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Middlemarch

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Middlemarch

Eine Studie des Provinzlebens

Manesse,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein Mammutroman und Meisterwerk des Realismus von George Eliot.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Realismus

Worum es geht

Schicksale in einer Provinzstadt

George Eliots längster und bedeutendster Roman Middlemarch ist gemäß Untertitel eine „Studie des Provinzlebens“ und als solche die erste ihrer Art in der englischen Literatur. In einem weit gespannten und doch hoch konzentrierten Panorama wird eine kleinstädtische Gesellschaft um 1830 gezeigt, in der mehrere Schicksale einander wechselseitig bedingen. Intelligente Porträts, bis in die zahlreichen Nebenfiguren hinein sorgfältig gezeichnet, lassen auch heutige Leser gespannt Anteil nehmen an den Gewissensnöten der Figuren, die vor dem gesellschaftlichen Hintergrund des mittleren 19. Jahrhunderts agieren – und also weitgehend nach Klassen getrennt sind. Allmählich verbinden sich die Einzelperspektiven zu einem Gesamtbild, das die vielschichtige Wirklichkeit einiges besser einfängt als die damals übliche Erzählweise mit nur einem Handlungsstrang. Middlemarch ist ein Höhepunkt nicht nur im Schaffen der Autorin, sondern in der Kunst des literarischen Realismus überhaupt.

Take-aways

  • Middlemarch ist George Eliots wichtigster und mit über 1100 Seiten ihr längster Roman.
  • Das Buch ist eines der Hauptwerke des englischen Realismus.
  • Die Handlung spielt 40 Jahre vor Erscheinen des Romans, kurz vor der englischen Parlamentsreform von 1832.
  • Inhalt: Die Landadlige Dorothea und der Arzt Lydgate sind beide in unglücklichen Ehen gefangen, die Gutsverwaltertochter Mary findet schließlich ihr Glück, und der Bankier Bulstrode wird von seiner Vergangenheit eingeholt. Alle haben mit ihrem Gewissen, mit geistiger Beschränktheit und mit gesellschaftlicher Enge zu kämpfen.
  • In den vier locker miteinander verschränkten Einzelhandlungen entwirft Eliot ein gesellschaftliches Panorama der fiktiven englischen Kleinstadt Middlemarch.
  • Vorbild für Middlemarch ist Coventry.
  • Hinter dem Pseudonym George Eliot verbirgt sich eine Frau: Mary Ann Evans.
  • Sie lebte in wilder Ehe mit einem verheirateten Mann – im 19. Jahrhundert ein Skandal.
  • Für das Mammutwerk führte sie einen bereits begonnenen Roman und eine Novelle zusammen.
  • Zitat: „Mit einem Wort, Middlemarch rechnete damit, Lydgate zu verschlucken und ihn dann ganz allmählich zu verdauen.“

Zusammenfassung

Überstürzte Heirat

Die fast 20-jährige Dorothea Brooke, die dem Landadel angehört und mit ihrer Schwester Celia bei ihrem Onkel Mr. Brooke in der Nähe von Middlemarch lebt, ist eine wissensdurstige, eigenständig denkende und dabei puritanisch-fromme Person – zu fromm und zu intelligent für den Geschmack einiger Mitbürger. Schön ist sie auch, gleich zwei Männer haben ein Auge auf sie geworfen: der ihr intellektuell unterlegene Sir James Chettam und der bedeutend ältere, blasse Geistliche Edward Casaubon, der seit Jahrzehnten an einem Buch über den Urstoff aller Mythen schreibt und sich seine wenigen Mußestunden mit weiblicher Gesellschaft versüßen möchte. Dorothea geht zunächst davon aus, dass Chettam sich für ihre Schwester interessiert, und ist fast beleidigt, als sie ihren Irrtum einsieht. Für Casaubon hingegen entbrennt sie sofort, er scheint die höhere geistige Existenz zu verkörpern, nach der sie sich sehnt. Sie heiraten schnell, sehr zum Entsetzen von Dorotheas Umfeld: Alle halten Casaubon für einen vertrockneten alten Bücherwurm. Erste Enttäuschungen in der Ehe verdrängt Dorothea oder sie findet plausible Erklärungen dafür.

