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Il Milione

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Il Milione

Die Wunder der Welt

Manesse,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Ein venezianischer Kaufmann zieht aus, die Geheimnisse und Wunder Asiens zu entdecken.

Literatur­klassiker

  • Reiseliteratur
  • Mittelalter

Worum es geht

Die Wunder des Fernen Ostens

Als Marco Polo seinem Mitgefangenen Rustichello in einem Genueser Gefängnis von einer Reise durch weitgehend unbekannte Länder erzählte, die er angeblich in Begleitung seines Vaters und seines Onkels unternommen hatte, konnte er nicht ahnen, dass dieser Bericht – ob wahr oder nicht – Jahrhunderte überdauern würde. Detailliert und farbig wie keiner vor ihm beschrieb Polo die asiatischen Landstriche. Bei der Rückkehr nach Europa auf dem Seeweg lernte er weitere Länder und Inselreiche kennen, worunter ihn besonders Indien faszinierte. Zuvor schilderte er mit China ein Land, das in vielerlei Hinsicht weiter entwickelt war als Europa. Besonders beeindruckt war er von dem politischen System des Mongolenreichs unter Kublai Khan, für den er als Gesandter arbeitete. Als Verwaltungsbeamter zeichnete er sorgfältig alles auf, was ihm auf seinen zahllosen Reisen im Dienst des Khans begegnete. Fremden Völkern und Kulturen räumt er in seinem Buch einen Raum ein, der damals einmalig war. Dies trug maßgeblich zur Faszination seines Berichts bei, der noch Jahrhunderte später Reisende inspirieren sollte – wenngleich manche Forscher gute Argumente dafür haben, dass Polo nie in China gewesen ist und alles nur erfunden oder abgeschrieben hat.

Take-aways

  • Il Milione ist der berühmte Bericht Marco Polos über seine Reisen in Asien.
  • Inhalt: Der venezianische Kaufmann Marco Polo bricht im Jahr 1271 von Venedig zu einer Reise auf, die ihn quer durch Asien bis an den Hof Kublai Khans in China führt. Dort bleibt er fast zwei Jahrzehnte, bis es per Schiff durch den Indischen Ozean zurückgeht. Geschildert werden Eindrücke von unbekannten Gegenden, Bräuchen und Verwaltungssystemen.
  • Nach dem Bankrott des Byzantinischen Reichs richtete sich der Blick vieler Kaufleute weiter nach Osten, ins noch kaum bekannte Mongolenreich.
  • Polo diktierte seinen Reisebericht 1298/99 einem gewissen Rustichello von Pisa, als beide sich in Genueser Gefangenschaft befanden.
  • Zeitgenossen bezweifelten, dass Polo all die wundersamen Dinge wirklich mit eigenen Augen gesehen hatte, und hielten ihn für einen Lügner.
  • Unter heutigen Wissenschaftlern ist umstritten, ob Polo überhaupt bis nach China gekommen ist.
  • Den Titel Il Milione erhielt das Buch erst später. Möglicherweise weist er auf die Reichtümer Asiens hin – oder auf einen familiären Zunamen der Polos.
  • Polos Erkundungen prägten die Kartografie der mittelalterlichen Seefahrt.
  • Die Informationen über Steuern und Zölle gaben dem Orienthandel wichtige Impulse.
  • Zitat: „Kaiser, Könige und Fürsten, Ritter und Bürger – und ihr alle, ihr Wissbegierigen, die ihr die verschiedenen Rassen und die Mannigfaltigkeit der Länder dieser Welt kennen lernen wollt – nehmt dieses Buch und lasst es euch vorlesen.“

Zusammenfassung

Vom Beginn einer großen Reise

Als Marco Polo 1298 im Gefängnis zu Genua sitzt, will er die Zeit nicht ungenutzt ver¬streichen lassen und erzählt seinem Zellengenossen Rusticiaus (Rustichello) die Erlebnisse seiner langen Reise in den Fernen Osten. Rusticiaus hält die Erzählung schriftlich fest. Auf seinen Aufzeichnungen beruht dieses Buch, das nur von wahren Begebenheiten handelt.

