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Wiedersehen in Howards End

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Wiedersehen in Howards End

Fischer Tb,

15 min read
10 take-aways
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What's inside?

Boheme trifft auf Bürgertum, Geist auf Geld – ein Psychogramm der Gegensätze.


Literatur­klassiker

  • Gesellschaftsroman
  • Edwardische Epoche

Worum es geht

Zeitlose Menschentypen

Wiedersehen in Howards End ist ein intelligenter, faszinierender Roman, auch für den heutigen deutschen Leser, obwohl den weder die englische Klassengesellschaft noch die Sexualmoral um 1910 unmittelbar betreffen. Die geschilderten Menschentypen sind jedoch zeitlos – Macher oder Musenmenschen gab es immer und wird es immer geben, ebenso die gegenseitige Verachtung zwischen ihnen. Wobei die Sympathien in diesem Roman doch ziemlich klar verteilt sind: Das männlich-ökonomische Prinzip mit seinem Hauptvertreter Henry Wilcox erscheint reichlich defizitär, und manchmal wundert man sich ein bisschen, was die kluge, mutige, an Zwischentönen interessierte Margaret an diesem begriffsstutzigen, selbstgefälligen und bigotten Mann bloß findet. Egal: Man freut sich umso mehr über die starken Frauenfiguren. Der Roman beobachtet klug und breitet innere wie äußere Landschaften so schön und nuancenreich aus, dass man nach der Lektüre gleich zum nächsten Forster-Roman greifen möchte.

Take-aways

  • Wiedersehen in Howards End gehört zu den erfolgreichsten Romanen des britischen Autors E. M. Forster.
  • Inhalt: Die freigeistigen Schwestern Schlegel treffen auf die bürgerliche Familie Wilcox. Eine Romanze zwischen Helen Schlegel und Paul Wilcox scheitert schon nach einem Tag; die Ehe zwischen Margaret Schlegel und Pauls verwitwetem Vater Henry Wilcox durchläuft zwar eine Krise und ist flankiert von Dramen, endet aber glücklich.
  • Das zentrale Thema ist hier – typisch für Forster – die Überwindung zwischenmenschlicher Schranken.
  • Ein wichtiges Thema ist auch die bigotte Sexualmoral der viktorianischen Epoche, die vor allem zulasten der Frauen ging.
  • Das Haus Howards End ist der zentrale Schauplatz und ein Symbol für tiefe Verbundenheit und innere Heimat.
  • Der Roman nimmt überwiegend die weibliche Perspektive ein und hat starke, empathisch geschilderte weibliche Hauptfiguren.
  • Die Schwestern Schlegel sind von den Schwestern Virginia Woolf und Vanessa Bell inspiriert, die wie Forster dem Künstlerzirkel Bloomsbury Group angehörten.
  • Mit 45 Jahren veröffentlichte Forster den letzten seiner fünf Romane, obwohl er 91 Jahre alt wurde.
  • Forster war homosexuell, bekannte sich aber erst nach dem Tod seiner dominanten Mutter dazu. Fortan setzte er sich für die Anerkennung homosexueller Beziehungen ein.
  • Zitat: „Was hältst du von den Wilcoxens? Gehören sie zu unseresgleichen? (…) Machen Sie sich etwas aus Literatur und Kunst?“

Zusammenfassung

Eine sehr kurze Romanze

Die 21-jährige Helen Schlegel hält sich für ein paar Tage in Howards End auf, dem Landhaus der Familie Wilcox in Hilton. Sie und ihre acht Jahre ältere Schwester Margaret haben die Familie Wilcox bei einer Reise in Deutschland kennengelernt. Margaret konnte leider nicht nach Howards End mitkommen, weil der 16-jährige Bruder Tibby krank ist – die Geschwister sind verwaist. Helen schreibt Margaret, wie verzaubert sie von dem Haus ist und wie fasziniert von der Familie Wilcox. Und das, obwohl der Geschäftsmann Henry Wilcox das Frauenwahlrecht als Unsinn bezeichnet und überhaupt wenig von dem hält, was den freigeistigen, intellektuellen Schwestern Schlegel wichtig ist. In einem weiteren Brief berichtet Helen knapp, dass sie und Paul, der jüngere der beiden Söhne von Henry Wilcox, verliebt seien.