Der neue Arzt in Middlemarch

Der junge Arzt Tertius Lydgate ist neu in Middlemarch. Er hat sich für das Leben in der Provinzstadt entschieden, weil er unbehelligt von den Londoner Intrigen und Eitelkeiten forschen möchte. Sein Beruf ist seine Berufung, verbindet er doch tätige Nächstenliebe mit dem Bestreben, die Wissenschaft voranzubringen. Einen ersten Dämpfer bekommt er bei der Wahl des Geistlichen für das neue Krankenhaus: Lydgate stimmt gegen seine Überzeugung für den Kandidaten, den der fromme Bankdirektor Bulstrode favorisiert, denn dieser finanziert das Krankenhaus. Rosamond Vincy, eine schöne, aber oberflächliche Fabrikantentochter, hat ein Auge auf Lydgate geworfen. Es reizt sie, dass er fremd und von vornehmer Herkunft ist, was den Makel ihrer eigenen, bloß bürgerlichen Abstammung aufheben könnte. Ihm gefällt Rosamond ebenfalls, sie entspricht ganz seinen Vorstellungen einer graziösen Frau. Verliebt ist er aber nicht. Er möchte sich nach Feierabend nur seiner Forschung widmen und gedenkt nicht, demnächst zu heiraten.

„Sie füllte einfach alle leeren Stellen mit latenten Vollkommenheiten aus, deutete sich sein Wesen, wie sie göttliche Fügungen zu deuten pflegte, und schrieb scheinbare Disharmonien ihrer eigenen Taubheit für die reineren Zusammenhänge zu.“ (über Dorothea und Casaubon, S. 104)

Dorothea und Casaubon sind auf Hochzeitsreise in Rom; der Geistliche möchte in der Bibliothek des Vatikans forschen. Nicht nur ist Dorothea deshalb viel allein, sie beginnt auch zu ahnen, dass sie sich einer Illusion hingegeben hat, als sie Casaubon intellektuell in den Himmel hob. Sie trifft seinen wundesten Punkt, als sie ihn fragt, wann er mit dem eigentlichen Manuskript beginnen werde – bisher gibt es nur eine Reihe von Notizbüchern. Zufällig hält sich auch Will Ladislaw in Rom auf, ein junger Verwandter von Casaubon. Er verliebt sich in Dorothea und ist fassungslos über deren ehelichen Irrtum.

Zwei Verlobungen und ein Todesfall

Fred Vincy, Rosamonds leichtlebiger Bruder, der durch das Theologieexamen gefallen ist, hat wieder einmal Schulden. Erstmals plagt ihn sein Gewissen, denn er hat den Gutsverwalter Caleb Garth, der selbst nicht reich, aber ihm väterlich zugetan ist, einen Wechsel für seinen Gläubiger unterschreiben lassen. Da er am Stichtag das Geld nicht beisammen hat, bringt er die Familie Garth in ernstliche Schwierigkeiten, und das quält ihn umso mehr, als er in die Tochter Mary Garth verliebt ist. Sie hat ihn bisher immer abgewiesen, weil er nicht solide genug ist. Kurz nach der unangenehmen Angelegenheit erkrankt Fred an Typhus. Der bisherige Familienarzt erkennt das nicht, Lydgate wird hinzugezogen und avanciert zum Lebensretter. Seine Reputation als Arzt spricht sich herum, und seine Konkurrenz zu den alteingesessenen Ärzten verschärft sich.

