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Der große Schlaf

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Der große Schlaf

Diogenes Verlag,

15 min read
10 take-aways
Text available

What's inside?

Ein unbestechlicher Privatdetektiv unterwegs im Großstadtdschungel: Chandlers cooler Held Philip Marlowe wurde zu einer Modellfigur des Kriminalromans.

Literatur­klassiker

  • Kriminalroman
  • Moderne

Worum es geht

Ein sauberer Held in einem schmutzigen Geschäft

Mit Der große Schlaf etablierte Raymond Chandler eine stilbildende Detektivfigur: Philip Marlowe, Privatermittler aus Los Angeles, beruflich knallhart und abgebrüht, aber moralisch unbestechlich. Chandler schrieb unsentimental, realistisch, packend und witzig zugleich. Seine schonungslose Sicht auf das Verbrechen, auf die Gier und die Korrumpierbarkeit der Menschen, sein Talent für dichte Szenen und geschliffene Dialoge sorgten für eine neue Qualität in der Kriminalliteratur. Marlowe ermittelt für einen todkranken Ölindustriellen, dessen zwei junge Töchter in fragwürdige Händel verstrickt sind. Binnen kürzester Zeit hat er es mit Erpressung, Pornografie, Raub und verschiedenen Mordfällen zu tun. Seinem Auftraggeber wird er am Ende die letzte, furchtbarste Wahrheit über dessen Töchter vorenthalten. Der ehemalige Buchhalter Chandler schrieb diesen Roman – seinen Erstling – mit knapp 50 Jahren. Anschließend verfasste er sechs weitere Marlowe-Bücher. Der Detektiv gilt noch heute als Ikone des Kriminalromans. Sein Charakter wirkt zwar auf heutige Leser nicht mehr ganz so hartgesotten, aber an Pointiertheit und atmosphärischer Dichte hat das Werk nichts verloren.

Take-aways

  • Der große Schlaf ist ein Meilenstein der Kriminalliteratur und ein herausragendes Werk der „Hardboiled-Tradition“.
  • Inhalt: Privatdetektiv Philip Marlowe soll im Auftrag des reichen General Sternwood einem Erpressungsfall nachgehen, in den eine seiner beiden Töchter verwickelt ist. Der Fall führt Marlowe in einen Pornografieskandal, der wiederum Raub, Mord, noch mehr Erpressung und zwei romantische Intermezzi nach sich zieht. Schließlich präsentiert Marlowe seinem Auftraggeber das entscheidende Ergebnis seiner Recherchen – einen Mord, den Sternwoods Tochter begangen hat.
  • Raymond Chandler schuf mit Philip Marlowe den Prototyp des mit allen Wassern gewaschenen, aber moralischen Detektivs.
  • Die Frage nach dem Mörder ist bei Chandler weniger wichtig als das Ausleuchten der Motive.
  • Chandlers Dialoge und Beschreibungen sind außerordentlich pointiert und oft ironisch zugespitzt.
  • Der große Schlaf war Chandlers erster Roman. Er veröffentlichte ihn 1939 im Alter von 50 Jahren.
  • Chandler ließ Philip Marlowe noch in sechs weiteren Romanen auftreten.
  • In der Hollywood-Verfilmung spielte Humphrey Bogart die Hauptrolle und machte den Detektiv Marlowe endgültig zu einer Berühmtheit.
  • Durch Chandlers Werk erfuhr das Krimigenre eine erhebliche literarische Aufwertung.
  • Zitat: „Was machte es schon, wo man lag, wenn man tot war? In einem schmutzigen Tümpel oder in einem Marmorturm oben auf einem hohen Berg? Man war tot, man schlief den großen Schlaf, man brauchte sich um solche Dinge nicht zu kümmern.“