„Kaiser, Könige und Fürsten, Ritter und Bürger – und ihr alle, ihr Wissbegierigen, die ihr die verschiedenen Rassen und die Mannigfaltigkeit der Länder dieser Welt kennen lernen wollt – nehmt dieses Buch und lasst es euch vorlesen.“ (S. 7)

Kein einziger Mensch auf Erden hat so viel ge¬sehen wie Marco Polo. Schon sein Vater Nicolao Polo und sein Onkel Maffeo Polo waren als Händler in Asien unterwegs. In Bucara (Buchara, Usbekistan) erhielten sie eine Einla¬dung von einem Gesandten des Tatarenkaisers, der sie gerne folgten. Am Hof des Kublai Khan wurden sie herzlich empfangen; der Großkhan interessierte sich sehr für ihr Land und ihre Religion und bat die Polos, als seine Gesandten beim Papst vorzuspre¬chen. Die Brüder reisten also zu¬rück nach Venedig und warteten darauf, die Schrift des Großkhans dem gerade neu gewählten Papst zu überreichen. Dieser schickte die beiden zusammen mit zwei Prediger¬mönchen wieder los – und die Brüder nahmen auch Marco mit.

Marco Polo als Gesandter des Kublai Khan

Nach einer dreieinhalb Jahre dauernden, beschwerlichen Reise kommen die drei endlich in Cle¬meinfu (Kaiping Fu) an, wo sich der Großkhan gerade aufhält. Marco Polo findet sich rasch in die fremde Kultur ein und wird schon bald vom Khan als Gesandter in eine ent¬fernte Provinz geschickt. Schon im Vorfeld hat er gemerkt, worauf es bei den Berichten an den Khan ankommt: Wer bei der Rückkehr von seiner Mission nur über seinen Auftrag und nicht über Land und Leute zu reden weiß, den hält der Khan für dumm. In der Funktion als Gesandter bleibt Marco Polo 17 Jahre beim Großkhan. Nur widerwillig verabschiedet dieser die Polos und gibt ihnen zwei Täfelchen mit, worauf geschrieben steht, dass sie in seinem Reich frei reisen dürfen. Zusammen mit 600 Menschen brechen sie auf, doch nur 18 überleben die Reise. 1295 sind sie zurück in Venedig.

Das Wunder von Baudac

Schon auf der Reise ins Tatarenreich durchquert Marco Polo unbekannte Gegenden, und ungewöhnliche Geschichten kommen ihm zu Ohren. In Baudac (Bagdad) beispielsweise erfährt er von einer wundersamen Begebenheit: 1275 regierte dort ein sarazenischer Kalif, der die Christen zum Islam bekehren wollte. Dafür fanden er und seine Berater im Evangelium eine passende Stelle: „Wenn der Glaube eines Christen so stark ist wie die Keimkraft ei¬nes Senfkorns, dann kann er mit seinem Gebet zwei Berge zusammenrücken.“ Mit diesem Bibelzitat gewappnet, wollte der Kalif die Christen entweder bekehren oder in den Tod schicken. Er ließ alle Christen zu sich rufen und befahl ihnen, innerhalb von zehn Tagen einen Berg zu versetzen. Wenn ihnen das nicht gelänge, würde er sie töten. Am letzten Tag der Frist versammelten sich 100 000 Christen und wanderten mit dem Kreuz hinaus aufs Feld. Kaum war einer von ihnen – ein besonders ehrbarer und tugendsamer Mann – niedergekniet und hatte zu beten begonnen, ver¬rückte sich der Berg um eine Meile. Die Sarazenen waren starr vor Erstaunen und bekannten sich fortan zum Christentum.

