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Das goldene Notizbuch

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Das goldene Notizbuch

Hoffmann und Campe,

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10 take-aways
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What's inside?

Der wichtigste Roman der Nobelpreisträgerin: ein Meilenstein feministischer Literatur.

Literatur­klassiker

  • Roman
  • Gegenwartsliteratur

Worum es geht

Klassiker des Feminismus

Als Doris Lessing 2007 der Nobelpreis für Literatur verliehen wurde, war vor allem dieser Roman in aller Munde. Die späte Ehrung bestätigte noch einmal die große Wirkung des Goldenen Notizbuchs, das bereits 1962 erschienen war. Noch heute beeindruckt der Roman durch das Engagement seiner Verfasserin. Der Name Doris Lessing steht nicht nur für eine klare antirassistische Haltung und eine kritische Sicht auf die eigenen kommunistischen Ideale. Wirklich berühmt wurde die Autorin mit diesem Buch als Vorkämpferin des Feminismus. Endlich wurde aus Sicht einer Frau radikal über weibliche Themen geschrieben. Lessing selbst wollte sich allerdings von der Frauenbewegung nicht vereinnahmen lassen und verwies auf die vielschichtige Struktur des Romans, durch die sie noch zahlreiche andere Möglichkeiten der Wirklichkeitswahrnehmung abgebildet habe. Nach wie vor lesenswert.

Take-aways

  • Doris Lessings Goldenes Notizbuch (1962) ist ein Klassiker der feministischen Literatur.
  • Der Roman erzählt von der Schreib- und Lebenskrise einer Schriftstellerin und gibt zugleich Zeugnis von ihrer Überwindung.
  • Inhalt: Anna lebt als alleinerziehende Mutter in London. In vier verschiedenen Notizbüchern schreibt sie u. a. über ihre Zeit in Afrika, über ihre Erfahrungen als Kommunistin und über ihr Liebesleben. Schließlich beendet sie diese Aufzeichnungen und schreibt nur noch in ein einziges Notizbuch, das goldene.
  • Die vier Notizbücher stehen für die Zersplitterung der Hauptfigur; erst das fünfte stellt wieder die Einheit her.
  • Mit der zergliederten Struktur des Romans strebt Lessing einen formalen Ausdruck für die moderne Wirklichkeitswahrnehmung an.
  • Das goldene Notizbuch wurde von vielen Feministinnen als Streitschrift für die Frauenbewegung interpretiert.
  • Die Autorin fühlte sich davon vereinnahmt und wies auf die Themenvielfalt des Buches hin.
  • 2007, im Alter von 87 Jahren, wurde Doris Lessing mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.
  • Während die Preisvergabe allgemein wegen Lessings politischem Engagement begrüßt wurde, bemängelten einige Kritiker die schematische Form und den assoziativen Stil.
  • Zitat: „Ich werde ein neues Notizbuch anfangen, alles über mich in einem einzigen Buch.“

Zusammenfassung

Zwei ungebundene Frauen Im Sommer 1957 besucht Anna Wulf ihre Freundin Molly Jacobs, die zusammen mit ihrem Sohn Tommy in einer Wohnung in London lebt. Beide Frauen sind alleinerziehende Mütter und Mitglieder der Kommunistischen Partei, beide waren bei der Psychoanalytikerin Mrs. Marks in Behandlung, die sie Mother Sugar nennen. Anna ist Schriftstellerin und hat einen erfolgreichen Roman veröffentlicht. Molly schlägt sich als Schauspielerin durch.