„Was hältst du von den Wilcoxens? Gehören sie zu unseresgleichen? (…) Machen Sie sich etwas aus Literatur und Kunst?“ (Tante Juley zu Margaret, S. 11)

Das löst nun einige Aufregung im Hause Schlegel aus, vor allem bei Tante Juley, die sich für ihre Nichten verantwortlich fühlt. Margaret will sofort nach Howards End fahren, doch Tante Juley drängt sich vor. Margaret bringt sie zum Bahnhof, und als sie zurück nach Hause kommt, findet sie ein Telegramm von Helen vor: Alles sei bereits wieder aus. Sie solle niemandem etwas sagen. Aber da ist Tante Juley schon unterwegs. Als sie am Bahnhof von Hilton ankommt, trifft sie zufällig auf Charles, Pauls älteren Bruder, der sie in seiner Kutsche mitnimmt. Durch ein Missverständnis hält sie ihn für Paul und versucht, ihn auszuhorchen und anzudeuten, dass sie Bescheid wisse. Als Charles, der bereits eine Verlobte hat, endlich versteht, wovon sie spricht, wird er wütend auf seinen Bruder. Er sagt, die Sache müsse unterbunden werden, weil Paul kein eigenes Geld habe und bald für das Geschäft nach Nigeria gehe. Die Sache wird bei der Ankunft in Howards End noch peinlicher, vor allem für Helen. Zur Entspannung trägt maßgeblich die weise und harmonisierende Art von Ruth Wilcox bei, der Mutter von Charles und Paul.

„In Wahrheit verhielt es sich so, dass sie sich wirklich verliebt hatte, nicht in einen einzelnen Menschen, sondern in eine ganze Familie. (…) Die wilcoxsche Tatkraft hatte sie fasziniert und in ihrem empfänglichen Gemüt neue Bilder des Schönen geschaffen.“ (über Helen, S. 28)

Die Episode bleibt Helen unangenehm in Erinnerung. Sie war wirklich für einen Abend in Paul verliebt – oder eigentlich mehr in die pragmatisch anpackende Art der ganzen Familie Wilcox, die sie als sehr männlich empfand. In zauberhafter Abendstimmung küssten sie und Paul sich im Garten von Howards End. Am nächsten Tag aber, als sie Henry, Charles und Paul Wilcox beim Frühstück über Aktien reden hörte, wurde ihr schlagartig klar, dass es keinen Sinn hätte – sie sind zu verschieden. Die Wilcox-Männer erschienen ihr jetzt hohl. Paul ist erleichtert, dass Helen der kurzen Affäre keine Bedeutung beimisst.

Eine ungewöhnliche Freundschaft

Den nächsten Kontakt mit der Familie Wilcox haben die Schlegel-Schwestern, als die Familie eine Stadtwohnung in der unmittelbaren Nachbarschaft der Schlegels bezieht. Margaret freundet sich mit Ruth Wilcox an, obwohl diese ihre intellektuellen Neigungen nicht teilt. Sie ist kulturell und politisch desinteressiert und Margarets Freunde schütteln den Kopf über sie. Dennoch geht von ihr eine schwer zu fassende Weisheit aus, von der Margaret fasziniert ist. Diese Weisheit kommt in Howards End voll zur Entfaltung, dort ist Ruth Wilcox glücklich. Sie möchte Margaret unbedingt ihr Haus zeigen. Einmal sind sie schon am Bahnhof, um nach Hilton zu fahren, doch da trifft Ruth Wilcox auf ihren Mann und ihre Tochter Evie, die überraschend von einer Reise zurückgekehrt sind, und aus dem Ausflug wird nichts. Zu diesem Zeitpunkt ist Ruth Wilcox bereits schwer krank, doch sie hat es niemandem gesagt. Kurz darauf stirbt sie. Henry Wilcox trauert heftig um seine Frau. Sein Bild von ihr wankt jedoch, als herauskommt, dass sie Howards End Margaret Schlegel vererbt. Der Familienrat beschließt, dass sie nicht bei Sinnen gewesen sein kann, und verbrennt das Testament. Margaret erfährt nichts von alledem.