Die Assassinen in Persien

Nach einer achttägigen Wüstendurchquerung gelangt Polo nach Muleet (Nordiran), wo sich einst der Alte vom Berg aufhielt, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. Dieser Alte hatte einen Garten angelegt, der einem Paradies gleichkam: Wunderschöne Mäd¬chen lebten dort, Milch und Honig flossen ununterbro¬chen, doch nur er selbst und seine Assassinen durften den Garten betreten. Der Alte, der wie ein Prophet verehrt wurde, hielt an seinem Hof etliche Jünglinge und bildete sie zu Soldaten aus. Zunächst unterrichtete er sie in der Lehre Mohammeds und schilderte ihnen das Paradies. Dann flößte er ihnen einen Schlaftrunk ein, und wenn sie aufwachten, befanden sie sich an einem Ort, der diesem Paradies glich. Wenn der Alte einen Mord plante, ließ er die Jünglinge wieder betäuben und aus dem Paradiesgarten holen, worüber sie gar nicht glücklich waren. Er wählte die geeig¬netsten aus und ließ sie nach gelungener Ausführung der Tat feiern. In jedem Fall aber versprach er ihnen die Rückkehr ins Paradies, wenn sie bei der Mordtat gefasst und getö¬tet werden sollten. Kein Wunder, dass jeder seine Befehle mit großer Begeisterung ausführte und der Alte uneingeschränkte Macht über die Herrscher in der Umgebung hatte.

Die Geschichte der Tataren

Im Jahr 1187 wählten die Tataren einen Herrscher, den sie Cinghis Khan (Dschingis Khan) nannten. Von überall her kamen die Tataren und huldigten ihm. Als der Khan auf einmal so viele Untergebene hatte, musste er neue Gebiete erobern. Die unterworfenen Völkerstämme aber knechtete er nicht etwa, sondern überredete sie, sich ihm anzuschließen. Das Heer wurde immer größer, sodass der Großkhan beschloss, den halben Erdball zu erobern. Bei einer Schlacht wurde er jedoch von einem Pfeil am Knie verletzt und starb schließlich an der Wunde. Alle Herrscher aus dem Geschlecht Cinghis Khans werden auf dem hohen Berg Altai beigesetzt. Egal wo der jeweilige Khan gestorben ist, seine Leiche muss dort begraben werden. Jeder, der dem Leichenzug begegnet, wird von den Begleitern des Leichnams mit dem Schwert umgebracht. Man glaubt, dadurch dem Herrn im Jenseits Diener zu verschaf¬fen. Als beispielsweise Mongu Khan (Möngke Khan) starb, verloren 20 000 Menschen auf diese Weise ihr Leben. Die Tataren sind von Natur aus ein robus¬tes Volk, weil sie sich auf Reisen von Stutenmilch und frisch erlegtem Wild ernähren. Allerdings gilt dies nur für die so genannten heldenhaften Tataren, denn jene, die in Catai (China) leben, haben bereits die Sitten und Bräuche der Chinesen angenommen.

Die Großtaten des Kublai Khan

Kublai stammt direkt von Cinghis Khan ab und übernahm 1256 die Herrschaft, nachdem er mögliche Konkurrenten in einer grausamen Schlacht besiegt hatte. Der Großkhan hat vier Gattinnen. Zusätzlich lässt er vom Stamm der Ungrac, dessen Menschen als sehr schön gelten, die hübschesten Mäd¬chen kommen, sie durch die eigenen Hofdamen prüfen und sich dann drei Tage und Nächte von ihnen bedienen, bevor die nächsten an der Reihe sind. Drei Monate im Jahr lebt der Großkhan in Canbaluc (Peking), der Hauptstadt von Catai, in seinem Palast. Nirgends auf der Welt werden so viele Waren gehandelt wie dort, denn in Canbaluc wohnen nicht nur die reichsten Fürsten, sondern es kommen auch Kaufleute von überall her, um Handel zu treiben.