Zusammenfassung

Ein alter Mann mit zwei wilden Töchtern

Philip Marlowe, Privatdetektiv aus Los Angeles, 33 Jahre alt, betritt an einem Oktobermorgen das Anwesen der Familie Sternwood. Er hat einen Termin mit dem Hausherrn, General Sternwood, einem reichen, todkranken Ölmagnaten. Marlowe wird in ein überheiztes Gewächshaus geführt, wo ihn der hinfällige Sternwood in einem Rollstuhl erwartet. Marlowe weiß bereits einiges über dessen Familie: Sternwood ist verwitwet und hat zwei junge Töchter, beide hübsch und wild. Eine ist bereits zum dritten Mal verheiratet, und zwar mit einem ehemaligen Schnapsschmuggler namens Rusty Regan. Sternwood bedauert, dass Regan seit einem Monat verschwunden ist; er habe ihn gemocht. Dann klärt er Marlowe über den Grund des Treffens auf: Er werde erpresst, und das nicht zum ersten Mal. Bereits vor einem knappen Jahr habe er einem gewissen Joe Brody 5000 Dollar zahlen müssen, damit er seine jüngere, etwa 20 Jahre alte Tochter Carmen in Ruhe lasse. Nun wolle ein Antiquar namens Arthur Geiger Geld von ihm, angeblich gehe es dabei um Carmens Spielschulden. Sternwood lässt an seinen Töchtern kaum ein gutes Haar: Beide seien verzogene Luxusgeschöpfe ohne jede Moral. Marlowe schlägt vor, den Erpresser einfach zu bezahlen, das könne Ärger ersparen. Doch Sternwood will sich darauf nicht einlassen und beauftragt Marlowe, der Sache nachzugehen. Auf dem Weg hinaus wird Marlowe vom Butler angehalten: Vivian, Sternwoods ältere Tochter, wolle ihn sprechen. Sie liegt lasziv auf einem Sofa und versucht herauszufinden, ob der Detektiv wohl engagiert wurde, um ihren Mann Rusty zu finden. Marlowe bestreitet das.

Das Ende eines schweinischen Geschäfts

Marlowe beginnt seine Recherche, indem er Geigers Antiquariat aufsucht. Der Besitzer ist nicht da, Marlowe wird von einer Verkäuferin vertröstet. Er folgt daraufhin einem Kunden, der das Geschäft mit einem Buchpaket verlässt. Dieser flieht und lässt dabei das Paket zurück. Marlowe findet es: Es enthält ein Buch mit pornografischen Fotos. Der Detektiv wartet nun im Auto vor Geigers Laden. Dieser kommt am Nachmittag, chauffiert von einem jungen Mann. Als er wieder abfährt, folgt Marlowe dem Antiquar bis zu dessen Haus. Irgendwann zuckt ein Lichtblitz im Haus auf, dann hört Marlowe einen Schrei. Er springt aus dem Wagen. Kurz darauf fallen Schüsse. Ein Automotor heult auf, im Haus ist es still. Marlowe verschafft sich Zutritt und findet im Salon Carmen Sternwood, nackt und betäubt, sowie Arthur Geiger, bekleidet und tot. Offenbar hat Geiger die Sternwood-Tochter unter Drogen gesetzt und ein Nacktfoto von ihr gemacht. Die Kamera ist noch da, doch der Film fehlt. Marlowe steckt Geigers Schlüssel ein und bringt Carmen nach Hause. Dann kehrt er zu Geigers Haus zurück – die Leiche ist inzwischen verschwunden.

Noch ein Toter, noch eine Erpressung

Am nächsten Morgen erhält Marlowe einen Anruf von einem guten Bekannten, Chefinspektor Bernie Ohls: Die Polizei birgt gerade einen Buick samt Fahrer aus dem Meer. Der Wagen gehört den Sternwoods. Marlowe begleitet Ohls zum Fundort. Er erkennt den toten Fahrer: Es handelt sich um Owen Taylor, den Chauffeur der Sternwoods. Anschließend begibt sich Marlowe abermals zu Geigers Antiquariat und fragt nach dem Chef. Während ihn die Verkäuferin erneut vertröstet, beobachtet Marlowe, dass Geigers Lager geräumt wird. Er folgt dem Lieferwagen, der die Bücher abtransportiert, und findet heraus, dass sie zu einem gewissen Joe Brody gebracht werden – womöglich derselbe Brody, der vor einem knappen Jahr General Sternwood erpresst hat. Marlowe fährt in sein Büro. Dort wartet Vivian auf ihn, die ältere der beiden Sternwood-Schwestern. Sie unterhält sich kurz mit Marlowe über die unglückliche Liebe des Chauffeurs zu ihrer jüngeren Schwester und kommt dann auf den neusten Erpressungsversuch zu sprechen. Ihr ist das Nacktfoto von Carmen zugespielt worden, für das Negativ soll sie innerhalb von 24 Stunden 5000 Dollar zahlen. Marlowe schlägt Vivian vor, sich das Geld auf die Schnelle bei Eddie Mars zu leihen, einem halbmafiosen Nachtklub- und Kasinobesitzer, den Vivian vom Ausgehen und Roulettespielen kennt. Vivian erzählt Marlowe, dass ihr Mann, Rusty Regan, mit Eddie Mars’ Frau Mona durchgebrannt sei. Noch einmal versucht sie herauszufinden, ob Marlowe nicht doch Rusty auf der Spur ist. Marlowe aber verrät nach wie vor nichts über seinen Auftrag.

