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Medea

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Medea

Reclam,

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10 take-aways
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What's inside?

Der grausame Rachefeldzug einer betrogenen Ehefrau.


Literatur­klassiker

  • Tragödie
  • Griechische Antike

Worum es geht

Leidenschaft siegt über Vernunft

Als Euripides 431 v. Chr. seine Tragödie Medea schuf, bediente er sich eines Stoffs aus dem griechischen Mythos. Nachdem Medea ihrem Geliebten Iason, dem sie bei der Jagd nach dem Goldenen Vlies mit ihren Zauberkräften zur Seite stand, nachgefolgt ist, begeht Iason Ehebruch. Die gekränkte Ehefrau rast vor Wut und überlegt, wie sie sich an Iason rächen kann. Mit kühlem Kopf plant sie den Mord an seiner jungen Braut und an deren Vater König Kreon und schreckt selbst vor der Tötung ihrer eigenen Söhne nicht zurück. Euripides zeichnet in seinem Stück, das vom Athener Publikum alles andere als begeistert aufgenommen wurde, das Psychogramm einer verletzten Frau, die dem klassischen weiblichen Rollenbild widerspricht. Statt ihr Leid passiv zu erdulden, rächt Medea sich auf grausame Weise und nimmt sogar eigenen Schmerz in Kauf. Sie erkennt das Unglück, das ihre Tat auslöst, doch ihre Leidenschaft ist stärker als jede rationale Überlegung. Die psychologische Vielschichtigkeit der Hauptfigur, ihre Intelligenz und Leidenschaft erklären, warum Medea seit jeher das Theaterpublikum fasziniert und viele Künstler zu eigenen Werken inspiriert hat.

Take-aways

  • Euripides’ Tragödie Medea ist eines der wirkmächtigsten Stücke der griechischen Antike.
  • Inhalt: Nachdem Medea erfahren hat, dass ihr Mann Iason sie mit einer anderen betrogen hat und diese heiraten will, gibt sie sich zunächst ihrer Wut und Verzweiflung hin. Dann aber plant sie kaltblütig die Ermordung der jungen Braut und tötet anschließend ihre beiden Söhne, um Iason, dem Vater, den größtmöglichen Schmerz zuzufügen.
  • Euripides bediente sich des alten griechischen Mythos von Iason, der Zauberin Medea und dem Goldenen Vlies.
  • Euripides hat den bestehenden Mythos um eine Erklärung für Medeas grausige Idee, die eigenen Kinder zu töten, bereichert, indem er einen kinderlosen König einflocht.
  • Seine Tragödie lässt sich als psychologische Fallstudie eines von einer Leidenschaft (Rache) getriebenen Menschen lesen.
  • Euripides’ Medea widerspricht dem klassischen Rollenbild der passiven Frau.
  • Euripides stand unter dem Einfluss der sophistisch-rhetorischen Tradition seiner Zeit.
  • Von Seneca über Corneille und Grillparzer bis zu Christa Wolf legten Dichter immer neue Versionen des Medea-Stoffs vor.
  • Pier Paolo Pasolinis Verfilmung des Stücks aus dem Jahr 1969 mit Maria Callas in der Hauptrolle erlangte Weltruhm.
  • Zitat: „Und ich erkenne, was zu tun ich im Begriff bin: Übles, / der Trieb ist stärker doch als meine Einsichten, / der ja die Ursache der größten Übel ist für Sterbliche.“

Zusammenfassung

Medeas Zorn

Medeas Amme macht sich Sorgen. Seit Medea weiß, dass ihr Mann Iason sie betrogen hat, leidet sie unter körperlichen Schmerzen, verweigert das Essen und weint ununterbrochen. Aus Liebe zu Iason hat sie damals ihren Vater verraten, den Bruder getötet und ihre Heimat verlassen; aus Liebe zu ihm ist sie nach Korinth gezogen, hat ihn geheiratet und zwei Söhne mit ihm bekommen. Und nun entehrt er sie auf diese Weise! Ihre Verletzung sitzt so tief, dass sie sogar ihre Söhne hasst, die in ihrer kindlichen Unschuld nichts von den Schmerzen der Mutter ahnen. Niemand ist vor Medeas Zorn sicher. Auch der Erzieher der Söhne hat Beunruhigendes gehört: Angeblich plant König Kreon, der Vater von Iasons neuer Braut, Medea und ihre Söhne aus dem Land zu vertreiben.