„Marco kannte die Wissbegierde des Großkhans; daher prägte er sich auf seiner Botschaftstour jede Neuigkeit und jede Besonderheit gut ein, um ihm nachher ausführlich darüber referieren zu können.“ (S. 21)

Das Post- und Nachrichtenwesen ist sehr beeindruckend: Die Post wird einem Läufer mitgegeben, der einen Gürtel voller Glöckchen trägt. Der nächste Läufer macht sich bereit, sobald er die Glöckchen hört, und übernimmt die Post. Nach drei Meilen trifft er einen dritten Läufer usw. Binnen einer Nacht und einem Tag wird auf diese Weise eine Strecke zurück¬gelegt, für die normalerweise zehn Tage nötig wären. Die Reitstationen der Tataren sind immer mit genügend Pferden ausgestattet. Berittene Eilboten werden stets dann eingesetzt, wenn irgendwo ein Aufstand ausgebrochen oder dem Khan etwas Dringendes zu melden ist. Diese Eilboten legen bis zu 250 Meilen pro Tag zu¬rück.

„Die Tataren sorgen dafür, dass den Kaufleuten nichts geschieht, ohne bewaffnete Begleitung würden sie nämlich meuchlings ermordet.“ (S. 47)

Der Khan schickt viele Gesandte in die Provinzen, um sich nach dem Wohlerge¬hen des Volkes zu erkundigen. Nach Missernten und Naturkatastrophen senkt er die Steuern und gibt den Bauern vom eigenen Getreide, damit sie wieder säen können. Keiner der Untertanen muss je an Hunger leiden. In guten Jahren, wenn das Korn günstig ist, befiehlt der Khan, große Mengen einzukaufen und zu lagern. Wenn es an Getreide mangelt, lässt er diese Speicher öffnen.

Das Südreich Mangi

Die Hauptstadt der reichen Provinz Mangi heißt Quinsai (Hangzhou); sie wurde 1268 vom Großkhan erobert. Mangi ist sehr wichtig für das Tatarenreich, weil die Provinz so viele Steuern entrichtet, die auf Salz, Zucker, Gewürze, Reis, Seide und Kohle gelegt werden. Dabei gelten gestaffelte Prozentsätze, je nach Vorkommen der Güter. Auch die Zünfte müssen Ab¬gaben leisten, und von fremden Kaufleuten werden Zollgebühren erhoben. Die Steuerberechnungen und die ungeheuerlichen Steuererträge, die allein aus Quinsai kommen, sind staunenswert. Wegen dieser Reichtümer und häufigen Aufständen halten sich in Quinsai viele schwer bewaffnete kaiserliche Truppen auf.

„Kein Volk der Erde erträgt härtere Entbehrungen und größere Anstrengungen und verlangt weniger Sold. Dank ihrer Tüchtigkeit erobern die Krieger Länder und Königreiche.“ (über die Tataren, S. 101)

Auch nach Çaiton (Guangzhou) reist Marco Polo, wo viele Schiffe vor Anker gehen, die voll beladen mit Gewürzen, Edelsteinen oder Perlen sind. Çaiton ist einer der zwei größten Handelshäfen der Welt, daher sind hier auch hohe Steuerabgaben fällig; die Stadt ist für den Großkhan die reinste Schatzkammer.

Die Gewürzstraße

Auf ihrer Rückreise per Schiff passieren die Polos zahlreiche wundersame Orte. Java ist die größte Insel, und die meisten Gewürze, die welt¬weit gehandelt werden, stammen von dort. In den Bergen von Klein-Java (Sumatra) leben Wilde, die Menschenfleisch verspeisen. Es gibt dort einen seltsamen Brauch: Wenn einem männlichen Patienten von einem Magier der Tod vorausge¬sagt wird, wird er hingerichtet, gekocht und von seinen Verwandten verspeist; es darf nicht das Geringste zurückbleiben. Auch Fremde werden gegessen, wenn sie von den Einheimischen gefasst werden. Auf Seilan (Sri Lanka), der Edelstein-Insel, gibt es einen Berg, den man nur an Eisenketten erklimmen kann. Die Sarazenen mei¬nen, der erste Mensch Adam sei dort begraben. Hier wird auch die Geschichte von Sergamoni Borcham (Buddha) erzählt, der als Prinzensohn aufwuchs und schließlich als Einsiedler in die Berge ging, um den Schöpfer der Welt zu suchen.

