haus des Konsuls Bernick und seiner Frau. Entfernte Handlungen geben die Akteure erzählend in Form einer Mauerschau wieder. Die einzelnen Szenen sind teilweise recht kurz, die Personen auf der Bühne wechseln häufig, und dadurch entwickeln sich einzelne Konfliktlinien und Handlungsstränge parallel. Wenn man das Stück in der zeitgemäßen deutschen Übersetzung liest, entsteht leicht der Eindruck, all dies könne auch in der Jetztzeit spielen. Die Figuren werden teilweise bis ins Satirische überzeichnet, was sich vor allem an ihrer Sprache zeigt: Der moralisierende Hilfslehrer etwa doziert besserwisserisch, der Cousin Hilmar Tønnesen spricht mit Vorliebe große Worte, durch die doch immer wieder die Feigheit durchschimmert. Im Stück treten 19 Figuren auf, die alle eine bestimmte Gesellschaftsschicht oder soziale Komponente repräsentieren: Dina Dorf ist die Rebellin, Betty Bernick die Entmündigte, Lona Hessel die radikale Kämpferin für die Frauenbewegung, die Kaufleute die immer auf ihren Vorteil bedachten Opportunisten usw. Ibsen hat mit großer Sorgfalt "sprechende Namen" gewählt: So ist "Bernick" kein norwegischer Name, was dem Konsul den Nimbus des Besonderen verleiht; die Familie seiner Frau hat mit "Tønnesen" dagegen einen sehr gewöhnlichen Familiennamen. Kaufmann Sandstad ("Sandstätte") hat schon dem Namen nach "auf Sand gebaut", was für einen Kaufmann kein gutes Prädikat ist. Dina, die jede Scheinmoral ablehnt, ist im Hebräischen "die Urteilende". Sohn Olaf wurde nach dem norwegischen Nationalheiligen benannt.

Interpretationsansätze

  • Ibsen legte mit Stützen der Gesellschaft sein erstes gesellschaftskritisches Zeitstück vor, das unverbrämt aktuelle Probleme aufgriff. Das Schauspiel entlarvt die verlogenen "Stützen der Gesellschaft": Die Menschen mit Macht und Einfluss geben vor, für die Moral und das Allgemeinwohl zu wirken, dabei geht es ihnen in Wirklichkeit nur um ihre eigene gesellschaftliche Stellung und den Profit.
  • Die Mitglieder der ehrenwerten Gesellschaft betrügen dabei nicht nur die anderen, sondern auch sich selbst; sie leben im Zustand der Verblendung. Bernick und Co. glauben selbst daran, dass sie nur im Namen dessen handeln, was der Gesellschaft nützt. Doch wie giftige Blasen steigen Lügen aus der Vergangenheit auf und verderben den Akteuren das scheinbar wohlgeordnete Leben - bis alles zusammenbricht.
  • Ein geographischer Kontrast prägt das Drama: Zwischen der beklemmenden Enge des kleinen norwegischen Ortes, die fast körperlich spürbar wird, und der Weite des Ozeans mit dem fernen Amerika tut sich ein riesiger Abgrund auf, den nur wenige Figuren überwinden können.
  • Ibsen skizziert hellsichtig die Rolle der Frau im frühkapitalistischen Bürgertum: Als Ehefrau soll sie dem Mann angepasst sein, als Unverheiratete hat sie gar keinen gesellschaftlichen Status, eigene Interessen und Lebensentwürfe stehen ihr nicht zu. Das Schauspiel fordert Gleichberechtigung und Menschenwürde für Frauen und Arbeiter und vertritt hierbei einerseits individualistische, andererseits sozialistische Ideen.
  • Ibsen prangert die Gewissenlosigkeit der Reeder an, die für ihren Profit Menschenleben aufs Spiel setzen, indem sie seeuntüchtige Schiffe über die Meere schicken. Damit stellt er die Frage nach dem Preis des Fortschritts und des modernen Handels.
  • Der Schluss bleibt beunruhigend offen: Ist Bernick wirklich geläutert, oder hat er nur geschickt seine Position gefestigt? Oder allgemeiner: Kann ökonomischer Eigennutz überhaupt dem Gemeinnutz dienen, oder sind sie sich grundsätzlich entgegengesetzt? Ibsen stellt hiermit eine bis heute aktuelle Frage.