Hilfe für Leonard Bast

Es sind gut zwei Jahre vergangen. Margaret ist auf Wohnungssuche, denn die Schlegels müssen das Haus, in dem sie seit ihrer Kindheit leben, verlassen, weil es einem Neubau weichen soll. Ein skurriles Erlebnis sorgt für Heiterkeit: Eines Tages steht plötzlich eine Frau an der Tür der Schlegels und sucht dort ihren Mann – sie habe den begründeten Verdacht, er müsse hier sein. Am nächsten Tag kommt dieser Ehemann selbst, um sich für seine Frau zu entschuldigen. Es ist Leonard Bast, ein junger, kulturell interessierter Büroangestellter, der mit seiner mehr als zehn Jahre älteren Frau Jacky in ärmlichen Verhältnissen lebt. Helen hat einmal nach einem Konzert aus Versehen seinen Regenschirm eingesteckt; die Schwestern haben das bereits vergessen. Frau Bast hat nun, als ihr Mann über Nacht nicht nach Hause gekommen ist, die Visitenkarte von Margaret gefunden – Leonard hat sie als Symbol für das kultivierte Leben aufbewahrt. Die Schwestern beginnen sich für seinen Fall zu interessieren, denn Mr. Bast hat in jener Nacht nicht etwa seine Frau betrogen: Er ist einfach in die Natur gelaufen, um seinem engen Leben einmal zu entkommen.

„(…) da hatte ich einen Augenblick lang das Gefühl, die gesamte Wilcox-Familie wäre reiner Schwindel, nur eine Fassade aus Zeitungen und Automobilen und Golfschlägern, und wenn sie fiele, fände ich dahinter nichts als erschreckende Leere.“ (Helen, S. 31)

Im Debattierklub von Helen und Margaret wird Leonard Bast lebhaft diskutiert, man fragt sich, wie man ihm helfen kann. An seinem Beispiel wird deutlich, wie sehr das ganze Leben vom Geld abhängt. Just an diesem Abend treffen Margaret und Helen auf einer Bank an der Themse Henry Wilcox. Sie erzählen ihm von Leonard Bast. Henry Wilcox sagt, vor allem solle der junge Mann sofort seine Stelle kündigen – die Versicherungsgesellschaft, für die er arbeite, werde noch vor Jahresende Konkurs anmelden. Die Schwestern laden Leonard Bast zum Tee ein und übermitteln ihm Henry Wilcox’ Warnung.

Die Annäherung

Drei Tage nach der Begegnung ist Margaret bei Henry Wilcox und Evie zum Essen eingeladen. Es wird über Häuser und Umzüge gesprochen. Margaret, die mit der Suche nach einem neuen Haus überfordert ist, bittet Henry Wilcox, ihr zu helfen. Die beiden treffen sich innerhalb einer Woche mehrere Male. Als Margaret gerade bei Tante Juley zu Besuch ist, kommt ein geschäftsmäßiger Brief von Henry, in dem er anbietet, sein eigenes Haus in London an die Schlegels zu vermieten. Margaret trifft Henry, um sich das Haus anzusehen. Er gesteht, sie unter diesem Vorwand hergelockt zu haben, und macht ihr einen Heiratsantrag. Ihr wird klar, dass sie ihn ebenfalls liebt. Kurze Zeit später sagt sie Ja, obwohl Helen vehement dagegen ist – sie hat gründlich mit der Wilcox’schen Lebensweise abgeschlossen. Auch Henrys Kinder empören sich über die Verbindung. Charles fürchtet um sein Erbe; er hat die Schlegel-Schwestern schon immer als gefährliche Eindringlinge gesehen.