Die indischen Königreiche

Wenn der König von Maabar (Ostküste Indiens) stirbt und verbrannt wird, springen seine Ge¬treuen zu ihm ins Feuer, damit sie ihm im Jenseits wieder zu Diensten stehen können. Zahlt jemand in Maabar seine Schulden nicht, so versucht der Gläubiger, den Säumigen an einem Ort mit einem Kreis festzuhalten, den er so lange nicht verlassen darf, bis er seiner Pflicht nachgekommen ist. Zahlt er auch dann nicht, wird er zum Tode verurteilt, weil er das Recht gebrochen hat. Selbst der König unterwirft sich diesem Gesetz: Eines Tages wurde er von einem Kaufmann in einen Kreis gebannt und konnte nicht eher weiterreisen, bis er seine Schulden allesamt beglichen hatte. Im Übrigen beeinflussen Zeichen der Natur sämtliche Handlungen der Menschen in diesem Land, alles wird zum Omen.

„Inmitten des Tiergartens hat der Großkhan einen Palast bauen lassen, und zwar ganz aus Bambus. Das Innere ist vollständig vergoldet und geschmückt mit wunderbar gearbeiteten Tier- und Vogelmotiven.“ (S. 113)

In den Bergen des nördlichen Königreichs Mutfili, das von einer weisen Königin regiert wird, gibt es viele Diamanten, die mithilfe von Adlern gesammelt werden. Man wirft Fleischstücke in die Schluchten, in denen die Diamanten liegen; diese bleiben an dem Fleisch hängen und werden mit ihm von den Adlern gefressen. Jäger müssen den Raubvögeln dann nur noch ihre Beute abjagen.

„Und nun beginne ich ausführlich über die erstaunlichen Großtaten des Großkhans zu berichten, der den Namen Kublai Khan trägt. Zu Recht trägt er diesen Namen; denn wer wüsste es nicht, dass er der mächtigste Herr der Welt ist, seit Adams Zeiten bis in unsere Tage hat es nie einen größeren und reicheren gegeben.“ (S. 118 f.)

In Coilum (Quilon) wird Indigo gewonnen. Man nimmt dafür ein spezielles Gras, schichtet es in einen Bottich und füllt diesen mit Wasser auf. Dann lässt man den Bottich so lange stehen, bis sich das Gras aufgelöst hat, stellt ihn in die Sonne, und die Masse dickt ein, sodass man sie in kleine Stücke schneiden kann. Aus Melibar (Westküste In¬diens) und Goçurat (Gujarat) kommen die berüchtigten Piraten. Diese erbeuten zwar die Waren der von ihnen angegriffenen Schiffe, lassen die Besatzung aber ungeschoren. Wenn Kaufleute von Pi¬raten aus Goçurat gefangen werden, müssen sie einen widerlichen Trank zu sich nehmen und sich erbrechen, weil die Piraten glauben, dass die Kaufleute all ihre Edelsteine ver¬schluckt haben.

