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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

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Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins

Hanser,

15 min read
12 take-aways
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What's inside?

Sie haben schon viele wichtige Entscheidungen getroffen in Ihrem Leben? Sie werden nie erfahren, ob sie wirklich richtig waren. Denn es gibt keine Wiederholung, sondern nur die Leichtigkeit des Seins. Und die, so Kundera, ist unerträglich.

Literatur­klassiker

  • Liebesroman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Das Leichte und das Schwere

Das Leben ist einmalig. Es ist angesichts der Ewigkeit ohne Gewicht, geradezu unerträglich leicht. Gewicht und Bedeutung hätte es nur, wenn es ständig wiederkehren würde. Auf dieser philosophischen Überzeugung baut Kundera seinen Roman um ein ungleiches Liebespaar im Prag der 60er Jahre auf. Tomas und Teresa werden 1968 Teil des Prager Frühlings und nach dessen gewaltsamer Beendigung Opfer der Repression. Kundera begleitet seine beiden Figuren ins Exil und wieder zurück und bis zum Ende ihres Lebens. Dabei verknüpft er kunstvoll die private mit der politischen Entwicklung. Der Roman ist darum weit mehr als nur eine schöne Liebesgeschichte. Kundera stellt grundlegende philosophische Überlegungen über die Bedingungen der menschlichen Existenz an und schlägt den Bogen von den Mythen der Antike bis zu ihrer Bedeutung in der Gegenwart. Manchmal erklärt er vielleicht etwas zu viel, und mit der eher essayistischen als poetischen Erzählweise und seinem sachlichen Ton zieht er sicher nicht jeden Leser in seinen Bann. Mag der Roman auch etwas zu konstruiert und die Darstellung der Figuren ein bisschen leblos wirken, so ist es Kundera doch gelungen, seine schweren Themen in etwas Leichtes zu verwandeln.

Take-aways

  • Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins ist das erfolgreichste Werk des tschechischen Autors Milan Kundera.
  • Vor dem Hintergrund der politischen Entwicklung in der Tschechoslowakei der 60er und 70er Jahre verfolgt Kundera die Schicksale und Liebschaften mehrerer Personen.
  • Tomas ist ein erfolgreicher Chirurg in Prag. Er genießt sein Leben als Junggeselle und hat viele Affären.
  • In der Serviererin Teresa begegnet ihm eine Frau, die er liebt. Sie erwidert seine Zuneigung. Tomas kann aber nicht auf seine amourösen Abenteuer verzichten.
  • Teresa fotografiert die Besetzung Prags durch sowjetische Truppen 1968. Ihre Fotos werden später zur Unterdrückung Oppositioneller missbraucht.
  • Nach dem gewaltsamen Ende des Prager Frühlings emigrieren beide in die Schweiz. Auch dort hat Tomas Affären.
  • Tomas’ Freundin Sabina ist ebenfalls in die Schweiz geflüchtet. Das bestimmende Motiv ihres Lebens ist der Verrat. Sabina hat später in den USA Erfolg als Malerin.
  • Zurück in Prag und wieder vereint, bekommen Tomas und Teresa die Unterdrückung durch das Regime zu spüren: Tomas muss seine Klinik verlassen.
  • Als Fensterputzer kann er seine Fähigkeit zur Eroberung von Frauen nochmals voll entfalten.
  • Nach zwei Jahren ist er müde. Mit Teresa sucht er den Frieden auf dem Land.
  • Trotz völlig unterschiedlicher Haltungen zum Leben und zur Liebe finden Tomas und Teresa ihren Frieden. Sie sterben bei einem Unfall Mitte der 70er Jahre.
  • Der Roman ist z. T. im Stil eines Essays geschrieben. Die Handlung dient der Illustration philosophischer Gedanken.