„Die beiden Frauen waren allein in der Londoner Wohnung.“ (über Anna und Molly, S. 31)

Mollys Ex-Ehemann Richard, ein reicher Unternehmer, taucht auf und will über die Zukunft des gemeinsamen Sohnes reden. Tommy kommt aus seinem Zimmer, und es wird klar, dass er weder eine Stelle im Unternehmen des Vaters annehmen noch das Bohemeleben seiner Mutter führen will. Nachdem Tommy gegangen ist, beklagt sich Richard über seine unglückliche zweite Ehe mit der Alkoholikerin Marion. Wie sich herausstellt, hat er in Mollys Abwesenheit versucht, Anna ins Bett zu bekommen. Die beiden Frauen haben für den selbstgefälligen Mann nur Spott übrig. Er verlässt die Wohnung. Molly will nun unbedingt über Annas Schriftstellerei reden, die würde aber lieber von ihren verlorenen Illusionen sprechen. Doch sie dringt nicht zu der Freundin durch. Sie geht nach Hause und legt ihre vier Notizbücher vor sich auf den Tisch: das schwarze, das rote, das gelbe und das blaue.

„Anna lachte. ‚Männer, Frauen. Gebunden. Frei. Gut. Schlecht. Ja. Nein. Kapitalismus. Sozialismus. Sex. Liebe ...‘“ (S. 81)

Junge Kommunisten Annas Erfolgsroman basiert auf den Erfahrungen, die sie während des Zweiten Weltkriegs im afrikanischen Rhodesien gemacht hat. In ihr schwarzes Notizbuch schreibt sie die Erinnerungen daran. Anna gehörte damals einer Gruppe von jungen europäischen Kommunisten an, die mit der Unterdrückung der Schwarzen nicht einverstanden waren. Sie führte eine asexuelle Beziehung zum deutschen Intellektuellen Willi. Mit dabei waren außerdem die Briten Paul, Jimmy, ein Homosexueller, und Ted, die als Kriegspiloten in Afrika stationiert waren. Außerdem erinnert Anna sich an George, einen Straßenarbeiter, der ein uneheliches Kind mit der Frau vom Koch des Mashopi-Hotels gezeugt hatte, in dem die Gruppe sich an den Wochenenden zum Feiern traf. Als die Hotelbesitzerin den betrunkenen Jimmy in der Küche ertappte, entließ sie den unschuldigen Koch, der es als Schwarzer schwer hatte, einen neuen Job zu finden.

„Der Roman ist eine Funktion der zersplitterten Gesellschaft, des zersplitterten Bewusstseins geworden.“ (Anna, S. 103)

In dem roten Notizbuch hält Anna ihre wachsenden Zweifel an der Kommunistischen Partei fest. Sie engagiert sich als Wahlkampfhelferin, muss aber feststellen, dass die meisten Frauen auf Geheiß ihrer Männer die Labour-Partei wählen. Sie wundert sich über ihre eigene Faszination für den „großen Mann“ Stalin, dessen Verbrechen sie doch nicht ignorieren kann.

„Vor ein paar Monaten noch haben wir geglaubt, dass sich die Welt ändern würde und alles schön werden würde, und jetzt wissen wir, dass es nicht so sein wird.“ (Anna, S. 188)

Im gelben Notizbuch schreibt Anna an einem neuen autobiografischen Roman: Ella (Annas Alter Ego) hat eine Affäre mit dem Psychiater Paul (der an Annas Ex-Liebhaber Michael angelehnt ist). Ella redet sich ein, mit Paul glücklich zu sein, obwohl dieser mit einer anderen Frau verheiratet ist. Paul verlässt schließlich beide Frauen für einen Job in Nigeria. Ella wartet vergeblich auf seine Rückkehr und kommt sich dabei verrückt vor.

„Die Wahrheit ist, dass ich mir aus politischen Ansichten, Philosophie und allem Übrigen einen Dreck mache, alles, was mich interessiert, ist, dass Michael sich im Dunkeln umdreht und sein Gesicht auf meine Brüste legt.“ (Anna, S. 390)

Im blauen Notizbuch schließlich beschreibt Anna ihre Sitzungen bei der Psychoanalytikerin. Angesichts der Kriege und Gräueltaten in der Welt hat sie aber ein schlechtes Gewissen, dass sie sich mit ihrer Seele beschäftigt; aus diesem Grund will sie auch keinen Roman mehr schreiben.

