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Der geteilte Himmel

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Der geteilte Himmel

Suhrkamp,

15 min read
10 take-aways
Text available

What's inside?

Eine junge Generation setzt sich für den Aufbau einer neuen Gesellschaft ein – und wird mit Widersprüchen konfrontiert.

Literatur­klassiker

  • Entwicklungsroman
  • Nachkriegszeit

Worum es geht

Das Private ist politisch

Mit ihrem ersten Roman Der geteilte Himmel lieferte Christa Wolf ein Stimmungsbild der noch jungen DDR: Da ist einerseits die ältere Generation, die noch für Hitler gekämpft hat und sich nun ohne Weiteres einer neuen Ideologie unterordnet. Andererseits gibt es eine junge Generation, die sich für den Aufbau einer neuen Gesellschaft einsetzt, dabei aber pausenlos mit Widersprüchen konfrontiert wird: mit den Missständen der Planwirtschaft, den verrußten Städten, der Sturheit der Parteifunktionäre, den sinnlosen ideologischen Vorgaben. Wolfs Roman ist alles andere als plakative Propaganda im Stil des sozialistischen Realismus, sondern ein vielschichtiges und erstaunlich kritisches Porträt der DDR um 1960. Der geteilte Himmel zeigt in sorgfältigen Formulierungen die Schattenseiten der DDR auf und entlarvt ihre Typen. Trotz verklärender und schwärmerischer Tendenzen ist das Buch ein sprachlich dichter und formell ausgefeilter Roman, den zu lesen sich auch Jahrzehnte nach dem Mauerfall noch lohnt.

Take-aways

  • Der geteilte Himmel gilt als Klassiker der DDR-Literatur und machte Christa Wolf schlagartig in Ost- und Westdeutschland bekannt.
  • Inhalt: Die Beziehung zwischen der Studentin Rita Seidel und dem promovierten Chemiker Manfred Herrfurth Anfang der 60er-Jahre in der DDR zerbricht an unterschiedlichen Lebensentwürfen. Während Rita den im Aufbau befindlichen sozialistischen Staat unterstützen will, setzt sich Manfred nach Westberlin ab.
  • Im Text werden zwei Erzählebenen verwoben: eine gegenwärtige und eine vergangene.
  • Vom Krieg traumatisiert, verkörpern Rita und Manfred den Zorn der jungen auf die ältere Generation.
  • Himmel und Erde sind Leitmotive. Der Himmel steht unter anderem für Angst, die Erde für Sicherheit.
  • Der Roman verarbeitet Wolfs Erfahrungen als Arbeiterin in einem Waggonwerk.
  • Sie wurde von offizieller Seite für die ideologisch mangelhafte Haltung ihrer Figuren kritisiert.
  • Die Erstauflage war umgehend vergriffen, heute liegen insgesamt 19 Übersetzungen vor.
  • Konrad Wolf verfilmte den Roman 1964.
  • Zitat: „,Den Himmel wenigstens können sie nicht zerteilen‘, sagte Manfred spöttisch. – Den Himmel? Dieses ganze Gewölbe von Hoffnung und Sehnsucht, von Liebe und Trauer? ‚Doch‘, sagte sie leise. ‚Der Himmel teilt sich zuallererst.‘“

Zusammenfassung

In einer namenlosen Industriestadt

Es ist Ende August 1961 in einer DDR-Stadt mit chemischer Industrie, Maschinenbau und Braunkohletagebau. Die Luft ist schwer, das Wasser stinkt nach Chemie, die Menschen sind verbittert und kehren doch Tag für Tag an ihre Arbeitsstätten zurück. Die 21-jährige Lehramtsstudentin Rita Seidel erwacht in einem Krankenhaus. Sie ist in dem Waggonwerk, wo sie während der Ferien arbeitete, ohnmächtig geworden. Trotz medizinischer Betreuung und Besuchen von Kollegen verbessert sich ihr Zustand nicht wesentlich. Sie weint stundenlang, redet kaum und wird schließlich in ein Sanatorium verlegt. Der Arzt vermutet hinter ihrem Zusammenbruch eine unglückliche Liebe.