Rückreise über arabische Länder

Auf der Männer- und der Fraueninsel leben Christen nach dem Alten Testament. Nur drei Monate im Jahr dürfen die Männer auf die Fraueninsel, danach kehren sie wieder zurück und betreiben weiter ihre Geschäfte. In Scotra (östlich von Aden, Jemen) wird Amber aus den Mägen der Wale gewonnen. Piraten legen hier an, und die Bewohner kaufen ihnen das Raubgut ab, was erlaubt ist, da es nicht von Christen stammt. Auf der Insel Mogdasio (Mogadischu) lebt man vom Handel mit Elfenbein und anderen Gütern. Der wundersame Vogel Greif, auch Rock genannt, ist hier beheimatet. Er ist so stark, dass er selbst einen Elefanten in die Luft heben kann. In der Provinz Aden legen viele Frachter aus Indien an. Die Waren werden auf kleinere Schiffe umgeladen, die dann sieben Tage auf einem Fluss fahren. Auf einem Kamelrü¬cken erreicht das Handelsgut nach weiteren 30 Tagen den Fluss Alexandre (Nil).

Zum Text

Aufbau und Stil

Gemäß dem Prolog des Buches hat Marco Polos Mitgefangener, Rustichello von Pisa, Polos Berichte getreu wiedergegeben und vollständig festgehalten. Umso mehr überrascht der abrupte Schluss des Buches mit der Beschreibung diverser kriegerischer Scharmützel – möglicherweise fand die gemeinsame Gefangenschaft von Marco Polo und Rustichello ein plötzliches Ende. Die zweifache Autorschaft macht sich in manchen Punkten bemerkbar. Der Reisebericht ist weitgehend um Sachlichkeit bemüht, aber die konkreten Angaben zu Kosten und Entfernungen werden immer wieder von lebendigen Naturbeschreibungen und langen Schlachtschilderungen unterbrochen. Von den 234 Kapiteln folgt knapp die Hälfte einem Schema, das sich an bestimmte Regeln hält. Damit kann der Bericht auch als Leitfaden für Kaufleute gelesen werden, die im Orient Handel treiben möchten. Er gibt detaillierte Entfernungsangaben und Hinweise auf wichtige Handelsplätze sowie auf die Höhe der Zollabgaben für bestimmte Warengruppen. Gleichzeitig hat Rustichello offenbar darauf hingewirkt, dass die Informationen Marco Polos in eine für ein breiteres Publikum passende literarische Form gebracht wurden. Er hat so manche Ausschmückung eingefügt, die das Buch zu einer unverzichtbaren Reisefibel für westliche Leser machte.

Interpretationsansätze

  • Marco Polo zeigt sich als offener und unvoreingenommener Beobachter alles Neuen und Unbekannten, dem er auf seiner Reise begegnet – außer wenn es um Muslime geht. Die Fülle von Informationen, die mit einer für die damalige Zeit eher untypischen, objektiven Genauigkeit aufgezeichnet wurden, trug maßgeblich zur Popularität des Buches bei.
  • Der Reisebericht hatte großen Einfluss auf das mittelalterliche Chinabild in Europa. Kaufleute, Herrscher und Geografen mussten nach Erscheinen des Textes die Welt neu denken. Die Weltkarte musste neu gezeichnet werden – was allerdings ansatzweise erst ab dem 16. Jahrhundert geschah.
  • Fakten oder Fiktion? Ob die Beschreibungen all der fremdartigen Orte und Bräuche (ganz zu schweigen von den ebenfalls erwähnten Fabelwesen) der Wahrheit entsprechen, ob Marco Polo wirklich alles selbst erlebt und gesehen hat oder ob der Bericht eher im Reich der Märchen und Legenden anzusiedeln ist, diese Frage war schon bei Polos Zeitgenossen umstritten und ist es bis heute.
  • So manches asiatische Brauchtum, das Marco Polo schildert, hat sich bis in die Gegenwart gehalten, beispielsweise die Herstellung von Gegenständen aus Papier bei der Totenbestattung in China oder die Witwenverbrennung in Indien.
  • Der Titel des Buches lässt sich unterschiedlich erklären: Möglicherweise steht er für die geschilderten Reichtümer Asiens (analog zum Untertitel „Die Wunder der Welt“). Oder er leitet sich von einem familiären Zunamen der Polos ab: Marcos Vater Niccolò wurde auch „Milion lo grande“ genannt. Oder aber der Titel wurde dem Buch von Zeitgenossen verliehen, war ironisch gemeint und sollte auf die Unglaubwürdigkeit der Polo’schen Schilderungen hinweisen.