Historischer Hintergrund

Die Gründerzeit: Fortschritt, sozialer Sprengstoff und die norwegische Frage

Nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 folgte in Westeuropa die so genannte Gründerzeit: keine Kriege, keine Revolutionen, dafür weitere Industrialisierung, Bautätigkeit, Wachstum der Städte und zunehmender Wohlstand breiterer Gesellschaftsschichten. Doch wo Licht ist, da gibt es auch Schatten: Der Ruf nach mehr Rechten für die Arbeiter, die in Massen in die Städte strömten und unterbezahlt im Elend lebten, wurde lauter und radikaler, vereinzelt kam es sogar zu Terrorakten gegen gekrönte Häupter oder Politiker. Zudem nahmen es viele Frauen nicht mehr hin, von höherer Bildung, politischer Mitbestimmung und eigenem Broterwerb ausgeschlossen zu sein. Es brodelte also in der Gesellschaft.

Norwegen kam im Rahmen dieser Entwicklung eine Sonderrolle zu: Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war das Land ein reiner Agrarstaat. Doch dann blühten Handelsschifffahrt und Industrie auf, und einzelne Geschäftsleute brachten es zu Reichtum und einem modernen, bürgerlichen Leben, während große Teile der Gesellschaft noch dörflich und bäuerlich geprägt waren. Das damals noch nicht unabhängige Land war auf der Suche nach einer eigenen nationalen Identität: 1814 war es von Dänemark an Schweden gefallen. Bis 1905 war der schwedische König formal auch Norwegens Herrscher, allerdings erkämpften sich die Norweger einige Selbstständigkeit, insbesondere hinsichtlich einer eigenen Sprache: Zuvor hatte das Dänische in der Kultur vorgeherrscht, das Schwedische in der Verwaltung. Manche Dichter konstruierten nun ein Norwegisch auf der Basis alter Dialekte, andere - darunter auch Ibsen - norwegisierten das Dänische. So wurde die Dichtkunst zur Quelle politischer Auseinandersetzungen, das Handwerkszeug der Dichter zum Politikum.

Entstehung

Bereits 1870 beschäftigte sich Ibsen mit dem Gedanken, ein Gegenwartsdrama zu verfassen. Andere Projekte hielten ihn aber vorerst davon ab, und da sich seine historischen Werke gut verkauften und ihn aus seiner finanziellen Bedrängnis retteten, konzentrierte er sich auf diese. Vier Jahre später jedoch las er in der Zeitung, dass das englische Parlament nun gegen die "schwimmenden Särge" vorgehen wolle: seeuntüchtige Schiffe, die von skrupellosen Reedern auf See geschickt wurden, damit sie hohe Versicherungssummen kassieren konnten, falls die Seelenverkäufer untergingen. Dies war der von Ibsen lange gesuchte Aufhänger für Stützen der Gesellschaft, denn die Seefahrernation Norwegen war von diesen Vorgängen unmittelbar betroffen und die Öffentlichkeit nahm großen Anteil daran. Viele Figuren und der Schauplatz des Stücks wurden von dem Örtchen Grimstad an der norwegischen Küste inspiriert, in dem Ibsen in jungen Jahren als Apothekergehilfe gearbeitet hatte. Aasta Hansteen, eine Malerin, Schriftstellerin und radikale Vorkämpferin der norwegischen Frauenbewegung, wurde von Ibsen sehr bewundert und diente ihm als Vorlage für die Figur der Lona Hessel. Ibsens Hassliebe zu Norwegen, dessen gesellschaftliche Auswüchse er scharf verurteilte, floss in das Stück ein. Ähnlich realistisch war nur das Drama Ein Bankrott von seinem fast gleichaltrigen Landsmann, Kollegen und Konkurrenten Bjørnstjerne Bjørnson, das zwei Jahre vorher erschienen war und ebenfalls unsaubere Machenschaften in der Geschäftswelt aufgriff; dieses Werk beeinflusste Ibsen vermutlich stark.