„Er nahm sich, wie wir gesehen haben, eine Frau, auf dass sie den letzten Quadranten seiner Bahn schmücke und als Möndchen ohne nennenswerte Störung nebenherlaufe.“ (über Casaubon, S. 133)

Lydgate und Rosamond flirten jetzt für alle offensichtlich, aber während es für Lydgate ein Spiel ist, malt Rosamond sich schon bis in die Möbel hinein ihre eheliche Zukunft mit ihm aus. Als sich Verlobungsgerüchte verbreiten, zieht Lydgate sich zurück und bleibt den Abendgesellschaften der Vincys fern, was Rosamond sehr unglücklich macht. Bei der nächsten Begegnung ist sie tief gekränkt und weint, was sie so authentisch macht wie noch nie – in diesem Moment verliebt Lydgate sich in sie. Sie verloben sich sofort. Auch Celia Brooke und Sir James Chettam versprechen sich einander.

„Die ungewöhnliche Beschaffenheit des Geistes, die zu seinem Forschertrieb gehörte, erstreckte sich nicht auf sein Gefühl und Urteil in Bezug auf Möbel oder Frauen (...)“ (über Lydgate, S. 212)

Der alte Erbonkel Featherstone, von dessen Testament sich Fred einiges verspricht, liegt im Sterben. Mary Garth ist als seine Pflegerin angestellt. Eines Nachts öffnet Featherstone eine Kassette mit Geld, will dieses Mary geben und befiehlt ihr, dafür eine zweite Kassette zu holen und zu öffnen. Er habe zwei Testamente gemacht und wolle das zweite nun vernichten. Mary weigert sich, etwas anzufassen, denn sie möchte bei der geldgierigen Verwandtschaft nicht in Verdacht geraten. In derselben Nacht stirbt Featherstone.

Liebesprobleme

Bei der Testamentseröffnung taucht unerwartet ein unehelicher Sohn von Featherstone auf: Josua Rigg. Er erhält dem zweiten, gültigen Testament zufolge fast das ganze Vermögen, Fred dagegen gar nichts – nach dem ersten Testament hätte er immerhin 10 000 ₤ bekommen. Mary hat nun Fred gegenüber ein schlechtes Gewissen. Ihr Vater bekommt die Verwaltung der Güter von James Chettam und Mr. Brooke angeboten; damit sind die finanziellen Sorgen der Familie Garth gebannt und Mary muss keine Stelle als Lehrerin annehmen.

„Mit einem Wort, Middlemarch rechnete damit, Lydgate zu verschlucken und ihn dann ganz gemächlich zu verdauen.“ (S. 217)

Casaubon grämt sich, weil Ladislaw sich in Middlemarch niedergelassen hat – wohl wegen Dorothea. Inzwischen ist Ladislaw Redaktionsleiter der Middlemarcher Zeitung, die Mr. Brooke gekauft hat. Casaubon bezeichnet in einem Brief an Ladislaw dessen Tätigkeit als Affront gegen seine eigene gesellschaftliche Stellung und fordert ihn auf, die Stadt zu verlassen. Ladislaw, empört, denkt nicht daran. Voller Neid malt sich Casaubon aus, wie glücklich Ladislaw und Dorothea mit seinem Geld sein werden, wenn er erst tot ist.

Das Testament

Zwischen den frisch Verheirateten Rosamond und Lydgate gibt es eine erste Unstimmigkeit. Er hat kein Verständnis für ihren gesellschaftlichen Ehrgeiz, sie keines für seine Forscher- und Reformeraspirationen, die mit langen Arbeitszeiten und Anfeindungen verbunden sind. Für den Hausstand hat Lydgate Schulden gemacht. Rosamond wird bald schwanger.

„Es scheint mir, Sie glauben in irriger Weise an ein Verdienst beim Leiden und wollen Ihr Leben zu einem Martyrium machen.“ (Ladislaw zu Dorothea, S. 307 f.)