Zusammenfassung

Tomas und Teresa werden ein Paar

Tomas ist ein erfolgreicher Chirurg in einem Prager Krankenhaus. Auch mit seinem Liebesleben ist er zufrieden. Von seiner Frau hat er sich nach zwei Jahren Ehe scheiden lassen. Weil sie immer wieder den Kontakt zu ihrem gemeinsamen Sohn Simon vereitelt, entschließt er sich zu einem radikalen Schnitt und meidet sie und seinen Sohn fortan komplett. Seitdem vermeidet er feste Bindungen und hat mit vielen Frauen gleichzeitig Verhältnisse. Er trifft keine Freundin zu oft und will mit keiner die Nacht schlafend verbringen, weil der gemeinsame Schlaf ein Zeichen von Liebe wäre. Mit dieser unkomplizierten Beziehungslosigkeit ist es vorbei, als Tomas eines Tages mitten in der Provinz die Serviererin Teresa kennenlernt. Die junge Frau verfällt Tomas sofort. Weil sie gerne liest und er gerade ein Buch zuklappt, fühlt sie sich ihm verbunden. Die beiden verbringen eine Stunde gemeinsam im Park. Am Bahnhof überreicht er ihr zum Abschied seine Visitenkarte. Teresa sieht in dieser Begegnung einen Wink des Schicksals und beschließt, ihre Familie zu verlassen.

„Man kann nie wissen, was man wollen soll, weil man nur ein Leben hat, das man weder mit früheren Leben vergleichen noch in späteren korrigieren kann.“ (S. 11)

Einige Wochen später steht sie vor Tomas’ Tür. Sie lieben sich, und weil Teresa noch in derselben Nacht Fieber bekommt, übernachtet sie bei ihm. Er empfindet eine unerklärliche Liebe für die Frau, die in seinem Bett schläft, während er in einem Sessel liegt. Sabina, eine Malerin und regelmäßige Bettgespielin von Tomas, besorgt Teresa einen Job in einem Fotolabor. Tomas verzichtet nicht auf seine Seitensprünge, und es kommt, wie es kommen muss: Teresa entdeckt eines Tages sein Verhältnis mit Sabina. Auch wenn Tomas ihr zu erklären versucht, dass seine sexuellen Abenteuer nichts mit Liebe zu tun hätten, wird Teresa fortan von Albträumen geplagt. Wenn sie daraus erwacht, nimmt Tomas ihre zitternden Hände in die seinen und beruhigt Teresa. Nach einigen Jahren heiratet er sie, um ihre Eifersucht zu lindern, und schenkt ihr den Hund Karenin als Gefährten.

Prager Frühling

Tomas beschäftigt sich mit der Ödipussage. Der antike König heiratete unwissentlich seine Mutter und stach sich, als er sich dessen bewusst wurde, die Augen aus. Wenn schon ein Unschuldiger sich selbst so hart bestraft, wie müssen sich dann die wirklich Schuldigen fühlen? Tomas spitzt den antiken Mythos auf die Grundfrage zu, ob jemand unschuldig sein kann, nur weil er unwissend ist. Trägt etwa ein Herrscher, der ein Dummkopf ist, keine Verantwortung? In der bekanntesten Intellektuellenzeitschrift des Landes wird ein Leserbrief von Tomas veröffentlicht. Durch sinnentstellende Kürzungen entsteht der Eindruck, Tomas hätte dazu aufgefordert, den Kommunisten die Augen auszustechen. Während unter der Regierung von Alexander Dubcek Kommunisten an der Macht sind, die sich schuldig fühlen und an den gesellschaftlichen Verhältnissen etwas ändern wollen, haben andere Kommunisten, die behaupten unschuldig zu sein, Angst davor, vom Volk zur Rechenschaft gezogen zu werden.

„Entweder sieht man eine Frau in kurzen Abständen, aber dann nicht öfter als dreimal, oder man verkehrt jahrelang mit ihr, dann allerdings nur unter der Bedingung, dass mindestens drei Wochen zwischen den Verabredungen liegen.“ (Tomas, S. 15)

Teresa ist inzwischen zur Fotografin aufgestiegen. Die Russen besetzen im Herbst 1968 die Tschechoslowakei und bereiten der für ihren Geschmack zu liberalen Entwicklung des Landes ein Ende. Während Dubcek und die ehemalige Regierung nach Moskau gebracht werden, fotografiert Teresa mit leidenschaftlichem Hass. Ihre Bilder von Szenen der Besatzung und des Widerstands der Prager Bevölkerung werden weltweit abgedruckt. Sie fühlt sich leicht und wohl in dieser Zeit. Als Dubcek nach mehr als einer Woche eine Radioansprache hält, lauscht man einem gebrochenen Mann. Allen ist klar, dass das Experiment eines reformierten Kommunismus beendet ist und eine Zeit der Unterdrückung und Demütigung folgen wird.

