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Meditationen über die Grundlagen der Philosophie

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Meditationen über die Grundlagen der Philosophie

Mit den sämtlichen Einwänden und Erwiderungen

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Das Grundlagenwerk des Rationalismus: Für Descartes ist die Gewissheit des eigenen Denkens auch der Beweis für die Existenz Gottes.


Literatur­klassiker

  • Philosophie
  • Frühe Neuzeit

Worum es geht

Ich denke, also bin ich

Was kann der Mensch als wahr erkennen? Gibt es einen Gott? Ist die Seele unsterblich? Mit diesen wohl zentralsten Fragen der Philosophie beschäftigt sich René Descartes in den Meditationen. Und er ist auch um Antworten nicht verlegen, die alle auf dem berühmten Satz „Ich denke, also bin ich“ aufbauen. Was klar und deutlich gedacht und nicht bezweifelt werden kann, muss wahr sein. Diese Methode der mathematischen Beweisführung überträgt Descartes auf das Erarbeiten philosophischer Erkenntnisse. Der menschliche Geist mit seinen Eigenschaften und Fähigkeiten steht im Zentrum der Überlegungen. Von täuschenden Sinneseindrücken befreit, kommt er zur Erkenntnis der eigenen Existenz. Zum Beweis Gottes ist es nur ein kleiner Schritt. Mit seiner strikt rationalistischen Logik hat Descartes den Zweifel zum Instrument der Erkenntnis gemacht und die kirchlich dominierte Wissenschaft seiner Zeit vernichtend geschlagen. Ohne Zweifel: eine Sternstunde der Philosophie.

Take-aways

  • Die Meditationen des französischen Philosophen und Mathematikers Descartes sind das Grundlagenwerk des Rationalismus.
  • Inhalt: Ich kann an allem zweifeln, nur nicht an der Tatsache, dass ich denke. Das Denken des Menschen ist der einzige Beweis seiner Existenz: „Ich denke, also bin ich.“ Weil die Fähigkeiten des menschlichen Geistes nicht aus dem Nichts entstanden sein können, muss es einen Gott geben. Und weil der Geist ohne Wechselwirkungen mit dem Körper existiert, ist er von ihm völlig verschieden.
  • Descartes erhebt den Zweifel zum Grundprinzip der Philosophie: Wie in der Mathematik will er nur das als wahr akzeptieren, was zweifelsfrei bewiesen ist.
  • Die Erfahrung, dass Sinneseindrücke täuschen können, brachte ihn davon ab, durch empirische Beobachtung zur Wahrheit zu gelangen.
  • Descartes rückt das allein durch sein Denken existierende Individuum ins Zentrum seiner Erkenntnistheorie.
  • 1641 erschienen, stellt das Buch eine weitere Entfernung von kirchlich bestimmter Wissenschaft und Philosophie dar.
  • Die Existenz Gottes ist für Descartes keine Frage des Glaubens, sondern eine logisch ableitbare Notwendigkeit.
  • Descartes lud andere Denker dazu ein, sein Werk zu kritisieren, und veröffentlichte ihre Einwände sowie seine Erwiderungen gleich mit.
  • Die geistesgeschichtliche Bedeutung der Meditationen ist enorm. Das Werk war prägend für viele Philosophen und Wissenschaftler.
  • Zitat: „Und so komme ich (...) schließlich zu dem Beschluss, dass dieser Satz ‚Ich bin, ich existiere‘, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“