Ein Mordverdächtiger wird ermordet

Nachdem Vivian gegangen ist, macht sich Marlowe noch einmal auf zu Geigers Haus. Im Vorgarten trifft er auf Carmen, die sich an den Vorabend, die Nacktaufnahmen und Geigers Mörder zu erinnern versucht. Marlowe nimmt sie mit ins Haus. Als er den Namen Joe Brody ins Spiel bringt, behauptet Carmen plötzlich, dieser habe Geiger umgebracht. Es klingelt an der Tür, dann tritt jemand ungefragt ein. Es ist Eddie Mars, der Nachtklubbesitzer, in Begleitung zweier Bodyguards. Er schickt Carmen hinaus und will von Marlowe unter Androhung von Gewalt wissen, was mit Geiger vorgefallen ist; als Besitzer des Hauses habe er das Recht dazu. Marlowe setzt ihn halbwegs ins Bild, Mars gibt sich zufrieden. Anschließend fährt Marlowe zu Joe Brody. Der lässt ihn hinein, zieht aber bald eine Waffe. Gemeinsam mit Geigers Verkäuferin Agnes Lozelle hält er Marlowe beim Gespräch in Schach. Brody möchte offenbar aus Geigers Kundenkartei und den Pornobüchern Kapital schlagen. Außerdem ist er im Besitz der Nacktfotos von Carmen Sternwood. Den Mord an Geiger streitet er allerdings ab.

„Ich war scharf rasiert, sauber und nüchtern – egal nun, ob’s einer merkte. Ich war haargenau das Bild vom gut gekleideten Privatdetektiv. Ich wurde von vier Millionen Dollar erwartet.“ (S. 5)

Es klingelt. Brody öffnet und wird von Carmen mit gezogener Pistole zurück in die Wohnung gedrängt. Im Handgemenge gewinnt Marlowe die Oberhand über alle Waffen. Er schickt Carmen nach Hause und fragt Brody aus. Dieser erklärt, der Chauffeur Owen Taylor habe Geiger ermordet, um Carmens verlorene Ehre zu rächen. Es klingelt erneut. Als Brody öffnet, wird er erschossen. Der Täter flüchtet, Marlowe läuft hinterher und stellt ihn: Es ist Geigers Chauffeur und Begleiter, ein junger Mann namens Carol Lundgren. Er war Geigers Geliebter und hat angenommen, Brody sei dessen Mörder. Marlowe fährt mit Lundgren zu Geigers Haus, wo dieser seinen toten Geliebten aufgebahrt hat. Marlowe ruft seinen Freund Bernie Ohls an, weiht ihn in den Fall Geiger ein und überstellt ihm zugleich Brodys Mörder. Außerdem bittet er die Polizei, bei der Bekanntgabe der Vorgänge nichts über den Erpressungsfall Sternwood zu sagen. Als Marlowe nach Hause kommt, erhält er einen Anruf von Eddie Mars. Der will wissen, ob der Detektiv bei der Polizei Eddies Namen aus dem Spiel gelassen hat. Marlowe bejaht das. Daraufhin bietet Mars an, ihm bei Bedarf einen Tipp für die Suche nach Rusty Regan zu geben. Marlowe ruft bei den Sternwoods an und teilt dem Butler mit, alle kompromittierenden Bilder seien sichergestellt. Der Fall, der Philip Marlowe von General Sternwood übertragen wurde, ist damit abgeschlossen.