Exil in Zürich und Rückkehr nach Prag

Von einem Schweizer Kollegen bekommt Tomas das Angebot, in Zürich zu arbeiten. Er glaubt, Teresa wolle nicht emigrieren, weil sie sich in den Tagen der Revolution stark und zufrieden gefühlt hat. Ihre Nächte waren frei von Albträumen. Mit der Klarheit, dass die politische Zukunft finster wird und man sie beide nicht so weiterarbeiten lassen wird wie bisher, werden Teresas Nächte wieder zur Bedrohung. Sie überredet Tomas zur Emigration. Sie fahren nach Zürich, wo Tomas in einer Klinik zu arbeiten beginnt. Teresa aber bekommt nur Angebote, Pflanzen zu fotografieren. So etwas lehnt sie ab. Tomas kann auch in der Schweiz nicht von seinen Seitensprüngen lassen. Er trifft sich mit Sabina, die nach Genf gezogen ist. Teresa tut sich schwer damit, nicht die einzige Frau in Tomas’ Leben zu sein. Nach einem halben Jahr im Exil kehrt sie nach Prag zurück. Sie glaubt, mit ihrer Eifersucht eine Belastung für Tomas zu sein, und identifiziert sich zudem mit den unterdrückten Menschen in ihrer Heimat.

„Teresa fühlte sich bedroht von Frauen, von allen Frauen. Alle Frauen waren potenzielle Geliebte von Tomas, und sie hatte vor ihnen Angst.“ (S. 21)

Tomas fühlt sich machtlos, aber zugleich beruhigt. Die Grenzen sind nicht mehr durchlässig, für Teresa ist deshalb keine Rückkehr möglich. Er genießt kurz die süße Unbeschwertheit und will sich an seiner wiedergewonnenen Junggesellenexistenz ebenso freuen wie an der schönen Erinnerung an die gemeinsamen Jahre mit Teresa. Doch dann überwältigt ihn das Mitgefühl in seiner ganzen Schwere. Nach fünf Tagen ringt Tomas sich schließlich den Entschluss ab, Teresa zu folgen. Während eines Gesprächs mit seinem Chef denkt er an das Motiv in Beethovens letztem Quartett, in der auf die Frage "Muss es sein?" immer wieder ein "Es muss sein!" als Antwort folgt. Er glaubt, einer inneren Notwendigkeit zu folgen, und überzeugt seinen Chef, ihn ziehen zu lassen. In Prag fallen sich Tomas und Teresa in die Arme. Doch beide spüren ein Gefühl der Kälte bei ihrem Wiedersehen. Noch in derselben Nacht breitet sich in Tomas Verzweiflung über seine Rückkehr aus.

Zeit der Unterdrückung

Zunächst kann Tomas wieder als Chirurg arbeiten. Doch seine Vergangenheit holt ihn ein. Der Chefarzt erklärt ihm, er würde ihn gerne behalten, aber Tomas müsse sich von diesem Leserbrief distanzieren. Ein solcher Widerruf müsse ja nicht veröffentlicht werden. Tomas weiß aber, dass die Obrigkeit damit ein Mittel in der Hand hätte, ihn mundtot zu machen. Er lehnt die geforderte Selbstkritik ab. Jeder im Krankenhaus erwartet, dass Tomas seiner Karriere zuliebe den Widerruf leistet. Kollegen, die selbst gezwungen wurden, sich mit der Okkupation einverstanden zu erklären, begegnen ihm mit einem Lächeln der Komplizenschaft. Solche, denen das nicht zugemutet wurde, lächeln ihn aus selbstzufriedener moralischer Überlegenheit an. Die erhoffte Solidarität seiner Kollegen bleibt aus, Tomas verliert seinen Arbeitsplatz.

„Die Repräsentanten des Landes waren von der russischen Armee wie Verbrecher verschleppt worden, niemand wusste, wo sie waren, alle Welt zitterte um ihr Leben, und der Hass auf die Russen berauschte die Menschen. Es war ein trunkenes Fest des Hasses.“ (S. 28)