Zusammenfassung

1. Meditation: Vom Nutzen des Zweifels

Wir müssen unsere Gedankengebäude auf eine neue Basis stellen, da sie auf vielen Irrtümern beruhen. Viele unserer Gewissheiten haben wir durch Vermittlung unserer Sinne empfangen. Denen aber ist grundsätzlich zu misstrauen, denn manchmal täuschen sie uns. Ein Weg, den Geist von den Einflüssen der Sinne zu befreien, ist der Zweifel. Was kraft des Verstandes als zweifelsfrei wahr erkannt wird, ist wahr. Zweifellose Gewissheiten bieten die Wissenschaften, die einfachste Gegenstände zum Objekt haben. In der Mathematik ist es z. B. wahr, dass ein Quadrat nicht mehr als vier Seiten hat. Viele andere Urteile sind dagegen dem Vorbehalt des Irrtums unterworfen – deshalb kann an allem bisher Gedachten gezweifelt werden. Auf dem Weg zur Gewissheit ist die Fiktion nützlich, alle bisherigen Meinungen seien falsch oder pure Einbildungen. Man kann in der Tat an allen Dingen zweifeln, solange diese Logik nicht zu festem Wissen führt. Es ist denkbar, dass ein allmächtiger, böser Geist alles daransetzt, den Menschen zu täuschen. Alle materiellen Dinge wären dann nur Trugbilder und die eigene Existenz nur ein Traum.

2. Meditation: Körperliches und Geistiges

Angenommen, alles ist Täuschung und nichts existiert, so muss es doch jemanden geben, der getäuscht wird. Solange ich denke, bin ich. Der Satz „Ich bin, ich existiere“ ist also notwendigerweise wahr. Damit steht die erste unerschütterliche Gewissheit fest. Was ist aber dieses Ich? Dem Bewusstsein drängt sich zunächst der eigene Körper auf, als ein begrenztes Objekt, das wahrgenommen und bewegt werden kann. Doch auch diese Wahrnehmungen könnten ein Traum sein. Allein das Denken ist vom Ich nicht zu trennen. Das Denken ist der unverrückbare Grund der Existenz.

„Alles nämlich, was ich bisher am ehesten für wahr angenommen, habe ich von den Sinnen oder durch Vermittelung der Sinne empfangen. Nun aber bin ich dahinter gekommen, dass diese uns bisweilen täuschen, und es ist ein Gebot der Klugheit, niemals denen ganz zu trauen, die auch nur einmal uns getäuscht haben.“ (S. 12)

Das Ich ist ein denkendes Ding, das aus dem Geist, der Seele, dem Verstand und der Vernunft besteht. Die Einbildungskraft hilft bei der Erkenntnis des Ichs nicht, denn sie bezieht sich nur auf die körperliche Natur, nicht auf die geistige. Deshalb muss der Geist sich von ihr abwenden, wenn er sich seiner eigenen Natur deutlich bewusst werden will. Die Einbildungskraft ist allerdings Teil des Bewusstseins, und die von ihr erkannten körperlichen Dinge scheinen sogar deutlicher wahrgenommen zu werden als das Ich selbst. Die unzähligen Formen eines Stücks Wachs z. B. können sich nicht in der Einbildungskraft gebildet haben, sondern nur durch Sinneseindrücke und durch den Verstand, der diese Eindrücke beurteilt. Die Sinneseindrücke sind ein Beweis der eigenen Existenz, denn wenn ich das Wachs sehe, folgt daraus, dass ich existiere, weil ich es sehe. Selbst wenn alles Wahrgenommene Täuschung wäre, existiert doch das wahrnehmende Subjekt. Die Wahrnehmung der Dinge beweist also nicht deren Existenz, wohl aber die Existenz des wahrnehmenden Subjekts.

3. Meditation: Die Existenz Gottes

Alles ist wahr, was das Ich klar und deutlich erfasst. Der frühere Grundirrtum bestand in der Annahme, dass das Ich durch eine externe Instanz von den äußeren Dingen wisse. Die Existenz der Dinge ist aber keineswegs gewiss, denn sie könnten dem Ich ja von einem betrügerischen Gott vorgespiegelt sein. Die zentrale Frage lautet daher: Gibt es einen Gott? Und kann dieser Gott ein Täuscher sein? Die Antwort auf diese Fragen ist die Basis aller Gewissheit.