Zwei Frauen geben sich hin – vergeblich

Am nächsten Morgen besucht Marlowe Captain Gregory vom Vermisstendezernat, um sich über die Ermittlungen im Fall Rusty Regan zu informieren. Es gibt in der Tat Indizien dafür, dass Regan mit Eddie Mars’ Frau Mona verschwunden sein könnte. Dass Regan ermordet wurde, glauben die beiden Männer aber nicht. Eddie Mars’ Leuten wäre das zwar sehr wohl zuzutrauen, doch Mars hat bereits von seiner Frau getrennt gelebt – Eifersucht ist also kein hinreichendes Mordmotiv. Am Abend fährt Marlowe zu Mars’ Nachtklub. Der Besitzer hat allerdings seine Informationen über Regan auch nur aus dem Vermisstendezernat. Nichts Neues also für Marlowe.

„Ich setzte mich auf den Rand eines tiefen, weichen Sessels und blickte auf Mrs. Regan. Sie war einen Blick wert. Sie war das reine Unheil.“ (über Vivian, S. 17)

Im Kasino hat Vivian Sternwood gerade eine Glückssträhne. Bei einem letzten Vabanquespiel setzt sie 16 000 Dollar auf Rot – und gewinnt. Eddie Mars muss seine Brieftasche zücken, um sie auszuzahlen. Als Marlowe den Klub verlässt, sieht er einen maskierten Mann. Dieser lauert Vivian auf, um ihr mit gezogener Waffe das gewonnene Geld abzunehmen. Marlowe vereitelt den offenbar von Mars veranlassten Überfall und nimmt Vivian in seinem Wagen mit. Unterwegs halten die beiden auf einen Drink bei einem Drugstore an. Sie sprechen über die Familie Sternwood und über Marlowes Job. Anschließend fahren sie hinunter ans Meer. Dort wirft sich Vivian Marlowe in die Arme. Sie küssen sich. Doch Marlowe lehnt ihr Angebot, mit ihr die Nacht zu verbringen, ab: „Ihr Vater hat mich nicht angeheuert, damit ich mit Ihnen schlafe.“ Vivian wird wütend und lässt sich nach Hause fahren. Als Marlowe heimkommt, findet er sein Bett belegt: Carmen Sternwood, kindlich kichernd und nackt, lädt ihn ein, sich zu ihr zu legen. Marlowe denkt gar nicht daran. Erst lehnt er ihr Angebot freundlich, dann entschieden ab. Schließlich wirft er sie einfach hinaus.

Der Mann für die schmutzigen Jobs

Am nächsten Tag glaubt sich Marlowe von einer Limousine verfolgt. Er stellt den Fahrer und bittet ihn, etwaige Anliegen doch direkt im Büro zu klären. Kurze Zeit darauf spricht der Mann, Harry Jones, tatsächlich im Büro vor. Jones behauptet, Informationen zum Fall Rusty Regan zu haben. Gemäß seiner Version hat Eddie Mars Regan umlegen lassen. Mars’ Frau sei nämlich nicht mit Regan verschwunden, sondern befinde sich in sicherer Verwahrung, bewacht von Mars’ kaltblütigem Killer Lash Canino. Für 200 Dollar will Jones Marlowe verraten, wo sie ist. Er handelt dabei auch im Auftrag seiner neuen Freundin Agnes Lozelle, der ehemaligen Verkäuferin von Geiger. Marlowe ist bereit zu zahlen und verabredet sich mit Jones in dessen Büro.

„Sein Glasauge blinkte hell zu mir auf und war bei Weitem das Lebendigste an ihm. Es war klar, keiner der drei von mir gehörten Schüsse hatte ihn verfehlt. Er war sehr tot.“ (über Geiger, S. 33)

Als er zum vereinbarten Termin eintrifft, hört er drinnen Stimmen: Lash Canino scheint Jones in Eddie Mars’ Auftrag auszuquetschen. Jones beteuert, seine Informationen hätten nichts mit Mars zu tun. Canino schenkt Jones und sich selbst in falscher Kumpanei einen Whisky ein. Jones trinkt, würgt und stirbt: Der Whisky war vergiftet. Canino verschwindet. Nun dringt Marlowe in Jones’ Büro ein. Das Telefon klingelt: Es ist Agnes. Marlowe verabredet sich mit ihr, um zu erfahren, wo Mars’ Frau Mona steckt. Nachdem er das herausgefunden hat, macht er sich gleich auf den Weg: Er sucht eine etwas außerhalb gelegene Autolackiererei. Nur 100 Meter vom Ziel entfernt platzen Marlowe zwei Reifen. Nun hat er den perfekten Vorwand, um bei der Autowerkstatt anzuklopfen. Es brennt noch Licht. Widerwillig wird ihm geöffnet: vom Mechaniker Art Huck und von Mars’ Killer Canino. Zunächst beginnt Huck tatsächlich, Marlowes Wagen zu reparieren. Doch unvermittelt stülpt er dem Detektiv einen Reifenschlauch über. Dann versetzt Canino ihm zwei mächtige Faustschläge – Marlowe wird ohnmächtig.