Er arbeitet zunächst ein Jahr in einer Poliklinik in der Provinz, dann am Rand von Prag als einfacher Arzt. Er hat nur wenige Minuten Zeit für jeden Patienten und empfindet sich selbst als Rezeptaussteller. Ein Beamter des Innenministeriums sucht ihn auf. Damit Tomas rehabilitiert wird, verlangt man jetzt eine öffentliche Erklärung. Tomas lehnt ab und kündigt seine Stelle in der Überzeugung, die Polizei würde sich nicht mehr für ihn interessieren, wenn er sich am unteren Ende der Gesellschaft ansiedelt. Er beginnt als Fensterputzer zu arbeiten. Seine neue Tätigkeit empfindet er als Ferien von dem Zwang, etwas Notwendiges zu tun. Einige ehemalige Patienten bestellen ihn zu sich, um mit ihm zu trinken. Teresa hat eine Stelle an einer Hotelbar angenommen. Weil sie abends und Tomas tagsüber arbeitet, sehen sie sich während der Woche nur kurz. Tomas fühlt sich frei und füllt diesen Freiraum wieder mit Frauen. Er ist weniger von der Lust besessen als von dem Willen, zu entdecken, was die jeweilige Geliebte von anderen Frauen unterscheidet. So beobachtet er beim Liebesakt jede mit wachen Augen, während er beim Sex mit Teresa zu ihrer Enttäuschung seine Augen stets geschlossen hält.

„Schwindel bedeutet, dass uns die Tiefe anzieht und lockt, sie weckt in uns die Sehnsucht nach dem Fall, eine Sehnsucht, gegen die wir uns dann erschrocken wehren.“ (S. 59)

Hinter dem Tresen ist Teresa den Annäherungsversuchen vieler Männer ausgesetzt. Ihr Versuch, kokett aufzutreten, misslingt, weil er zu zwanghaft ist. Vor der Zudringlichkeit eines glatzköpfigen Spitzels nimmt ein anderer Gast sie in Schutz. Teresa ist ihm dankbar, er lädt sie zu sich ein. Eines Nachmittags besucht sie ihn schließlich. Sie will herausfinden, ob Liebe und Sex auch für sie nichts miteinander zu tun haben. Beim Liebesakt wehrt sie sich gegen die Lust und steigert sie damit. Sie begreift, dass sie nicht den Körper des Liebhabers, sondern ihren eigenen Körper begehrt hat. Gegen weitere Begegnungen hätte sie nichts, doch der Mann kommt nicht mehr in die Bar. Sie fragt sich, ob er sie nur verführt hat, um sie mit der Unterstellung, sie arbeite verbotenerweise als Prostituierte, zu Spitzeldiensten erpressen zu können.

„Nur die naivsten Fragen sind wirklich ernsthaft. Es sind die Fragen, auf die es keine Antwort gibt.“ (S. 134)

Eines Tages erwarten zwei Männer Tomas in seiner Wohnung. Der eine war Redakteur bei der Zeitschrift, in der sein Leserbrief abgedruckt wurde, der andere ist Tomas’ Sohn Simon, den er lange Zeit nicht gesehen hat. Tomas ist irritiert, dass sein Sohn beim Sprechen die Oberlippe auf dieselbe Weise verzieht wie er selbst. Die beiden wollen von Tomas seine Unterschrift unter eine Petition an den Staatspräsidenten, in der um die Amnestie der politischen Gefangenen gebeten wird. Gleichzeitig soll die Bittschrift dokumentieren, dass es noch Menschen gibt, die sich nicht vor dem Regime fürchten. Tomas zögert lange. Ihm ist klar, dass die Petition eigentlich zu nichts führt. Als sein Sohn sagt, es sei seine Pflicht zu unterschreiben, weckt er damit Tomas’ Verantwortungsgefühl für Teresa. Um sie vor häufigeren Belästigungen von Spitzeln, die ihr Angst machen, zu bewahren, lehnt er die Unterschrift ab.

Ruhe auf dem Land und spätes Glück

In Tomas wächst die Sehnsucht nach Ruhe, auch nach Ruhe von seiner Jagd nach Frauen. Teresa und ihm ist das Leben in Prag unangenehm geworden. Sie schlägt vor, aufs Land zu ziehen. Bei einem Ausflug haben sie in einem Kurort einen ehemaligen Patienten von Tomas getroffen, der jetzt in einem Dorf eine Genossenschaft leitet. Auf dem Land fehlen immer Arbeitskräfte, und so kaufen sie sich in diesem Dorf ein kleines Haus mit Garten. Sie brechen den Kontakt zu Freunden ab und durchschneiden so das Band ihres bisherigen Lebens. Tomas arbeitet als Lastwagenfahrer in der Genossenschaft, Teresa hütet Kälbchen. Sie ist glücklich, endlich mit Tomas allein zu sein. Sie hat ihr Paradies gefunden.