Wirkungsgeschichte

Als Stützen der Gesellschaft 1877 veröffentlicht und uraufgeführt wurde, war dem Schauspiel ein großer Erfolg beschieden: Wenige Wochen nach Erscheinen musste eine neue Auflage herausgegeben werden, und bereits nach einem Monat kam eine deutsche Übersetzung auf den Markt. Auch in Dänemark und England wurde es begeistert aufgenommen; in Deutschland erlebte Ibsen mit diesem Stück seinen Durchbruch: Es wurde 1878 gleichzeitig an fünf Berliner Theatern gespielt. Offenbar traf Ibsen mit seinem Angriff auf die ehrenwerte Gesellschaft den Publikumsgeschmack; man liebte die neue "Wirklichkeitsdichtung", die der Gesellschaft den Spiegel vorhielt. Vertreter liberaler und radikaler Ideen fühlten sich durch Ibsen bestätigt. Im Gegensatz dazu reagierten die norwegischen Kritiker entweder kühl oder ignorierten das Stück gar ganz. Manche Zeitungen warfen dem Dichter vor, seinem Vaterland nicht zu vertrauen; ein Journalist hielt das Stück nicht nur für schlecht, sondern auch den Autor für "ausgebrannt". Dabei gab gerade Ibsens Werk insbesondere der deutschen Dichtung einen starken Impuls: Man begann sich um mehr Realitätsnähe zu bemühen und wollte von den romantischen Schwänken und Historiendramen Abstand nehmen. Ibsens Stück wurde von dem einflussreichen dänischen Literaturhistoriker Georg Brandes begeistert begrüßt. Brandes vermittelte die skandinavische sozialkritische Literatur nach Deutschland, wo sie den entstehenden Realismus und Naturalismus von Autoren wie Theodor Fontane oder Gerhart Hauptmann stark beeinflusste: Der Naturalismus unternahm den Versuch, die Gesellschaft so zu schildern, wie sie war, und hob dabei besonders auf gesellschaftliche Themen wie die soziale Frage ab - wobei in naturalistischen Werken oft, wie bei Ibsen, das Ende offen bleibt. Der Ausdruck "Stützen der Gesellschaft" wurde zur allgemeinen, oft ironisch gemeinten Redewendung.

Über den Autor

Henrik Ibsen wird am 20. März 1828 als ältestes von fünf Geschwistern im norwegischen Skien geboren. Sein Vater ist ein erfolgreicher, aber auch risikofreudiger Geschäftsmann: 1835 geht er in Konkurs, die Familie muss den Ort verlassen. 1844 beginnt der Sohn eine Lehre als Apothekergehilfe in der Küstenstadt Grimstad. Er schreibt Gedichte sowie das Theaterstück Catilina und bereitet sich im Selbststudium auf das Abitur vor, um Medizin studieren zu können. 1850 zieht Ibsen in die Hauptstadt Kristiania (heute Oslo), kommt in Kontakt mit der revolutionären Arbeiterbewegung und schreibt Satiren. Catilina wird gedruckt, 1852 wird Ibsen Hausautor und Regisseur des Norwegischen Theaters in Bergen. 1856 spielt man dort sein nationalromantisches Stück Das Fest auf Solhaug (Gildet paa Solhoug). Ein Jahr später wechselt Ibsen zum Norwegischen Theater nach Kristiania. 1858 heiratet er Suzannah Thoresen, im folgenden Jahr wird Sohn Sigurd geboren. Ibsen engagiert sich für die norwegische Sprache und Kultur, hat aber wenig Erfolg; das Theater macht Bankrott und er gerät in Geldnöte. Ibsen wendet sich von der Nationalromantik ab, sucht sein Glück im Ausland und zieht mit der Familie 1864 nach Rom. Das Drama Peer Gynt von 1867 ist eine kritische Auseinandersetzung mit nationalromantischen Ideen und wird 1876 mit Edvard Griegs Musik am Kristiania-Theater uraufgeführt. 1868 zieht Ibsen mit seiner Familie nach Dresden. 1874 besucht er für einige Wochen sein Heimatland Norwegen und wird dort enthusiastisch begrüßt. Die Familie zieht nach München, dann wieder nach Rom. 1879 vollendet er das Schauspiel Nora oder Ein Puppenheim (Et Dukkehjem), das als Kampfschrift der Frauenemanzipation gelesen wird; zwei Jahre später folgt Gespenster (Gengangere), das wegen seiner provokanten Themen zunächst in Europa nicht aufgeführt wird. 1891 kehrt Ibsen nach Norwegen zurück. Er stirbt am 23. Mai 1906 nach einer Reihe von Schlaganfällen in Kristiania und erhält ein Staatsbegräbnis.

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