Historischer Hintergrund

Der Orienthandel und das mongolische Reich

Im zwölften Jahrhundert war der Handel Europas mit der Levante, den Ländern des östlichen Mittelmeers, sehr rege. Als jedoch das Byzantinische Reich bankrottging, verloren viele Kaufleute alles, was sie in investiert hatten, und mussten sich nach neuen Märkten und Handelsrouten umsehen. Seit Jahren trafen in Venedig und Konstantinopel Nachrichten über Asien ein: Im Osten läge ein großes Reich, hieß es, noch größer als das alte Rom, und ein Zipfel dieses Imperiums reiche bis ans Schwarze Meer: das Reich der Mongolen oder Tataren, wie sie im Mittelalter in Europa genannt wurden.

Im Jahr 1206 wurde Dschingis Khan zum obersten Führer der Mongolen ausgerufen; er und seine Nachkommen dehnten das Mongolenreich bis an die Grenzen Europas aus. Seinem Enkel Kublai Khan, der 1260 zum Großkhan ausgerufen wurde, ging es vor allem um die Konsolidierung des Reichs. 1264 verlegte er die Hauptstadt von Karakorum nach Peking, 1271 übernahm die mongolische Herrscherdynastie den Namen Yuan. Gerade als die Mongolen ihren Kriegszug gegen die südchinesische Song-Dynastie antraten, die sie 1279 besiegten, trafen die drei Polos am Hof Kublai Khans in Xanadu oder Shangdu ein.

Entstehung

Marco Polo war 17 Jahre lang im Dienst des Khans tätig. Zwar lebten damals auch noch andere Europäer in China, aber keiner von ihnen hinterließ einen so ausführlichen Bericht. Als die Polos 1295 nach Venedig zurückkehrten, befanden sich Genua und Venedig im Kampf um die maritime Vorherrschaft, und bei einem dieser Gefechte wurde Marco Polo festgenommen. Im Gefängnis traf er Rustichello von Pisa, einen Sammler und Autor französischer Ritterromane, dem er von seiner Reise in den Fernen Osten erzählte und der alles niederschrieb. Es ist anzunehmen, dass Rustichello die Berichte Marco Polos hier und da ergänzte und ausschmückte.

Marco Polo aber war durchaus an einem wirklichkeitsgetreuen Bericht gelegen. Beim Verfassen der Schrift hatte er offenbar die aufstrebende italienische Kaufmannschaft im Auge, die sich für Reiserouten, Zollgebühren, Handelsgüter und mögliche Gefahren im Handelsverkehr interessierte. Bemerkenswert ist, dass sich Polo bei seinen Aussagen über geografische Verhältnisse auf chinesisches und arabisches Kartenmaterial stützen musste, denn die mittelalterlichen Karten in Europa waren dem biblischen Weltbild verpflichtet und gaben nur wenig Auskunft über die Terra incognita jenseits der christlichen Vorstellung von der Welt. 1298/99 lag der Reisebericht unter dem Titel Le Devisament du monde vor (erst später wurde es in Il Milione umbenannt). Zum ersten Mal erschien damit in Europa ein Werk, das Zuverlässigeres vom Fernen Osten zu berichten wusste als all die Gerüchte und Spekulationen in den Jahrhunderten zuvor.