  • *
„Ungebunden, sagen wir, doch die Wahrheit ist, dass sie eine Erektion bekommen, wenn sie mit einer Frau zusammen sind, die ihnen gar nichts bedeutet, dass wir aber nur einen Orgasmus bekommen, wenn wir ihn lieben.“ (Ella, S. 584)

Ein Selbstmordversuch

  • *Annas Telefon klingelt, es ist Molly. Die Freundin macht sich Sorgen um Tommy, der seinen Vater besucht hat und nicht nach Hause zurückgekehrt ist. In seinem Zimmer hat Molly psychologische Fachbücher zum Thema Wahnsinn gefunden. Nach dem Telefonat taucht Tommy bei Anna auf. Der Junge ist verwirrt, hin- und hergerissen zwischen der geschäftstüchtigen, skrupellosen Weltsicht seines Vaters und den kommunistischen Idealen seiner Mutter. Er geht zum Schreibtisch und liest in Annas Notizbüchern. Tommy will wissen, warum sie ihre eigene Persönlichkeit aufspaltet und vier Notizbücher benutzt. Anna begründet die Unterteilung mit ihrem inneren Chaos. Nachdem Tommy gegangen ist, ruft etwas später die völlig aufgelöste Molly an: Tommy ist nach Hause gekommen und hat sich mit einer Pistole in den Kopf geschossen. Die Ärzte bezweifeln, dass er überleben wird.

Sex ohne Liebe

Das schwarze Notizbuch. Anna beschreibt zwei Geschäftsessen. Ein englischer Fernsehproduzent möchte sie zu einer Verfilmung ihres Romans überreden. Er will jedoch die Handlung zurechtstutzen und die Geschichte kostensparend von Afrika nach England verlegen. Die beiden gehen im Streit auseinander. Einige Tage später trifft Anna eine amerikanische Produzentin. Die beiden Frauen verstehen sich zunächst gut. Dann jedoch erklärt die Produzentin, sie wolle aus dem Roman ein Musical machen. Anna schlägt die Amerikanerin in die Flucht, indem sie sich als Kommunistin outet.

„Das ist deshalb so angsterregend, weil Richards Wut, wenn dies nicht England wäre, bedeuten würde, dass Leute ihre Jobs verlieren oder ins Gefängnis gehen müssen oder erschossen werden. Hier ist er nur ein Mann mit schlechter Laune, aber er ist eine Widerspiegelung von etwas so Schrecklichem ...“ (Anna, S. 645)

Das rote Notizbuch. Anna und Molly spielen wieder einmal mit dem Gedanken, aus der Kommunistischen Partei auszutreten. Bei einem Treffen der Genossen wird ein misslungener literaturtheoretischer Text Stalins besprochen, aber niemand getraut sich, ihn zu kritisieren.

Das gelbe Notizbuch. Anna schreibt weiter an ihrem autobiografischen Roman: Die Hauptfigur Ella arbeitet als Redakteurin bei einem Frauenmagazin. Nachdem Paul sie verlassen hat, wird sie von ihrer Chefin nach Paris geschickt, um die Rechte an einer Herz-Schmerz-Fortsetzungsgeschichte zu erwerben. Auf dem Rückflug lernt sie den lebenslustigen Amerikaner Cy kennen. Der Sex mit Cy dauert nur wenige Sekunden, und Ella fürchtet, dass sie einen Orgasmus nur mit einem Mann haben kann, den sie so liebt, wie sie Paul geliebt hat.

„Wenn ich Sie höre, habe ich dabei ein höchst seltsames, unangenehmes Gefühl – sicher, ich werde gefickt, sie wird gefickt, sie (weiblich) werden gefickt, aber Sie, als Mann, werden bestimmt nicht gefickt, Sie ficken.“ (Anna zu Saul, S. 710)

Das blaue Notizbuch. Anna protokolliert die Erlebnisse eines Tages. Morgens schläft sie mit Michael, doch sie ahnt, dass er sie bald verlassen wird. Später beschließt sie endgültig, aus der Kommunistischen Partei auszutreten.