Dorothea und Casaubon entfremden sich immer mehr. Sie fühlt sich zunehmend in ihrer Ehe gefangen, und er kündigt ihr eines Abends an, ihr ein Versprechen abnehmen zu wollen. Dorothea ahnt, dass sie nach seinem Tod seine fruchtlose Arbeit vollenden soll. Sie weicht ihm aus, ringt sich in einer durchwachten Nacht aber innerlich zu diesem Opfer durch. Als sie ihn am nächsten Tag darauf ansprechen will, ist er tot. Dorothea kommt zunächst bei Sir James und ihrer Schwester Celia unter, die gerade ihr erstes Kind geboren hat. Nach der Beerdigung muss sie erfahren, dass Casaubon sein Testament, dem zufolge sein ganzer Besitz ihr zufällt, um den Zusatz ergänzt hat, dies gelte nicht, falls sie Will Ladislaw heiraten sollte. Dieser empfindet die Kluft zwischen ihr und ihm jetzt sogar als noch unüberwindlicher, denn ohne dass er von der Verfügung weiß, glaubt er, sich bei der geringsten Annäherung dem Verdacht auszusetzen, es sei ihm nur um ihr Geld zu tun.

„Denn Rosamond (...) war stets jene Kombination von erlaubten Gefühlen, Musik, Tanzen, Zeichnen, anmutigem Briefeschreiben, geheimem Poesiealbum und blonder Holdseligkeit, als welche die unwiderstehliche Frau dem vom Schicksal gezeichneten Mann jener Zeit erschien.“ (S. 372)

Fred Vincy hat inzwischen sein Theologieexamen wiederholt und bestanden, aber er möchte nicht Pfarrer werden. Er würde es nur tun, wenn er damit Marys Liebe gewinnen könnte. Schließlich bittet er den Pfarrer Farebrother, sie in seinem Namen danach zu fragen. Der Pfarrer erfüllt ihm den Wunsch, obwohl er selbst heimlich in Mary verliebt ist. Sie spürt das, hält es jedoch wegen ihres unscheinbaren Aussehens nicht für möglich. Ihre Antwort ist, dass sie sich Fred sehr verbunden fühle, ihn aber als Pfarrer auf keinen Fall heiraten würde, denn als solcher gäbe er eine lächerliche Figur ab.

Unglückliche Liebe

Dorothea und Will Ladislaw sehnen sich nacheinander, ohne das vom jeweils anderen zu wissen. Will verabschiedet sich zweimal von ihr, bevor er wirklich abreist, und erst beim zweiten Mal begreift sie, dass er sie liebt. Er ist sich über ihre Gefühle nach wie vor im Unklaren. Inzwischen hat er auch von dem Testamentzusatz erfahren, weshalb er eine gemeinsame Zukunft für ausgeschlossen hält. Der Gutsverwalter Caleb Garth bietet Fred Vincy an, sein Assistent zu werden; Fred nimmt freudig an und enttäuscht damit seine Eltern.

„Wir können uns ungestraft mit extremsten Meinungen befassen, während unser Hausrat, unsere Einladungen und unsere Vorliebe für ein eigenes Familienwappen uns unauflöslich an die herrschende Gesellschaftsklasse schmieden.“ (S. 477)

Die Entfremdung zwischen Lydgate und Rosamond tritt offen zutage, als die beiden von Lydgates Vetter besucht werden: Lydgate findet ihn unerträglich dumm, Rosamond hingegen unendlich vornehm. Als sie gegen Lydgates Willen mit dem Besucher ausreitet, hat sie einen Reitunfall und verliert ihr Kind. Bald darauf eröffnet ihr Lydgate, wie verschuldet sie sind. Rosamond reagiert kalt, bereut, ihn geheiratet zu haben, und zeigt sich in der Folge unfähig, ihre Ausgaben einzuschränken.

„In einer Ehe ist das sichere Wissen, ‚Sie wird mich nie leidenschaftlich lieben‘, leichter zu ertragen als die Angst vor dem ‚Ich werde sie einmal aufhören zu lieben‘.“ (S. 888)

Der Bankier Bulstrode eröffnet Ladislaw, er sei mit dessen Großmutter verheiratet gewesen und habe, obwohl er von einer verschollenen Tochter, Ladislaws Mutter, gewusst und deren Aufenthaltsort gekannt habe, nie davon erzählt – so sei ihm beim Tod der Frau das ganze Vermögen zugefallen. Nun bietet Bulstrode Ladislaw Geld zur Wiedergutmachung an. Der lehnt es jedoch wegen der unmoralischen Herkunft ab.