„Sie spürte ihre Erregung, die umso stärker war, als sie gegen ihren Willen entstanden war. Ihre Seele hatte insgeheim bereits in alles, was passierte, eingewilligt, sie wusste aber, dass diese Einwilligung unausgesprochen bleiben musste, wenn die starke Erregung andauern sollte.“ (über Teresa, S. 149)

Ihr Hund Karenin hilft Teresa dabei, die Kälbchen zu disziplinieren. In der Mittagspause begleitet er Tomas und Teresa auf ihren Spaziergängen. Als er anfängt zu hinken, wird Krebs festgestellt. Zwar wird Karenin operiert, doch die Besserung ist nur vorübergehend. Als er sich kaum noch rühren kann, versuchen seine Besitzer ihn zum Spielen zu bewegen. Sein Knurren ist für sie ein Zeichen, dass er noch Lust zu spielen, Lust zu leben hat. Sie deuten es als sein Lächeln. Doch schließlich müssen sie ihn mit einer Spritze von seinem Leiden erlösen. Für Teresa geht damit eine große Liebe zu Ende, die sich von ihrer Liebe zu Tomas unterschied. Sie war frei von allen Ansprüchen, ohne Konflikte und ohne Entwicklung.

„Die Personen meines Romans sind meine eigenen Möglichkeiten, die sich nicht verwirklicht haben. Deshalb habe ich sie alle gleich gern, deshalb machen sie mir alle die gleiche Angst. Jede von ihnen hat eine Grenze überschritten, der ich selbst ausgewichen bin.“ (der Erzähler, S. 212)

Tomas’ Sohn Simon ist ein Träumer, der sich nach der Aufmerksamkeit seines Vaters sehnt. Nach der Petition wird er von der Universität ausgeschlossen. Er heiratet die Nichte eines Dorfpfarrers, wird zum gläubigen Katholiken und arbeitet als Traktorfahrer. Als er erfährt, dass auch sein Vater auf dem Land arbeitet, schreibt er ihm Briefe, in denen er ihm seine Ansichten mitteilt. Wenn man sein Leben nach religiösen Normen ausrichte, könne man das Regime einfach ignorieren. Eines Tages erzählt Tomas Teresa von diesen Briefen. Sie haben keinen genauen Absender, aber einen Poststempel. Auf Teresas Initiative hin lädt Tomas Simon zu einem Besuch ein.

„Die Geschichte ist genauso leicht wie ein einzelnes Menschenleben, unerträglich leicht, leicht wie Federn, wie aufgewirbelter Staub, wie etwas, das morgen nicht mehr sein wird.“ (S. 214)

Teresa sieht ihre Liebe zu Tomas in einem völlig neuen Licht. Ihre bisherige Haltung kommt ihr nun selbstgerecht vor. Ihretwegen ist er aus der Schweiz zurückgekehrt, hat die Stadt für das Land aufgegeben. Hätte sie ihn wirklich geliebt, so sagt sie sich, wäre sie bei ihm im Exil geblieben. Ihre Schwäche, so findet sie, hat sie so lange gegen Tomas eingesetzt, bis er kapitulierte und nicht mehr stark war. Auf einem Tanzfest in der Stadt sagt Teresa, alles Übel in Tomas’ Leben komme von ihr, sie habe ihn in die Tiefe gezogen. Tomas erwidert, er sei froh, gemerkt zu haben, dass es keine Berufung gebe, er fühle sich frei und glücklich. So genießen sie ihre Zweisamkeit und sind zugleich traurig, an ihrer Endstation angekommen zu sein. Sie sind am Ziel.

„Wenn die Erregung ein Mechanismus ist, den wir einer Laune unseres Schöpfers zu verdanken haben, so gehört die Liebe im Gegensatz dazu nur uns allein, und durch sie entziehen wir uns dem Schöpfer. Die Liebe ist unsere Freiheit. Die Liebe steht jenseits von ‚Es muss sein!’.“ (S. 227)