Der blinde Sohn Tommy überlebt seinen Selbstmordversuch, hat aber sein Augenlicht verloren. Überraschenderweise kommt er mit der Behinderung bestens zurecht und lernt, sich blind im Haushalt zu bewegen. Er scheint sogar zufriedener als zuvor. Gleichzeitig entwickelt er sich zum Tyrannen: Kein Telefonat, kein Brief, kein Blick bleibt seiner hypersensiblen Wahrnehmung verborgen. Tommy freundet sich mit Marion an, die nach seinem Unglücksfall das Trinken aufgegeben hat. Richard bevorzugt derweil seine jüngere Sekretärin und will sich von Marion scheiden lassen. Als Anna mit Marion über das Thema spricht, stellt sich heraus, dass die eigentlich nichts gegen die Scheidung hat, Tommy ihr jedoch davon abgeraten hat. Es sei für seinen Vater das Beste, wenn er endlich lernen würde, Verantwortung zu übernehmen.

„Er sagte: ,Warum hast du vier Notizbücher?‘ Ich sagte: ‚Offenbar, weil es notwendig war, mich aufzuspalten, aber von nun an werde ich nur noch eines benutzen.‘ Ich war überrascht, mich dies sagen zu hören, denn bis dahin hatte ich es nicht gewusst.“ (Saul und Anna, S. 757)

Zerstörerische Beziehungen Das schwarze Notizbuch. Anna erinnert sich an einen Nachmittag in Rhodesien. Die Hotelbesitzerin will eine Taubenpastete backen, also zieht die Gruppe mit einem Gewehr in den Busch. Paul tut sich als kaltblütiger Jäger hervor und behandelt Jimmy, der unglücklich in ihn verliebt ist, wie seinen Jagdhund.

„Ich werde ein neues Notizbuch anfangen, alles über mich in einem einzigen Buch.“ (Anna, S. 769)

Das rote Notizbuch. Nach Stalins Tod hoffen die englischen Kommunisten auf einen Verjüngungsprozess der Partei. Anna und Molly haben jedoch wenig Zuversicht.

Das gelbe Notizbuch. Annas Romanfigur Ella hat verschiedene Affären, fühlt sich aber nicht befriedigt. Kaum haben die Männer mit ihr geschlafen, reden sie über ihre Ehefrauen und haben für Ella nur herablassende Bemerkungen übrig. Sie will ganz auf Sex verzichten und sich wieder ernsthaft dem Schreiben widmen.

„Eine Zeit lang war ich Kommunistin. Insgesamt ein Fehler. Trotzdem eine nützliche Erfahrung, und man kann nie genug davon haben.“ (Anna, S. 791)

Das blaue Notizbuch. Anna beginnt eine Affäre mit dem Amerikaner Nelson. Dieser ist mit seiner Ehefrau in eine Hassliebe verstrickt. Auf einer Abendgesellschaft beobachtet Anna, wie sich das Ehepaar angiftelt, während die Gäste gute Laune heucheln. Anna tanzt mit Nelson und gibt sich offen als seine Geliebte zu erkennen. Sie weiß aber, dass sie nur Teil eines Beziehungsspiels ist und die Eheleute niemals auseinanderbringen kann.

„ – der Film ging jetzt über meine, Ellas und die Erfahrung der Notizbücher hinaus, weil eine Verschmelzung stattfand; anstelle der einzelnen Szenen, Leute, Gesichter, Bewegungen, Blicke sah man jetzt alles zusammen.“ (Anna, S. 803)

Engagement und Tränen Marion verbringt so viel Zeit mit Tommy, dass sie praktisch in die Londoner Wohnung eingezogen ist. Molly ist davon gar nicht begeistert. Richard hat unterdessen andere Sorgen: Ihm bereitet Marions und Tommys linkspolitisches Engagement Unbehagen. Die beiden sind auf einer Demonstration für die Unabhängigkeit Afrikas verhaftet worden, und Richard fürchtet, dass entsprechende Zeitungsberichte seiner Karriere schaden könnten. Molly und Richard bitten Anna, mit Marion zu reden. Anna fühlt sich seltsam leer und willenlos, trifft sich aber mit Marion und erzählt ihr von ihrem Freund Tom Mathlong, der wegen seiner politischen Aktivitäten in Afrika im Gefängnis sitzt. Den aufrichtigen Kampf dieser Leute dürfe man nicht durch halbherzige Demonstrationen in Misskredit bringen, sagt Anna und bricht zu ihrer eigenen Überraschung in Tränen aus. Marion ist beeindruckt. Sie geht auf Annas Vorschlag ein, mit Tommy einen Erholungsurlaub zu machen.