Zwei Versuchungen

Rosamond durchkreuzt heimlich Lydgates Pläne zu Einsparungen. Diesem kommt die Energie für Forschungen nach Feierabend abhanden, und in seiner Geldnot gerät er zwischenzeitlich sogar in einen Spiel- und Wettrausch. Schließlich wendet er sich an Bulstrode und bittet ihn um 1000 ₤. Der Bankier lehnt kühl ab und fügt gleich noch an, dass er sich aus dem Hospital finanziell zurückziehen werde. Er plant nämlich, Middlemarch zu verlassen, um einem Skandal zu entgehen: Bulstrode wird von John Raffles wegen seiner dunklen Vergangenheit erpresst. Da erhält der Bankier von Garth die Nachricht, Raffles sei schwer krank. Raffles hat Garth alles erzählt, worauf dieser Bulstrode seine Dienste als Gutsverwalter aufkündigt. Der Kranke liegt im Alkoholdelirium. Man ruft Lydgate herbei, und der gibt Anweisung, ihm eine bestimmte Dosis Opium, aber auf keinen Fall Alkohol zu geben. Zwei Nächte lang wacht Bulstrode selbst bei Raffles, um sicherzustellen, dass dieser nichts ausplaudert. Im Zusammentreffen mit Lydgate zeigt Bulstrode einen Sinneswandel und will ihm nun doch das erbetene Geld geben. Lydgate nimmt es verwundert, aber dankbar an. In der dritten Nacht übernimmt die Haushälterin die Pflege des Kranken. Als sie Bulstrode fragt, ob sie Raffles nicht doch Alkohol geben könne, sieht er eine Chance, den Erpresser loszuwerden, und willigt ein. Am nächsten Morgen ist Raffles tot. Bulstrode verwirft schon seine Auswanderungspläne, da wird er bei einer wichtigen Sitzung von den Honoratioren der Stadt aufgefordert, zu bestimmten Vorwürfen Stellung zu nehmen – seine Vergangenheit hat sich bereits herumgesprochen. Bulstrode ist erledigt, und Lydgate, so scheint es, mit ihm.

„(...) es war unvermeidlich, dass er in dieser verzeihenden Stimmung an sie als ein Wesen dachte, das einer anderen und schwächeren Spezies angehörte. Nichtsdestoweniger hatte sie ihn besiegt.“ (über Lydgate und Rosamond, S. 910)

Pfarrer Farebrother erzählt Fred, dass er an Mary interessiert sei. Er sagt ihm das aber nicht, um sie ihm streitig zu machen. Vielmehr mahnt er Fred zu einem seriösen Lebenswandel, andernfalls würde er Mary dem Pfarrer in die Arme treiben.

Happy End

Dorothea Brooke will Lydgate helfen. Sie kommt für die 1000 geliehenen Pfund von Bulstrode auf. Außerdem möchte sie mit Rosamond sprechen und ihr die Unschuld ihres Ehemanns darlegen. Doch als sie deren Wohnzimmer betritt, sieht sie Will Ladislaw und Rosamond in einer, so scheint es, unmissverständlichen Lage: Rosamond weint und Ladislaw hält ihre Hände. Sofort macht Dorothea kehrt und verabschiedet sich für immer von der Aussicht auf persönliches Glück. Tatsächlich aber hat nur Rosamond Ladislaw ihre Liebe gestanden, und er war gerade dabei, ihr zu sagen, dass er niemals eine andere Frau lieben könne als Dorothea. Diese beschließt nach einer tränenreichen Nacht, Rosamond erneut aufzusuchen – ihr und Lydgates Leben soll nicht auch noch zerstört sein. Rosamond ist von Dorotheas Güte überwältigt und erzählt ihr, was wirklich passiert ist. Dadurch finden Will und Dorothea zueinander. Dorothea hat unabhängig von Casaubons Erbe noch andere Einkünfte – davon können sie leben. Sie heiraten gegen den Widerstand ihrer Familie.