„Und so komme ich (...) schließlich zu dem Beschluss, dass dieser Satz ‚Ich bin, ich existiere‘, so oft ich ihn ausspreche oder in Gedanken fasse, notwendig wahr ist.“ (S. 18)

Unterscheidet man die verschiedenen Arten des Bewusstseins nach ihren Eigenschaften als Quellen der Wahrheit und der Falschheit, führt dies zur Unterscheidung zwischen Willensäußerungen bzw. Gemütsbewegungen auf der einen und Urteilen auf der anderen Seite. Allein die Urteile können Quellen des Irrtums und der Falschheit sein. Was die Ideen betrifft, so werden einige von ihnen angeboren sein, andere scheinen von außen zu kommen und wieder andere vom Ich selbst gemacht zu sein.

„Und so erkenne ich das, was ich mit meinen Augen zu sehen vermeinte, einzig und allein durch die meinem Geiste innewohnende Fähigkeit zu urteilen.“ (S. 25)

Jede Wirkung bezieht ihre Realität aus einer Ursache. Folglich muss in der Ursache mindestens ebenso viel Realität enthalten sein wie in der Wirkung. Aus dem Nichts kann also keine Realität entstehen. Jede Idee muss auf ein Urbild zurückzuführen sein, in dem alles, was zu ihr gehört, bereits vorhanden ist; die Idee kann nichts Vollkommeneres und Größeres umfassen als ihre Quelle. Ist die Realität einer Idee so groß, dass sie nicht im Ich impliziert sein kann, muss es eine Ursache dieser Idee außerhalb des Ichs geben.

„Ich bin ein denkendes Ding, d. h. ein solches, das zweifelt, bejaht, verneint, wenig versteht, vieles nicht weiß, das will, nicht will, auch Einbildung und Empfindung hat.“ (S. 27)

Einzig die Idee Gottes kann nicht im denkenden Subjekt enthalten sein und muss von außen kommen. Das Wesen Gottes ist als unendliche Substanz definiert. Die Idee einer unendlichen Substanz muss, weil das menschliche Ich endlich ist, tatsächlich selbst von einer unendlichen Substanz stammen, da diese mehr Realität enthält als die endliche. Die Idee des vollkommenen, unendlichen Wesens ist wahr, weil sie etwas Reales vorstellt. Der Mensch als endliches Wesen kann die Unendlichkeit nicht begreifen, doch im Bewusstsein dieses Mangels ist die Idee eines vollkommenen Gottes die wahrste, klarste und deutlichste. Die Idee eines vollkommenen Wesens muss also von diesem selbst hervorgerufen werden.

„Und somit meine ich bereits als allgemeine Regel aufstellen zu dürfen, dass alles das wahr ist, was ich recht klar und deutlich erfasse.“ (S. 28)

Der Schöpfungsakt und die permanente Erhaltung der Dinge erfordern dieselbe Kraft und Tätigkeit. So hängt der Mensch stets von einem von ihm verschiedenen Wesen ab, da er selbst diese Kraft nicht besitzt. Gott allein hat die Kraft, aus sich selbst heraus und ohne weitere Ursache zu existieren. Aus der Existenz des Ichs und der Idee eines vollkommenen Wesens muss geschlossen werden, dass Gott existiert. Wie kommt aber diese Idee von Gott zum Menschen? Sie kann nicht ausgedacht sein, weil der Vollkommenheit weder etwas wegzunehmen noch hinzuzufügen ist, ebenso wenig kann sie durch die Sinne vermittelt werden; sie muss also angeboren sein. Das Ich mit dieser Idee Gottes kann nicht existieren, wenn nicht auch Gott existiert. Ein Betrüger kann Gott nicht sein, weil Täuschung durch einen Mangel an Vollkommenheit bedingt ist, und dies widerspricht der Definition Gottes. Die Einsicht der eigenen Unfähigkeit, die Unendlichkeit Gottes zu begreifen, genügt, um von Gott eine wahre, klare und deutliche Idee zu haben.