Das Ende der Notizbücher Das schwarze Notizbuch. Anna träumt, dass ihre Erlebnisse in Rhodesien verfilmt werden. Sie ist selbst am Set, streitet sich aber mit dem Regisseur, weil der Film nicht den Tatsachen entspricht. Als sie aufwacht, stellt sie fest, dass ihre Erinnerungen an die Zeit in Afrika und an die ehemaligen Freunde verblassen. Sie beendet das schwarze Notizbuch.

Das rote Notizbuch. Anna erzählt von dem Trotzkisten Harry, der zu einer Reise in die UdSSR eingeladen wird. Er glaubt, dass Chruschtschow persönlich sich von ihm erklären lassen möchte, wie die Sowjetunion zu reformieren sei. Am Ende muss Harry einsehen, dass der Kommunismus ihn nicht braucht. Anna beendet auch das rote Notizbuch.

Das gelbe Notizbuch. Anna notiert einige Kurzgeschichtenentwürfe. Meist handeln sie von Beziehungen, die am Egoismus und dem Unterwerfungsgebaren der Männer scheitern. Dann beendet Anna das gelbe Notizbuch.

Das blaue Notizbuch. Anna berichtet von der schwierigen Liebesbeziehung zu ihrem neuen Untermieter Saul Green. Der kühle und abweisende Mann betrügt sie von Anfang an. Andererseits ist er sehr einfühlsam und kann die Situation der Frau in der Gesellschaft nachvollziehen. Als Anna heimlich in seinem Tagebuch liest, dass er sie zwar lieber hat als alle anderen Frauen, aber nicht gern mit ihr schläft, ist sie schockiert – vor allem darüber, dass ihr sein Begehren wichtiger ist als seine Zuneigung. Die Beziehung der beiden eskaliert. Wann immer Saul die Wohnung verlässt, wird Anna eifersüchtig, woraufhin er sich beengt fühlt und sie unnötig provoziert. Beide leiden unter Angstzuständen. Saul fragt Anna, warum sie vier Notizbücher schreibe statt eines Romans. Erstmals gibt sie zu, dass sie eine Schreibblockade hat. Dann beendet sie das blaue Notizbuch und geht ein goldenes kaufen.

Das goldene Notizbuch Anna schreibt in das goldene Notizbuch. Sie und Saul schlafen miteinander, anschließend geht er gut gelaunt in sein Zimmer, um sich seiner Schriftstellerei zu widmen. Sie hört seine Schritte durch die Decke über sich und fühlt sich entmutigt. Dann träumt sie von einem Filmvorführer, der ihr unter frotzelnden Kommentaren einen Zusammenschnitt ihrer vier Notizbücher zeigt: einen Film über die Erlebnisse in Rhodesien, über ihre Zeit mit Michael, den Ella-Roman und die Freundschaft mit Molly. Anna hat das Gefühl, dass ihre eigenen Erinnerungen falsch sind. Der Filmvorführer ist niemand anderes als Saul. Als er später zu ihr zurückkommt, sagt Anna, dass sie nicht gut füreinander seien und sich trennen sollten. Keiner von beiden hat jedoch die Kraft dazu. Der Nachmittag vergeht mit Vorwürfen, Alkohol, Tränen und schlechtem Sex. Am nächsten Tag hat Saul sich überlegt, wie Anna sich aus ihrer Krise befreien kann: Sie soll wieder mit dem Schreiben beginnen. Er schlägt ihr den ersten Satz für ihren nächsten Roman vor: „Die beiden Frauen waren allein in der Londoner Wohnung.“

Anna steht kurz davor, den Verstand zu verlieren. Sie zerschneidet stapelweise Zeitungen und tapeziert ihre Wände mit Artikeln über Mord und Totschlag. Erlöst wird sie von dem Amerikaner Milt. Mit ihm hat sie eine vergleichsweise unkomplizierte Affäre. Sie nimmt sich vor, eine Arbeit und eine neue Wohnung zu suchen. Tommy wird nun doch einen Posten im Unternehmen seines Vaters annehmen. Molly heiratet einen reichen Geschäftsmann.