Sabina ist inzwischen in Paris angekommen. In ihrem Leben hat sie stets alle Menschen verlassen, um sich auf ein neues Abenteuer einlassen zu können. Das Ziel hinter ihrem ständigen Verlangen nach Verrat ist ihr noch nicht klar. Nun spürt sie eine große Leere um sich herum. Ihr Schicksal ist die unerträgliche Leichtigkeit des Seins. Mitte der 70er Jahre erhält sie einen Brief von Simon. Er informiert sie über den Tod von Teresa und Tomas. Sie stürzten mit dem Lastwagen einen Berghang hinunter und wurden völlig zermalmt. Sabina führt ihr ruheloser Weg durch die USA bis nach Kalifornien. Ihre Bilder sind gefragt, und sie fühlt sich wohl. Aber sie will nicht in amerikanischer Erde eingeschlossen enden. Deshalb verfügt sie, ihre Asche in alle Winde zu zerstreuen. Sie will nicht wie Tomas und Teresa unter dem Zeichen des Schweren, sondern unter dem des Leichten sterben.

Zum Text

Aufbau und Stil

Kundera hat seinen Roman in sieben Abschnitte unterteilt, deren Titel z. T. auf die darin entwickelten Gegensätze verweisen (z. B. Das Leichte und das Schwere oder Körper und Seele). Diese Abschnitte gliedern sich in viele kurze Kapitel von manchmal nur einer Seite Länge, die keine eigenen Überschriften haben. Die eigentlich einfache Handlung wird verschachtelt, weil einige Abschnitte dasselbe Geschehen aus der Perspektive verschiedener Figuren wiedergeben. Zudem wird die Entwicklung der Geschichte von Tomas und Teresa durch Kapitel über Nebenfiguren wie Sabina durchbrochen. Einige wichtige Ereignisse nimmt Kundera vorweg. So erfährt der Leser bereits nach einem Drittel des Buches von Tomas’ und Teresas tödlichem Unfall. Am Ende des Romans wird ihr Tod hingegen nicht mehr erwähnt. In langen, surrealen Sequenzen illustrieren Teresas Träume ihre persönlichen Ängste, die auch mit den politischen Verhältnissen zusammenhängen. Kundera unterbricht den Handlungsablauf für kurze philosophische Gedankengänge und längere essayistische Betrachtungen. Er erklärt seine Figuren mehr als dass er sie agieren lässt. Kunderas allwissender Erzähler tritt vereinzelt aus der Handlung heraus und reflektiert seine Rolle und seine Art zu erzählen. Die Konturen von Erzähler und Autor verschwimmen in Kunderas Werk sehr stark: Ist es wirklich noch der Erzähler der Geschichte oder doch der Autor selbst, der sich da zu Wort meldet? Der gesamte Roman ist von einem eher nüchternen als poetischen Stil geprägt. Kundera bedient sich einer einfachen, zur Sprödheit neigenden Sprache, die auch in den philosophischen Passagen leicht nachvollziehbar ist.

Interpretationsansätze

  • In Tomas und Teresa begegnen sich Gegensätze, die sich anziehen. Während Tomas die Leichtigkeit seiner Abenteuer mit Frauen genießen möchte, verkörpert Teresa das Prinzip des Schweren, indem sie an die Einmaligkeit ihrer Liebe zu Tomas glaubt. Im Laufe ihrer Beziehung geht einiges von Teresas Schwere auf Tomas über, Teresa ihrerseits gewinnt an Leichtigkeit.
  • Politische Entwicklungen und persönliches Schicksal verknüpfen sich im Roman mit alten Mythen. Weil die während ihrer ersten gemeinsamen Nacht in seinem Bett schlafende Teresa Tomas vorkommt wie ein in einem Weidenkörbchen an sein Bett gespültes Kind, beschäftigt er sich mit Moses, Romulus und Ödipus. Seine Überlegungen zu Ödipus bestimmen sein weiteres Schicksal, weil er ihretwegen emigriert, nicht mehr als Arzt arbeiten kann und schließlich aus der Stadt aufs Land flüchtet.
  • Die Figuren des Romans sind Milan Kundera zufolge seine eigenen ungelebten Möglichkeiten, die ihm fremd und vertraut zugleich sind. So lässt der Autor keinen Zweifel an der Künstlichkeit seiner Charaktere.
  • Die Frage nach der Richtigkeit von Entscheidungen ist ein ständig wiederkehrendes Motiv. Die Antwort auf die Frage ist jedoch laut Kundera nicht auffindbar, weil es kein zweites Leben gibt, in dem Menschen die Konsequenzen einer anderen Entscheidung erproben könnten.
  • Kundera liefert eine ästhetische Deutung totalitärer Regimes. Ihm zufolge gründen sie sich auf den Kitsch: Sie bedienen sich der Sehnsucht der Bürger nach einem Einverständnis mit dem Sein und nach dem Gefühl der Verbundenheit mit allen anderen Menschen, indem sie kitschige Bilder produzieren und jede Äußerung von Individualismus unterdrücken.