4. Meditation: Wahrheit und Irrtum

Wenn das reine, von allen Einflüssen und sinnlichen Erfahrungen befreite Denken zur Erkenntnis Gottes führt, kann der Mensch durch die Betrachtung dieses vollkommenen Wesens auch zur Erkenntnis aller übrigen Dinge gelangen. Gott hat dem Menschen die Urteilsfähigkeit gegeben, und richtig angewendet kann sie nicht in die Irre führen. Der Mensch ist erfahrungsgemäß vielen Irrtümern ausgesetzt, weil außer der positiven Idee Gottes auch das Gegenteil, nämlich die negative Idee des Nichts, auf ihn wirkt. Er ist ein Mittelding zwischen Gott und dem Nichts, dem höchsten Sein und dem Nichtsein. Der Irrtum ist lediglich ein Mangel an Vollkommenheit.

„Täusche mich, wer es kann! Niemals wird er doch bewirken, dass ich nichts bin, solange ich das Bewusstsein habe, etwas zu sein (...)“ (S. 29)

Irrtümer entstehen aus dem gleichzeitigen Wirken der Kräfte des Verstandes und des Willens. Die Urteilsfähigkeit ist Teil der menschlichen Unvollkommenheit und kann dazu verleitet werden, etwas falsch zu beurteilen. Die Erkenntnisfähigkeit des Menschen ist beschränkt und unvollkommen, doch zugleich hat er die Idee einer unbeschränkten und vollkommenen Erkenntnisfähigkeit, die zur Natur Gottes gehört. Anders verhält es sich mit dem Willen bzw. der Wahlfreiheit: Sie ist beim Menschen vollkommen, weil sie nicht größer sein kann, als sie ist – schließlich besteht sie nur darin, etwas zu bejahen oder zu verneinen. Weil der grenzenlose Wille sich auch auf das erstreckt, was er nicht erkennt, und der Mensch die Urteilskraft nicht auf das beschränkt, was der Verstand einsieht, entsteht die Unentschiedenheit in den Urteilen, die Quelle des Irrtums. Dieser Mangel aber liegt im Gebrauch der Wahlfreiheit, nicht in der Wahlfreiheit selbst. Der Mensch kann sich nur vor dem Irrtum schützen, indem er sich kein Urteil über unklare Sachen bildet.

5. Meditation: Gott und die materiellen Dinge

Ideen können als wahr erkannt werden – aber gibt es auch eine Gewissheit über die materiellen Dinge? In der Einbildung ist die Ausdehnung einer Sache nach Länge, Breite und Tiefe deutlich. Ihren einzelnen Teilen werden Größe, Gestalt, Lage, Bewegungen und eine gewisse Dauer zugeschrieben. Die Wahrheit dieser Bestimmungen ist offenkundig. Das Dreieck z. B. hat beweisbare Eigenschaften, die ewig wahr sind. Dass seine drei Winkel gleich zwei rechten sind, hängt nicht vom menschlichen Geist ab.

„Alles nämlich, was die natürliche Einsicht bezeugt – wie dass daraus, dass ich zweifle, folgt, dass ich bin und dergleichen – das kann in keiner Weise zweifelhaft sein.“ (S. 31)

Das Dasein Gottes ist ebenso wahr wie die Wahrheit von Zahlen und mathematischen Figuren, denn es lässt sich nicht von seinem Wesen trennen – es ist notwendiger Teil seiner Vollkommenheit. Weil das Denken den Dingen keine Notwendigkeit zuschreibt, folgt aus der Vorstellung Gottes noch nicht zwingend dessen Existenz. Doch das vollkommenste Wesen kann nicht ohne sein Dasein gedacht werden, denn dieses gehört unbedingt zur Vollkommenheit. Die Idee Gottes ist die vorzüglichste unter den wahren und angeborenen Ideen. Sie hängt nicht von den Gedanken ab, sondern ist das Abbild einer ewigen und wahren Natur. Vorurteile und Bilder der körperlichen Dinge verdunkeln den Geist und verhindern mitunter die klare und wahre Erkenntnis der Existenz Gottes. Doch ohne die Gewissheit Gottes kann man gar nichts wissen. Hat man aber eingesehen, dass Gott existiert und dass alles, was das Ich klar und deutlich erfasst, notwendig wahr sein muss, gibt es keinen Grund mehr zu zweifeln. Die Wahrheit hängt von der Erkenntnis Gottes ab.