Zum Text

Aufbau und Stil Das goldene Notizbuch enthält eine Rahmenerzählung mit dem Titel „Ungebundene Frauen“, deren Form Doris Lessing im Vorwort selbst als „konventionellen kurzen Roman“ bezeichnet. Hauptfigur ist die Schriftstellerin Anna Wulf. Anna schreibt ihrerseits in vier verschiedene Notizbücher, deren Texte in jeweils gleicher Reihenfolge zwischen die einzelnen Abschnitte von „Ungebundene Frauen“ montiert sind: ein schwarzes (mit Annas Afrika-Erinnerungen), ein rotes (mit ihren Erfahrungen als Kommunistin), ein gelbes (mit einem autobiografischen Roman, in dem Anna anhand ihrer Protagonistin Ella eine zerbrochene Beziehung nachzeichnet) und ein blaues (Annas persönliches Tagebuch). Schließlich beginnt sie ein goldenes Notizbuch, in dem sie die verschiedenen Aspekte ihrer Persönlichkeit zu einem traumartigen Textgebilde zusammenführt. Darin berichtet sie u. a., wie ihr ein Liebhaber den Anfangssatz für ihr nächstes Buch vorschlägt: „Die beiden Frauen waren allein in der Londoner Wohnung.“ Es ist derselbe Satz, mit dem auch der Roman Das goldene Notizbuch beginnt. Im Gegensatz zu seiner verschachtelten Struktur ist Lessings Sprache von Tagebuch-typischer Einfachheit. Freimütig und schonungslos präzise schildert sie weibliche Befindlichkeiten, lästert über männliche Schwächen und scheut sich auch nicht, Worte wie „ficken“ oder „Schwanz“ zu gebrauchen.

  • Interpretationsansätze Das goldene Notizbuch erzählt die Geschichte einer Schreibblockade. Die Schriftstellerin Anna scheitert, da Schreiben für sie grundsätzlich einen autobiografischen Aspekt hat und sie es angesichts des Elends in der Welt dekadent findet, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Lessings Roman schildert das Problem und ist zugleich seine Lösung: Es gelingt Anna, von der Unmöglichkeit des Schreibens zu erzählen und sie genau damit zu überwinden.
  • Annas Ich-Spaltung – symbolisiert durch die vier Tagebücher – ist der verzweifelte Versuch, allen Aspekten ihrer Persönlichkeit gerecht zu werden: ihren Erinnerungen, ihrer Parteizugehörigkeit, ihren persönlichen Ansprüchen und denen ihrer Umgebung. Erst mit dem fünften, dem goldenen Notizbuch schafft sie es, einen Neuanfang als „ganzer Mensch“ zu wagen.
  • Verantwortlich für die Krise sind im Roman nicht zuletzt die Männer. Sie erlauben sich eine Trennung von Sex und Liebe, welche die Frauen als unmöglich empfinden. Anna erlebt ihre Partner fast durchweg als egoistisch, unzuverlässig und emotional unreif. Dummerweise dominieren sie die Welt, in der die Frauen sich zurechtfinden müssen.
  • Annas Zusammenbruch spiegelt sich in der Krise der Kommunistischen Partei. Spätestens mit Stalins Tod werden die Verbrechen des Sowjetregimes öffentlich, woraufhin die marxistische Ideologie auch ehemals überzeugten Kommunisten keinen Halt mehr bietet.
  • Trotz langer parteipolitischer Passagen ist Das goldene Notizbuch in erster Linie ein Meilenstein des Feminismus. Lessing analysiert das Rollenverständnis von Mann und Frau – Arroganz vs. Demut – derart schonungslos, dass sie bald als Vorreiterin der Frauenbewegung eingespannt wurde.