„Dies nämlich wird zum größten Heil, / wenn eine Frau mit ihrem Mann sich nicht entzweit. / Doch jetzt ist feindlich alles, und es krankt das Liebste.“ (Amme, S. 7)

Die Amme mahnt die beiden Kinder, lieber nicht zur Mutter zu gehen und sich zurückzuziehen. Diese kocht vor Wut, verflucht die Söhne und ihren Vater lautstark und möchte am liebsten sterben. Der Chor würde die Verzweifelte gern trösten und fordert die Amme auf, sie aus dem Haus zu holen, bevor sie sich oder anderen etwas antun könne. Die Amme verspricht, ihr Bestes zu tun, bezweifelt aber, dass Medea sich durch Worte und Musik besänftigen lasse: Gesang und Lieder mögen das Leben zwar verschönern und den Menschen Annehmlichkeiten verschaffen, ihr Leid zu heilen aber vermögen sie leider nicht.

Das Unglück der Frauen

Medea tritt aus dem Haus und spricht zu den Frauen Korinths. Als Fremde, die sich immer anpassen musste, hat sie es in der Stadt besonders schwer. Das Unglück, vom Mann verlassen worden zu sein, hat sie zerstört. Sie hat ihre Lebenslust verloren und möchte nur noch sterben. Das ist das Schicksal vieler Frauen, klagt sie: Sie werden an einen Mann verkauft und müssen ihm körperlich zu Diensten sein. Alles hängt davon ab, ob sie einen guten oder schlechten Mann zugewiesen bekommen, denn ablehnen dürfen sie ihn nicht, und eine Scheidung ruiniert den Ruf. Sie kommen in ein fremdes Haus, müssen sich neuen Gesetzen unterwerfen und mit Mühe lernen, wie sie mit dem Mann umgehen sollen und wie sie es ihm recht machen. Wenn er dann unzufrieden ist, kann er sich außerhalb des Hauses, etwa im Gespräch mit Freunden, Erleichterung verschaffen. Die Frau aber darf nicht aus dem Haus, sie ist einsam und ohne Verwandte in der Fremde, der Mann ist ihre einzige Bezugsperson. Doch Medea hat beschlossen, sich diese Kränkung nicht gefallen zu lassen und sich an ihrem Mann, seiner Braut und seinem neuen Schwiegervater zu rächen. Wenn es um ehelichen Betrug geht, so Medea, kennen auch die sonst so ängstlichen Frauen keine Gnade.

Verfluchung, Verbannung und Eidbruch

Kreon tritt auf und bestätigt, dass er Medea und ihre Söhne des Landes verweist. Auf Medeas Frage nach dem Grund dafür erwidert er, er habe Angst um seine Tochter. Ihm sei zu Ohren gekommen, dass Medea ihrem Mann, seiner neuen Braut und ihm selbst gedroht habe. Zudem sei sie weise und wisse, wie sie ihm schaden könne. Medea beruhigt den König: Ihm werde sie nichts antun, denn er habe ihr auch nichts getan. Sie bittet, weiter in seinem Land wohnen zu dürfen. Doch Kreon traut der jähzornigen Frau nicht und befiehlt ihr, zu schweigen und sofort zu gehen. Medea bittet um Mitleid mit ihren beiden Söhnen und um einen Tag Aufschub, um ihre Dinge zu regeln. Widerwillig gewährt ihr Kreon die Bitte, droht ihnen aber mit dem Tod, falls sie das Land am nächsten Tag nicht verlassen haben.