„Mit einem guten Abendessen im Leib und zwei liebenswürdigen, wenn auch reichlich intellektuellen Frauen an seiner Seite konnte er sich dem Bewusstsein hingeben, dass er alle Fäden in der Hand halte und dass das, was er nicht wusste, gar nicht weiter wissenswert war.“ (über Henry Wilcox, S. 153)

Helens ablehnende Haltung gegenüber ihrem künftigen Schwager verstärkt sich, als Henry seine Einschätzung der Versicherungsgesellschaft, für die Leonard Bast gearbeitet hat, leichthin widerruft – nun sagt er, sie sei bombensicher. Leonard hat aber auf seinen Rat hin seine Stellung dort gekündigt und arbeitet nun für ein deutlich niedrigeres Gehalt in einem Bankhaus. Helen hat ein schlechtes Gewissen und ist empört, dass Henry Wilcox sich überhaupt nicht schuldig fühlt. Es kommt zum Streit, auch zwischen den Schwestern. Der wird zwar offiziell beigelegt, aber es bleibt doch eine Kluft.

„Und doch war Margaret gern in seiner Gesellschaft. Er wirkte nicht als Vorwurf, sondern als Anregung auf sie, und er vertrieb ihre schwermütigen Gedanken. (…) Für ihn stand fest, dass die Welt sehr erfreulich war.“ (über Henry Wilcox, S. 188)

Henry zeigt Margaret Howards End, sie sieht das Haus jetzt zum ersten Mal. Es steht leer, aber Henry möchte dort nicht leben. Sie fühlt die gleiche Verbundenheit mit dem Haus, die auch Ruth Wilcox gefühlt hat, und im Kontrast dazu ist es erschreckend, wie fremd Henry das Haus ist. Er weiß nicht mal, dass in einer Bergulme im Garten Schweinezähne stecken – einem Aberglauben zufolge soll die Rinde dadurch gegen Zahnschmerzen helfen. Ruth hatte es Margaret erzählt.

Hochzeiten

Evie heiratet in Oniton, auf Henrys Landsitz. Am Abend taucht plötzlich Helen auf, zusammen mit Leonard und Jacky Bast. Helen ist aufgebracht, ihre Wut richtet sich gegen Henry. Sie sagt, sie habe das Ehepaar Bast halb verhungert vorgefunden; Leonard habe seine Stelle bei der Bank verloren. Helen will, dass Henry ihm Arbeit gibt. Margaret verspricht, mit Henry darüber zu sprechen, aber sie verwahrt sich gegen Helens Ton. Sie schickt die drei ins Hotel. Henry erinnert sich überhaupt nicht an den Fall, doch er will mit Leonard Bast über eine Arbeitsmöglichkeit sprechen. Doch dann begegnet Henry Jacky Bast, die noch im Garten ist. Sie hat sich über die Reste des Hochzeitsmahls hergemacht und ist betrunken. Sie erkennt Henry als einen ehemaligen Liebhaber und äußert das sehr direkt. Henry sieht sein Leben zusammenstürzen. Er bestätigt Margaret, dass diese Frau zehn Jahre zuvor seine Mätresse gewesen ist. Margaret ist tief verwirrt und weiß dennoch recht schnell, dass sie Henry trotzdem heiraten will. Sie schreibt kurze Briefe an Leonard und an Helen ins Hotel. Leonard schreibt sie, dass Henry keine freie Stelle für ihn habe, Helen teilt sie mit, dass die Basts nichts taugten.