„Die Heirat, das Endziel so vieler Erzählungen, ist immer noch ein großer Anfang, wie für Adam und Eva, die ihre Flitterwochen zwar im Paradies abhielten, ihre ersten Menschlein aber zwischen den Dornen und Disteln der Wüste aufzogen.“ (S. 1125)

Auch Fred Vincy und Mary heiraten und finden ihr Glück. Lydgate wird mit Praxen in London und an einem Badeort wohlhabend – seine ursprünglich geplanten Forschungen gibt er auf. Er setzt Rosamond keinen Widerstand mehr entgegen und stirbt mit 50 Jahren. Dorothea wird mit Will in London glücklich. Will wird als Mann des öffentlichen Lebens sogar ins Parlament gewählt.

Zum Text

Aufbau und Stil

George Eliots ca. 1150 Seiten umfassendes Mammutwerk ist in acht Bücher und ein Finale unterteilt, die Bücher wiederum sind in insgesamt 86 Kapitel gegliedert. Die Handlung konzentriert sich zunächst auf Dorothea und Casaubon. Im elften Kapitel treten Lydgate und Rosamond auf, womit die Verknüpfung der beiden Handlungsstränge beginnt, die immer dichter und feinmaschiger wird und in die noch die Geschicke der Familie Garth und des Bankiers Bulstrode hineingewoben werden. Allmählich verbinden sich die verschiedenen Perspektiven zu einer umfassenden Gesamtschau. Ein allwissender Erzähler reflektiert die Gedanken und Gefühle der Figuren, gibt aber auch freimütig Kommentare ab. Die komplexen Satzstrukturen mit ihrem Geflecht von Nebensätzen spiegeln auf der Stilebene die Gesellschaftstheorie der Autorin wider, wonach alles mit allem zusammenhängt. Die erzählte Zeit umfasst etwa zwei Jahre und endet 1832, kurz vor der großen Parlamentsreform, die im Roman immer wieder Erwähnung findet.

Interpretationsansätze

  • Middlemarch ist ein Roman der Parallelen und Kontraste. Die Schicksale der Hauptfiguren Dorothea Brooke und Tertius Lydgate sind von enttäuschten Hoffnungen und verfehlten Zielen geprägt. Beide verlassen am Ende Middlemarch, beide scheitern an der Enge der gesellschaftlichen Verhältnisse. Während aber Lydgate seine Ziele vollständig aufgibt, findet Dorothea Erfüllung in ihrer zweiten Ehe.
  • Casaubon und Lydgate ähneln sich nicht nur in ihrem Forscherdrang, sondern auch in ihrer Einstellung zu Frauen: Beide sehen in diesen bloß eine Ausschmückung der eigenen Existenz, und beiden wird genau das zum Verhängnis – darin liegt ein subtil feministisches Moment des Romans. Dorothea durchschaut ihren Mann und vergrößert damit die Qual seiner fruchtlosen Arbeit, und Rosamond torpediert Lydgates Ambitionen durch ihr mangelndes Interesse an Geistigem.
  • Der Roman beruht auf der Annahme, dass nichts im Leben folgenlos ist: Die Handlungen der Vergangenheit bestimmen die Gegenwart und die Zukunft. Lydgates Heirat mit Rosamond besiegelt sein ganzes weiteres Schicksal; Bulstrode wird von seinen früheren Missetaten eingeholt.
  • Der Puritanismus als Religion der Pflicht durchzieht den Roman: Viele schwere Gewissenskonflikte beruhen auf dem Widerspruch zwischen selbst auferlegten Aufgaben und durchbrechenden Neigungen.
  • Middlemarch, die titelgebende Kleinstadt in Mittelengland, ist in all ihrer Durchschnittlichkeit gewissermaßen die Protagonistin des Buchs: Es sind der anonyme Klatsch und die Gerüchte, die Bulstrode und Lydgate vernichten.
  • Die Gesellschaft von Middlemarch ist eine Klassengesellschaft, die sich in Landadel, bürgerliche Mittelklasse und Arme unterteilt. Die Klassenunterschiede gelten als selbstverständlich. Zunehmend wichtig ist aber auch das Geld als neues Element im gesellschaftlichen Zusammenleben: Die vornehme Herkunft schützt Lydgate nicht vor dem Ruin; und Bulstrodes Macht beruht allein auf seinem Reichtum.