„Ach, ach / ich litt, bei meiner Geduld, ich litt, was großen / Gestöhnes wert ist. O im Fluch / mögt zugrunde ihr gehen, ihr Söhne abscheulicher Mutter / mit dem Vater, und gänzlich möge verschwinden / das Haus!“ (Medea, S. 12)

Medea frohlockt: Sie hat genug Zeit gewonnen, um ihre Mordpläne auszuführen. Nun überlegt sie, wie sie ihren Mann, dessen Braut und den König umbringen soll. Das Haus anzünden oder hineinschleichen und sie erstechen? Doch wenn sie vor der Tat erwischt werden sollte, würde sie sich zum Gespött ihrer Feinde machen. Besser wäre Gift. Der Chor billigt ihre Taten, denn damit gebe sie dem verletzten Geschlecht der Frauen die Ehre zurück. Medea habe ihre Heimat und ihr Zuhause aufgegeben, sei mit ihrem Ehemann in die Fremde übergesiedelt und soll nun schuldlos und in Schande aus dem Land vertrieben werden ¬– das verstoße gegen göttliches Gesetz.

Streit der Eheleute

Iason hat kein Problem damit, dass Medea ihn öffentlich als den Übelsten aller Männer beschimpft. Doch was Medea über den König sagt, hält er für gefährlich. Dafür habe sie nicht nur die Verbannung, sondern den Tod verdient. Hätte sie bloß schweigend das Recht des Stärkeren erduldet! Sie hätte im Land bleiben, das Haus und ihren Besitz behalten können. Iason selbst hat sich sogar beim König für sie eingesetzt. Doch da sie immer weiter schlecht über das Königshaus geredet habe, müsse sie nun gehen. Trotzdem will Iason ihr helfen und dafür sorgen, dass sie und die Kinder nicht mittellos des Landes verwiesen werden. Denn auch wenn sie ihn verabscheut, denkt er nicht schlecht über sie.

„Denn der, in dem für mich beschlossen alles lag – er weiß es gut –: / Als übelster der Menschen hat er sich herausgestellt – mein Mann!“ (Medea, S. 16)

Dass Iason es wagt, Medea unter die Augen zu treten, ist für sie nur Ausdruck seiner Unverschämtheit. In allen Lagen habe sie zu ihm gehalten, habe für ihn getötet und ihren eigenen Vater und ihre Heimat verraten. Dennoch habe Iason sie verlassen und sich für eine neue Ehefrau entschieden – und das, obwohl sie gemeinsame Kinder haben. Da er den ehelichen Eid gebrochen hat, ist Medeas Vertrauen dahin. Wo soll sie nun hingehen? Zurück in ihr Vaterland, das sie verraten habe, könne sie nicht mehr, und auch in anderen Teilen des Landes habe sie sich Feinde gemacht. Doch auch für ihn, den frisch verheirateten Iason, sei es eine Schande, dass sie als Flüchtling, einsam und allein mit den Kindern, bettelnd umherirren müsse. Medea wünscht sich, die Götter hätten die Männer mit einer Prägung versehen, an der man die schlechten unter ihnen erkennen könnte, so wie man echtes von unechtem Gold unterscheiden kann.

Iasons Rechtfertigung

Iason verteidigt sich: Sein Entschluss, die Königstocher zu heiraten, entspringe nicht körperlichem Begehren oder dem Wunsch nach noch mehr Kindern, sondern sei schlicht vernünftig: Als ehemaliger Flüchtling, den es hierher verschlagen habe, sichere er sich durch die Heirat in die Herrscherfamilie seine Existenz. Auch seine Söhne und sogar Medea selbst würden von dieser Verbindung profitieren. Seine künftigen, mit der Tochter des Herrschers gezeugten Söhne würden sozusagen einen Schutzwall um seine Familie bilden. Medea sei an ihrer Verbannung selbst schuld, denn sie habe das Herrscherhaus öffentlich verflucht. Dennoch erklärt er sich bereit, ihr und den beiden Söhnen zu helfen und ihnen Empfehlungsschreiben mitzugeben, damit sie überall freundlich aufgenommen werden. Doch Medea verzichtet auf seine Gaben und die Gastfreundschaft seiner Freunde. Die Hilfe eines solch üblen Mannes brauche sie nicht. Sie heißt ihn, zu seinem jungen Mädchen zu gehen und den Bräutigam zu spielen.