Historischer Hintergrund

Enttäuschte kommunistische Hoffnungen In der „Großen Säuberung“ Mitte der 1930er Jahre ging Josef Stalin in der Sowjetunion brutal gegen angebliche Regimekritiker vor. Bereits der ersten Welle fielen Hunderttausende zum Opfer. Die Propagandamaschine der Regierung versuchte diese Untaten zu vertuschen und sich weiterhin als menschenfreundliches System zu präsentieren. Mit Erfolg: Für viele westliche Intellektuelle war der Kommunismus der logische Gegenentwurf zum Faschismus, der zu den Verbrechen des Zweiten Weltkriegs geführt hatte. Erst mit der zweiten stalinistischen Säuberungswelle, die von 1948 bis 1953 andauerte und vor allem die jüdische Bevölkerung betraf, kamen erhebliche Zweifel auf. Die Berichte, die aus der Sowjetunion ins Ausland drangen, ließen sich nicht länger ignorieren und stürzten die Anhänger des Kommunismus weltweit in eine Krise. Wie konnte das System, für das man sich aus antifaschistischen Motiven entschieden hatte, den mörderischen Judenhass der Nazis nun selbst übernehmen?

Als sich nach Stalins Tod im März 1953 sein Nachfolger Nikita Chruschtschow auf dem 20. Parteitag der KPdSU von Stalin distanzierte und zumindest einen Teil der Verbrechen öffentlich machte, hofften viele westliche Linke, dass die Partei sich reformieren würde. Doch die Hoffnungen der „Tauwetterperiode“ wurden enttäuscht: Im November 1956 lehnte sich in Ungarn die Bevölkerung gegen die kommunistischen Machthaber auf, und prompt griff das Regime brutal durch: Chruschtschow entsandte Truppen und ließ den Volksaufstand blutig niederschlagen.

Entstehung Als Doris Lessing 1949 aus Rhodesien nach London zog, hatte sie das fertige Manuskript ihres ersten Romans bereits im Gepäck. Die Vielschreiberin, die sich selbst als „writing animal“ bezeichnete, hatte Das goldene Notizbuch vom ersten bis zum letzen Kapitel chronologisch heruntergeschrieben. Die vielen persönlichen Erinnerungen, Ideen und Erfahrungen, aus denen sich der Text zusammensetzt, erlebte die Autorin während des Schreibens so intensiv, dass sie die Arbeit in ihrem Vorwort als „traumatisch“ bezeichnet. Sie sei verändert daraus hervorgegangen.

Die verschiedenen Themenbereiche des Buches stehen mit dem damaligen Alltag der Autorin in unmittelbarer Verbindung. Wie ihre Hauptfigur Anna war Lessing ab 1949 Mitglied der Kommunistischen Partei. Der Kommunismus strahlte nach dem Zweiten Weltkrieg großen Optimismus aus und bot vielen Intellektuellen die Gelegenheit, die Verheerungen der Kriegsjahre zu verarbeiten.

Das starke Freiheitsbedürfnis von Lessings Romanfigur Anna, überhaupt die geradezu visionäre Frauenposition des Buches, erklärt sich vielleicht mit der Jugend der Autorin in Afrika. In einem Interview anlässlich der Nobelpreisverleihung erklärte Lessing, Afrika sei damals in manchen Dingen weiter entwickelt gewesen als England. Die Beziehungen zwischen Männern und Frauen etwa erlebte sie in Rhodesien als freier – umso härter kritisierte sie sie im London der 50er Jahre.