„Die gleiche Sehnsucht trieb sie in ihr Dorf und ihn an diese Chaussee, die zur Autobahn und, wenn man will, zu allen Straßen der Welt führte.“ (über Rita und Manfred, S. 15)

Zwei Jahre zuvor: Rita verliebt sich in Manfred Herrfurth, einen zehn Jahre älteren promovierten Chemiker. Er ist zur Erholung in ihr Dorf gekommen und hat Rita beim Dorftanz kennengelernt. Für Rita bedeutet die Bekanntschaft das Ende ihres einförmigen, langweiligen Lebens: Bereits mit 17 Jahren hat sie als Sekretärin in einem Versicherungsbüro angefangen, um ihre Mutter finanziell zu unterstützen. Manfred gibt ihr das Gefühl, zu leben, auch wenn er oft hochmütig, gleichgültig und unnahbar ist.

Gemeinsam unter einem Dach

Silvester 1959 verbringen sie gemeinsam beim Skifahren. Ihre Beziehung festigt sich. Im Frühjahr 1960 lässt sich Rita für ein Lehramtsstudium anwerben. Manfred bietet ihr an, sie könne mit ihm bei seinen Eltern wohnen, um von dort aus zur Universität zu pendeln. Es geht ihm aber auch darum, sie in seiner Nähe zu wissen. Er fürchtet, die Kontrolle über sie zu verlieren. Zugleich verabscheut er die Villa seiner Eltern, die er als „Sarg“ bezeichnet. Rita empfindet die Stadt, in der sie nun mit ihm wohnt, als deprimierend. Die Menschen sind rücksichtslos, eine Dunstglocke von Industrieabgasen liegt über der Stadt. Doch in der Zweisamkeit finden Manfred und Rita Geborgenheit und Glück.

Im Waggonwerk

Als angehende Lehrerin muss Rita einen Großbetrieb kennenlernen. Sie wählt ein Waggonwerk. Dort ist sie zunächst orientierungslos, fühlt sich bald ausgelaugt und empfindet die Arbeit als Kraftverschwendung. Ähnlich belastend sind die Abendessen im Kreis der Familie Herrfurth. Die griesgrämige Elfriede Herrfurth neigt zu hysterischen Anfällen. Manfred verabscheut seinen Vater, der die Mutter bereits mehrfach betrogen hat. Ulrich Herrfurth war früher in der Brigade ein Vorgesetzter von Ritas freundlichem Kollegen Rolf Meternagel; angeblich hatte Meternagel mit den Abrechnungen geschludert, sodass Herr Herrfurth ihn von seinem Posten als Meister abberufen und degradiert hat.

„Das Leben hat vor ihnen gelegen, und sie hatten darüber zu befinden. Alles war möglich, nur dass sie sich wieder verloren, war unmöglich.“ (über Rita und Manfred, S. 25)

Im Betrieb kommt Rita bald besser zurecht. Im April 1960 feiert sie mit ihren Kollegen den 5000. Waggon, der das Werk verlässt. Dabei lernt sie Ernst Wendland kennen, der neuer Werksleiter wird, nachdem der alte nach Westberlin geflohen ist – angeblich, um sich der Verantwortung für den Produktionseinbruch zu entziehen. Bald darauf ist ebendieser geflohene Leiter im Radio zu hören: Er rät den Kollegen, seinem Beispiel zu folgen. Die Spannungen und die Unruhe im Werk nehmen zu, die Produktion geht zurück, man ist im Planrückstand. Rita hofft, mit Wendland werde alles anders – eine Hoffnung, die Manfred sofort zynisch verspottet. Er kennt Wendland aus Schulzeiten.