„Denn nötig wär’s, dass von woanders her die Sterblichen / sich Kinder zeugten, und das weibliche Geschlecht gäb’s nicht; / so gäb’s auch für die Menschen gar nichts Übles.“ (Iason, S. 32)

Trotz Iasons Worte verurteilt der Chor seine Ungerechtigkeit gegenüber Medea und zeigt Mitleid mit ihr. Leidenschaftliche Liebe sei nicht gut für den Menschen, sie beraube ihn der Vernunft, jener schönsten Gabe der Götter. Verbannung sei das Schrecklichste, was einem widerfahren könne. Besser sei es zu sterben, als aus der Bürgergemeinschaft ausgeschlossen und seiner Heimat beraubt zu werden.

Medeas Mord- und Fluchtpläne

Aigeus, der kinderlose König von Athen, der gerade in Korinth weilt, berichtet Medea, was er durch ein göttliches Orakel erfahren hat: Ehe er nicht wieder ins Haus seines Vater käme, würde er keine Kinder haben. Nun will er sich von einem Seher in Korinth einen Ratschlag holen. Medea berichtet Aigeus von ihrem Unglück und fleht ihn an, er möge sie schützen und ihr Asyl gewähren. Die Götter würden ihm dann gewiss seinen Kinderwunsch erfüllen. Sie selbst werde dafür sorgen, dass er Kinder bekommen werde, sie kenne da bestimmte Mittel. Aigeus erklärt sich bereit, sie bei sich aufzunehmen. Aus dem Land herauskommen müsse sie allerdings selbst, denn er will sich nicht der Mithilfe schuldig machen.

„Liebesgluten, die allzu sehr im Übermaß kommen – nicht guten Ruhm / und nicht Tugend geben sie den Menschen.“ (Chor, S. 36)

Nachdem Aigeus einen Eid geleistet hat, sie aufzunehmen und zu schützen, schöpft Medea neue Hoffnung. Sie plant, Iason zu sich zu rufen und so zu tun, als ob sie seine Pläne, sich mit der Herrscherfamilie zu verbinden, gutheißt. Anschließend will sie ihre beiden Söhne mit Geschenken zum Hochzeitspaar schicken. Sie sollen der Braut ein schönes Kleid und goldenen Haarschmuck überbringen – beides hat sie zuvor mit Gift bestrichen. Die Braut werde qualvoll sterben und jeder, der ihr zu Hilfe eile, ebenso. Danach will Medea ihre Söhne töten, um jede Spur von Iasons Familie auszulöschen und nicht den allgemeinen Spott auf sich zu ziehen. Erst dann will sie das Land verlassen. Sie sagt, sie sei weder feige noch schwach, sondern grausam gegen ihre Feinde und gut zu den Freunden. Der Chor rät von dieser Tat ab und zweifelt, ob Medea es über sich bringen werde, ihre eigenen Söhne zu töten. Er fleht sie an, ihre Kinder nicht zu ermorden, und prophezeit ihr Unglück.

Der grausame Rachefeldzug

Vor Iason gibt sich Medea sanft und verständnisvoll. Sie habe Vernunft angenommen, sagt sie. Sie werde ihn in seinem Vorhaben unterstützen und die Braut umsorgen. Sie ruft ihre Söhne herbei und fordert sie auf, sich mit der Geliebten des Vaters zu versöhnen und ihr Geschenke zu bringen, um ihr Wohlwollen zu erhalten. Sie selbst werde das Land verlassen, denn dessen Herrscher sei nicht gut auf sie zu sprechen. Die Söhne allerdings – dafür soll Iason sich bei Kreon und bei seiner Frau einsetzen – sollen bleiben dürfen. Der Chor bedauert die Braut, der ein grausamer Tod bevorstehe, und klagt Iason an, weil er seine Söhne und seine junge Ehefrau durch sein Verhalten ins Verderben geführt habe. Mit Medea, die aus Eifersucht ihre Kinder töten werde, zeigt der Chor Mitgefühl.