6. Meditation: Materielle Dinge, Körper und Seele

Die Existenz materieller Dinge ist dagegen schwerer nachzuweisen, weil diese der Einbildungskraft unterliegen. Aus der deutlichen Idee der körperlichen Natur eines Dinges, die das Ich in der Einbildung findet, kann es noch keinen Beweis für die Existenz eines Körpers ableiten. Wie sieht es mit der Empfindung aus? Lässt sich aus dieser Bewusstseinsart ein Beweis für das Dasein von Körpern gewinnen? Sinnlich erfasste Ideen werden dem Ich meist unwillkürlich durch die Gegenwart von Dingen aufgedrängt, und weil sie stärker sind als die im Geist gebildeten, kann sich das Ich einreden, jede Idee des Verstandes stamme von den Sinnesempfindungen. Vom eigenen Körper, in dem alle Empfindungen gespürt werden, kann sich das Ich nicht trennen wie von den übrigen.

„Es bleibt daher einzig die Idee Gottes, bei der zu erwägen ist, ob sie etwas ist, das nicht aus mir selbst hervorgehen konnte.“ (S. 36)

Die einzige unmittelbare Gewissheit besteht darin, dass der Mensch ein denkendes Ding ist. Zugleich hat er aber eine deutliche Idee von seinem Körper als einem ausgedehnten Ding. Deshalb ist das Ich offenbar vom Körper verschieden und kann auch ohne ihn sein. Das Ich kann ohne die Fähigkeiten der Einbildung und der Empfindung gedacht werden, umgekehrt sind diese aber ohne das denkende Subjekt nicht denkbar. Der passiven Fähigkeit, Sinneseindrücke zu empfinden, muss eine aktive Kraft außerhalb des Ichs entsprechen. Diese Kraft liegt in einer vom Ich verschiedenen Substanz, nämlich in der körperlichen Natur.

„(...) man muss auf alle Weise zu dem Schlusse kommen, dass dadurch allein, dass ich existiere und dass eine Idee eines vollkommensten Wesens, d. i. Gottes, in mir ist, einleuchtend ist, dass Gott auch existiert.“ (S. 42)

Weil Gott kein Betrüger sein kann, müssen die körperlichen Dinge existieren – wenn auch nicht unbedingt so, wie sie mit den Sinnen wahrgenommen werden. Die Natur ist die von Gott geschaffene Gesamtordnung der Dinge; die Natur des Ichs ist die Verknüpfung all dessen, was Gott dem Individuum zugeteilt hat. Körperliche Empfindungen sind Ausdruck einer gewissen Wahrheit: Hunger, Durst und Schmerz sind Arten des Bewusstseins, die aus der Vereinigung des Geistes mit dem Körper entstanden sind. Wie kann der Mensch, als ein aus Körper und Geist zusammengesetztes Wesen, die Täuschung von der Wahrheit unterscheiden? Ohne den Verstand ist ein Urteil über die äußeren Dinge nicht möglich. Die Sinnesempfindungen sind nur die Vermittler zwischen den Dingen und dem Geist, der sie erkennen kann.

„Und so erkenne ich mit Gewissheit, dass der Irrtum als solcher nicht irgend etwas Reales, von Gott Abhängendes, sondern nur ein Mangel ist, und dass ich also, um zu irren, nicht einer von Gott zu diesem Zwecke verliehenen Fähigkeit bedarf, sondern dass der Irrtum mir nur deshalb begegnet, weil die von Gott mir gegebene Fähigkeit, das Wahre zu beurteilen, in mir nicht unendlich ist.“ (S. 45 f.)