„An einem kühlen Aprilsonntag, als sie einzog, zeigte Manfred seiner künftigen Frau die Wohnung seiner Eltern. ‚Mein Lebenssarg. Eingeteilt in Wohnsarg, Esssarg, Schlafsarg, Kochsarg.‘“ (S. 31)

Rita ist von Meternagel beeindruckt, der trotz seines Sturzes wieder hochgekommen ist, nun mit Zähigkeit zupackt und versucht, seine Kollegen zu mehr Produktivität anzutreiben. Meternagel und Wendland gehen sich aus dem Weg, weil Meternagels Tochter Wendland einst einen Korb gegeben hat. Wendland nimmt es Meternagel übel, dass der seinerzeit nicht eingeschritten ist. Manfred ist der stets müden und erschöpften Rita eine Stütze. Er begleitet sie auf eine Feier, wo Rita mit ihrer graziösen Erscheinung die Königin des Abends ist und von anderen Männern zum Tanz aufgefordert wird. Als auch Wendland sie um einen Tanz bittet, wird Manfred misstrauisch. Im Gespräch mit Rita und Wendland gibt er sich zynisch, er verhöhnt Wendland und macht keinen Hehl daraus, dass die Geschichte ihn desillusioniert hat. Später bietet Wendland Meternagel eine Forschungsstelle an und rehabilitiert ihn damit.

Am Lehrerinstitut

Im Herbst 1960 beginnt Rita ihr Studium am Lehrerinstitut, wo sie sich zunächst fremd und allein fühlt. Sie freundet sich mit der koketten Marion an, die sie aufmuntert. Dennoch bleibt Rita hilfsbedürftig, bedrückt und schlaflos. Manfred hat seinerseits einen neuen Freund, seinen Diplomanden Martin Jung, der oft zu Besuch kommt, Schallplatten mitbringt und für gute Stimmung sorgt. An einem trüben Herbsttag erscheint Rita nicht zum Abendessen, woraufhin Manfred zornig wird. Sie hat ihren Bekannten, den Lehrer-Anwerber Erwin Schwarzenbach, zufällig am Geschichtsinstitut getroffen und ist zum Abendbrot bei dessen Familie geblieben. In ihrem Kurs gibt es einen spießigen Karrieristen und Aufpasser namens Mangold, der den Dozenten zurechtweist und von dem sich auch Rita eingeschüchtert fühlt. Manfred rät ihr, sich aus diesen Dingen herauszuhalten. Dieses Gespräch und die unterschiedlichen Ansichten, die sich darin offenbaren, wird Rita später als den Bruch zwischen ihr und Manfred betrachten. Im Gegensatz zu Manfred sieht sie die Welt nicht als kosmischen Zufall, an dem man sowieso nichts ändern kann.

Versuch einer Annäherung

Wendland besucht Manfred im Labor. Manfred bedauert im Gespräch, dass die Wissenschaft in Ostdeutschland nicht so weit entwickelt sei wie im Westen. Beim gemeinsamen Abendessen erzählt Wendland von Beschaffungsproblemen im Werk: Der Berliner Zulieferer produziert keine elektronischen Anlagen mehr. Wendland hat sich beim dortigen Werksleiter beschwert, der jedoch zurückschoss, sodass die Bezirksleitung Wendland Egoismus und Unbeherrschtheit vorwarf. Wendland spielt den Vorfall herunter und berichtet, dass ihm 1945 Ähnliches passiert sei: Nach Kriegsende habe eine sowjetische Patrouille zufällig eine Pistole bei ihm gefunden und er sei zu drei Jahren in Sibirien verurteilt worden. Danach habe er die Antifa-Schule besucht. Manfred befürchtet, Wendland wolle ihn für die Sache des Kommunismus werben und geht.