Marlowe muss töten

Als er wieder erwacht, sitzt er gefesselt und mit Handschellen im Haus nebenan, beaufsichtigt von Eddie Mars’ Frau Mona. Canino und Huck haben das Anwesen verlassen, werden aber bald zurückerwartet. Marlowe redet auf Mona ein. Er kann sie zwar nicht davon überzeugen, dass Mars Regan getötet hat, aber es gelingt ihm, ihr die Kaltblütigkeit des Gangsters klar vor Augen zu führen. So erreicht er, dass sie seine Fesseln löst. Marlowe muss fliehen. Vergeblich versucht er, Mona zum Mitkommen zu überreden: Sie sei Freiwild für Canino. Mona glaubt ihm aber nicht. Marlowe geht also allein – nach einem heftigen Abschiedskuss. Aus seinem Wagen holt er sich eine Waffe und kehrt zurück, fast zeitgleich mit Canino. Als der Killer im Haus verschwindet, macht Marlowe draußen auf sich aufmerksam. Canino schießt – ins Leere. Da er im Dunkeln nicht sehen kann, nimmt er Mona als Schutzschild mit hinaus in den Hof. Doch sie ist auf Marlowes Seite und führt Canino deshalb in die Irre. Als der Killer seine Deckung verlässt, erschießt Marlowe ihn.

Die Wahrheit über Carmen Sternwood und Rusty Regan

Marlowe fährt mit Mona zurück nach Los Angeles. Sie wird von Eddie Mars abgeholt, während Marlowe sich mit Bernie Ohls zu einer Art nächtlichen Bilanzsitzung trifft. Am nächsten Tag erreicht ihn ein Anruf aus dem Haus Sternwood. Der General möchte ihn sehen. Sternwood macht Marlowe zunächst Vorhaltungen wegen dessen eigenmächtigen Recherchen im Fall Regan. Dann aber beauftragt er ihn, weiter nach dem Vermissten zu suchen. Auf dem Weg hinaus trifft Marlowe auf Carmen. Sie scheint ihm wegen des Rauswurfs nicht mehr böse zu ein. Er gibt ihr die Kleinwaffe zurück, mit der sie in Brodys Wohnung herumgefuchtelt hat, und willigt ein, ihr Schießunterricht zu geben. Carmen lotst ihn auf ein stillgelegtes Bohrgelände in der Nähe, wo sie auf leere Dosen zielen soll. Doch plötzlich richtet sie die Waffe auf Marlowe – sie lässt ihn näher kommen – und schießt, vier Mal. Zum Glück hat Marlowe nur Platzpatronen geladen.

„,Sie sind der kaltschnäuzigste Hund, dem ich je begegnet bin, Marlowe. Oder darf ich Sie Phil nennen?‘ – ,Klar.‘ – ,Sie können Vivian zu mir sagen.‘ – ,Danke, Mrs. Regan.‘ – ,Ach, hol Sie der Teufel, Marlowe.‘“ (S. 54)

Gleich darauf verfällt Carmen in eine epileptische Trance. Marlowe bringt sie ins Haus. Er verlangt, Vivian zu sprechen. Die gibt schließlich zu, dass Marlowes Vermutungen stimmen: Carmen hat Rusty Regan getötet, in einem ähnlichen Anfall von Rach- und Mordlust, wie Marlowe ihn selbst gerade überlebt hat. Damals haben Eddie Mars und Lash Canino Vivian dabei geholfen, die Leiche zu beseitigen, denn sie wollte auf gar keinen Fall ihren todkranken Vater mit der Wahrheit konfrontieren. Marlowe empfiehlt Vivian, Carmen in eine Nervenheilanstalt zu bringen. Auch er wird General Sternwood nicht die Wahrheit sagen. Marlowe verlässt das Haus und kehrt auf ein paar Whiskys in eine nahe gelegene Bar ein.