Weil der Körper im Gegensatz zum Geist teilbar ist, ist einmal mehr bewiesen, dass der Geist vom Körper völlig verschieden ist. Über Nerven und Gehirn treten sie miteinander in Kontakt. Der Grund für die Empfindungen ist die Erhaltung der Gesundheit. Die Empfindung eines Schmerzes, z. B. im Fuß, kann auch im Gehirn entstanden sein. Vernünftigerweise interpretiert der Geist den Schmerz aber als vom Fuß kommend, weil dort häufiger die Ursache liegt.

„Was aber Gott betrifft, so würde ich sicherlich nichts eher und leichter erkennen als ihn, wenn nicht mein Geist durch Vorurteile verdunkelt würde und die Bilder der körperlichen Dinge mein Bewusstsein gänzlich einnähmen.“ (S. 58)

Wahrscheinlichkeit, Erfahrung und die Kombination von Sinneseindrücken relativieren die Furcht vor der Täuschung durch die Sinne. Den Zweifel, alles sei nur ein Traum, kann man verwerfen, weil die Träume sich mit den übrigen Erlebnissen nicht so durch das Gedächtnis verbinden wie die Erfahrungen im Wachzustand. Sämtliche Sinne, das Gedächtnis und der Verstand sind Instanzen der Prüfung. Meldet keine von ihnen Zweifel an, braucht an der Wahrheit eines Eindrucks nicht gezweifelt zu werden. Weil aber die Notwendigkeit des Handelns nicht immer Zeit für eine genaue Prüfung lässt, ist das Leben oft dem Irrtum unterworfen.

Zum Text

Aufbau und Stil

Descartes stellt seinem Werk eine ausführliche Widmung an die einflussreiche theologische Fakultät der Pariser Universität Sorbonne voran. Darin nennt er zum einen sein Ziel, bekannte Argumente für die Existenz Gottes so transparent und deutlich zu formulieren, dass sie als Beweis anerkannt werden. Zum anderen will er Zweifel an seiner eigenen Gläubigkeit ausräumen und so kirchlichen Verfolgungen entgehen. Dass das Werk auf Lateinisch verfasst ist, rechtfertigt er im Vorwort mit der Begründung, Schwachköpfe fernhalten zu wollen. Zudem verweist er darauf, dass die Einwände von Gelehrten, die er um ihre Meinung gebeten hat, und seine Erwiderungen für das Verständnis der Meditationen von Bedeutung sind.

Jede der sechs Meditationen umfasst jeweils nur wenige Seiten. Die einzelnen Absätze sind durchnummeriert. Descartes’ analytischer Vorgehensweise entspricht die klare, auf logische Nachvollziehbarkeit ausgerichtete Sprache. Er argumentiert zwingend, seine Gedanken folgen einem streng logischen Aufbau. Einen weitaus größeren Raum als die Meditationen selbst nehmen im Buch die Einwände der Gelehrten und Descartes’ Erwiderungen ein.