Historischer Hintergrund

Der Prager Frühling

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Staat Tschechoslowakei (CSSR) gebildet und der sowjetischen Einflusssphäre zugeschlagen. Seit Anfang der 1960er Jahre befand sich die CSSR in einer schweren ökonomischen Krise, weil die sozialistische Planwirtschaft nicht funktionierte. Die Kommunistische Partei wurde von stalinistischen Hardlinern geführt. Vor diesem Hintergrund entwickelte sich eine reformorientierte Intellektuellenschicht, die im Jahr 1967 eine kritische Öffentlichkeit bildete. Eine zentrale Rolle in diesem Prozess spielte die Literaturzeitung Literární noviny, die maßgeblich zur Verbreitung und Entwicklung demokratischer Ideale beitrug. Der Auftritt dreier Redakteure auf einem Schriftstellerkongress führte zu einem Eklat: Auf die Kritik der Journalisten an der Parteiführung reagierte diese mit dem Ausschluss der drei aus der Partei und einer Umbildung der Redaktion. Dadurch büßte das Blatt seine Rolle als Sprachrohr der kritischen Öffentlichkeit ein. Doch die Protestwelle ließ sich nicht aufhalten und erreichte im März 1968 die Abschaffung der Zensur. Auch innerhalb der KPC gab es Spannungen. Anfang Januar 1968 wurde Alexander Dubcek als Partei- und Regierungschef Nachfolger des Hardliners Antonín Novotný. Im April 1968 ernannte er Ota Šik zu seinem Stellvertreter und zum Koordinator der Wirtschaftsreformen. Der Wirtschaftswissenschaftler Šik leitete von 1964 an eine Staats- und Parteikommission zur Reformierung der Wirtschaft. In dieser Zeit entwickelte er das Modell des "Dritten Weges". Diese Mischform aus sozialistischer Plan- und freier Marktwirtschaft zielte darauf ab, die sozialen und ökonomischen Defizite beider Wirtschaftssysteme zu beseitigen.

Die Reformbewegung wurde von der Sowjetunion argwöhnisch beobachtet und als Wiedereinführung des Kapitalismus bewertet. Unter sowjetischer Führung marschierten am 21. August 1968 Truppen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei ein. Die Regierungsmitglieder wurden nach Moskau gebracht. Nachdem es am ersten Tag der Besetzung bei Kämpfen Tote auf beiden Seiten gegeben hatte, leistete die Bevölkerung gewaltlosen Widerstand: Die Tschechoslowaken entfernten Ortsschilder und führten die orientierungslosen Soldaten in die Irre. Diese Haltung brachte ihnen weltweit Sympathie und Bewunderung ein. Dubcek verkündete nach seiner Rückkehr, zunächst noch im Amt, die Aufhebung der Reformprojekte, wurde dann aber schrittweise entmachtet. Mit dem Ende des Prager Frühlings begann eine neue innenpolitische Eiszeit, die bis 1989 andauern sollte. Regimegegner wurden verfolgt. Unmittelbar nach Niederschlagung der Reformbewegung verließen Hunderttausende Facharbeiter und Intellektuelle enttäuscht das Land. Mit dem Prager Frühling waren in ganz Europa Hoffnungen auf eine liberalere Entwicklung eines Ostblockstaates und auf die Möglichkeit eines "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" verbunden gewesen.

Entstehung

Kundera lebte bereits fast zehn Jahre in Frankreich und dozierte seit 1978 an einer Pariser Hochschule, als Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins 1984 zunächst in Frankreich und noch im gleichen Jahr in deutscher Übersetzung erschien. Sein erstes in Frankreich geschriebenes Werk Das Buch vom Lachen und Vergessen war 1978 veröffentlicht worden und hatte zum Entzug seiner tschechoslowakischen Staatsbürgerschaft geführt. Es hatte Kunderas Distanzierung von seiner kommunistischen Vergangenheit zum Thema. An Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins schrieb er bis 1982. Er verarbeitete aus der zeitlichen Distanz die Ereignisse des Prager Frühlings von 1968 und ihren Einfluss auf die Entwicklung von Personen und ihrer Beziehungen. Es scheint ihm auch ein Bedürfnis gewesen zu sein, mit den westeuropäischen Intellektuellen abzurechnen, die an ihrem Traum festhielten, Bestandteil eines langen Marsches zu einer besseren, gerechteren Welt zu sein.