„Wenn Leute wie die Wilcoxens nicht seit Tausenden von Jahren in England bis an ihr Lebensende gearbeitet hätten, dann könnten du und ich nicht einfach so hier sitzen, ohne dass man uns die Gurgel durchschnitte.“ (Margaret zu Helen, S. 204)

Zurück in London will Helen den Basts 5000 Pfund zukommen lassen, doch zuerst wird der Scheck zurückgewiesen, dann sind die Basts unbekannt verzogen. Helen verschwindet nach Deutschland. Ohnehin müssen die Schlegels jetzt ihr Haus verlassen. Tibby lebt noch in Oxford, und die Möbel werden im leer stehenden Howards End untergestellt. Kurz vor diesem Umzug heiraten Margaret und Henry in sehr kleinem Rahmen. Sie zieht zunächst in sein Londoner Haus, später wollen sie ein Haus in Sussex bauen. Margaret sorgt sich wegen Helen, die ihr offensichtlich aus dem Weg geht.

Eine unvermutete Wendung

Von ihrer Schwägerin erfährt Margaret, dass die alte, schrullige Miss Avery vom Hof neben Howards End damit begonnen habe, Margarets Umzugskisten auszupacken und das Haus mit ihren Sachen einzurichten. Sie fährt hin, um sie zur Rede zu stellen. Die hexenhafte Alte sagt ihr voraus, dass sie schon sehr bald dort wohnen werde. Dann wird Tante Juley schwer krank. Margaret und Tibby fahren zu ihr und telegrafieren Helen, dass sie kommen soll. Zwar erholt sich Tante Juley unerwartet wieder, aber Margaret macht sich nun immer ernstere Sorgen um Helen, die sich sogar in dieser Situation zu entziehen versucht. Margaret fürchtet, dass Helens übersteigerte Abneigung gegen die Familie Wilcox eine Art Wahnsinn ist. Auf Henrys Vorschlag hin lockt sie Helen nach Howards End; dort solle sie sich selbst ein paar Bücher holen, die sie verlangt hat. Margaret lauert ihrer Schwester im Garten auf, und schon, als sie sie von Weitem sieht, hat sie die Erklärung für ihr seltsames Verhalten: Helen ist schwanger. Der ebenfalls anwesende Henry ist schockiert.

„Man hat ihn bei seiner Bank rausgeworfen. Ja, er ist erledigt. Wir oberen Zehntausend haben ihn ruiniert, und jetzt willst du mir sicher erzählen, so sei nun mal der Lebenskampf.“ (Helen zu Margaret über Leonard, S. 263)

Margaret schickt Henry weg, und Helen erzählt, dass sie in München mit einer italienischen Journalistin zusammenlebt. Das Aufeinandertreffen der beiden Schwestern ist anfangs verkrampft, aber sie tauen auf, weil sie sich in Howards End wie zu Hause fühlen: Das Haus ist ja mit ihren eigenen Sachen möbliert. Helen bittet Margaret um eine gemeinsame Übernachtung dort, bevor sie wieder nach Deutschland zurückfährt. Margaret meint, dafür Henry um Erlaubnis bitten zu müssen – und diese Unterredung gerät zum großen Streit. Margaret ist empört über Henrys moralische Entrüstung, nach allem, was er selbst getan hat. Tatsächlich will er ihr die Erlaubnis zu dieser Übernachtung nicht geben, weil er fürchtet, dass der Skandal das Ansehen seiner Familie und seiner verstorbenen Frau beflecken könnte. Margaret schreit ihm seine Bigotterie ins Gesicht und riskiert damit den Bruch.

Schicksalsschläge und Versöhnung

Gegen Henrys Willen übernachten Margaret und Helen in Howards End. Margaret erfährt, dass Leonard Bast der Vater des Kindes ist; es wurde an jenem Abend in Oniton im Hotel gezeugt. Leonard weiß allerdings nicht, dass Helen schwanger ist. Er macht sich schlimme Vorwürfe wegen dieser Nacht, dabei gibt Helen ihm überhaupt keine Schuld; sie hat ihn für einen Abend geliebt. Mit seinem Leben ist es seither immer weiter bergab gegangen: Er erbettelt Almosen von seiner Familie, die ihn wegen der Heirat mit Jacky verstoßen hat. Seine starken Reuegefühle lassen ihm keine Ruhe, und er versucht, Margaret ausfindig zu machen, um ihr seine Sünde zu beichten. Er erfährt, dass sie in Howards End ist, und fährt hin, am Morgen nach Helens und Margarets Übernachtung dort. Als er das Haus betritt, packt Charles Wilcox ihn beim Kragen und schlägt ihn mit einem stumpfen Degen. Leonard Bast stirbt im selben Moment an einem Herzschlag.