Interpretationsansätze

  • Im Zentrum des Buchs stehen die Fähigkeiten und Grenzen des menschlichen Geistes. Der Geist als das Gott erkennende Mittel erscheint als nahezu gottgleich. Er hat seine Fähigkeiten von Gott erhalten und ist ihm sehr ähnlich. Was ihm als endliches Wesen aber fehlt, ist die göttliche Vollkommenheit, deren wesentliches Element die Unendlichkeit ist.
  • Descartes’ ontologischer Gottesbeweis zielt darauf ab, für die Existenz Gottes einen ebenso klaren, deutlichen und damit wahren Nachweis zu erbringen wie für die mathematischen Gesetze. Die Existenz Gottes ist für Descartes keine Frage des Glaubens, sondern eine logisch ableitbare Notwendigkeit.
  • Descartes hat die Meditationen wohl nicht zuletzt deshalb geschrieben, weil sein voriges Werk Von der Methode von kirchlicher Seite bekämpft wurde. Mit seinem Gottesbeweis wollte er den kirchlichen Kritikern und der Inquisition den Wind aus den Segeln nehmen. Allerdings vergeblich: Weil sein Beweis auf der Methode des Zweifels basiert, galt er als dem Prinzip des Glaubens entgegengesetzt.
  • Der zentrale Gedanke der Meditationen ist der kartesische Dualismus: Die Welt ist zweigeteilt in Materie und Geist. Die Seele ist grundsätzlich vom Körper verschieden und könnte auch ohne diesen existieren. Erst der Biologie des 19. und 20. Jahrhunderts gelang es, diesen Dualismus zu überwinden, indem sie zeigte, dass Materie und Geist zusammenhängen.
  • Descartes ist ein Hauptvertreter des Rationalismus: Im Gegensatz zu den Empiristen, die über die sinnliche Erfahrung zur Erkenntnis der Wahrheit vorstoßen wollen, verlässt er sich allein auf den Verstand und misstraut aller Sinneserfahrung. Im Lauf der Jahrhunderte hat der Empirismus allerdings über den Rationalismus gesiegt – die Dominanz der Naturwissenschaften ist ein Beleg dafür.

Historischer Hintergrund

Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges

Nach der Reformation tobte in Europa der Streit um die wahre Konfession. Kämpfe zwischen den Katholiken und den protestantischen Hugenotten erschütterten zwischen 1562 und 1598 Frankreich. In Europa standen den katholischen Staaten wie Frankreich und Spanien die rein protestantischen Länder Skandinaviens entgegen. In Deutschland waren vor allem die Fürsten im Norden und Osten zum evangelischen Glauben übergetreten, die übrigen waren beim katholischen geblieben. Meist mussten die Untertanen die Konfession ihres Landesherrn annehmen. Zu den konfessionellen Gegensätzen kamen machtpolitische Interessen hinzu, und so verlief die Trennungslinie nicht immer ganz klar zwischen katholischen und evangelischen Gegnern.

Die Konflikte eskalierten schließlich zum Dreißigjährigen Krieg, der vor allem auf deutschem Boden ausgetragen wurde. Am Beginn des Krieges 1618 stand die Rebellion protestantischer Adeliger aus Böhmen gegen den künftigen Habsburger-Kaiser Ferdinand II. Die Habsburger als dominierendes Herrscherhaus im Deutschen Reich vertraten einen aggressiven Katholizismus, gegen den sich die Protestanten zur Wehr setzen. Während diese in den ersten Jahren militärisch unterlegen waren, wendete sich das Blatt zu ihren Gunsten, als 1630 Schweden eingriff und militärische Siege feierte.

Frankreich, das den Krieg der Schweden zunächst mitfinanzierte, mischte sich schließlich auch militärisch ein und kämpfte an der Seite der Schweden in Deutschland. Der wichtigste französische Politiker jener Zeit, Kardinal Richelieu, paktierte also sogar mit den eigentlich verhassten Protestanten, um die übermächtigen österreichischen und spanischen Habsburger zu bekämpfen. Nach einem fünf Jahre dauernden Friedenskongress wurde 1648 in Münster und Osnabrück schließlich der Westfälische Friede geschlossen. Er brachte den Vereinigten Niederlanden die Unabhängigkeit, und auch die Schweizer Eidgenossenschaft trat aus dem Heiligen Römischen Reich aus. Zudem durfte kein deutscher Landesherr seinen Untertanen mehr seinen Glauben aufzwingen. Mit der völkerrechtlichen Festlegung, keine Macht solle mehr in die politische und konfessionelle Unabhängigkeit eingreifen, wurde die Grundlage für das Gleichgewicht der Mächte in Europa geschaffen.