Enttäuschung und Resignation

An Weihnachten 1960 besucht Rita mit Manfred dessen Doktorvater, einen selbstverliebten Professor, vor dem die Gäste buckeln. Von Martin Jung erfährt Manfred, dass ihre gemeinsame Erfindung – eine neue Spinnmaschine – abgelehnt wurde. Für Manfred bricht eine Welt zusammen. Zugleich hat er das Gefühl, er habe sich beinahe vom Staatsapparat einfangen lassen, sei ihm nun aber entgangen. Ein Streitgespräch entzündet sich, Thema ist der Lage der Wissenschaft in der DDR angesichts der Abwanderung von Fachkräften nach Westdeutschland. Alle außer einem Gast kuschen vor der Meinung des Professors. Dieser verunglimpft den Protestler vor aller Augen. Manfred hat keine Hoffnung mehr auf Änderung. Rita bleibt verwirrt zurück. Sie und Manfred sprechen nie über den Abend.

„Die zweimal hunderttausend Leute lebten nicht hier, weil es besonders Spaß machte, hier zu leben. Das sah man ihren Gesichtern an (...)“ (S. 35)

Der mutlose Manfred fährt mit Martin Jung nach Thüringen, zu dem Werk, das es abgelehnt hat, ihre Maschine zu testen. Rita erhält weder Briefe noch Anrufe und fragt sich, wie es den beiden ergehen mag. Ihre Studienkollegin Marion besucht sie. Die beiden sprechen über eine Kommilitonin namens Sigrid, deren Familie in den Westen gegangen ist. Sigrid versucht, diese Tatsache zu verheimlichen. Als Mangold Rita droht, weil sie von Sigrids Geheimnis wusste, flieht sie in ihr Heimatdorf. Wenig später muss sie sich von Mangold wegen der versäumten Schultage zurechtweisen lassen. Unterstützung erhält sie von Schwarzenbach, der Mangold provoziert und für Nachsicht und Geduld vonseiten der Partei plädiert.

„Hinter den Toren der Werke galten die Jahreszeiten der Produktion.“ (S. 39).“

Manfred berichtet Rita nach diesen Ereignissen von einem früheren Freund, mit dem er offen über die Fehler im System gesprochen habe. Daraufhin hätten sich alle in seiner Umgebung von ihm abgewandt und ihm Verdorbenheit vorgeworfen. Sein Freund habe sogar einen verunglimpfenden Artikel über ihn geschrieben und ihm bürgerliche Irrmeinungen vorgeworfen.

Unvereinbare Spannungen

Im Sanatorium erhält Rita von Martin Jung einen Brief, den Manfred diesem geschrieben hat. Manfred ist inzwischen in den Westen geflohen und äußert in dem Brief sein Entsetzen darüber, dass die DDR-Bürger nach der Aufdeckung von Stalins Verbrechen nicht aufmucken. Es stellt sich heraus, dass Martin Jung nach jenem Aufenthalt in Thüringen vom Studium ausgeschlossen wurde, weil er auf einer Betriebsversammlung die anderen Teilnehmer als „Intriganten, Nichtskönner und Bremsklötze“ bezeichnet hatte. Manfred setzte damals erfolglos für ihn ein.

„Irgendwo zwischen ihr und mir fängt die neue Generation an. Wie soll sie begreifen, dass man uns alle frühzeitig mit dieser tödlichen Gleichgültigkeit infiziert hat, die man so schwer wieder los wird?“ (Manfred über Rita, S. 56 f.)