Zum Text

Aufbau und Stil

Chandler erzählt den Roman vollständig aus der Sicht seiner Hauptfigur Philip Marlowe. Die Handlung läuft in lediglich fünf Tagen ab. Sie wird, von wenigen Ausnahmen abgesehen, chronologisch geschildert. Der Leser folgt Schritt für Schritt den Ermittlungen des Detektivs, wobei der Icherzähler Marlowe im Wesentlichen Ereignisse und Gespräche wiedergibt; seine Gedanken über den Fall behält er meist für sich. Chandler benutzt eine direkte, schnörkellose und unsentimentale Sprache, die sich an den Vorgaben des Krimigenres orientiert. Seine Dialoge sind außerordentlich pointiert. Für die Charakterisierung von Personen und Orten benutzt Chandler gern knappe Metaphern von intelligentem Witz. Selbst schlichte Beschreibungen sind von Pointen durchsetzt. Oft wird eine Szene effektvoll gegen die natürliche Hierarchie der Aufmerksamkeit erzählt: „Sie trug ein Paar lange Jadeohrringe. Es waren hübsche Ohrringe, und sie hatten sicherlich etliche hundert Dollar gekostet. Sonst trug sie nichts.“ Die Handlung ist zwar verwickelt, aber nicht verworren. Während Marlowe ermittelt, verzweigt sich sein Fall, denn innerhalb des Gesamtplots verüben verschiedene Täter ihre Verbrechen aus jeweils unterschiedlichen Motiven. Chandler kommt es weniger auf das lückenlose Aufschlüsseln der einzelnen Handlungsstränge an als vielmehr auf die dramatische Kontinuität von Marlowes Weg hinab in die Untiefen der menschlichen Niedertracht.

Interpretationsansätze

  • Philip Marlowe ist eine klassische Figur des amerikanischen „Hardboiled-Krimis“. Der Typus des hartgesottenen Privatdetektivs, den Chandlers Held mustergültig vertritt, entstand in den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts als Gegenentwurf zum früheren, gemütlicheren Ermittlertyp der europäischen Krimitradition, wie ihn etwa Agatha Christie (Miss Marple) oder Georges Simenon (Kommissar Maigret) entwickelt hatten. War es zuvor hauptsächlich um die Frage gegangen, wer wohl der Mörder ist, so rücken bei Chandler eher die Motive der Verbrecher in den Mittelpunkt.
  • In Marlowes Attitüde verschmilzt auf einzigartige Weise die Coolness des abgeklärten Einzelkämpfers mit einer hohen moralischen Integrität. Diese Fusion verweist auf zwei Vorläufermodelle, die Chandlers großstädtischer Detektiv beerbt bzw. modernisiert: den unbestechlichen Ritter, der mit dem Schwert für die Gerechtigkeit streitet, und den einsamen Cowboy, der sich im gesetzlosen Wilden Westen zu behaupten hat. Der große Schlaf spielt mit Elementen aus beiden Welten.
  • Chandler beschreibt eine Welt des Verbrechens, in der das Übel nicht mehr wie eine lokale Wunde an einem gesunden Körper erscheint, sondern diesen wie ein Ausschlag überzieht. Der Polizeiapparat ist von Korruption befallen, und mit der wachsenden Kriminalität nimmt die menschliche Skrupellosigkeit ungeahnte Ausmaße an. Selbst Marlowes Auftraggeber General Sternwood bekennt, sich keinerlei Moral zu unterwerfen. Und das brutale „Kind“ Carmen wird zur Symbolgestalt für eine drohende neue Primitivität.
  • Seit dem Erscheinen von Der große Schlaf 1939 hat sich nicht nur das Krimigenre – in Literatur und Kino – erheblich weiterentwickelt. Auch die allgemeine gesellschaftliche Wahrnehmung von Gewalt, Gesetz und Gewissen unterliegt einem beständigen Wandel. Was zum Zeitpunkt der Romanveröffentlichung besonders schonungslos und „hardboiled“ erscheinen mochte, wirkt heute vergleichsweise harmlos. Das nimmt Chandlers Roman nichts von seiner Größe, es wirft aber Fragen auf: hinsichtlich der Grenzen unserer Abgeklärtheit und der Flexibilität unserer Moral.