Entstehung

René Descartes kannte den Krieg aus eigener Erfahrung; 1619 nahm er als Soldat in bayerischen Diensten an der Eroberung Prags teil. Als er 1641 seine Meditationen veröffentlichte, tobte der Krieg noch immer, doch der Autor war auf eine ganz andere Art unter Beschuss geraten: Sein vier Jahre zuvor erschienenes Werk Von der Methode hatte kirchliche Kritiker gegen den Philosophen aufgebracht. Den Vertretern der Scholastik (der damals vorherrschenden Kirchenlehre) widerstrebte der Zweifel als Methode der Erkenntnis, da ihr Weltbild auf dem Glauben beruhte. Ihnen wollte Descartes mit den Meditationen wohl demonstrieren, dass sich mit seiner logischen Methode sogar die Existenz Gottes beweisen ließ.

Descartes muss bald nach der Veröffentlichung der Schrift Von der Methode mit der Arbeit an den Meditationen begonnen haben, denn die Erstausgabe enthält bereits die Einwände von Gelehrten (darunter als Prominentester Thomas Hobbes), die Descartes um Stellungnahmen zu seinen Thesen gebeten hatte, und seine Erwiderungen darauf. Descartes schrieb das Werk in den Niederlanden, wo er von 1630 an lebte.

Wirkungsgeschichte

Descartes’ Einfluss auf spätere Philosophen kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. So gut wie jeder setzte sich mit seiner Methode und seinen Gedanken auseinander. Einen Teil der Wirkungsgeschichte enthalten die Meditationen bereits in der Originalausgabe. In Erwartung der Ablehnung seiner Thesen durch die christlichen Lehrer hatte Descartes bedeutende Wissenschaftler seiner Zeit um Stellungnahmen gebeten. Deren Einwände waren mitsamt den Erwiderungen von Descartes Bestandteil der Erstveröffentlichung von 1641.

Die Epoche des Rationalismus, demzufolge nur das anerkannt wird, was bewiesen werden kann, wurde von Descartes begründet. Die bedeutendsten Weiterentwickler waren Baruch de Spinoza und Gottfried Wilhelm Leibniz. Friedrich Nietzsche meinte, die Philosophie sei nach Descartes antichristlich, wenn auch nicht antireligiös – mit ihm habe die Vernunft die alleinige Autorität bekommen.

Über den Autor

René Descartes wird am 31. März 1596 als Spross eines vornehmen Adelsgeschlechts in La Haye geboren. Nach dem Besuch des renommierten jesuitischen Collège Royal in La Flèche tritt Descartes 1617 als 21-Jähriger in die Armee der kaiserlichen Liga unter General Tilly ein. Sein Interesse gilt aber vor allem der Mathematik. Als er als junger Offiziersanwärter die Flugbahn eines Artilleriegeschosses beobachtet, entdeckt er die analytische Geometrie und fasst den Entschluss, eine einheitliche Naturwissenschaft auf mathematischer Basis zu errichten. 1621 gibt Descartes den Militärdienst auf und reist durch Europa, immer auf der Suche nach dem Austausch mit anderen Wissenschaftlern. 1630 emigriert er in die Niederlande, wo er sich eine größere Toleranz gegenüber seinen Forschungen erhofft. Dort beschäftigt er sich auch mit medizinischen und metaphysischen Fragen. Allerdings kann er sich, eingeschüchtert durch die Anklage gegen Galileo Galilei, nicht dazu durchringen, sein kosmologisches Werk Le Monde (Die Welt) zu publizieren. 1637 veröffentlicht er anonym die Schrift Discours de la méthode pour bien conduire sa raison, et chercher la verité dans les sciences (Von der Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Forschung). 1641 folgt die Publikation der Meditationes de prima philosophia (Meditationen über die Grundlagen der Philosophie), 1644 dann die Principia philosophiae (Prinzipien der Philosophie). Nachdem Descartes mehrere Jahre mit der schwedischen Königin Christine in Korrespondenz gestanden hat, folgt er 1649 einer Einladung der Monarchin nach Stockholm. Dort stirbt er am 11. Februar 1650 an einer Lungenentzündung.

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