Im April 1961 lädt Wendland zur Probefahrt im neuen Eisenbahnwaggon. Die fünfstündige Fahrt wird von der Nachricht in den Schatten gestellt, dass die Sowjetunion erfolgreich den ersten Menschen ins All geschickt hat. Während der Fahrt beginnt Manfred mit Wendland eine politische Diskussion über die Unmöglichkeit, den Sozialismus in einer Gesellschaft wie der deutschen umzusetzen, die zwischen den Generationen große Brüche aufweist. Angesichts des erfolgreichen bemannten Weltraumflugs befürchtet er eine Propagandaschlacht um den Kosmonauten. Wendland kontert, indem er auf die inzwischen erfolgte Degradierung von Manfreds Vater anspielt. Da Manfred darüber nicht informiert war, reagiert er gekränkt und unbeherrscht. Er klagt über die Illusionen in der Gesellschaft und über die Verschwendung von Energie, während das Schicksal der Arbeiter unverändert sei. Die Beziehung zu Rita wird zunehmend brüchiger. Das allgemeine Unbehagen nimmt während der folgenden Wochen noch zu; Manfred zeigt seinen Eltern nun offen seinen Hass und treibt seinen Vater in die Enge, bis dieser seine Degradierung zugibt. Manfred kann die Heuchelei nicht mehr ertragen und erhofft sich noch nicht einmal mehr von Rita Hilfe. Als diese nach bestandener Prüfung von Wendland zum Essen eingeladen wird, platzt Manfred der Kragen. Rita ist jederzeit auf ein Unglück gefasst.

Flucht und Trennung

Nach einem Chemikerkongress in Berlin setzt sich Manfred in den Westen ab. Wie er in einem Brief schreibt, will er Rita nachholen. Diese wohnt weiter bei den Herrfurths. Frau Herrfurth muss ein paar Wochen später mit Atemnot ins Krankenhaus, wo sie wenige Tage darauf stirbt. Rita ist innerlich unbeteiligt. Bei der Beerdigung geht Wendland an ihrer Seite. Er hat durch Herrn Herrfurth von Manfreds Flucht erfahren. Rita empfindet ihn als verständnisvoll und als wahre Stütze. Manfred bleibt in Westberlin.

„Die Unordnung des Betriebes brach verheerend in den wohlorganisierten Mechanismus der Herrfurthschen Mahlzeiten ein.“ (S. 70)

Im August 1961 reist Rita nach elf Wochen der Trennung mit leichtem Gepäck nach Berlin, um Manfred zu treffen. Sie ist, weil sie Ferien hat, wieder im Werk tätig und hat am Vorabend – wie Wendland auch – fast bis Mitternacht gearbeitet. In Berlin fühlt sich Rita unwohl. Nachdem sie durch die Passkontrolle gegangen ist, fährt sie zum Bahnhof Zoo nach Westberlin, wo Manfred im Haus seiner Tante wohnt. Als sie das Zimmer betritt, sitzt er in Abwehrhaltung da, mit abweisendem Blick, er hat sie nicht erwartet. Sie gehen dann nach draußen, wo er ihr alles erklären möchte. Für Rita ist Westberlin jedoch fremder als das Ausland. Beim Mittagessen wirft Manfred ihr vor, dass sie ihre „politische Brille“ nicht absetzen kann. Als Rita von zunehmendem Druck im Werk berichtet, hat Manfred wenig Verständnis. Er fleht sie an, bei ihm zu bleiben und mit ihm nach Westdeutschland zu gehen, wo er eine Stelle gefunden hat. Rita sieht, dass er aufgegeben hat, und erzählt ihm, dass Wendland ihm seinen Fortgang nicht verzeiht. Manfred ärgert sich und meint, der Mensch sei einfach nicht zum Sozialisten geschaffen. Rückblickend, im Sanatorium, kommt Rita zu dem Schluss, dass sie ein Jahr früher noch mit ihm mitgegangen wäre, dass sie sich inzwischen jedoch zu weit voneinander entfernt hätten.