„So soll es gehen! Was ist Leben mir für ein Gewinn? Denn weder Vaterland / noch Haus hab ich, noch vor dem Üblen einen Rückzugsort.“ (Medea, S. 45)

Der Erzieher von Medeas Söhnen überbringt ihr freudig die Nachricht, dass für die beiden alles gut ausgegangen sei und die Braut ihre Geschenke angenommen habe. Umso überraschter ist er, Medea in Tränen aufgelöst zu sehen. Sie klagt, dass sie ihre Söhne zurücklassen müsse und dass sie niemals sehen werde, wie sie heranwüchsen und heirateten. Ganz umsonst habe sie die Schmerzen der Geburt erlitten und all die Mühen auf sich genommen, sie großzuziehen. Umsonst habe sie gehofft, die Söhne würden sich um sie kümmern, wenn sie einmal alt sei, und würden sie verhüllen, wenn sie gestorben sei. Ohne die beiden werde sie ein trauriges Leben führen, und auch sie würden ihre Mutter bald nicht mehr ansehen können. Beim Gedanken an das Lächeln der Kinder, ihre Augen und ihre Haut spürt sie ihren Mut schwinden. Warum sollte sie, nur um ihrem Mann Schaden zuzufügen, sich selbst doppelt so großen Schmerz bereiten? Doch dann besinnt sie sich: Ihre Feinde dürfen nicht ungestraft entkommen! Medea erkennt, dass ihre Rachsucht stärker ist als ihre Vernunft. Glücklich sind die Kinderlosen, wirft der Chor ein. Sie wüssten nicht von der Mühsal, Kinder großzuziehen, von der ständigen Sorge, wie man sie satt kriegt und ihr Fortkommen sichert. Und selbst wenn das alles gelinge, wenn sie herangereift seien und aus ihnen etwas Gescheites geworden sei, so könne man doch nie wissen, ob sie nicht vorzeitig sterben würden.

Die mordende Mutter

Ein Bote bringt Medea die Nachricht, Kreon und seine Tochter seien qualvoll an ihrem Gift gestorben, und rät ihr dringend, zu fliehen. Ausführlich schildert er, was passiert ist. Zunächst habe Iasons neue Frau den Kindern die kalte Schulter gezeigt. Dann aber, nachdem Iason sie besänftigt und sie die schönen Geschenke gesehen habe, sei sie wie verwandelt gewesen. Sobald der Vater und die Söhne sich entfernt hätten, habe sie das Kleid angezogen, den Schmuck angelegt und sich eitel betrachtet. Schon nach kurzer Zeit aber habe das Gift gewirkt, sie habe gezittert, sei hingefallen und habe laut geschrien. Der Kopfschmuck habe gebrannt, das Kleid sich in ihr Fleisch gefressen, es sei schrecklich anzusehen gewesen. Als der herbeigeeilte Vater sich auf den Leichnam seiner Tochter gestürzt und ihn geküsst habe, sei er ebenfalls mit dem Gift in Berührung gekommen und elendig gestorben.

„Nicht einer soll für feig und kraftlos halten mich / und nicht für ruheliebend, sondern von entgegenstehnder Art, / beschwerlich Feinden und den Freunden wohlwollend!“ (Medea, S. 46)

Zufrieden über ihre erfolgreiche Rache macht sich Medea schweren Herzens daran, ihre Kinder mit dem Schwert zu töten. Der Chor klagt darüber, welche Übel die Qualen, die Frauen in der Ehe erleiden müssten, der Menschheit schon gebracht hätten. Iason, der in Sorge um seine Söhne herbeigeeilt ist, verrät er die bittere Wahrheit: Medea habe die Kinder ermordet. Unter Schmerzen erkennt Iason seinen Fehler, Medea aus dem Land der Barbaren nach Griechenland geholt und geheiratet zu haben. Eine griechische Frau hätte es niemals gewagt, ihre Familie zugrunde zu richten! Medea sei eine Barbarin, ein Löwin. Medea verteidigt sich: Sie habe den Schmerz, die Sohne zu töten, in Kauf genommen, um ihrem Mann Leid anzutun. Seine Trauer komme zu spät. Jetzt, wo sie tot seien, vermisse er sie, vorher aber sei er bereit gewesen, sie zu verstoßen. Er dürfe sie nicht einmal mehr berühren, Medea werde fortgehen, sie mitnehmen und begraben. Auf einem Wagen ihres Großvaters Helios schwebt Medea davon.