Historischer Hintergrund

Der Moloch und die Depression

Die USA waren in den 1930er-Jahren noch immer ein vergleichsweise junges Land. Das gilt insbesondere für die Westküste. Als Los Angeles 1850, zur Gründung des Bundesstaats Kalifornien, das Stadtrecht erhielt, zählte es 1610 Einwohner. 50 Jahre später waren es bereits 100 000, und die rasante Bevölkerungsentwicklung setzte sich ungebrochen fort. Tausende von Neuankömmlingen hatten sich in ungewohnter Umgebung zurechtzufinden, in einer Gesellschaft ohne soziales Netz, und waren dabei oftmals Geschäftemachern und Ausbeutern ausgeliefert, die sich Lücken in der Gesetzgebung zunutze machten. Im Oktober 1929 stürzte der bisher größte Börsencrash der Geschichte die USA in eine schwere Wirtschaftskrise. 1932 war ein Viertel aller Amerikaner arbeitslos. Im gleichen Jahr wurde Franklin D. Roosevelt zum Präsidenten gewählt. Seine Politik des New Deal führte zu einem Bündel von Sozialreformen und Konjunkturmaßnahmen, die oftmals aber nur vorübergehend Besserung brachten. Erst mit dem Beginn der Kriegsproduktion wurde die sogenannte Great Depression wirklich überwunden.

Während der Krisenjahre bedeutete das Verbrechen für viele Menschen eine Aussicht auf schnelles Geld und damit eine akzeptable Alternative zur Armut. Der Zugang zum „Handwerkszeug“ war vergleichsweise einfach, denn Waffenbesitz war (und ist) in den USA nicht strafbar. Zudem erlebte das organisierte Verbrechen im Lauf der Prohibitionszeit zwischen 1920 und 1933 eine Blüte, da die gesamte Alkoholproduktion inklusive Vertrieb über illegale Netzwerke abgewickelt wurde. Mit ihren enormen Gewinnen konnten sich die Gangster bald in andere Geschäftszweige wie Glücksspiel, Drogenhandel und Prostitution einkaufen. Den ungestörten Ablauf ihrer Geschäfte garantierten sie vielfach durch Schmiergelder an Polizei- oder Justizbeamte. Die Presse lernte schnell, Geschichten über Skandale und Verbrechen sensationalistisch aufzubereiten, und lieferte so das Rohmaterial, aus dem Krimiautoren den Stoff für ihre Geschichten schöpften.

Entstehung

Raymond Chandler begann die Arbeit an Der große Schlaf, seinem ersten Roman, im Frühjahr 1938, kurz vor seinem 50. Geburtstag. Er schrieb ihn in nur drei Monaten. Allerdings stützte er sich dabei auf ein gehöriges Stück Vorarbeit, denn Teile des Buches montierte er aus zwei selbst verfassten, zuvor im Krimimagazin The Black Mask erschienenen Kurzgeschichten. Chandler selbst nannte sein Vorgehen „Kannibalisierung“, obwohl er das vorhandene Material durchaus stilistisch verfeinerte und atmosphärisch verdichtete. Chandler hatte 1932, im schwersten Jahr der Depression, seine gut bezahlte Anstellung bei einer Ölfirma verloren und anschließend auch aus finanzieller Not mit dem Schreiben begonnen. Das Genre gefiel ihm unter anderem deshalb, weil keine hohen literarischen Ansprüche damit verbunden waren. Der große Schlaf war innerhalb dieses Lernprozesses ein weiterer Schritt: Sechs Jahre nach seiner ersten Story fühlte sich Chandler einem Romanprojekt gewachsen. Damals hatte Dashiell Hammett, der andere Klassiker der „Hardboiled-Literatur“, seine bekannten Romane, wie Der Malteser Falke oder Der dünne Mann, bereits veröffentlicht. Chandler orientierte sich am von Hammett etablierten Modell der Detektivgeschichte. Gleichzeitig versuchte er, das Genre literarisch aufzuwerten. Unter den von ihm bewunderten Autoren waren Henry James, Charles Dickens und Joseph Conrad. Trotz dieser Vorbilder blieb er dem Krimi treu.