„Aber dieses Howards End hat wirklich Zauberkräfte.“ (Margaret zu Helen, S. 355)

Margaret entschließt sich, Henry zu verlassen und mit Helen nach Deutschland zu gehen. Als sie Henry das mitteilt, hat ihn schon ein weiterer Schicksalsschlag ereilt: Sein Sohn Charles wurde wegen Totschlags zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Henry hat einen Zusammenbruch und bittet Margaret um Hilfe. Sie bringt ihn nach Howards End, damit er sich erholen kann. Auch Helen bleibt dort. Sie geht nicht nach Deutschland, sondern bringt in Howards End ihr Kind zur Welt. Die beiden Schwestern verstehen sich nun und haben einander verziehen. Henry macht sein Testament und setzt Margaret als Erbin von Howards End ein. Nun erfährt sie, dass schon Ruth Wilcox ihr das Haus zugedacht hatte.

Zum Text

Aufbau und Stil

Der rund 400 Seiten starke Roman ist in 44 lediglich durch Nummern überschriebene Kapitel gegliedert. Er ist eher traditionell erzählt, der Aufbau folgt im Wesentlichen der Chronologie der Ereignisse, von kleineren Rückblenden und spannungssteigernden Vorgriffen abgesehen. Viel Platz nehmen die Schilderungen verschiedener Landschaften und Räume ein: das englische Land im Kontrast zu London, das Innere von Häusern, aber vor allem die Seelenlandschaften der Hauptfiguren. Deren Darstellung ist das Hauptcharakteristikum und die Stärke des Romans. Die Stimme des Erzählers ist dabei stets präsent, er kommentiert und kontrastiert, scharfsinnig, empathisch und oft ironisch, wobei kein Zweifel daran aufkommt, dass ihm selbst die Lebensauffassung der Schwestern Schlegel viel näher steht als die der wilcoxschen Männer. Souverän eingesetzt ist die Technik der erlebten Rede, mit der – auch unbewusste – Gedanken und Gefühle der Figuren in der dritten Person enthüllt werden.

Interpretationsansätze

  • Das große Thema Forsters, die Überwindung von Schranken zwischen verschiedenartigen Menschen, wird hier am Beispiel zweier gegensätzlicher Familien gestaltet. Die an Geist, Kultur, Freundschaft und Liebe ausgerichtete Lebensauffassung der Schlegels steht dabei für das weibliche, die eher äußerliche, zupackende, materialistische Auffassung der Familie Wilcox für das männliche Prinzip.
  • Die vorherrschende Perspektive ist die weibliche. Der Roman zeichnet sich durch starke Frauencharaktere aus, die differenziert und empathisch geschildert werden. Die wilcoxschen Männer erscheinen dagegen defizitär und seelisch verkümmert. Forster zeigt aber auch, dass das auf geistige und seelische Entfaltung ausgerichtete Leben der Geschwister Schlegel auf dem ererbten Reichtum basiert und ohne arbeitende Menschen nicht möglich wäre.
  • Die Spannung zwischen gesellschaftlicher und persönlicher Moral wird ausgelotet. Insbesondere betont der Roman die enorme Kluft zwischen den moralischen Standards für männliches und für weibliches Sexualverhalten.
  • Der Fall von Leonard Bast zeigt, wie der Versuch, gesellschaftliche Schranken zu überwinden, scheitern kann: Die gut gemeinte Intervention der Schwestern setzt eine Kette von Ereignissen in Gang, die Blast in den Abgrund stürzen und letztlich zu seinem Tod führen – und überdies den Ehrverlust von Helen zur Folge haben.
  • Der Roman ist grundiert von der sich verändernden Welt der Moderne: In London werden alte Häuser abgerissen und größere gebaut, es fahren immer mehr Autos und das Tempo wird immer schneller. Dagegen steht die Zeitlosigkeit des Lebens auf dem Land, das allerdings auch schon durch expandierende Städte bedroht ist.
  • Häuser – und die Frage, wo man zu Hause ist – sind ein wichtiges Motiv. Margaret Schlegel und Ruth Wilcox brauchen die Verwurzelung in einem festen Zuhause, und Howards End steht hier für ein tiefes Heimatgefühl. Für Henry Wilcox dagegen sind Häuser nur Immobilien.