Wirkungsgeschichte Das goldene Notizbuch wurde 1962 in England veröffentlicht, aber erst 1976 ins Französische und 1978 ins Deutsche übersetzt. In der Zwischenzeit hatte sich die Frauenbewegung etabliert und vereinnahmte das Buch umgehend für ihre Belange. Endlich wurde von einer weiblichen Autorin über weibliches Erleben geschrieben, ohne Tabuthemen wie den Orgasmus der Frau oder die Menstruation auszusparen. Radikalere Feministinnen warfen Lessing allerdings vor, dass ihre Hauptfigur noch immer abhängig von den Männern sei und sich bezeichnenderweise den ersten Satz ihres Romans diktieren lasse. Lessing trafen diese Vorwürfe kaum. Sie wollte sich ohnehin nicht von der Frauenbewegung instrumentalisieren lassen: Zwar sei die Gleichstellung der Frau bitter nötig, als politisches Pamphlet wolle sie ihr Buch jedoch ganz und gar nicht verstanden wissen. Sie habe die Themen ihrer Zeit realistisch wiedergeben wollen, und dazu gehöre die problematische Stellung der Frau in der Gesellschaft – aber eben auch viel anderes. // // Als Lessing 2007 mit dem Nobelpreis für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, war ihr bekanntestes Buch wieder in aller Munde. Die Kritik begrüßte die Entscheidung zugunsten einer engagierten Autorin, deren Goldenes Notizbuch die Form des modernen Romans maßgeblich geprägt hatte. Einige Stimmen bemängelten jedoch den umständlichen Aufbau des Buches und die bisweilen zähen, ausufernden Passagen zum Sozialismus. Das Nobelpreiskomitee aber war sich sicher: Doris Lessing sei eine „Epikerin weiblicher Erfahrung, die sich mit Skepsis, Leidenschaft und visionärer Kraft eine zersplitterte Zivilisation zur Prüfung vorgenommen hat“.

Über den Autor

Doris Lessing wird als Doris May Tayler am 22. Oktober 1919 in Kermanschah im heutigen Iran geboren. Ihr Vater, ein Kriegsinvalider, ist bei der Imperial Bank of Persia angestellt. Die Familie zieht 1925 in die damalige britische Kolonie Südrhodesien, das heutige Simbabwe. Die Mutter erzieht Doris mit strenger Hand und träumt von einem viktorianischen Leben „unter den Wilden“. Die riesige Maisfarm bringt jedoch nicht den erhofften Reichtum. Doris bricht bereits im Alter von 14 Jahren ihre Schullaufbahn ab und nimmt Reißaus. Sie arbeitet als Au-pair-Mädchen und Büroangestellte. Mit 19 heiratet sie und bekommt zwei Kinder, die sie jedoch bald bei ihrem Mann zurücklässt, da sie sich in der Ehe gefangen fühlt. In einer marxistischen Lesegruppe, die sich vor allem mit dem Problem der Rassentrennung beschäftigt, lernt sie den deutschen Emigranten Gottfried Lessing kennen. Sie heiratet 1945 ein zweites Mal und bekommt einen Sohn. Als auch diese Ehe 1949 zerbricht, zieht Lessing mit dem Kind nach London. Den deutschen Nachnamen behält sie bei. Sie veröffentlicht ihren ersten Roman The Grass is Singing (Afrikanische Tragödie, 1949), der autobiografisch geprägt ist und von der Rassenproblematik in Rhodesien erzählt. Das Buch ist ein Erfolg, und sie kann von nun an vom Schreiben leben. Ihren internationalen Durchbruch feiert sie mit The Golden Notebook (Das goldene Notizbuch, 1962) – bis heute ihr wichtigstes Buch. Lessings Produktivität ist enorm, sie veröffentlicht nahezu im Jahresrhythmus Romane, Theaterstücke und Essays. Um darauf aufmerksam zu machen, wie schwer es für junge Autoren ist, einen Verlag zu finden, versucht sie 1983/84, zwei Romane unter einem Pseudonym zu veröffentlichen. Tatsächlich werden die Bücher von ihrem englischen Verleger abgelehnt, von einem amerikanischen Verlagshaus jedoch angenommen. Im Jahr 2007 erhält Doris Lessing im Alter von 87 Jahren den Nobelpreis für Literatur.

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