Zum Text

Aufbau und Stil

Euripides’ Medea folgt dem strengen Schema der griechischen Tragödie, die aus Prolog, Episode und Exodus besteht, unterbrochen durch die Chorlieder Parados und Stasimon. Im Prolog von Medea erzählt die Amme die Vorgeschichte und führt in die Handlung ein. Der Parados bezeichnet den Einzug und das Eingangslied des Chors (der bei Euripides zwar in die dramatische Handlung einbezogen wird, aber nicht direkt eingreift), während die Stasimon genannten Chorgesänge die einzelnen Szenen voneinander trennen. Das Geschehen auf der Bühne wird immer wieder – etwa durch Botenberichte – geschickt mit den unsichtbaren, außerhalb der Bühne stattfindenden Ereignissen verschränkt. Sterbeszenen auf der Bühne etwa waren dem attischen Theater fremd. Indem jedoch der Chor die Schreie der Kinder aus dem Innern des Hauses kommentiert, kann das Publikum den Mord sozusagen als akustische Inszenierung nachvollziehen – ein dramentechnischer Kniff, der sich seit Aischylos’ Orestie großer Beliebtheit erfreute. Typisch für die antike Tragödie ist auch der Wechsel von langen Monologen und rhetorisch gesteigerten Streitgesprächen zwischen den Hauptfiguren.

Interpretationsansätze

  • Der Stoff von Euripides’ Medea entstammt dem griechischen Mythos, genauer: der Sage von der Fahrt der Argonauten und dem Kampf um das Goldene Vlies. Die Handlung der Tragödie setzt nach der Flucht Iasons und der Zauberin Medea nach Korinth ein, wo die beiden sich nach zahlreichen bestandenen Abenteuern niedergelassen haben.
  • Medea zählt wie Alkestis, Elektra und Herakles zu den psychologischen Fallstudien des Euripides, die einen Menschen mit einem extrem ausgeprägten Affekt darstellen. Nach Platon können dies die vier Affekte oder Leidenschaften Lust, Leid, Begierde und Furcht sein.
  • Mit seiner Darstellung einer dominanten Frau war Euripides seiner Zeit weit voraus. Medea entspricht nicht dem klassischen Rollenbild der passiven Frau. Sie tritt aus dem Haus und macht ihr Leid öffentlich, sie handelt eigenständig und übt Rache – und überschreitet damit eindeutig die den (Ehe-)Frauen gesetzten Grenzen. Ob in den Dialogen mit Iason, Kreon oder Aigeus – Medea ist den Männern intellektuell und rhetorisch überlegen. So begründet sie den Mord an ihren Kindern damit, sich nicht dem Spott ihrer Feinde ausliefern zu wollen, und übernimmt damit ein in der Antike typisch männlich-heroisches Argumentationsmuster.
  • Euripides’ große Leistung ist es, die Motive des Ehebruchs und des Kindermords, den vielleicht sogar er zum ersten Mal überhaupt erwähnt hat, zu einer psychologischen Studie der Medea zusammenzufügen. Er dichtet dem bestehenden Mythos z. B. die entscheidende Begegnung mit König Aigeus hinzu, der über Kinderlosigkeit klagt, und Medea auf den Gedanken bringt, die eigenen Kinder zu ermorden. Mit der Tötung seines Nachwuchses löscht sie Iason biologisch wie gesellschaftlich aus und fügt ihm mehr Schaden zu, als wenn sie ihn selbst tötet.
  • Euripides thematisiert in der rhetorisch-sophistischen Denktradition die Frage nach dem Wert der Vernunft für das menschliche Handeln. Der Dialog zwischen Iason und Medea ist ein rhetorischer Wettstreit. Iasons sophistischer Versuch, seine Untreue als nützlich und vernünftig darzustellen, entlarvt Medea als reine Schönfärberei.
  • Der lange Monolog, in dem Medeas mörderische Absichten mit ihren mütterlichen Gefühlen im Widerstreit stehen, ist der Höhepunkt des Stücks. Sie erkennt, welche Schmerzen sie sich selbst durch die Rache zufügt. Doch trotz ihrer Intellektualität und planerischen Kühle siegt die Leidenschaft über die Vernunft.