Wirkungsgeschichte

Kurz nach der Veröffentlichung des Reiseberichts war eine auffällige Aktivität der Genueser zu beobachten, was den Handel mit China anbelangt. Das Handbuch für Orientkaufleute, wie Marco Polo es im Sinn hatte, lieferte ja durchaus praktische Informationen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich Händler und Herrscher um Abschriften des Berichts förmlich rissen. Fast 150 handschriftliche Fassungen in verschiedenen Sprachen sind bis heute erhalten, und keine stimmt mit einer anderen überein. Eine Kopie gelangte 1426 nach Portugal und regte womöglich die Portugiesen zu ihren ausgedehnten Seeunternehmungen an. Auch Christoph Kolumbus führte nachweislich ein Exemplar mit sich. Il Milione wurde also als Reiseführer, aber auch als Unterhaltungslektüre beliebt. So mancher Reiseschriftsteller hat sich noch Jahrhunderte später von diesem Werk inspirieren lassen. Auch auf die Kartografie hatte Marco Polo – wenn auch mit Verzögerung – wesentlichen Einfluss. So wurde z. B. auf der Weltkarte von Johannes Ruysch aus dem Jahr 1508 ein Territorium namens „Asia Marci Pauli Veneti“ hinzugefügt. Ebenso interessant wie amüsant ist, dass Polos Werk zur gleichen Zeit von Gelehrten als Abenteuerroman eingestuft wurde, der jeglichen Wahrheitsgehalt vermissen lasse und ein Produkt purer Fabulierlust sei.

Wenngleich sich heute Reiseveranstalter und Reisende gern darauf berufen, auf Marco Polos Spuren zu wandeln, und zahlreiche Verfilmungen und Bücher den ersten Globetrotter bis heute hochleben lassen, so werden doch immer wieder Zweifel an der Echtheit seiner Aussagen laut. Warum beispielsweise erwähnt Marco Polo die chinesischen Schriftzeichen nicht, die doch jedem Chinareisenden sofort ins Auge springen müssten? Warum findet ein Monumentalwerk wie die Chinesische Mauer keinen Eingang in den Bericht? Warum erwähnt Polo mit keinem Wort die auffälligen eingebundenen Füße chinesischer Frauen? Und warum findet man stellenweise wortwörtliche Übereinstimmungen zwischen früheren persischen und arabischen Schriften und Polos Bericht? Das Rätsel Marco Polo bleibt weiterhin ungelöst.

Über den Autor

Marco Polo wird 1254 in Venedig geboren; er stammt aus einer alteingesessenen und vornehmen Handelsfamilie. Als sein Vater Niccolò Polo, der von Konstantinopel aus schon früh im Orienthandel tätig war, von einer ersten Erkundung Asiens zurückkehrt, ist Marco 15 Jahre alt, die Mutter schon lange gestorben. Marco begleitet seinen Vater und seinen Onkel Maffeo 1271 auf einer Reise nach China und wird dort vom Mongolenherrscher Kublai Khan in verschiedenen Missionen eingesetzt, die ihn von Nordchina u. a. nach Tibet, Südchina, Burma und ins heutige Indochina führen. Erst 1292 erhalten die Polos die Erlaubnis, das Land zu verlassen. Sie reisen über den Seeweg zurück nach Venedig, wo sie 1295 eintreffen. Am 8. September 1298 kommt es zu einer Seeschlacht zwischen Genua und Venedig; Marco Polo wird in Haft genommen. Im Gefängnis erzählt er seinem Zellengenossen Rustichello von Pisa seine Reiseeindrücke, die dieser schriftlich festhält. Als die Städte 1299 Frieden schließen, lässt man Marco Polo wieder frei. Darüber hinausgehende Informationen zu ihm sind äußerst spärlich. Anhand diverser venezianischer Archivmaterialien kann lediglich gesagt werden, dass er als Financier und Teilhaber von Geschäften in Erscheinung tritt. Er heiratet im Januar 1300 und hat drei Töchter. In seinem Testament, das am 9. Januar 1324 publik wird, legt er die Güterteilung fest und lässt seinen angeblich mongolischen Sklaven frei. Von Freunden und Verwandten bedrängt, doch endlich zuzugeben, dass er nur Lügengeschichten erzählt habe, erwidert er der Legende nach auf dem Sterbebett: „Ich habe nicht die Hälfte dessen erzählt, was ich gesehen habe!“

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