Zurück im Werk

Am Sonntag nach Ritas Besuch in Westberlin wird mit dem Bau der Mauer begonnen. Rita geht an diesem Tag ganz bewusst ins Werk arbeiten. Die Trennung von Manfred lässt eine tiefe Resignation über sie kommen, sodass sie sich in selbstmörderischer Absicht den fahrenden Waggons aussetzt. Doch sie wird gerettet. Nach ihrem gut zweimonatigen Aufenthalt im Sanatorium kehrt Rita in die Stadt zurück und wohnt weiter bei den Herrfurths. Sie besucht Meternagel, der inzwischen rehabilitiert wurde, aber gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Sie bewundert ihn dafür, dass er sich immer wieder aufgerappelt und weitergemacht hat.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der Roman ist in der dritten Person, aus der Perspektive eines allwissenden Erzählers verfasst und setzt bei Ritas Erwachen aus der Ohnmacht ein. Sie blickt zurück auf die Ereignisse der letzten zwei Jahre, die Aufschluss über die Gründe ihres Zusammenbruchs geben. Zwei Zeitebenen werden miteinander verwoben: die Gegenwart im Sanatorium, wo Rita sich erholt und Besuche von ehemaligen Kollegen aus dem Waggonwerk empfängt; und die Vergangenheit, in der sich ihre Beziehung zu Manfred entwickelt, dann brüchig wird und schließlich mit einer Trennung endet. Ritas Erinnerungen sind assoziativ, bruchstückhaft und reflektierend. Auf der Vergangenheitsebene kommt es permanent zu Zeitsprüngen und Perspektivwechseln, zu Rückblenden und Vorausschauen. Bereits früh erfährt der Leser zum Beispiel, dass Rita und Manfred später auf verschiedenen Seiten der Mauer stehen werden – zu einem Zeitpunkt, zu dem für die Figuren noch gar nicht absehbar ist, dass es eine Mauer geben wird. Die Erzählzeit umfasst gut zwei Monate: von Ende August bis Anfang November 1961. Die erzählte Zeit und damit die Beziehung zu Manfred, an die sich Rita erinnert, beginnt im Sommer 1959 und endet im August 1961.

Interpretationsansätze

  • Die Hauptfigur Rita steht für die Nachkriegsgeneration, die auf der Suche nach einem erfüllten Leben bewusst in der DDR bleiben und das Experiment eines sozialistischen Staates mitgestalten will.
  • Rita macht von allen Figuren die größte Entwicklung durch und reift vom naiven Mädchen zur selbstbewussten Frau, die sich in einer Männerdomäne durchsetzt. Das Buch ist somit auch ein Entwicklungsroman aus weiblicher Perspektive.
  • In Prolog werden die Leitmotive Himmel und Erde eingeführt und im Epilog wieder aufgenommen. Der Himmel – gewöhnlich eine Metapher für Weite und Grenzenlosigkeit – steht hier für Verschmutzung und Bedrückung sowie für die Angst vor einem neuen Krieg. Die Erde dagegen repräsentiert Heimatverbundenheit, Sicherheit und Vertrauen. Entsprechend nehmen Naturbeschreibungen im Roman viel Raum ein, zudem untermalt der Verlauf der Monate und der Wechsel der Jahreszeiten die Handlung.
  • Der Roman ist auch eine Liebesgeschichte zweier Individuen, deren Leben mit zeitgeschichtlichen Zusammenhängen verknüpft wird. Christa Wolf erkundet damit, welche Gestaltungsspielräume der Einzelne in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation hat.
  • Als typische Vertreter einer durch den Krieg traumatisierten Generation verkörpern Rita und Manfred den Zorn auf die ältere Generation. Rita, geboren 1940, ist seit frühester Kindheit auf Veränderungen gefasst. Ihr Vater kehrte nie aus dem Krieg zurück, sie floh mit ihrer Mutter gegen Kriegsende aus Böhmen nach Mitteldeutschland, wo sie in ärmlichen Verhältnissen bei einer Tante aufwuchs und ihre kranke Mutter pflegte. Manfred, Jahrgang 1930 und ehemaliger Hitlerjunge, verabscheut und verhöhnt seinen Vater, der scheinbar nahtlos von der SA zur SED gewechselt ist und nun sein Fähnchen nach dem Wind hängt, um Karriere zu machen.
  • Der ebenso störrische wie mutige Meternagel ist der „sozialistische Held“. In sowjetischer Gefangenschaft zum Antifaschisten erzogen, setzt er sich uneigennützig ein, fragt nicht nach Lohn und treibt jeden Monat das Planziel höher.