Historischer Hintergrund

Das Jahr der Großen Reform

Im Gegensatz zu Frankreich, das seine Revolution gehabt hatte, und Amerika, das längst über eine demokratische Verfassung verfügte, steckte England zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch tief in der aristokratischen Gesellschaft. Politisch regierte weiterhin der Adel.

Die Parlamentsreform von 1832 war ein erster Schritt hin zur Demokratie und weg von der strikt nach Klassen getrennten Gesellschaft. Man beschnitt den Einfluss des Landadels und passte die Wahlbezirke den veränderten Bevölkerungsverhältnissen an. Vor allem die durch die Industrialisierung angewachsenen Städte wurden aufgewertet. Gleichzeitig wurde der Kreis der Wahlberechtigten erheblich erweitert. Vom allgemeinen Wahlrecht war man freilich immer noch weit entfernt: Bei Männern war es weiterhin an Besitz gebunden, die Frauen wurden gar nicht erst berücksichtigt (sie erhielten das Wahlrecht erst 1928). Reibungslos ging diese Reform nicht vonstatten, ihr gingen zahlreiche Regierungskrisen voraus. Noch im Mai 1832 lehnte das Oberhaus den Gesetzesentwurf ab. Im Juni wurde er schließlich in dritter Lesung angenommen. In einer zweiten Wahlreform wurde 1867 der Kreis der Wahlberechtigten nochmals erweitert.

Die Zeit um 1830 war auch eine Zeit der Reformen in der Wissenschaft, vor allem in der Medizin. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts waren Ärzte bessere Drogenhändler, die sich durch den Verkauf ihrer Arzneien ihr Leben finanzierten. In der Folge wurde ihr Status durch eine geregelte Universitätsausbildung aufgewertet; die wissenschaftliche Forschung zeitigte zahlreiche medizinische Erfolge.

Entstehung

In Middlemarch sind zwei unterschiedliche Romanvorhaben zusammengeflossen. Anfang August 1869 begann George Eliot einen Roman, der bereits den Titel Middlemarch trug; in nur drei Tagen schrieb sie das erste Kapitel mit Lydgate als Hauptfigur. Aber schon Anfang September kamen ihr Zweifel und sie brach das Projekt ab. Anderthalb Jahre später nahm sie eine Novelle mit dem Titel Miss Brooke in Angriff. Drei Monate später vereinte sie beide Projekte miteinander, und im Oktober 1872 war Middlemarch vollendet. Bereits vor der Fertigstellung erschienen die ersten Teile des Werks in zweimonatigen Abständen als Fortsetzungsroman; 1872 lag Middlemarch dann als Ganzes in vier Bänden vor. Während der Niederschrift benutzte die Autorin ein Notizbuch, das ihr bei der Planung des Aufbaus half (sie stellte die Kapitelfolge mehrmals um) und das medizinische Fakten enthielt.

Als Vorbild für die fiktive Stadt Middlemarch diente ihr Coventry. Die Ehe von Dorothea und Casaubon hat eine biografische Begebenheit als Hintergrund: Im November 1843 war George Eliot Brautjungfer bei einer Hochzeit. Kurz darauf war sie bei dem Vater der Braut, Dr. Brabant, zu Gast, um ihm nach dem Fortgang seines einzigen Kindes Gesellschaft zu leisten. Sie brachte dem gelehrten Religionsphilosophen schwärmerische Bewunderung entgegen; die beiden gingen zusammen spazieren und führten tief gehende Gespräche. Das peinliche Ende dieser Beziehung bestand darin, dass Brabants wenig entzückte Frau ihn anwies, die Sache zu beenden – was der erschrockene Mann dann auch ziemlich unsanft tat.