Wirkungsgeschichte

Der Roman wurde direkt nach Erscheinen von der Kritik begeistert aufgenommen. Gelobt wurde sein souveräner und intelligenter Umgang mit den Themen Liebe und Leben. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb, Kunderas Roman mute wie ein "kühles intellektuelles Feuerwerk an, in welches sich immer wieder auch Raketen des Sentiments und der Sinnlichkeit mischen". Während in vielen Ländern der westlichen Welt auch die früheren Werke Kunderas viel gelesen wurden, fand er im deutschen Sprachraum erst mit Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins sein Publikum. Mit dem Schriftstellerkollegen und späteren Staatspräsidenten Václav Havel lieferte sich Kundera über die Jahrzehnte immer wieder Auseinandersetzungen um die "richtige" Denkweise. Havel erkannte im Roman in Tomas’ Verweigerung, die Petition zu unterschreiben, Kunderas eigene Position wieder. Der Roman wurde 1988 als US-Produktion unter der Regie von Philip Kaufman mit Juliette Binoche als Teresa und Daniel Day-Lewis als Tomas verfilmt. Als der Film 1989 erstmals in Moskau gezeigt wurde, war er eine der ersten Quellen über den Prager Frühling, aus denen die Russen erfuhren, dass sie nicht überall auf der Welt als die heldenhaften Befreier und die Tschechoslowaken als die hinterhältigen Rebellen gesehen wurden.

Über den Autor

Milan Kundera wird am 1. April 1929 in Brno (Brünn) im heutigen Tschechien geboren. Sein Vater ist Pianist, Musikwissenschaftler und später Rektor der dortigen Musikhochschule. Als Gymnasiast schreibt Kundera erste Gedichte. Nach dem Krieg verdient er zunächst als Arbeiter und Jazzmusiker seinen Lebensunterhalt. Ab 1948 studiert er zunächst Musik und Literatur, dann Filmwissenschaften in Prag. Danach lehrt er als Professor an der Filmfakultät der Prager Akademie für Musik und Dramatik. Er veröffentlicht Gedichte, Essays und Theaterstücke. Gleichzeitig ist er Redakteur bei den Literaturzeitschriften Literární noviny und Listy. 1948 tritt Kundera voller Enthusiasmus in die Kommunistische Partei ein, aus der er 1950 ausgeschlossen wird - wegen individualistischer Neigungen. Zwischen 1967 und 1970 ist er erneut Mitglied der KPC. Das dreibändige Prosawerk Das Buch der lächerlichen Liebe, erschienen zwischen 1963 und 1968, verschafft ihm den literarischen Durchbruch. Sein 1967 veröffentlichter Roman Der Scherz beschäftigt sich mit dem Stalinismus. Weil der Autor am Prager Frühling beteiligt gewesen ist, werden seine Bücher aus den öffentlichen Bibliotheken der CSSR entfernt. 1970 wird er mit einem Publikationsverbot belegt. Sein Roman Das Leben ist anderswo erscheint zuerst in französischer Übersetzung 1973 in Paris, in der Originalsprache 1979 in Toronto. Weil er einen Ruf an die Universität Rennes erhält, emigriert er 1975 mit seiner Frau Vera Hrabankova nach Frankreich, wo er seitdem lebt. Zunächst lehrt er an der Universität Rennes, seit 1978 in Paris. 1979 wird ihm nach der Publikation von Das Buch vom Lachen und vom Vergessen die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft entzogen, 1981 erwirbt er die französische. 1984 erscheint Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins, der Roman, der ihn international bekannt macht. Die schlichten Titel vor allem seiner neueren Werke, darunter Die Unsterblichkeit (1990) Die Identität (1998) und Die Unwissenheit (2000), verweisen auf Kunderas Beschäftigung mit existenziellen Fragen. In seinen letzten Werken kritisiert er die Unmenschlichkeit der westlichen Zivilisation und preist den Wert der Liebe. Seit 1994, als Die Langsamkeit erscheint, schreibt er in französischer Sprache. Kundera gibt nur noch schriftliche Interviews, weil er sich häufig falsch zitiert findet.

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