Historischer Hintergrund

Die DDR um 1960

In den späten 1950er-Jahren war der Kalte Krieg in vollem Gang. Das atomare Wettrüsten der beiden verfeindeten Blöcke nahm beängstigende Ausmaße an und versetzte insbesondere die Menschen in Deutschland, an der Nahtstelle der beiden Blöcke in Angst vor einem neuen Krieg.

Ende der 1950er-Jahre ging es dank abnehmender Flüchtlingszahlen und steigender Industrieproduktion mit der Wirtschaft bergauf. Ab Mai 1958 entfielen die Lebensmittelkarten in der DDR, auch die Rationierungen für Fleisch, Fett und Zucker wurden aufgehoben. Lehrer und Wissenschaftler waren gesucht. Auf dem 20. Parteitag der KPdSU 1956 wurden die Verbrechen Josef Stalins von Nikita Chruschtschow benannt und verurteilt, die DDR-Führung jedoch ging gegen antistalinistische Reformsozialisten vor.

Im April 1959 rief die DDR den sogenannten Bitterfelder Weg aus, der eine neue sozialistische Kulturpolitik begründen sollte: Um die Trennung von Kopf- und Handarbeit aufzuheben und der Entfremdung zwischen Kulturschaffenden und Arbeitern entgegenzuwirken, sollten Künstler und Schriftsteller in die Betriebe gehen und die Werktätigen bei deren eigener künstlerischer Tätigkeit unterstützen. Im Gegenzug sollten Autoren ihren Lesern Einblick in den sozialistischen Alltag geben. Prominente Autoren kritisierten jedoch die Vereinnahmung des kulturellen Raums durch die Propagandamaschine der DDR.

Ab 1960 stieg die Zahl der DDR-Bürger, die in den Westen abwanderten, wieder an. 1960 waren es 199 000; allein im Juli 1961 setzten sich 30 000 Personen nach Westdeutschland ab. Zu ihnen zählten vor allem junge Menschen und gut ausgebildete Fachkräfte. Der Mangel an Arbeitskräften brachte die Wirtschaft – trotz verbesserter Versorgungslage – erneut in Schwierigkeiten. Um eine Massenflucht zu verhindern, reagierte die SED-Regierung am 13. August 1961 mit einer Abriegelung der Sektorengrenze rund um Westberlin. Dies war der Beginn des Mauerbaus. Neben der Errichtung von Sperranlagen verringerte die DDR-Regierung – im Einverständnis mit der Sowjetunion – die Zahl der Grenzübergänge.

Entstehung

Der Roman entstand zwischen 1959 und 1961, als die Impulse des Bitterfelder Wegs Einfluss auf die Literatur der DDR ausübten. Christa Wolf hatte sich an die Direktiven gehalten und 1960 in einer Brigade im Waggonwerk Ammendorf bei Halle gearbeitet, wo sie auch einen Kreis schreibender Arbeiter betreute. Sie ließ ihre Beobachtungen in ihren Roman einfließen. Rund zwei Jahre lang arbeitete sie an Der geteilte Himmel. Die Endfassung lag im Sommer 1962 vor.

Wie Tagebucheinträgen zu entnehmen ist, haderte Christa Wolf jedoch mit den offiziellen kulturpolitischen Forderungen und hinterfragte, inwieweit die Literatur industrielle Vorgänge wirklichkeitsgetreu wiedergeben kann. Diese Vorgänge seien in der Literatur unerträglich banal und bedürften einer „Überidee“, um erzählenswert zu sein. Um diese Frage zu erörtern, wandte sie sich ratsuchend an die Schriftstellerin Anna Seghers.

Bereits im November 1962 erschien ein Vorabdruck in der Zeitschrift Forum. Dieser fand ein großes Echo. Die Buchausgabe mit Grafiken von Willi Sitte erschien im Mai 1963.