Historischer Hintergrund

Das Viktorianische und das Edwardische Zeitalter

64 Jahre lang, von 1837 bis 1901, regierte in Großbritannien Königin Victoria. Es war eine Zeit großer technologischer und industrieller Fortschritte; die Epoche wurde von den Briten als Goldenes Zeitalter wahrgenommen. Die Wirtschaft florierte, die Bevölkerung wuchs, England war zu einer bedeutenden Kolonialmacht geworden. Die aufstrebende Mittelschicht genoss zunehmenden Wohlstand und nahm sich das Leben des Adels als Vorbild. Die Unterschicht dagegen verarmte. Viele Autoren des 19. Jahrhunderts wiesen in ihren Büchern auf die sozialen Missstände hin.

Mit dem Fortschreiten des Viktorianischen Zeitalters kam es zu sozialen Umbrüchen. So wurde etwa die Klassentrennung aufgeweicht. Unantastbar aber blieb bis ins spätviktorianische Zeitalter die klar definierte Rolle der Frau. Die Frau hatte eine gute Gattin, Mutter und Erzieherin zu sein, gesetzlich war sie ihrem Mann fast völlig unterworfen. Schreibende Frauen waren verpönt. Königin Victoria galt als ungemein prüde und sexualitätsfeindlich, was die gesellschaftliche Moral während ihrer Regierungszeit entscheidend prägte. Das war ein Nährboden für Doppelmoral: Vordergründig zeigte sich die Bevölkerung keusch und sittlich – hinter der Fassade aber wurden ausschweifende Feste gefeiert.

Nach dem Tod von Victoria 1901 bestieg ihr Sohn Edward VII. den Thron. Der Übergang vom Viktorianischen Zeitalter in die sogenannte Edwardische Epoche war fließend. Die Befreiung von alten Konventionen ging voran, das Zeitalter der Moderne begann. Unter anderem bildete sich 1903 eine radikal-bürgerliche Partei, die sich für Frauenrechte einsetzte. Britische Frauen erhielten jedoch erst 1919 ein eingeschränktes und 1928 das uneingeschränkte Wahlrecht.

Entstehung

E. M. Forster schrieb Wiedersehen in Howards End 1909. Es war sein vierter Roman. Einige Figuren und Orte haben Vorbilder aus seinem realen Leben: Das Haus Howards End ist eine Reminiszenz an das Haus in Hertfordshire, in dem Forster von 1883 bis 1893 lebte – auch dort stand eine Bergulme im Garten, in die aus Aberglauben Schweinezähne hineingetrieben worden waren. Der Name der Vorbesitzerfamilie war Howard, womit sich der Name Howards End im Roman erklärt.

Das Haus der Schwestern Schlegel in London ist vom Haus eines Freundes von Forster, des Philosophen Goldsworthy Lowes Dickinson, inspiriert, und die Schwestern Schlegel selbst durch dessen Schwestern. In ihren Gewohnheiten und unorthodoxen Ansichten ähneln die Schlegels außerdem den verwaisten Töchtern des Literaten Leslie Stephen, die nach ihrer Heirat Virginia Woolf und Vanessa Bell hießen und wie Forster dem Intellektuellenzirkel Bloomsbury Group angehörten.