Wirkungsgeschichte

Middlemarch rief nach seinem Erscheinen überwiegend positive Urteile hervor. Henry James schrieb, das Buch sei eine „Schatzkammer an Details“, aber als Ganzes indifferent, ohne Zusammenhalt. Der Rezensent der Saturday Review fand dagegen, jedes einzelne Kapitel passe zum Ganzen wie die Teile eines komplizierten Puzzles. Dass der Roman zu analytisch sei, wurde ihm verschiedentlich vorgeworfen: Die Autorin seziere ihre Figuren, alles sei zu bemüht. Auch wurde manchmal bemängelt, einzelne Figuren seien zu fehlerlos und damit zu wenig menschlich: Dorothea, Will Ladislaw oder Caleb Garth.

Insgesamt setzte sich aber schnell die Auffassung durch, Middlemarch sei einer der Meilensteine des realistischen Romans. Schule machte das Kompositionsprinzip der Spiegelungen, bei dem sich die Schicksale der Hauptfiguren gegenseitig erhellen. D. H. Lawrence übernahm diese Methode in seinen Romanen, er setzte ebenfalls auf die Kontrastwirkung zweier Paare, etwa in Liebende Frauen (1920). Die erste Übersetzung ins Deutsche erschien bereits 1872/73 und wurde von George Eliot selbst autorisiert. Noch vor dem Erscheinen der englischen Buchausgabe kam eine russische Übersetzung heraus. Zu ihren begeisterten Lesern gehörte Leo Tolstoi.

Über die Autorin

George Eliot wird am 22. November 1819 als Mary Ann Evans im ländlichen Nuneaton in der Nähe von Coventry geboren. Ihre Erziehung zu Hause und in Mädcheninternaten ist stark religiös geprägt. Nach dem Tod der Mutter zieht Mary mit ihrem Vater nach Coventry. Unter dem Einfluss freidenkerischer Nachbarn sagt sie sich von der Kirche los und bezeichnet sich von nun an als Agnostikerin. Die puritanische Erziehung prägt sie aber ihr ganzes Leben lang, oft in Gestalt von Selbstzweifeln und -anklagen. Nach dem Tod ihres Vaters 1849 geht Mary nach London. Sie übersetzt Bücher der Religionskritiker Ludwig Feuerbach und David Friedrich Strauß, schreibt für die liberale Westminster Review und lernt den Schriftsteller und Kritiker George Henry Lewes kennen. Der ist zwar verheiratet, aber sie lebt bis zu seinem Tod in glücklicher wilder Ehe mit ihm – ein Skandal für die damalige Gesellschaft, der sie auch mit ihrer Familie entzweit. Ihr erster Roman Adam Bede (1859) begründet ihren Ruhm unter dem Pseudonym George Eliot. Sie wählt diesen männlichen Namen, weil die damalige Stellung der Frau öffentlichen Erfolg nicht eben fördert und weil die Gefahr besteht, dass ihre Bücher aufgrund ihres Privatlebens verurteilt werden könnten. Es gelingt ihr, die moralische Ablehnung durch ihre schriftstellerische Leistung zu überwinden: George Eliot wird von den großen Geistern ihrer Zeit regelrecht verehrt. Sie schreibt u. a. die Romane Die Mühle am Floss (1860) und Silas Marner (1861). Höhepunkt ihres Werks ist Middlemarch (1871/72). Als ihr Lebensgefährte 1878 stirbt, versinkt sie monatelang in tiefe Trauer. Zwei Jahre später heiratet sie jedoch den 20 Jahre jüngeren Bankier John W. Cross. Noch im selben Jahr stirbt sie in London, am 22. Dezember 1880.

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