Wirkungsgeschichte

Der geteilte Himmel machte Christa Wolf als Schriftstellerin berühmt. Die Erstauflage war umgehend vergriffen, innerhalb weniger Monate wurden 160 000 Exemplare in zehn Auflagen verkauft. Heute liegen insgesamt 19 Übersetzungen vor.

Christa Wolf erhielt für ihren Roman 1963 den Heinrich-Mann-Preis und ein Jahr darauf den Nationalpreis der DDR. Man würdigte ihren „Beitrag zur sozialistischen Nationalliteratur“ sowie die Erfassung eines „sozialistischen Lebensgefühls“. Dogmatischere Kritiker bemängelten jedoch auch die Überforderung des Lesers mit modernistischen Erzähltechniken und die ideologisch bzw. didaktisch mangelhafte Haltung der Figuren sowie die Tatsache, dass mit Manfred eine Figur porträtiert wird, die Republikflucht begeht. Der Umstand, dass Der geteilte Himmel einerseits angegriffen wurde, die Autorin jedoch andererseits mit Preisen ausgezeichnet wurde, verweist auf die Vielschichtigkeit von Christa Wolfs Roman.

Der geteilte Himmel wurde 1964 vom DDR-Regisseur Konrad Wolf unter demselben Titel erfolgreich verfilmt. Christa Wolf und ihr Mann Gerhard Wolf waren am Drehbuch beteiligt.

Über den Autor

Christa Wolf wird am 18. März 1929 in Landsberg an der Warthe geboren. Nach der Vertreibung 1945 lässt sich ihre Familie in Mecklenburg-Vorpommern nieder. Wolf arbeitet zunächst als Schreibkraft und macht 1949 ihr Abitur. Im selben Jahr tritt sie der SED (Sozialistische Einheitspartei) bei. Während des Germanistikstudiums lernt sie ihren späteren Mann, den Schriftsteller Gerhard Wolf, kennen. Nach dem Studium arbeitet Christa Wolf zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin für den Deutschen Schriftstellerverband, dann als Verlagslektorin und als Redakteurin einer Literaturzeitschrift. Ab 1962 ist sie freie Schriftstellerin. Ein Jahr darauf erscheint der Roman Der geteilte Himmel, eine Auseinandersetzung mit dem Mauerbau und mit unterschiedlichen Lebensentwürfen in beiden Teilen Deutschlands. Christa Wolf gilt als Vorzeigeintellektuelle der jungen DDR, doch schon bald gerät sie wegen ihres subjektiven Stils und der Behandlung kontroverser Themen in Konflikt mit dem Machtapparat. Ihr zweiter Roman Nachdenken über Christa T. (1968) erscheint zunächst nur in kleiner Auflage. 1976 unterstützt die Autorin den Protest gegen die Zwangsausbürgerung des Liedermachers Wolf Biermann. Bei aller Kritik bleibt sie der Idee des Sozialismus dennoch treu. Als sogenannte „loyale Dissidentin“ darf sie reisen, hält Vorträge im Ausland und wird zunehmend als gesamtdeutsche Schriftstellerin anerkannt. 1980 erhält sie den renommierten westdeutschen Georg-Büchner-Preis. 1983 erscheint ihre Erfolgserzählung Kassandra. Nach dem Fall der Mauer setzt Wolf sich für den „dritten Weg“ einer reformierten DDR und gegen die Wiedervereinigung ein. 1993 gibt sie zu, zwischen 1959 und 1962 als IM (inoffizielle Mitarbeiterin) für die Stasi gearbeitet zu haben, weist aber auch darauf hin, dass sie ab 1969 permanent von der Spitzelbehörde überwacht wurde. In den 90er-Jahren diffamieren westliche Kritiker die einst gefeierte Schriftstellerin als „Staatsdichterin der DDR“. Sie stirbt am 1. Dezember 2011 in Berlin.

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