Historischer Hintergrund

Die sophistische Aufklärung und das attische Bürgertheater

Hatten sich die Vorsokratiker vorwiegend mit naturphilosophischen Fragen beschäftigt, so rückten im Griechenland des fünften Jahrhunderts v. Chr. Probleme des menschlichen Zusammenlebens in den Mittelpunkt philosophischer Betrachtungen. In der von gesellschaftspolitischen Umbrüchen bewegten Zeit zwischen Perserkriegen und Peloponnesischem Krieg, in der sich die attische Demokratie herausbildete, bestand ein hoher Bedarf an geistiger Orientierung. Die Philosophie eroberte die Marktplätze, wo öffentlich über lebenspraktische Fragen diskutiert wurde. Die ab Mitte des fünften Jahrhunderts auftretenden Sophisten, darunter Protagoras, Prodikos und Gorgias, lehnten vorgefertigte Wahrheiten ab, stellten Tradition und althergebrachte Sitten ebenso infrage wie die Götterwelt und sahen sich selbst als Vermittler von Weisheit. Sie zogen von Polis zu Polis, unterrichteten die Jugend u. a. in Rhetorik, in ihren Augen die höchste menschliche Kunst, und gaben die Anregung, über alle individuellen und sozialen Dinge kritisch zu reflektieren.

Die griechische Tragödie des fünften Jahrhunderts wurde im demokratischen Athen geboren, das mit seinen politischen und gesellschaftlichen Institutionen ein überaus fruchtbarer Nährboden für die Dramenproduktion war. Vom ersten Auftritt des Aischylos im Jahr 499 v. Chr. an entstanden in weniger als einem Jahrhundert knapp 1000 Tragödien und rund 500 Komödien, von denen die wenigsten heute noch erhalten sind. Der Agon, ein in feierliche Prozessionen zu Ehren des Dionysos eingebetteter Theaterwettstreit, erfreute sich unter den Athenern großer Beliebtheit. Das Publikum bestand vorwiegend aus den freien Bürgern der Polis, aber auch Kinder, Frauen und Sklaven nahmen – wenn auch in geringer Anzahl – daran teil. Im Theater vergewisserten sich die Bewohner der Polis ihrer eigenen Identität als Bürger, hier konnten sich die Zuschauer als gleichberechtigte Mitglieder einer Gemeinschaft fühlen. In diesem Sinn war das Theater mit seinen vielfältigen Zeremonien und Ritualen, an denen sich viele Bürger aktiv beteiligten, durchaus eine politische Veranstaltung. Die Tragödie forderte die Zuschauer auf, anhand des dargestellten tragischen Geschehens ihr eigenes politisches Denken und Handeln zu reflektieren.

Entstehung

Die Dichter im antiken Griechenland entwarfen ihre Stücke nicht nach Lust und Laune. Sie mussten sich an einem komplizierten Regelsystem ausrichten. Zu Beginn des attischen Jahres, also im Spätsommer, wählte der Archon Eponymos, eine Art höchster Beamter, unter den sich bewerbenden Dichtern drei Tragödien- und fünf Komödiendichter aus. Ihre Stücke wurden für die Aufführung im folgenden Frühjahr zugelassen. Die Komödiendichter mussten je eine Komödie, die Tragödiendichter dagegen eine Tetralogie, bestehend aus einer Trilogie von Tragödien und zusätzlich einem Satyrspiel, anfertigen. Zudem bestimmte der Archon die Privatleute, die die Kosten der Theaterproduktion und -aufführung übernahmen – eine ehrenvolle Aufgabe, die auch politischen Einfluss gewährte. Nach rituellen Vorbereitungen und einer feierlichen Prozession fand die Aufführung der Stücke dann im Athener Dionysostheater anlässlich der Festtage zu Ehren des Gottes Dionysos, dem eigentlichen Gott der demokratischen Polis, im März und April statt. Nach den Komödien- und Tragödienaufführungen wurden in einem komplizierten Verfahren der Sieger und die weiteren Platzierungen ermittelt.