Für die Figur des Leonard Bast griff Forster auf Beobachtungen eines seiner Studenten an der Arbeiteruniversität zurück, wo er als Dozent arbeitete. Das Original hieß Alexander Hepburn und war Drucker von Beruf – wie Leonard Bast war er fest entschlossen, sich zu bilden und dadurch sozial aufzusteigen.

Wirkungsgeschichte

Wiedersehen in Howards End wurde 1910 veröffentlicht. Gleich nach seinem Erscheinen fand der Roman breit gestreute, einhellig positive Beachtung, vielerorts wurde er überschwänglich gelobt. Der Daily Telegraph schrieb über Forster: „Seine Geschichten sind nicht über das Leben. Sie sind das Leben.“ Forster wurde zur literarischen Berühmtheit, er galt nun als einer der wichtigsten englischen Schriftsteller. Diesen Ruf sollte er für den Rest seines Lebens behalten, obwohl er 1924 seinen letzten Roman veröffentlichte und noch bis 1970 lebte. Forster meinte selbst, dass Howards End sein bester Roman und „annähernd ein guter Roman“ sei. Das Buch gilt auch heute allgemein als sein stärkstes, gefolgt von Auf der Suche nach Indien.

1992 wurde Wiedersehen in Howards End von James Ivory verfilmt. Nach Zimmer mit Aussicht und Maurice war es Ivorys dritte Forster-Verfilmung. Emma Thompson erhielt für ihre Darstellung der Margaret Schlegel den Oscar für die beste weibliche Hauptrolle.

Direkt inspiriert von Wiedersehen in Howards End ist der Roman Über die Schönheit (2005) von Zadie Smith, laut der Autorin eine Hommage auf E. M. Forsters Roman. Die Grundkonstellation zweier Familien mit sehr unterschiedlichen Wertesystemen wurde von Forster übernommen.

Über den Autor

Edward Morgan Forster wird am 1. Januar 1879 in London geboren. Da sein Vater früh stirbt, wächst er bei der Mutter auf, die ihn maßlos verhätschelt. Als Muttersöhnchen verspottet, hat der sensible Junge einen schweren Stand bei seinen Mitschülern und flüchtet sich in die Welt der Literatur. Erst als junger Mann und Student der Altphilologie am King’s College in Cambridge schließt Forster erste Freundschaften, die jedoch aufgrund seiner homosexuellen Neigung oft von Missverständnissen getrübt sind. Nach dem Studium bereist er mit der Mutter Italien; die Eindrücke inspirieren ihn zu seinem ersten Roman Engel und Narren (Where Angels Fear to Tread), der 1905 erscheint; weitere Romane folgen und sichern Forster früh literarischen Ruhm und ein leidliches Auskommen. Gemeinsam mit Künstlern und Intellektuellen wie Virginia Woolf oder John Maynard Keynes gehört er dem Gründungszirkel der legendären Bloomsbury Group an. 1907 lernt er den Inder Syed Ross Masood kennen und verliebt sich. Seine Gefühle bleiben unerwidert, dennoch gibt er die Hoffnung nicht auf. 1913 besucht er Masood in Indien. Begeistert von Land und Leuten beginnt er hier seinen Roman Auf der Suche nach Indien (A Passage to India), den er jedoch erst nach einem zweiten Aufenthalt rund zehn Jahre später als Privatsekretär des Maharadscha von Dewas fertigstellt. Es ist Forsters letzter Roman, seine Kreativität scheint versiegt. Fortan betätigt er sich hauptsächlich als Literaturkritiker. Nach wie vor leidet sein Liebesleben unter den Heimlichkeiten, zu denen ihn die Rücksicht auf seine dominante Mutter zwingt. Erst nach ihrem Tod macht er dem Versteckspiel ein Ende und wird schließlich gar zum öffentlichen Fürsprecher der rechtlichen Anerkennung homosexueller Beziehungen. Postum erscheint der homoerotische Roman Maurice (1971), den der ängstliche Forster über ein halbes Jahrhundert lang unter Verschluss gehalten hat. Der Autor stirbt am 7. Juni 1970 in Coventry.

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