Wirkungsgeschichte

Der große Schlaf, im Februar 1939 veröffentlicht, markiert Raymond Chandlers Durchbruch als Autor. Die ersten Auflagen des Buches waren umgehend ausverkauft. Sie waren allerdings nicht sehr hoch (5000 Stück), denn die Krimiliteratur bediente damals nur einen kleinen Markt, in dem sich Groschenhefte besser verkauften als gebundene Werke. Entsprechend wurde der Roman ausschließlich in Krimikolumnen besprochen, oft mit dem Verweis auf das Vorbild Dashiell Hammett. Erst mithilfe von Taschenbuchausgaben gewann das Buch ab 1942 massenhaft Leser. Chandler wurde zum Erfolgsautor. Er hielt in sechs weiteren Romanen der Hauptfigur Philip Marlowe die Treue. Die von Chandler maßgeblich geprägte Hardboiled-Tradition setzte sich in den USA bald durch, die von ihm vorangetriebene Psychologisierung ebenfalls. Chandlers Werk hat stark dazu beigetragen, dass das Krimigenre heute ernster genommen wird als zu seinen Lebzeiten. 1946 kam Howard Hawks’ Filmversion von Der große Schlaf (deutscher Titel: Tote schlafen fest) heraus, mit Humphrey Bogart in der Rolle des Detektivs. Im Kino war es noch schwieriger, Chandlers kompliziertem Plot zu folgen, doch das tat dem Erfolg der Produktion keinen Abbruch. Die erotische Episode des Romans wurde im Film ausgebaut: Bogarts Ehefrau Lauren Bacall spielte Vivian Sternwood. Für viele Leser ist Humphrey Bogart noch immer untrennbar mit der Vorstellung von Philip Marlowe verbunden. Diese und andere Filmversionen von Chandler-Romanen haben dazu geführt, dass der Name der literarischen Gestalt heute womöglich bekannter ist als derjenige ihres Schöpfers. Auch wenn die Hardboiled-Detektivfigur zwischenzeitlich zum Klischee erstarrte: Chandler, und mit ihm sein Philip Marlowe, gelten nach wie vor als Meilensteine des Genres.

Über den Autor

Raymond Chandler wird am 23. Juli 1888 in Chicago geboren. Der Vater ist Alkoholiker, die Eltern trennen sich früh. Im Alter von sieben Jahren kehrt Chandler mit seiner Mutter in deren Heimat Großbritannien zurück. Mit 18 Jahren tritt er bei der Admiralität in den Staatsdienst ein. Dort langweilt er sich allerdings bereits nach wenigen Monaten. Er kündigt, schreibt Gedichte, träumt von einem Leben als Schriftsteller und versucht, sich als Journalist durchzuschlagen. Als das misslingt, kehrt er 1912 in die USA zurück. Im Jahr darauf zieht seine Mutter nach, die beiden leben gemeinsam in Los Angeles. Chandler arbeitet als Buchhalter und geht als Soldat 1917 an die Front nach Frankreich. Das Kriegserlebnis prägt ihn stark. 1919 lernt er seine spätere Frau Cissy kennen, die 18 Jahre älter ist als er. Er heiratet sie erst 1924, einen Monat nach dem Tod seiner Mutter. Chandler steigt zur Führungskraft einer Ölfirma auf, wird allerdings 1932 wegen exzessiven Trinkens und häufigen Fehlens gefeuert. Ein Jahr später veröffentlicht er seine erste Detektivgeschichte. Es folgen 18 weitere bis zum Erscheinen von Der große Schlaf (The Big Sleep, 1939), dem ersten seiner sieben Romane mit Philip Marlowe als Hauptfigur, zu denen auch Lebwohl, mein Liebling (Farewell, My Lovely) und Der lange Abschied (The Long Good-Bye) zählen. 1942 heuert Hollywood Chandler an. Er arbeitet unter anderem an Drehbüchern für Billy Wilder und Alfred Hitchcock. Für sein Skript zu Die blaue Dahlie (The Blue Dahlia) wird er 1947 für einen Oscar nominiert. 1954 stirbt seine Frau. Chandler, ohnehin ungesellig und zur Einsamkeit neigend, verfällt in eine tiefe Depression und beginnt erneut, exzessiv zu trinken. Ein Selbstmordversuch scheitert, und Chandlers literarische Produktion stagniert. Sein letzter vollendeter Roman Playback ist die umgearbeitete Version eines alten Drehbuchs. Der Alkoholismus zwingt den Autor wiederholt zu Klinikaufenthalten. Am 26. März 1959 stirbt Chandler in La Jolla, Kalifornien.

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    T. K. vor 4 Jahren
    Umwerfendes Buch, so dicht und „knackig“ geschrieben.

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