Wirkungsgeschichte

Mit seiner Tetralogie (bestehend u. a. aus Medea und dem nicht überlieferten Philoktet) belegte Euripides 431 v. Chr. lediglich den dritten und damit den letzten Platz. Vor dem Publikum war seine Medea also – wie übrigens viele seiner Tragödien – in der Uraufführung durchgefallen. Schon bald nach dem Tod des Autors setzte aber die weitläufige Rezeptionsgeschichte der Medea ein, die in der Literatur und im Theater, in Musik, Film und Malerei enormen Widerhall fand. Schon Aristoteles, der in seiner Poetik niemanden sonst so häufig erwähnt wie Euripides, nannte diesen den „tragischsten aller Dichter“, der in besonderem Maß „Furcht und Mitleid“ beim Publikum zu erregen wisse. An der Medea allerdings kritisierte er, dass die Lösung des Dramas sich am Ende nicht aus sich selbst, sondern nur mittels eines Kunstgriffs (Medeas Flucht auf dem Sonnenwagen) ergebe. Im ersten Jahrhundert n. Chr. verfasste Seneca eine lateinische Version der Medea, weitere Dramen in Anlehnung an Euripides’ Stück schrieben etwa Pierre Corneille, Franz Grillparzer und Friedrich Maximilian Klinger. Im 20. Jahrhundert wurde Medea in der deutschsprachigen Literatur durch Hans Henny Jahn, Heiner Müller und Christa Wolf wiederbelebt.

Viele Maler verarbeiteten das Motiv der Kindsmörderin Medea, darunter am prominentesten Eugène Delacroix und Anselm Feuerbach. Unter den zahlreichen musikalischen Bearbeitungen von Euripides’ Medea-Stoff ragt bis heute Luigi Cherubinis Oper aus dem Jahr 1797 heraus. Berühmt wurde auch Pier Paolo Pasolinis Film Medea von 1969 mit Maria Callas in der Hauptrolle. 1988 verfilmte der dänische Regisseur Lars von Trier das Stück.

Über den Autor

Euripides zählt neben Aischylos und Sophokles zu den drei großen Tragödiendichtern der griechischen Antike. Über sein Leben sind nur wenige Details bekannt. Die spärlichen biografischen Informationen, die uns heute noch vorliegen, verdanken wir zum Teil den Komödien des Aristophanes, der sich in seinen Stücken über den etwas älteren Zeitgenossen lustig machte. Euripides wird um 480 v. Chr. als Sohn eines Gutsbesitzers geboren und verbringt seine Jugend auf der Insel Salamis, auf der das Landgut seiner Eltern liegt. Der Überlieferung zufolge verfasst er hier in einer Höhle seine Dichtungen. Seine Ausbildung absolviert Euripides in Athen. Hier trifft er auf die berühmten Denker seiner Zeit: Anaxagoras, Archelaos und auch Sokrates zählen angeblich zu seinen Lehrern. Zunächst studiert Euripides auf Wunsch des Vaters Gymnastik, um sich dann der Tragödiendichtung zuzuwenden. Im Gegensatz zu seinen Kollegen Sophokles und Aischylos gilt Euripides als ungeselliger Einzelgänger, der sich aus den politischen und militärischen Fragen der Stadt heraushält. Er heiratet zweimal und wird Vater von drei Kindern. Euripides verfasst etwa 90 Dramen, von denen jedoch nur 19 überliefert sind. Bei vier Dramen ist unklar, ob sie von ihm selbst oder von Euripides dem Jüngeren (seinem Sohn oder Neffen) stammen. Seine bekanntesten Werke sind die Bakchen, Elektra, Iphigenie in Aulis, Iphigenie bei den Taurern und Medea. Euripides nimmt regelmäßig am Wettbewerb der Dichter teil, gewinnt aber nur vier Mal. Der mangelnde Erfolg ist wohl einer der Gründe, warum Euripides im hohen Alter einen Neuanfang wagt: Ab 408 v. Chr. wendet er Athen den Rücken, um sich in Pella am Hof des makedonischen Königs Archelaos niederzulassen. 406 v. Chr. stirbt Euripides.

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    h. b. vor 5 Jahren
    Heiner Müller, Das Eiserne Kreuz, 1956

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